Rauter, Hanns
- Lebensdaten
- 1895 – 1949
- Geburtsort
- Klagenfurt
- Sterbeort
- Scheveningen bei Den Haag
- Beruf/Funktion
- Höherer SS- und Polizeiführer ; General der Waffen-SS
- Konfession
- römisch-katholisch (bis 1936), später „gottgläubig“
- Normdaten
- GND: 119317524 | OGND | VIAF: 122116588
- Namensvarianten
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- Johann Baptist Albin Rauter
- Rauter, Hanns
- Johann Baptist Albin Rauter
- Rauter, Hans Albin
- Rauter, Hanns Baptist
- Rauter, Johann Baptist Albin
- Rauther, Hanns
- Johann Baptist Albin Rauther
- Rauther, Hans Albin
- Rauther, Hanns Baptist
- Rauther, Johann Baptist Albin
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Personen im NDB Artikel
- Adolf Hitler (1889–1945)
- Albert Hilscher (1892–1964)
- Arthur Seyß-Inquart (1892–1946)
- Engelbert Dollfuß (1892–1934)
- Erich von dem Bach-Zelewski (1899–1972)
- Heinrich Himmler (1900–1945)
- Hermann Reschny (1898–1971)
- Max Porsche
- Reinhard Heydrich (1904–1942)
- Theodor Habicht (1898–1944)
- Walter Pfrimer (1881–1968)
Orte
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Rauter, Hanns (eigentlich Johann Baptist Albin Rauter)
1895 – 1949
Höherer SS- und Polizeiführer, General der Waffen-SS
Als führender Aktivist alldeutsch und antisemitisch orientierter Organisationen Kärntens und der Steiermark floh Hanns Rauter 1933 in das nationalsozialistische Deutschland und machte seit 1935 Karriere in der SS. Von 1940 bis 1945 Höherer SS- und Polizeiführer und Generalkommissar für das Sicherheitswesen in den besetzten Niederlanden, verantwortete er u. a. die Deportation von über 100 000 niederländischen Juden und Jüdinnen in NS-Vernichtungslager. Nach 1945 wurde er an die Niederlande ausgeliefert, zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Lebensdaten
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Autor/in
→Johannes Koll (Wien)
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Zitierweise
Koll, Johannes, „Rauter, Hanns“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/119317524.html#dbocontent
In Kärnten und der Steiermark aufgewachsen, begann Rauter nach der Matura 1912 ein Ingenieursstudium an der TH Graz, wo er der schlagenden Verbindung Joannea beitrat. Er unterbrach das Studium im Februar 1915, um als Einjährig-Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teilzunehmen. Rauter wurde in einem Gebirgsschützenregiment an der Italienfront und auf dem Balkan eingesetzt, mehrmals verwundet und erlebte das Kriegsende im Rang eines Oberleutnants. 1921 brach er sein Studium ohne Abschluss ab. Nach dem Ersten Weltkrieg trat Rauter mehreren paramilitärisch, völkisch und antikommunistisch orientierten Organisationen bei, u. a. dem Freikorps Oberland, für das er 1921 bei der Bekämpfung propolnischer Aufstände in Oberschlesien eingesetzt war, und dem Steirischen Heimatschutz in Graz, dessen Stabsführer er bis 1933 war.
Seit 1930 Bundesstabschef der Österreichischen Heimwehr, nahm Rauter im September 1931 an dem von Walter Pfrimer (1881–1968) angeführten Putschversuch teil, der das Ziel verfolgte, in Österreich ein autoritäres Staatswesen zu etablieren. Nach dessen Scheitern wurde Rauter verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt, im Dezember 1931 von einem Geschworenengericht in Graz aber freigesprochen. In dieser Zeit näherte er sich dem Nationalsozialismus an. Im April 1933 schloss er mit Theodor Habicht (1898–1944) und Hermann Reschny (1898–1971) ein „Kampfbündnis“, mit dem die organisatorische Vereinigung von Steirischem Heimatschutz, NSDAP und SA vorbereitet wurde. Obgleich österreichischer Staatsbürger, legte Rauter am 1. Mai 1933 in der Berliner Reichskanzlei einen Eid auf Adolf Hitler (1889–1945) ab, dem er seit 1921 mehrmals persönlich begegnet war, und wurde im November 1933 im Rang eines Obersturmbannführers in die SA aufgenommen.
Als dem Steirischen Heimatschutz und allen NS-Organisationen im Juni 1933 jede Betätigung in Österreich untersagt wurde, setzte sich Rauter nach Deutschland ab, von wo aus er als Leiter des „Kampfrings der Deutsch-Österreicher im Reich“ und Stabschef der Landesleitung der österreichischen NSDAP in München und Berlin an der Vorbereitung des „Anschlusses“ von Österreich an NS-Deutschland mitwirkte. In den gescheiterten nationalsozialistischen Putsch in Österreich vom 25. Juli 1934, bei dem Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (1892–1934) ermordet wurde, war er involviert.
Seit Februar 1935 Mitglied der SS, schlug Rauter nach dem „Anschluss“ Österreichs den ihm von Reinhard Heydrich (1904–1942) angebotenen Posten als Direktor bei der Wiener Polizei aus. Auch Heydrichs Vorschlag vom Januar 1939, ihn zum Polizeipräsidenten von Wien zu machen, wurde nicht umgesetzt. Im Oktober 1938 wurde Rauter stattdessen Stabsführer im SS-Oberabschnitt Südost in Breslau, wo er – einem Schreiben des Höheren SS- und Polizeiführers Erich von dem Bach-Zelewski (1899–1972) zufolge – direkt nach seinem Dienstantritt großen Anteil an der „reibungslosen Durchführung“ der antisemitischen Gewaltmaßnahmen im Rahmen der Reichspogromnacht vom 9. November hatte.
Nach Beginn des Westfeldzugs wurde Rauter 1940 von Heinrich Himmler (1900–1945) zum Höheren SS- und Polizeiführer Nordwest sowie von Reichskommissar Arthur Seyß-Inquart (1892–1946) zum Generalkommissar für das Sicherheitswesen in den besetzten Niederlanden bestellt. In diesen Funktionen beaufsichtigte er alle Einheiten von SS, Waffen-SS und deutscher wie niederländischer Polizei und hatte zugleich das polizeiliche Verordnungsrecht inne. Er war maßgeblich verantwortlich für die Repression des Widerstands in den Niederlanden und die Inhaftierung mehrerer tausend Niederländer und Niederländerinnen, von denen allein unter den nicht-jüdischen Personen mehr als 6000 Menschen ermordet wurden.
Rauter trug zudem die operative Verantwortung für die Deportation von über 107 000 Jüdinnen und Juden sowie von 240 Sinti und Roma aus den Niederlanden in NS-Vernichtungslager, von denen nur rund 5000 Menschen überlebten. Auch für die Ergreifung von über einer halben Million Niederländer und Niederländerinnen zur Zwangsarbeit war er mitverantwortlich, wobei allein unter den nach Deutschland Deportierten etwa 30 000 Menschen ums Leben kamen. Unter seiner Ägide wurden über 25 000 niederländische Bürger für SS und Waffen-SS rekrutiert und mehrere tausend kollaborationsbereite Niederländer für die Bildung paramilitärischer Einheiten und für die Ansiedlung im deutsch besetzten Osteuropa gewonnen, die entweder direkt Rauters Sicherheitsapparat unterstellt waren oder dem SS- und Polizeigericht unterstanden. 1943 zum SS-Obergruppenführer und General der Polizei befördert, wurde Rauter im selben Jahr von Seyß-Inquart mit Maßnahmen zur militärischen Sicherung gegen die Alliierten betraut, was die Bildung einer von Rauter kommandierten und nach ihm benannten „Kampfgruppe“ einschloss, die unter der Heeresgruppe B der Wehrmacht operierte.
Nach einem Attentat des niederländischen Widerstands vom 6. März 1945, das er schwer verletzt überlebte, wurde Rauter im Mai 1945 verhaftet, in Lübeck und Neumünster inhaftiert, kurz darauf in das britische Internierungslager Gadeland überstellt und anschließend in das ehemalige SS-Lazarett in Ratzeburg bei Lübeck verbracht. Am 6. Februar 1946 an die Niederlande ausgeliefert, wurde Rauter von einem Sondergericht in Den Haag am 4. Mai 1948 zum Tod verurteilt und nach erfolglosen Gnadengesuchen am 25. März 1949 an einer Hinrichtungsstätte in den Dünen von Scheveningen erschossen, auf der sein Sicherheitsapparat bis 1945 zahlreiche Exekutionen durchgeführt hatte.
1912–ca. 1923 | Mitglied im Akademischen Corps Joannea (Graz) |
vor 1919 | Militärverdienstkreuz III. Klasse |
vor 1919 | Kaiser-Karl-Truppenkreuz |
1918 | Silberne Tapferkeitsmedaille I. Klasse |
1918 | Goldenes Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille |
1919 | Kärntner Kreuz für Tapferkeit |
1921 | Schlesisches Bewährungsabzeichen (Adlerorden) |
1935 | SS-Totenkopfring |
Ehrendegen des Reichsführers-SS | |
1942 | Kriegsverdienstkreuz I. Klasse |
1944 | Eisernes Kreuz II. Klasse |
1944 | Eisernes Kreuz I. Klasse |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 9361-III/549370 u. 159042. (Bestand BDC)
NIOD Instituut voor Oorlogs-, Holocaust- en Genocidestudies (Amsterdam), Bestand 077 (Generalkommissariat für das Sicherheitswesen, Höherer SS- und Polizeiführer Nord-West); Bestand 283 (Collectie gespreksverslagen, 1.: H.A. Rauter); Bestand 286 (Collectie proces Rauter); Bestand KB I (Knipselcollectie personen, Nr. 5 639–5 644).
Gedruckte Quellen:
E[rnst] Kienast (Hg.), Der Großdeutsche Reichstag 1938. Nachtrag, 1939, S. 48 f.
The United Nations War Crimes Commission (Hg.), Law Reports of Trials of War Criminals, Bd. 14, 1949, Fall 88: Trial of Hans Albin Rauter.
Rijksinstituut voor Oorlogsdocumentatie (Hg.), Het Proces Rauter, 1952.
Nanno Klaas Charles Arie In ’t Veld (Hg.), De SS en Nederland. Documenten uit SS-archieven 1935–1945, 2 Bde., 1976. (Bd. 1: Onlineressource; Bd. 2: Onlineressource)
SS-Obergruppenfuehrer Hanns Rauter, Hoeherer SS- und Polizeifuehrer in Holland 1940-45. Verantwortlich fuer die Deportierung der Juden Hollands in die KZ und Vernichtungslager. Eine dokumentarische Sammlung von SS-Dokumenten, bearb. v. Tuviah Friedman, hg. v. Institute of Documentation in Israel for the Investigation of Nazi War Crimes (Haifa), 1995.
Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Bd. 5, bearb. v. Katja Happe/Maja Peers/Michael Mayer, 2013.
Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Bd. 12, bearb. v. Katja Happe/Barbara Lambauer/Clemens Maier-Wolthausen, 2015.
Wesen und Geschichte der niederländischen Polizei, in: Die Niederlande im Umbruch der Zeiten. Alte und neue Beziehungen zum Reich. Im Auftrag des Reichskommissars für die besetzten niederländischen Gebiete Reichsminister Dr. Seyss-Inquart, hg. u. bearb. v. Dr. Max Freiherr Du Prel unter Mitwirkung v. Willi Janke, 1941, S. 107–120.
Monografien:
Theo Gerritse, De ploert Hanns Albin Rauter en de correcte ambtenaar Wilhelm Harster. De opmerkelijke rechspleging tegen twee SS-kopstukken, 2006.
Andreas Schrabauer, Anfänge der Repression und Judenverfolgung in den Niederlanden (1940–1941). Hanns Rauter und der „Donauklub“ im Besatzungsapparat, 2012. (ungedr. Diplomarbeit, Universität Wien)
Johannes Koll, Arthur Seyß-Inquart und die deutsche Besatzungspolitik in den Niederlanden (1940–1945), 2015.
Theo Gerritse, Rauter. Himmlers vuist in Nederland, 2018. (Onlineressource)
Aufsätze und Artikel:
Nanno Klaas Charles Arie In ’t Veld, Inleiding, in: ders. (Hg.), De SS en Nederland. Documenten uit SS-archieven 1935–1945, Bd. 1, 1976, S. 98–145.
Ch[ristoph] Tepperberg, Art. „Rauter, Johann Bapt. (Hanns) Albin“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 8, 1983, S. 444 f. (Onlineressource)
Ruth Bettina Birn, Die Höheren SS- und Polizeiführer. Himmlers Vertreter im Reich und in den besetzten Gebieten, 1986, S. 206–216.
Ruth Bettina Birn, Hanns Rauter. Höherer SS- und Polizeiführer in den Niederlanden, in: Smelser, Ronald/Enrico Syring (Hg.), Die SS. Elite unter dem Totenkopf. Dreißig Lebensläufe, 2000, S. 408–417.
Hermann Weiß, Art. „Rauter, Hans“ [sic], in: ders. (Hg.), Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, 2002, S. 367 f.
Adolf Emile Cohen, Rauters positie en bevoegdheden, in: Johan C. H. Blom (Hg.), A. E. Cohen als geschiedschrijver van zijn tijd, 2005, S. 195–207.
Wolfgang Graf, Österreichische SS-Generäle. Himmlers verlässliche Vasallen, 2012, S. 78 f. u. 241–244.
Andreas Schrabauer, „… die österreichische Invasion“. Zur Beteiligung des „Donauklubs“ an der Beraubung, Verfolgung und Ermordung der Jüdinnen und Juden im Reichskommissariat Niederlande, in: Täter. Österreichische Akteure im Nationalsozialismus, hg. v. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, 2014, S. 195–218. (Onlineressource)
Hans Schafranek, Biografien steirischer NS-Akteure, in: ders./Herbert Blatnik (Hg.), Vom NS-Verbot zum „Anschluss“. Steirische Nationalsozialisten 1933–1938, 2015, S. 512–519.
United States Holocaust Memorial Museum. (Filmaufnahmen Rauters aus den Jahren 1944 und 1948)
Fotografie, Rauter mit Walter Pfrimer (1881–1968) und Ernst-Rüdiger Starhemberg (1899–1956) v. Albert Hilscher (1892–1964), 1931, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv Austria, Sign. H 640/1.
Fotografie, Rauter mit Walter Pfrimer (1881–1968) v. Albert Hilscher (1892–1964), 1931, Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv Austria, Sign. H 640/4.
Fotografie, ca. 1935, Wienbibliothek im Rathaus (Wien), Wide World Photos, Sign. TF-008 505.
Fotografie, ca. 1938, Abbildung in: Der Großdeutsche Reichstag 1938. Nachtrag, hg. v. E. Kienast, 1939, S. 51. (Onlineressource)
Fotografien, Beeldbank WO2. (Onlineressource)
Fotografien, Nationaal Archief (Den Haag), Fotocollectie.