Radziwill
- Lebensdaten
- unbekannt
- Beruf/Funktion
- Fürsten
- Konfession
- mehrkonfessionell
- Normdaten
- GND: 118597736 | OGND | VIAF: 59876928
- Namensvarianten
-
- Radziwill
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Radziwill, Fürsten von (seit 1515)
litauisch-polnisches Magnatengeschlecht. (katholisch, teilweise evangelisch)
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Biographie
Das litauische Bojarengeschlecht wurde mit Krystyn Ostyk (erw. 1398-1442), seinem ersten bekannten Vertreter, beim Unionsbeschluß von Horodło 1413 in den poln. Adel (Wappen „Trąby“) aufgenommen. Sein Name leitet sich von dessen Sohn Radziwiłł Ostykowicz (1411-77) ab. Anfang des 16. Jh. teilte sich das Geschlecht in die Linien Goniadz und Medele († 1546), Nieśwież, Ołyka, Kleck und Szydłowiec sowie Birże und Dubniki|(† 1669) auf, Mitte des 17. Jh. die zweite Linie in zwei Äste. Deren erster starb 1912 aus, der zweite Ast teilte sich gegen Ende des 17. Jh. in drei Zweige, von denen zwei in fünf Häusern noch heute blühen. Sehr reich begütert, hatten die R. etwa als Palatine von Wilna, Großmarschälle und Großkanzler von Litauen sowie poln. Hetmane bedeutenden Einfluß auf die litauisch-poln. Geschichte. →Barbara (1520–51) wurde als Gemahlin Sigismunds II. August Königin von Polen.
Während einer diplomatischen Mission in Wien wurde →Nikolaus (1470–1521) für sich und seine Nachkommen 1515 von Ks. Maximilian I. in den Reichsfürstenstand erhoben. Dieser wurde nach dem Aussterben seiner Linie Goniądz und Medele für die beiden anderen Linien durch Ks. Karl V. 1547 bestätigt; die poln. Anerkennung erfolgte 1569. Nach den Teilungen Polens wurde der Fürstenstand der R. 1784 in den österr. Erblanden, 1824 im Kgr. (Kongreß-)Polen, 1845 in Rußland und 1859 in Preußen jeweils anerkannt.
Beziehungen nach Deutschland erweiterten die R. durch Eheschließungen mit den Adelsfamilien Eisenreich (17. Jh.), Dönhoff, Flemming (18. Jh.), Sayn-Wittgenstein-Ludwigsburg, Clary und Aldringen, Blücher v. Wahlstatt, Windisch-Grätz und Oppersdorf (19. Jh.); Fürst →Georg Josef (1668–89) heiratete Marie Eleonore Prn. v. Anhalt-Dessau, Prinz →Hieronymus (1759–86) Sophie Prn. v. Thurn und Taxis und Prinz →Hieronymus (1885–1945) Renata Ehzgn. von Österreich.
Besondere Bedeutung erlangten die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Hohenzollern, welche mit der Übernahme von Ämtern im brandenburg-preuß. Staatsdienst einhergingen. 1613 heiratete Fürst →Janusz (1579–1620) aus der Linie Birże und Dubniki, Kastellan von Wilna, →Elisabeth Sophie (1589–1629), die Tochter des Kf. →Johann Georg von Brandenburg. Ihr Sohn Fürst →Boguslaus (1620–69, s. ADB 27) trat als Protestantenführer nach Studium und Teilnahme als Oberbefehlshaber an Feldzügen der Krone Polen 1656 in brandenburg. Dienste; Kf. Friedrich Wilhelm von Brandenburg ernannte ihn 1657 zum Statthalter im Hzgt. Preußen, das Boguslaus als Generalleutnant im Schwed.-Poln. Krieg verteidigte. Seine Tochter Prn. →Louise Caroline (1667–95) wuchs unter der Vormundschaft des Großen Kurfürsten auf, der sie 1681 mit seinem Sohn Mgf. Ludwig (1666–87) und nach dessen Tod 1688 mit →Karl III. Philipp (1661–1742), dem späteren Kf. von der Pfalz, verheiratete.
Die preuß. Prinzessin →Louise (1770–1836, s. ADB 27) ehelichte 1796 Prinz →Anton Heinrich (1775–1833, s. ADB 27; Riemann; New Grove²) aus dem Posener Ast Kleck. Er gehörte dem preuß. Staatsrat an und war 1815-31 Statthalter im Ghzgt. Posen, unterhielt jedoch auch ein Palais am Pariser Platz in Berlin (1878 als Reichskanzlerpalais Wohnsitz der Familie v. →Bismarck und Konferenzort des Berliner Kongresses), das sich zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt entwickelte. Als Musikliebhaber komponierte er selbst (u. a. Musik zu Goethes „Faust“) und protegierte Chopin und Beethoven. Die Tochter Prn. →Elisa(beth) (1803–34, s. BBKL; L) war die Jugendliebe des späteren Ks. Wilhelm I., doch wurde eine Heirat aus politischen Gründen vom preuß. König untersagt. Von Anton Heinrichs Söhnen avancierte Fürst →Wilhelm (1797–1870, s. Priesdorff V, S. 388-93, Nr. 1611) zum preuß. General der Infanterie und Generalinspekteur des Ingenieurcorps und der Festungen (1860–66) sowie Fürst →Boguslav (1809–73, s. Priesdorff VIII, S. 137, Nr. 2521) zum preuß. Generalmajor; als erbliche Mitglieder des preuß. Herrenhauses standen sie dem kath. Zentrum nahe. Wilhelms Sohn Fürst →Anton (1833–1904, s. BJ X, Tl.) wurde preuß. General der Artillerie und Generaladjutant Ks. Wilhelms I., wogegen sein Cousin, Boguslavs Sohn Fürst →Ferdinand (1834–1926), als Mitglied des Reichstags (1874–1918) und langjähriger Präses der poln. Fraktion die Interessen der poln. Bevölkerung Preußens vertrat; ein weiterer Sohn Boguslavs, Prinz →Edmund (1842–95), hatte als Zentrumsabgeordneter für Beuthen-Tarnowitz ebenfalls einen Sitz im Reichstag (1874–84).
Im Bereich der anderen Teilungsmächte traten die R. weniger hervor: in Rußland im Hof- und Militärdienst, wie etwa Fürst →Leon (1808–85) als russ. Generalleutnant, in den österr. Erblanden fast gar nicht. Nach dem Ende der Monarchien waren die R. im Polen der Zwischenkriegszeit als Politiker und Militärs einflußreich, so Fürst →Janusz (1880–1967) als Führer der Konservativen und Parteigänger Marschall Piłsudskis und Prinz →Stanislaus (1880–1920) als dessen Adjutant.
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Literatur
ADB 27;
K. Jagow, Wilhelm u. Elisa, d. Jugendliebe d. Alten Kaisers, 1930;
O. Baer, Prinzeß Elisa R., 1908;
B. Hennig (Hg.), Elisa R., Ein Leben in Liebe u. Leid, Unveröff. Briefe d. J. 1820-1834, 1911;
J. Jacoby, Boguslaus R., d. Statthalter d. Gr. Kf. in Ostpreußen, 1959;
T. Nowakowski, Die Radziwills, 1966, ²1975 (populär);
G. Seibold, Die R.sche Masse, 1988;
St. Hartmann, Die Abgabe d. R.schen Archivs aus Königsberg im Kontext d. preuß.-litau. Beziehungen d. frühen Neuzeit, in: Archival. Zs.|78, 1993, S. 257 ff.;
A. Kamienski, Stany Prus Książęcych wobec rządów brandenburgskich w drugiej połowie XVII wieku [Die Stände d. Hzgt. Preußen im Kampf gegen d. brandenburg. Herrschaft in d. zweiten Hälfte d. 17. Jh.], 1995;
Rößler-Franz;
Lex. MA;
Polski Słownik Biograficzny 30;
GHdA Fürstl. Häuser VIII, 1968, S. 401-45;
GHdA Adelslex. XI, 2000, S. 143-45. -
Autor/in
Ulrich Schmilewski -
Zitierweise
Schmilewski, Ulrich, "Radziwill" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 101-103 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118597736.html#ndbcontent