Grab, Hermann
- Lebensdaten
- 1903 – 1949
- Geburtsort
- Prag
- Sterbeort
- New York City
- Beruf/Funktion
- Schriftsteller ; Publizist ; Soziologe ; Musiker ; Jurist ; Pianist ; Musiklehrer
- Konfession
- jüdisch, seit 1919 römisch-katholisch
- Normdaten
- GND: 118993720 | OGND | VIAF: 54164755
- Namensvarianten
-
- Grab, Hermann Johann
- Grab von Hermannswörth, Hermann Johann (1915-1919)
- Pseudonym: Grab, Herman de
- Grab, Hermann
- Grab, Hermann Johann
- Grab von Hermannswörth, Hermann Johann (1915-1919)
- grab von hermannswörth, hermann johann
- Pseudonym: Grab, Herman de
- Grab von Hermannswörth, Hermann
- Hermannswörth, Hermann Grab von
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Personen in der NDB Genealogie
- Alice Pauline Emma Strauss , geb. Grab (seit 1915 von Hermannswörth)
- Emanuel Grab (1915–1919 Ritter Grab von Hermannswörth )
- Franz Strauss (1897–1980)
- Leo Grab (1915–1919 Grab von Hermannswörth )
- Nelly Grab, geb. Schweinfurt (1899–1972)
- Pauline Strauss, geb. de Ahna (1863–1950)
- Richard Strauss (1864–1949)
Personen im NDB Artikel
- Alexander von Zemlinsky (1871–1942)
- Alfred Weber (1868–1958)
- Arnold Schönberg (1874–1951)
- Bruno Kafka (1881–1931)
- Edgar Salin (1892–1974)
- Ernst Krenek (1900–1991)
- Ernst Schönwiese (1905–1991)
- Gottfried Salomon(-Delatour) (1892–1964)
- Hugo Kauder (1888–1972)
- Karl Jaspers (1883–1969)
- Klaus Mann (1906–1949)
- Leo Kestenberg (1882–1962)
- Lilian Kallir (1931–2004)
- Marcel Proust (1871–1922)
- Max Brod (1884–1968)
- Max Scheler (1874–1928)
- Max Weber (1864–1920)
- Richard Robert (1861–1924)
- Rudolf Firkušný (1912–1994)
- Rudolf Kolisch (1896–1978)
- Theodor W. Adorno (1903–1969)
- Thomas Mann (1875–1955)
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Grab, Hermann Johann (1915–1919 Hermann Johann Grab von Hermannswörth)
Pseudonyme: Herman de Grab
1903 – 1949
Schriftsteller, Publizist, Soziologe, Musiker
Hermann Grab war einer der vielseitigsten Schriftsteller und Musiker im Prag der Zwischenkriegszeit. Mit einer Dissertation über Max Weber (1864–1920) zum Dr. phil. promoviert, gehörte er einem wissenschaftsreformerischen Netzwerk an, aus dem 1923 das Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main hervorging. Grab veröffentlichte neben Erzählungen, Essays und hunderten Zeitungsartikeln den bei Erscheinen viel beachteten Roman „Der Stadtpark“ (1935), dessen weitere Rezeption der Faschismus in Europa verhinderte. In Prag und im New Yorker Exil setzte Grab bis heute gültige Maßstäbe als Musikpädagoge.
Lebensdaten
Geboren am 6. Mai 1903 in Prag Gestorben am 2. August 1949 in New York City Grabstätte Flushing Cemetery in Queens (New York City) Konfession jüdisch, seit 1919 römisch-katholisch -
Autor/in
→Malte Spitz (Berlin/Bern)
-
Zitierweise
Spitz, Malte, „Grab, Hermann“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118993720.html#dbocontent
Grab wuchs in einem deutschsprachigen jüdischen Elternhaus des gehobenen Bürgertums in Prag auf, in dem Musiker wie Richard Strauss (1864–1949) und Alexander von Zemlinsky (1871–1942) verkehrten. Zemlinsky lehrte Grab in Musiktheorie und empfahl ihn nach dem Schulabschluss 1921 am Staatsgymnasium Stephansgasse in Prag dem Kreis um Arnold Schönberg (1874–1951) in Wien, wo ihn Richard Robert (1861–1924) musikalisch unterrichtete. Zeitgleich nahm Grab an der Universität Wien ein Studium der Staats- und Kameralwissenschaften auf, das er 1922/23 in Berlin und 1923/24 an der Deutschen Universität Prag fortsetzte, bevor er sich 1924 an der Universität Heidelberg für Soziologie immatrikulierte. Hier hörte er u. a. bei Alfred Weber (1868–1958), Edgar Salin (1892–1974) und Karl Jaspers (1883–1969), pflegte Kontakt zu Max Scheler (1874–1928) in Köln und knüpfte lebenslange Freundschaft mit Theodor W. Adorno (1903–1969). Mit diesem sowie Gottfried Salomon(-Delatour) (1892–1964) führte er Diskussionen zum Status quo der akademischen Soziologie, die in Grabs Dissertationsschrift „Der Begriff des Rationalen in der Soziologie Max Webers. Ein Beitrag zu den Problemen der philosophischen Grundlegung der Sozialwissenschaft“ (1927) mündeten, mit der er in Heidelberg zum Dr. phil. promoviert wurde. In Heidelberg, Köln und Frankfurt am Main war Grab Teil jener wissenschaftsreformatorischen Kreise, aus denen 1923 das Frankfurter Institut für Sozialforschung hervorging.
1928 wurde Grab an der Deutschen Universität Prag bei Bruno Kafka (1881–1931) ohne die Notwendigkeit einer weiteren Qualifikationsschrift zum Dr. iur. promoviert. Anschließend arbeitete er kurzzeitig in einer Anwaltskanzlei und wurde 1932 Klavierlehrer und Erster Musikreferent beim „Prager Montagsblatt“. In der Redaktion lernte er Max Brod (1884–1968) kennen und verfasste bis 1938 mehr als 100 Artikel über das Prager Musikleben. Enttäuscht von der akademischen Wissenschaft, ließ Grab seine sozialwissenschaftlichen Beobachtungen in literarische Werke und Essays einfließen: 1934 wurde mit der Erzählung „Die Kinderfrau“ seine erste literarische Veröffentlichung im „Prager Tagblatt“ gedruckt. Sein Roman „Der Stadtpark“ folgte 1935 und thematisiert in einer autobiografisch angelegten Konstellation das Ende der Habsburger Ära. Er wurde von Thomas Mann (1875–1955) und Klaus Mann (1906–1949) als vielversprechendes Debüt und der Autor als Prager Marcel Proust (1871–1922) gewürdigt. Grab schrieb Erzählungen, die von Entfremdung und Tod handeln, und hielt im Oktober 1933 im kulturzionistischen Kreis der Women’s International Zionist Organization in Prag als einer der Ersten einen Vortrag zu jüdischen Aspekten im Werk Prousts. Ähnlich wie seine Bekannten Ernst Krenek (1900–1991) und Leo Kestenberg (1882–1962) engagierte sich Grab in der Vermittlung von Musik, deren gesellschaftsveränderndes Potenzial er reflektierte.
Nach dem Münchner Abkommen 1938 arrangierte Grabs Bruder Leo Grab (1908–1973) ein Klavierkonzert in der Salle Debussy in Paris, das es Grab 1939 ermöglichte, sich und Teile seiner Sammlung historischer Tasteninstrumente aus Prag zu retten, kurz bevor deutsche Truppen die Tschechoslowakei besetzten. Von Paris reisten Grab und sein Bruder nach Lissabon und erreichten im Dezember 1940 New York City. 1941 gründete Grab hier eine Musikschule, in der er emigrierte und US-amerikanische Musikerinnen und Musikern beschäftigte – u. a. Hugo Kauder (1888–1972), Rudolf Firkušný (1912–1994), Rudolf Kolisch (1896–1978) und Lilian Kallir (1931–2004). Nach einer literarisch unproduktiven Phase und dem emigrationsbedingten Verlust seiner früheren Erzählungen schrieb Grab über seine Erfahrung von Faschismus, Flucht und Exil sowie über die Prager Vorkriegsjahre. Einige dieser Texte wurden postum durch Ernst Schönwiese (1905–1991) publiziert. Die „New York Times“ würdigte Grab 1949 besonders als Musiklehrer, Pianisten und Autorität in vorklassischer Musik sowie Experten für historische Tasteninstrumente. Adorno betonte in seinem Nachruf für „Die neue Rundschau“ Grabs herausragende Stellung in der Literaturgeschichte, die durch seine Fähigkeit begründet sei, sich aus seiner geschützten bürgerlichen Herkunft herauszuschreiben und die verhärtete Welt, in der nach Adorno keine unmittelbare Erfahrung mehr möglich war, im Modus der Verfremdung zu beschreiben.
1915 | Nobilitierung der Familie wegen kultureller Verdienste durch Kaiser Franz Joseph I. (1919 aufgehoben) |
1928 | Mitglied der Gesellschaft für Soziologie |
1932 | Mitglied in der Ortsgruppe Prag des Deutschen Musikpädagogischen Verbandes & Prager Akademie für Musik und darstellende Kunst |
1941 | Direktor von The Music House, New York City |
Teilnachlass:
Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien, Bestand Karl Hobi 50/97. (weiterführende Informationen)
Weitere Archivmaterialien:
Nationalarchiv Prag, Materialien zu Hermann Grab und seiner Familie, PR 1931–1940, G 683/4 Grab Karton 6 054.
International Institute of Social History, Amsterdam, Delatour Papers, 391/1 bis 391/10.
Theodor W. Adorno Archiv, Frankfurt am Main/Berlin, Korrespondenz Theodor W. Adorno/Hermann Grab, 497/1–59.
Monografien:
Der Begriff des Rationalen in der Soziologie Max Webers. Ein Beitrag zu den Problemen der philosophischen Grundlegung der Sozialwissenschaft, 1927. (Diss. phil.)
Der Stadtpark, 1935, Nachdr. 1947, 1948 u. 1996.
Hochzeit in Brooklyn. Erzählungen, hg. v. Ernst Schönwiese, 1957.
Der Stadtpark und andere Erzählungen, hg. u. mit einem Nachw. v. Peter Staengle, 1985, 21987.
Hochzeit in Brooklyn. Sieben Erzählungen, 1995.
Unselbstständige Publikationen:
Die Kinderfrau, in: Prager Tagblatt 59, Nr. 72 v. 1.4.1934, Beilage „Ostern 1934“, S. 1.
Doortje Cramer, Von Prag nach New York ohne Wiederkehr. Leben und Werk Hermann Grabs (1903–1949), 1994, S. 379–511. (Wiederabdr. von Erzählungen, Vorträgen und Essays Grabs aus den Jahren von 1932 bis nach 1944)
Bibliografie:
Doortje Cramer, Von Prag nach New York ohne Wiederkehr. Leben und Werk Hermann Grabs (1903–1949), 1994, S. 327–337. (Liste aller Artikel Grabs)
Monografien:
Karl Hobi, Hermann Grab. Leben und Werk, 1969.
Doortje Cramer, Von Prag nach New York ohne Wiederkehr. Leben und Werk Hermann Grabs (1903–1949), 1994.
Malte Spitz, Theodor W. Adorno/Hermann Grab. Bericht einer unveröffentlichten Korrespondenz, 2017.
Malte Spitz, Schreiben in der Diaspora. Der Schriftsteller und Musiker Hermann Grab zwischen Prag, Heidelberg und New York, in Vorbereitung.
Aufsätze:
Willy Haas, Pražký Němec 1935 [Ein Prager Deutscher 1935], in: Literaturzeitschrift (Prag) 7 v. 11.1.1935, Nr. 4, S. 3.
Klaus Mann, Hermann Grab. „Der Stadtpark“, in: Die Sammlung 2 (1935), H. 7, S. 387 f.
Theodor W. Adorno, Hermann Grab, in: Die neue Rundschau 60 (1949), H. 16, S. 594, Wiederabdr. in Gesammelte Schriften, Bd. 20/2, 1997, S. 465.
H. G. Adler, Der Prager Dichter Hermann Grab, Radiobeitrag im Westdeutsches Rundfunk v. 21.11.1958. (Typoskript, Privatarchiv Doortje Cramer)
Lucy Topol’ská, Hermann Grab und seine Prager Welt von Gestern, in: Brücken. Germanistisches Jahrbuch DDR-CSSR, 1986, S. 148–154.
Peter Becher, Die Schönheit häßlicher Bilder. Hermann Grab und sein Verständnis von Max Brod, in: Hartmut Binder (Hg.), Franz Kafka und die Prager Deutsche Literatur. Deutungen und Wirkungen. Die Vorträge der 3. Literarischen Fachtagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen vom 3.-4. Juni 1988 in Königswinter, 1988, S. 127–141.
Joseph P. Strelka, Hermann Grab, in: John M. Spalek/Joseph P. Strelka (Hg.), Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933, Bd. 2, 1989, S. 270–275.
Helena Tomanová, Begegnungen mit Hermann Grab. Der Stadtpark, in: Wiener Journal v. Juni 1991, S. 32.
Lucy Topol’ská, Die Welt des Prager Stadtparks im Werk von Hermann Grab, in: dies./Ludvík Václavek, Beiträge zur deutschsprachigen Literatur in Tschechien, 2000, S. 298–308.
Jens Malte Fischer, Nimmundlies (IX). Hermann Grab: „Der Stadtpark“, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 57 (2003), S. 737–740.
Jan Županič, Das vergessene Geschlecht der Grab von Hermannswörth. Die Geschichte der Familie Grab von Hermannswörth, in: David. Jüdische Kulturzeitschrift 23, Nr. 91 v. Dezember 2011, S. 42–44. (Onlineressource)
Jakob Hayner, Was vom Erzählen übrig blieb. Über die vergessene Modernität des deutsch-jüdischen Schriftstellers Hermann Grab, in: Jungle World v. 13.12.2012.
Jakob Hayner, Hermann Grab. Ein vergessener Literat, in: Arbeitsgruppe Kunst und Politik (Hg.), Kunst, Spektakel, Revolution, Nr. 3, 2013, S. 92–95.
Ulrike Mascher, Stadttext und Selbstbild in Hermann Grabs Der Stadtpark, in: brücken. Germanistisches Jahrbuch Tschechien – Slowakei 23 (2015), S. 101–114.
Roman Kopřiva, Hermann Grabs Ruhe auf der Flucht zwischen Tradition und Innovation. Bemerkungen zur Lektüre und Poetik, in: Sylvia Paulischin-Hovdar (Hg.), Grenzen, Flucht und Widerstand. Literarische Antworten auf ein politisches Thema anlässlich der Jahrestagung der Franz Werfel-StipendiatInnen am 13. und 14. April 2018 in Wien, 2019, S. 65–93.
Malte Spitz, Literarischer Ausweg. Hermann Grab liest Marcel Proust, in: Mimeo. Blog der Doktorandinnen und Doktoranden am Dubnow-Institut v. 2.9.2021. (Onlineressource)
Malte Spitz, Hermann Grabs intellektueller Horizont um 1933, in: Dieter Heimböckel/Steffen Höhne/Manfred Weinberg (Hg.), Interkulturalität, Übersetzung, Literatur. Das Beispiel der Prager Moderne, 2022, S. 241–252.
Malte Spitz, „Romancier von so epochaler Bedeutung“. Hermann Grab über Marcel Proust im Prag des Jahres 1933, in: Aschkenas 33 (2023), Nr. 2, S. 287–300.
Malte Spitz, „Das Meer glänzte in seinem tiefsten Blau“. Eine kleine Dialektik des Mittelmeeres in Hermann Grabs Erzählung Der Mörder, in: Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 14 (2023), H. 2, S. 57–86.