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Deutsche Biographie - Lahousen, Erwin von

Lahousen, Erwin von

Lebensdaten
1897 – 1955
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Innsbruck (Tirol, Österreich)
Beruf/Funktion
Offizier ; Widerstandskämpfer ; Soldat ; General
Konfession
römisch-katholisch
Normdaten
GND: 122398084 | OGND | VIAF: 52569726
Namensvarianten

  • Lahousen Edler von Vivremont, Erwin
  • Lahousen Edler von Vivremont, Erwin Heinrich René
  • Lahousen, Erwin von
  • Lahousen Edler von Vivremont, Erwin
  • Lahousen Edler von Vivremont, Erwin Heinrich René
  • lahousen edler von vivremont, erwin heinrich rene
  • Lahousen, Erwin
  • Lahousen von Vivremont, Erwin
  • Lahousen, Erwin Heinrich René
  • Vivremont, Erwin Lahousen von

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Zitierweise

Lahousen, Erwin von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd122398084.html [19.01.2025].

CC0

  • Lahousen Edler von Vivremont, Erwin Heinrich René

    1897 – 1955

    Offizier, Widerstandskämpfer

    Nachdem er 1938 in die Wehrmacht übernommen worden war, diente der österreichische Offizier Erwin Lahousen im militärischen Nachrichtendienst, dem Amt Ausland/Abwehr unter Wilhelm Canaris (1887–1945), und beteiligte sich an oppositionellen Bestrebungen gegen das NS-Regime. Nach dem Zweiten Weltkrieg sagte er bei den Nürnberger Prozessen als Kronzeuge der Anklage gegen die Hauptkriegsverbrecher aus.

    Lebensdaten

    Geboren am 25. Oktober 1897 in Wien
    Gestorben am 24. Februar 1955 in Innsbruck (Tirol, Österreich)
    Grabstätte Zentralfriedhof in Wien
    Konfession römisch-katholisch
    Erwin Lahousen, BSB / Bildarchiv (InC)
    Erwin Lahousen, BSB / Bildarchiv (InC)
  • 25. Oktober 1897 - Wien

    1906 - 1910

    Schulbesuch

    Untergymnasium

    1910 - 1913 - Mährisch Weißkirchen (heute Hranice na Moravě, Tschechien)

    Schulbesuch (Abschluss: Matura)

    Militärgymnasium

    1913 - 1915 - Wiener Neustadt

    Lehrgangsteilnehmer

    Theresianische Militärakademie

    1915 - 1918 - Ostfront; seit März 1916 Alpenfront

    Kriegsdienst, Mai 1916 zwei schwere Verwundungen, bis März 1917 Rekonvaleszent, September 1917 erneute Verwundung, anschließend Kanzleidienst (1917 Oberleutnant)

    k.u.k. Infanterie-Regiment Nr. 14

    1919 - 1920 - Korneuburg (Niederösterreich)

    Militärdienst

    Volkswehr

    1921 - Linz; seit 1922 Freistadt (Oberösterreich)

    Eintritt in das österreichische Bundesheer

    III./Gebirgsjäger-Regiment Nr. 7

    1930 - 1931 - Wien

    Generalstabslehrgang

    Kriegsschule

    1933 - Wien

    Major

    Nachrichtendienstoffizier 2. Brigade

    1936

    Oberstleutnant des Generalstabs

    1935 - 1938 - Wien

    Mitarbeiter der Nachrichtenabteilung, seit 1937 Stellvertreter des Vorstands Franz Böhme (1885–1947)

    Österreichisches Verteidigungsministerium

    Juni 1938 - 1939 - Berlin

    Mitarbeiter der Abteilung I

    Amt Ausland/Abwehr des OKW

    1939 - 1943 - Berlin

    Leiter Abteilung II (Sabotage/Zersetzung)

    Amt Ausland/Abwehr des OKW

    Juli 1943 - Juli 1944 - Sowjetunion

    Regimentskommandeur

    Grenadierregiment 96, dann Grenadierregiment 4, seit April 1944 Luftwaffen-Jäger-Regiment 41

    Januar 1945

    Generalmajor

    Führerreserve

    Mai 1945 - 1947 - Nürnberg

    US-amerikanische Kriegsgefangenschaft

    November 1945 - Nürnberg

    Kronzeuge der Anklage

    Internationaler Militärgerichtshof

    August 1946 - Dezember 1946 - Bad Nenndorf bei Hannover

    in britischem Gewahrsam

    1947 - 1953 - Seefeld (Tirol)

    Journalist

    1953 - Hall (Tirol); später Innsbruck

    Übersiedlung

    24. Februar 1955 - Innsbruck (Tirol, Österreich)

    alternativer text
    Erwin Lahousen (links), BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)

    Lahousen trat 1913 als Offiziersanwärter in die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt ein und wurde nach einer verkürzten Ausbildung im November 1915 als Leutnant an die Ostfront geschickt. Entgegen seinem Wunsch, der Familientradition folgend Kavallerieoffizier zu werden, wurde er der Infanterie zugeteilt. Seit März 1916 kämpfte er im Infanterie-Regiment Nr. 14 an der Alpenfront gegen Italien. Während des Krieges mehrfach schwer verwundet, schloss Lahousen sich nach Kriegsende vorübergehend der paramilitärischen Volkswehr an und wurde 1921 in das Bundesheer der ersten Republik Österreich übernommen.

    Von 1930 bis 1931 absolvierte Lahousen den Generalstabslehrgang an der Kriegsschule in Wien mit ausgezeichnetem Ergebnis. Er wurde gezielt für das militärische Nachrichtenwesen ausgebildet und sollte später Militärattaché an einer der wichtigeren österreichischen Botschaften werden. Am 25. August 1933 wurde er Major und zur selben Zeit zum Nachrichtendienstoffizier der in Wien stationierten 2. Brigade ernannt. Als im Juli 1934 die österreichischen Nationalsozialisten putschten und Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (1892–1934) ermordeten, beteiligte er sich an der Niederschlagung des Aufstands.

    Gefördert von Staatssekretär Wilhelm Zehner (1883–1938) und Generalmajor Maximilian Ronge (1874–1953), wurde Lahousen 1935 in die Nachrichtenabteilung des österreichischen Verteidigungsministeriums übernommen, 1936 zum Oberstleutnant befördert und 1937 zum Stellvertreter des Vorstands der Nachrichtenabteilung, Generalmajor Franz Böhme (1885–1947), ernannt. Unter politischem Druck aus Berlin erklärte sich Österreich seit Juli 1936 zu einer engen nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit NS-Deutschland bereit, sodass Lahousens Berichte durch den deutschen Militärattaché in Wien, Generalmajor Wolfgang Muff (1880–1947), regelmäßig nach Deutschland gelangten.

    Nach dem „Anschluss“ Österreichs wechselte Lahousen im Juni 1938 auf Anregung von Admiral Wilhelm Canaris (1887–1945) in das Amt Ausland/Abwehr in Berlin, wo er Anfang 1939 die Leitung der Abteilung II (Sabotage und Zersetzung der Wehrkraft im Feindesland) übernahm. In dieser Funktion hatte er Zugang zu Sprengstoffmaterial, das er dem militärischen Widerstand gegen das NS-Regime zur Verfügung stellte. Die Sprengladung, welche die Widerstandsgruppe um Henning von Tresckow (1901–1944) im März 1943 in Smolensk in Adolf Hitlers (1889–1945) Flugzeug schmuggelte, stammte aus diesen Beständen. Lahousen unterstand in seiner dienstlichen Verwendung das Regiment (später die Division) „Brandenburg“, das auf Kommandounternehmen im Ausland spezialisiert war. Bei allen Umsturzplanungen der Militäropposition wurde das Regiment als gegen den Nationalsozialismus einsetzbare Truppe eingeplant, bis der Verband im Frühjahr 1943 an die Ostfront sowie auf den Balkan verlegt und dort als reguläre Infanterie verwendet wurde.

    Spätestens seit Ende 1938 arbeitete Lahousens Geliebte Madeleine Bihet-Richou (1901–1987), mit der er seit 1934 liiert war, als Agentin für den französischen Geheimdienst. Als dieser Bihet-Richou im Oktober 1939 nach Budapest entsandte, hielt Lahousen die Beziehung aufrecht; sie brach erst ab, als er 1943 ein Frontkommando übernahm. Über Bihet-Richou lieferte Lahousen bewusst Informationen nach Paris. Welche militärischen Geheimnisse darunter waren, ist im Detail unbekannt, vermutlich gab er u. a. im Vorfeld den Zeitpunkt des Überfalls der Wehrmacht auf Norwegen und Dänemark (April 1940) bekannt.

    Um zum General befördert werden zu können, musste Lahousen im Sommer 1943 zur „Frontbewährung“ als Regimentskommandeur an die Ostfront wechseln. Dort wurde er am 19. Juli 1944 erneut schwer verwundet, sodass er zwar zum 1. Januar 1945 Generalmajor, aber mangels Verwendungsfähigkeit der Führerreserve zugeteilt wurde. Lahousen geriet, noch im Lazarett, in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde dort weiter behandelt.

    Lahousen erklärte sich bereit, vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg als Zeuge der Anklage im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher auszusagen, nachdem der US-amerikanische Geheimdienst Office of Strategic Services ihm ein mehrtägiges Wiedersehen mit Bihet-Richou ermöglicht hatte. Lahousens bezeugte, dass der deutsche Überfall auf Polen im September 1939 von langer Hand geplant war und untermauerte mit seinen Aussagen die Anklagepunkte, dass der Krieg gegen die Sowjetunion als Angriffskrieg geführt worden war und die Wehrmacht sich an Verbrechen gegen Kriegsgefangene und Zivilbevölkerung beteiligt hatte.

    Nach mehreren Monaten in britischem Gewahrsam, wo die schlechte Behandlung seine Herzbeschwerden weiter verschlimmerte, wurde Lahousen im Juni 1947 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Mit dem Ziel, sich dem Zugriff des sowjetischen Geheimdienstes zu entziehen und in der Nähe Bihet-Richous zu leben, siedelte er anschließend nach Seefeld bei Innsbruck, später nach Hall in Tirol und zuletzt nach Innsbruck selbst über, wo er von einer österreichischen Pension lebte. Er starb 1955 an den Folgen eines Herzinfarkts.

    1915 Österreichisches Kriegsverdienstkreuz mit Kriegsdekoration und Schwertern
    1916 Großherzoglich-hessische Tapferkeitsmedaille
    1918 Verwundetenabzeichen (zweimal)
    1931 Ungarische Kriegserinnerungsmedaille mit Schwertern und Helm
    1933 Österreichische Kriegserinnerungsmedaille
    1937 Österreichisches Militärverdienstkreuz 3. Klasse
    1938 Offizierskreuz des Königlich-Ungarischen Verdienstordens
    19.7.1944 Eisernes Kreuz I. Klasse

    Nachlass:

    Privatbesitz.

    Weitere Archivmaterialien:

    Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg im Breisgau, PERS 6/1551. (Personalakte)

    Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin, München, ZS 658 (Zeugenschrifttum); Tagebücher (Abschriften, Kopien).

    Gedruckte Quellen:

    Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, 14. November 1945 – 1. Oktober 1946, Bd. 2, 1947.

    Karl Glaubauf/Stefanie Lahousen, Generalmajor Erwin Lahousen, Edler von Vivremont. Ein Linzer Abwehroffizier im militärischen Widerstand, 2004.

    Peter Broucek, Ein Verschwörer gegen Hitler und für Österreich. Der Generalstabsoffizier Erwin Lahousen, in: Österreich in Geschichte und Literatur 49 (2005), S. 76–97.

    Lothar Höbelt/Richard Hufschmied, Ein Altösterreicher im Kreis um Canaris. Generalmajor Erwin von Lahousen, in: Stephen Schröder (Hg.), Der 20. Juli 1944. Profile, Motive, Desiderate, 2008, S. 65–80.

    Harry Carl Schaub, Abwehr-General Erwin Lahousen. Der erste Zeuge beim Nürnberger Prozess. Aus dem Englischen von Martin Moll, 2015. (P)

    zwei Fotografien, 1942/46, Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sammlung Heinrich Hoffmann.

    zwei Fotografien, 1944/46, Abbildung in: Harry Carl Schaub, Abwehr-General Erwin Lahousen. Der erste Zeuge beim Nürnberger Prozess. Aus dem Englischen von Martin Moll, 2015, S. 257, 264.

  • Autor/in

    Winfried Heinemann (Cottbus)

  • Zitierweise

    Heinemann, Winfried, „Lahousen, Erwin von“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/122398084.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA









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