Lortz, Joseph
- Lebensdaten
- 1887 – 1975
- Geburtsort
- Grevenmacher (Luxemburg)
- Sterbeort
- Luxemburg
- Beruf/Funktion
- katholischer Kirchenhistoriker ; Katholischer Theologe ; Kirchenhistoriker ; Hochschullehrer ; Priester
- Konfession
- katholisch
- Normdaten
- GND: 118729136 | OGND | VIAF: 51728589
- Namensvarianten
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- Lortz, Joseph
- Lortz, Joseph Adam
- Lortc, Jozef
- Lortz, Josef
- Lortz, Joseph A.
- Lortc, Jozeph
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Lortz, Joseph
katholischer Kirchenhistoriker, * 13.12.1887 Grevenmacher (Luxemburg), † 21.2.1975 Luxemburg.
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Genealogie
V →Joseph (1844–92), Kaufm. in G., S d. Joh. Adam in Ehnen (Luxemburg) u. d. Theresia Honoré;
M Elisabeth, T d. Heinrich Gruber in G. u. d. Elisabeth Harsch. -
Biographie
Nach dem Besuch des Willibrords-Kollegs in Echternach (1901–07) studierte L. in Rom Philosophie und Theologie und wurde dort 1910 zum Dr. phil. promoviert. Bei →P. Mandonnet und →J. P. Kirsch erwarb er in Freiburg (Schweiz) den Magistergrad der Theologie, wurde 1913 zum Priester geweiht und studierte bis zu seiner theol. Promotion 1920 in Bonn bei →A. Ehrhard, →F. Tillmann und →J. Greving. 1923 habilitierte er sich in Würzburg bei →S. Merkle, der großen EinfluB auf ihn ausübte. Seit 1917 Sekretär des Corpus Catholicorum, vertiefte er sich nun immer mehr in das Studium der Reformation. 1929 wurde er Professor für Kirchengeschichte an der Akademie in Braunsberg (Ostpreußen) und 1935 in Münster, wo er zum Freundeskreis →Galens gehörte. 1933 zählte er mit →M. Schmaus zu den bedeutendsten deutschen Theologen, die die Auffassung vertraten, das Christentum könne und müsse den Nationalsozialismus unterlaufen. So schrieb er 1933 die Broschüre „Kath. Zugang zum Nationalsozialismus“, die an die Zusicherung →Hitlers vor dem Reichstag anknüpfte, die beiden christlichen Konfessionen zur Grundlage seiner Kirchenpolitik zu machen. Schon 1934 aber vollzog er einen Kurswechsel und verteidigte die Indizierung von →A. Rosenbergs „Mythus des 20. Jahrhunderts“. Im selben Jahr registrierte der Chef des Sicherheitsamtes der SS, L. arbeite auf eine gemeinsame Frontstellung von Katholiken und Protestanten gegen den Nationalsozialismus hin. Seit 1929 erschien seine „Geschichte der Kirche in ideengeschichtlicher Betrachtung“ (22/231963/65, engl., franz., japan., ital. u. span. Überss.) und seit 1939 seine dem Ökumenismus Bahn brechende Geschichte der „Reformation in Deutschland“ (⁴1962), die erst nach großen Schwierigkeiten seitens der Kurie erscheinen konnte. 1950 wurde L. Professor für abendländische Religionsgeschichte in Mainz und Direktor an dem von ihm mitbegründeten Institut für Europ. Geschichte. Seine theol. Ehrenpromotion 1970 in Innsbruck signalisierte, daß seine Erkenntnisse sich nach dem Vaticanum II durchsetzten.
L.s überragende wissenschaftliche Bedeutung beruht vor allem in seiner fundamentalen Neubewertung der Reformation. Erstmals wurde hier auf kath. Seite klar ausgesprochen, daß die Reformation „geschichtlich notwendig“ geworden war. Die Kirche am Vorabend der Reformation sah L. gekennzeichnet durch Mißstände, Unklarheiten in der Lehre und Mangel an religiöser Kraft. Diese religiöse Kraft fand er in →Luther, der in ernsthaftem Ringen vor Gott aus der Kirche hinausgedrängt worden sei. So steht besonders der „kath. Luther“, der in seiner dogmatischen Gebundenheit relativistischen Strömungen der Gegenwart in Katholizismus und Protestantismus entgegengehalten wird, im Mittelpunkt des L.schen Denkens. Vor allem Luthers Einstellung zu den Sakramenten wird als wegweisend für den Dialog in der Gegenwart gesehen.
Bei aller Betonung der historisch-kritischen Methode sah L. in der Kirchengeschichte eine eigentlich theol. Disziplin. Er begnügte sich nicht mit einem Nebeneinander der Fakten, sondern suchte den geschichtlichen Ablauf in einem Miteinander von menschlicher und göttlicher Wirklichkeit, von Natur und Gnade, von Welt- und Heilsgeschichte als ein Ganzes zu erfassen, das auf eine noch ausstehende Erfüllung offen bleibt. Diese Geschichtstheologie verband er mit der Forderung nach einer Besinnung auf das eigentlich Christliche als Voraussetzung für jeden Ökumenismus. In den letzten Jahren trat er daher gegen Reformbestrebungen auf, die die Probleme des Miteinanderlebens der Konfessionen durch eine hermeneutische Deutung der dogmatischen Differenzen lösen wollten. In seinem ökumenischen Denken der Kirchenleitung und dem Zeitgeist weit voraus, hat er maßgeblich zur Überwindung des Gegensatzes zwischen den christlichen Konfessionen beigetragen, ohne dabei den|traditionellen Interpretationsrahmen genuin christlichen Denkens zu verlassen.
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Werke
Weitere W u. a. Vernunft u. Offenbarung b. Tertullian, in: Der Katholik 1913, S. 124-40;
Die Leipziger Disputation 1519, in: Bonner Zs. f. Theol. u. Seelsorge 3, 1926, S. 12-37;
Tertullian als Apologet, 2 Bde., 1927 f.;
Kardinal →Stanislaus Hosius, 1931;
Kirchengeschichtl. Grundzüge d. Neuzeit in ideengeschichtl. Betrachtung, in: Zs. f. d. kath. Rel.unterricht an höheren Schulen, 1931, S. 6-26;
Methodologisches z. Kritik in d. KG, ebd., 1933, S. 105-20;
Um Luther, ebd., S. 193-207;
Kath. Zugang z. Nationalsozialismus, kirchengeschichtl. gesehen, 1933, ²1934;
Katholisch u. doch nationalsozialistisch, in: Germania v. 28.1.1934;
Unser Kampf um d. Reich, ebd. v. 6.5.1934;
Zum Menschenbild Luthers, in: Das Bild v. Menschen, Festschr. f. F. Tillmann, 1934, S. 58-68;
Thesen z. Handreichung b. ökumen. Gesprächen, 1941, ³1945;
Die Ref. als rel. Anliegen heute, 1948;
Wie kam es z. Ref.?, 1950, ²1955;
Erasmus - kirchengeschichtl., in: Aus Theol. u. Philos., F. Tillmann z. 75. Geb.-tag, 1950, S. 271-326;
Zur Problematik d. kirchl. Mißstände im SpätMA, In memorian S. Merkle, 1950;
Um d. Konzil v. Trient, Zu Jedin, Gesch. d. Konzils v. Trient, in: Theol. Revue 47, 1951, Sp. 157-70;
Die Lehre v. Trient, in: Wort u. Wahrheit 8, 1951, S. 605-09;
Nochmals: Zur Aufgabe d. KGschreibers, in: Trierer theolog. Zs. 61, 1952, S. 317-27;
Luthers Vorlesung üb. d. Römerbrief, ebd. 71, 1962;
Der unvergleichl. Heilige, Gedanken um Franz v. Assisi, 1952, ²1976 (franz. u. ital. Übers.);
Rel.gesch. u. abendländ. Einheit, in: Drei Reden z. Eröffnung d. Inst. f. Europ. Gesch., 1953, S. 15-60;
Bonifatius u. d. Grundlegung d. Abendlandes, 1954;
Bonifatius, in: Die Gr. Deutschen, 1957;
Europa u. d. Christentum, 1959;
Einheit d. Christenheit, Unfehlbarkeit u. lebendige Aussage, 1959;
Tradition im Umbruch, 1959;
Mein Umweg z. Gesch., 1960;
Um d. Zielsetzung d. Konzils v. Trient, in: Festschr. Bischof Stohr, 1960;
Von d. Ursachen d. christl. Spaltung u. d. rechten Art davon zu sprechen, 1961;
Sebastian Merkle, Vorträge u. Aufsätze, 1964, S. 1-38;
Zum Kirchendenken d. jungen Luther, in: Wahrheit u. Verkündigung, Festschr. f. M. Schmaus, 1967, S. 947-86;
Luthers Bedeutung f. d. kath. Kirche, in: Wirkungen d. dt. Ref. bis 1555, 1967, S. 101-13;
Reformatorisch u. kath. beim jungen Luther, in: Humanitas Christianitas, W. v. Loewenich-Festschr., 1968, S. 47-62;
Das sakramentale Denken b. jungen Luther, in: Lutherjb. 1969;
Kleine Ref.-gesch., 1969 (mit E. Iserloh);
Holland in Not, 1970, ²1971;
Una Sancta, H. Asmussen z. Gedenken, 1970;
→Martin Luther, Gedanken z. 450 J.feier in Worms, 1971;
Luther u. wir Katholiken heute, in: W. Baum (Hrsg.): Kirche u. Staat in Idee u. Gesch. d. Abendlandes, Festschr. z. 70. Geb.tag v. F. Maaß, 1973, S. 166-91;
Ökumenismus ohne Wahrheit?, 1975. -
Hrsg.: Vorreformator. Stud., 1919 ff.;
Veröff. d. Inst. f. Europ. Gesch., Abt. f. abendländ. Rel.gesch., 1952 ff.;
Bernhard v. Clairvaux, Traktate, T. 1: An Abt. Hugo üb. d. Taufe, 1953. -
Literatur
E. Iserloh, in: Theol. Revue 53, 1957, S. 274 f.;
ders., Wegbereiter e. neuen Ref.verständnisses, in: Kath. Nachrr. Agentur Nr. 33 v. 20.11.1972, S. 1 f.;
P. Manns, Lutherforschung heute, 1967;
W. Baum, in: Academia 65, 1972, S. 113-15 (P);
ders., in: Kontestation, Zs. d. theol. Fak. Innsbruck, Nr. 1, 1975/76, S. 12 f.;
K. Breuning, Die Vision d. Reiches, Dt. Katholizismus zw. Demokratie u. Diktatur (1929–34), 1969;
H. Boberach, Berr. d. SD u. d. Gestapo üb. Kirchen u. Kirchenvolk in Dtld. 1934–44, 1971;
Dienst an d. Einheit, Zum 85. Geb.tag v. J. L., 1973 (enthält alle Festreden, P). -
Porträts
Gem. v. C. Kupferberg (im Bes. v. Dr. V. Runte, Münster/Westfalen).
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Autor/in
Wilhelm Baum -
Zitierweise
Baum, Wilhelm, "Lortz, Joseph" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 188-189 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118729136.html#ndbcontent