Halder, Franz
- Lebensdaten
- 1884 – 1972
- Geburtsort
- Würzburg
- Sterbeort
- Aschau (Oberbayern)
- Beruf/Funktion
- Offizier ; Chef des Generalstabes des Heeres ; Militärhistoriker ; Soldat ; Generalstabsoffizier ; Generaloberst
- Konfession
- evangelisch
- Normdaten
- GND: 11870091X | OGND | VIAF: 19726706
- Namensvarianten
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- Halder, Franz Julius
- Halder, Franz
- Halder, Franz Julius
- Gal'der, Franc
- Halder
- Halder, Franz von
- Halders, Francs
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Halder, Franz Julius
1884 – 1972
Offizier, Chef des Generalstabes des Heeres
Als Generalstabschef des deutschen Heeres war Franz Halder von 1938 bis 1942 einer der wichtigsten militärischen Mitarbeiter Adolf Hitlers (1889–1945). In dem von ihm geführten Generalstab wurden die Feldzüge gegen Polen, Frankreich und die Sowjetunion geplant und vorbereitet. Nach 1945 nutzte Halder seine Kontakte zur nationalkonservativen Opposition und seine Verhaftung nach dem 20. Juli 1944 dazu, seine zentrale Rolle in der deutschen Kriegführung des Zweiten Weltkriegs herunterzuspielen. Von 1946 bis 1961 leitete er die deutsche Abteilung der Historical Division der US-Army.
Lebensdaten
Geboren am 30. Juni 1884 in Würzburg Gestorben am 2. April 1972 in Aschau (Oberbayern) Grabstätte Friedhof in Aschau (Oberbayern) Konfession evangelisch -
Autor/in
→Christian Hartmann (Potsdam)
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Zitierweise
Hartmann, Christian, „Halder, Franz“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/11870091X.html#dbocontent
Ausbildung, frühe militärische Karriere und Aufstieg im „Dritten Reich“
Halder stammte aus einer alten bayerischen Offiziersfamilie und setzte diese Tradition im Juli 1902 mit seinem Eintritt in das 3. Feldartillerie-Regiment „Königin Mutter“ (damals München) fort. In der Bayerischen Armee erhielt er neben der militärischen Ausbildung von 1911 bis 1914 auch eine Schulung im Generalstabsdienst an der Münchner Kriegsakademie. Während des Ersten Weltkriegs war Halder primär im Stabsdienst eingesetzt, zuletzt bei der Heeresgruppe „Kronprinz Rupprecht“.
Aufgrund seiner Erfahrung als „Generalstäbler“ 1920 in die Reichswehr übernommen, wurde Halder anschließend v. a. in München eingesetzt und entwickelte sich zu einem Spezialisten für die militärische Ausbildung. Unterbrochen wurde diese Tätigkeit durch zwei externe Verwendungen: von 1923 bis 1925 als Batteriechef im Artillerie-Regiment 7 in Landsberg am Lech sowie von 1931 bis 1934 als Chef des Stabes der 6. Division in Münster. Halder wurde 1931 zum Oberst und 1934 zum Generalmajor befördert.
Die massive Aufrüstung infolge der nationalsozialistischen Machtübernahme beschleunigte Halders Karriere. Nachdem er von 1934 bis 1936 die 7. Infanteriedivision in München kommandiert hatte, organisierte er im Herbst 1937 als Generalleutnant das große Wehrmachtsmanöver, das die Ergebnisse der deutschen Aufrüstung einer ersten großen Bilanz unterzog. Bei dieser Gelegenheit nahmen Adolf Hitler (1889–1945) und Benito Mussolini (1883–1945), der damals Deutschland besuchte, von ihm Kenntnis: Halder, seit Februar 1938 General der Artillerie, wurde noch im selben Jahr Oberquartiermeister II (Ausbildung), dann I (Operative Planung) im Generalstab des Heeres und am 1. September 1938 dessen Chef. Hitler erhoffte von Halder mehr Unterstützung bei seiner Erpressung der Tschechoslowakei, nachdem Halders Vorgänger, General Ludwig Beck (1880–1944), zuvor in Denkschriften vor den Risiken eines europäischen Krieges gewarnt hatte. Während der Sudetenkrise 1938 suchte Halder den Kontakt zu Protagonisten der nationalkonservativen Opposition, wie etwa Hans Oster (1887–1945), Wilhelm Canaris (1887–1945), Hans Bernd Gisevius (1904–1974) oder Carl Friedrich Goerdeler (1884–1945).
Organisator der deutschen Feldzüge 1939–1942
Nach der friedlichen Lösung der Sudetenkrise, die Hitlers Politik zu rechtfertigen schien, entwickelte sich Halder zum wichtigsten Planer und Organisator der deutschen Feldzüge der Jahre 1939 bis 1941. Lediglich im Vorfeld des Westfeldzugs gegen Frankreich kam es im Winter 1939/40 noch einmal zu einer Annäherung an die nationalkonservative Opposition, weil auch Halder befürchtete, dass sich der Krieg im Westen, wie schon in den Jahren 1914 bis 1918, festfahren würde. Doch blieb dies ohne Konsequenz. Als dem damals einflussreichsten militärischen Berater Hitlers gelang es Halder, die Feldzüge in Polen (1939), im Westen (1940) und auf dem Balkan (1941) in kürzester Zeit mit vergleichsweise geringen Verlusten siegreich zu entscheiden.
Zum Generaloberst befördert, bereitete Halder seit Sommer 1940 zunächst nebenher, seit Dezember 1940 intensiv den deutschen Angriff auf die Sowjetunion vor, das „Unternehmen Barbarossa“. Der Feldzug geriet auch für den Generalstabschef zu einem totalen Fiasko: Bereits im August 1941 begann sich abzuzeichnen, dass die deutsche politische und militärische Führung die Sowjetunion vollkommen unterschätzt hatte. Schon im Dezember 1941 war das deutsche strategische und operative Konzept einer systematischen Ausbeutung des besetzten Landes für eine finale Auseinandersetzung mit Großbritannien und den USA gescheitert. Diese Niederlage ging für Halder mit einem zunehmenden Verlust seines Einflusses einher, während Hitler das Kerngeschäft des Generalstabschefs, die operative Führung, immer mehr zu dominieren begann. Halders Demission als Generalstabschef am 24. September 1942, im Vorfeld der Katastrophe von Stalingrad, war die letzte Konsequenz dieses Prozesses.
Bis dahin war auch Halder zu einem Komplizen bei der Planung und Realisierung des nationalsozialistischen, rassenideologischen Eroberungs- und Vernichtungskriegs geworden. Zwar fungierten hier andere, getrennt von der Wehrmacht operierende Organisationen als ideologische Speerspitze, doch war Halders Opportunismus maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich deutsche Streitkräfte zunehmend an Kriegsverbrechen beteiligten. Als Hitler am 30. März 1941 in einer geheimen Besprechung die höchste militärische Führung auf diesen Weltanschauungskrieg einschwor, blieben auch von Seiten Halders Einwände aus. Vielmehr beteiligte sich das Oberkommando des Heeres (OKH) etwa mit dem „Kommissarbefehl“ und dem „Kriegsgerichtsbarkeitserlaß Barbarossa“ an diesem folgenreichen Zivilisationsbruch.
Kriegsende und Dienst für die US-Army
Nach seiner Entlassung zog sich Halder resigniert zurück. Obwohl er sich nicht am gescheiterten Staatsstreichversuch vom 20. Juli 1944 beteiligte, wurde er dennoch danach verhaftet. In den folgenden Monaten waren er und ein Teil seiner Familie zeitweise in den Konzentrationslagern Dachau und Flossenbürg inhaftiert. Nachdem er mit anderen „Sonderhäftlingen“ bei Kriegsende nach Südtirol verschleppt worden war, befreite ihn dort am 4. Mai 1945 eine Einheit der Wehrmacht.
Obwohl es sich bei ihm um einen der einflussreichsten militärischen Funktionäre des NS-Regimes handelte, blieb Halder im Sommer 1945 lediglich einige Wochen in US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Als Zeuge im Nürnberger Prozess gelang es ihm, seine eigene Dienststelle, das OKH, weitgehend von den Vorwürfen der Anklage freizuhalten und das konkurrierende Oberkommando der Wehrmacht zu belasten. Dabei half ihm, dass die US-Army nun Halders fachliche Kompetenz zu nutzen suchte. Im Juni 1946 wurde er von Colonel Harold E. Potter (geb. 1890) zum Leiter der Sektion „Operational History (German)“ der Historical Division der US-Army ernannt. Anfangs in Königstein im Taunus, seit 1949 in Karlsruhe angesiedelt, waren bis zu 328 ehemalige deutsche Offiziere in dieser Einheit beschäftigt, mit der die US-Amerikaner von Wissen und Erfahrung der ehemaligen deutschen Streitkräfte profitieren wollten. Politische, ideologische und kriminelle Aspekte der deutschen Kriegführung wurden dabei so gut wie völlig ausgeblendet.
Im Herbst 1948 im Rahmen der Entnazifizierung vor einer Münchner Spruchkammer als „nicht belastet“ eingestuft, legte Halder 1949 die Schrift „Hitler als Feldherr“ vor und stand bis Juni 1961 im Dienst der US-Army. Für seine Zusammenarbeit wurde er mit dem Meritorious Civilian Service Award ausgezeichnet, der zweithöchsten zivilen Auszeichnung der US-Army. Von 1962 bis 1964 publizierte Halder sein Kriegstagebuch, das eine der zentralen Quellen für die deutsche Kriegführung in der ersten Hälfte des Zweiten Weltkriegs ist.
1915 | Eisernes Kreuz I. Klasse |
1939 | Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes |
1961 | U.S. Meritorious Civilian Service Medal |
Nachlass:
Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg im Breisgau, N 220.
Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, München. (Tagebuch 1939–1942)
Gedruckte Quellen:
Peter Bor [i. e. Paul Lüth], Gespräche mit Halder, 1950.
Kriegstagebuch. Tägliche Aufzeichnungen des Chefs des Generalstabes des Heeres 1939–1942, hg. v. Arbeitskreis für Wehrforschung, bearb. v. Hans-Adolf Jacobsen in Verbindung mit Alfred Philippi, 3 Bde., 1962–1964.
Erziehung und Ausbildung des Berufsheeres, in: Wissen und Wehr 12 (1931), S. 12–23.
Hitler als Feldherr, 1949.
Heidemarie von Schall-Riaucour, Aufstand und Gehorsam. Offizierstum und Generalstab im Umbruch. Leben und Wirken von Generaloberst Franz Halder, 1972, Neuausg. 2006.
Bernd Wegner, Erschriebene Siege. Franz Halder, die „Historical Division“ und die Rekonstruktion des Zweiten Weltkriegs im Geiste des deutschen Generalstabs, in: Ernst Willi Hansen (Hg.), Politischer Wandel, organisierte Gewalt und nationale Sicherheit. Beiträge zur neueren Geschichte Deutschlands und Frankreichs, 1995, S. 287–302.
Christian Hartmann, Halder. Generalstabschef Hitlers 1938–1942, 1991, 2. erw. u. aktual. Aufl. 2010.
Gerd R. Ueberschär, Generaloberst Franz Halder. Generalstabschef, Gegner und Gefangener Hitlers, 1991.
Christian Hartmann/Sergej Slutsch, Franz Halder und die Kriegsvorbereitungen im Frühjahr 1939. Eine Ansprache des Generalstabschefs des Heeres, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45 (1997), S. 467–495. (Onlineressource)
Christian Hartmann, Gehorsam im Widerstand. Der Generalstabschef Franz Halder, in: Gerhard Hirschfeld/Tobias Jersak (Hg.), Karrieren im Nationalsozialismus. Funktionseliten zwischen Mitwirkung und Distanz, 2004, S. 225–238.
Esther-Julia Howell, Von den Besiegten lernen? Die kriegsgeschichtliche Kooperation der U.S. Armee und der ehemaligen Wehrmachtselite 1945–1961, 2015.