Ihlenfeld, Kurt
- Lebensdaten
- 1901 – 1972
- Geburtsort
- Colmar (Elsass, heute Département Haut-Rhin, Frankreich)
- Sterbeort
- Berlin-West
- Beruf/Funktion
- evangelischer Theologe ; Pfarrer ; Schriftsteller ; Publizist ; Kunsthistoriker ; Theologe ; Redakteur
- Konfession
- evangelisch-lutherisch
- Normdaten
- GND: 118708635 | OGND | VIAF: 112130939
- Namensvarianten
-
- Ihlenfeld, Kurt
- Ihlenfeld, Curt
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- Hilde Domin (1909–2006)
- Hugo Hartung (1902–1972)
- Jochen Klepper (1903–1942)
- Karl Friedrich Borée (1886–1964)
- Max Brod (1884–1968)
- Otto Freiherr von Taube (1879–1973)
- Otto Zänker (1876–1960)
- Ricarda Huch (1864–1947)
- Rudolf Alexander Schröder (1878–1962)
- Ruth Storm (1905–1993)
- Siegbert Stehmann (1912–1945)
- Werner Bergengruen (1892–1964)
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Ihlenfeld, Kurt
1901 – 1972
evangelischer Theologe, Pfarrer, Schriftsteller, Publizist
Kurt Ihlenfeld war evangelischer Theologe und Pfarrer sowie Essayist, Literat und Verleger. Zwischen 1933 und 1943 leitete er den Berliner Eckart-Verlag, in dem er mit dem „Eckart-Kreis“ eine öffentliche Plattform für junge christliche Autoren und Autorinnen schuf, die dem nationalsozialistischen Regime im Widerstand entgegentraten. Als Ihlenfelds literarisches Hauptwerk gilt der Roman „Wintergewitter“ (1951).
Lebensdaten
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Autor/in
→Frauke Janzen (Wolfenbüttel)
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Zitierweise
Janzen, Frauke, „Ihlenfeld, Kurt“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118708635.html#dbocontent
Ihlenfeld verbrachte seine Kindheit in Bromberg (Pommern, heute Bydgoszcz, Polen), wo er von 1906 bis zum Abitur 1919 das Gymnasium besuchte. Anschließend studierte er Evangelische Theologie und Kunstgeschichte in Halle an der Saale und Greifswald. Hier 1923 mit der Dissertation „Die mittelalterlichen Grabsteine in Mecklenburg und Vorpommern“ zum Dr. phil. promoviert, bereitete sich Ihlenfeld seit 1924 in Breslau (heute Wrocław, Polen) und Stolp (Pommern, heute Słupsk, Polen) auf sein zweites theologisches Examen vor. Zudem nahm er 1926 eine Tätigkeit beim Evangelischen Presseverband für Schlesien in Breslau auf und verantwortete die Redaktion der schlesischen Kirchenzeitung „Unsere Kirche“ und des Volkskalenders. 1928 ging er als Kreispfarrer nach Waldenburg (Schlesien, heute Wałbrzych, Polen), von wo aus er seine Redaktionstätigkeiten fortführte.
In dieser Zeit ergaben sich erste Kontakte zum Berliner Eckart-Verlag, dessen Leiter Ihlenfeld 1933 wurde. Besondere Aufmerksamkeit kommt ihm als Begründer des „Eckart“-Kreises zu, einem Zusammenschluss freier und vornehmlich christlicher Autoren und Autorinnen, die sich im stillen literarischen Widerstand gegen das NS-Regime organisierten. Zu ihnen zählten neben Ricarda Huch (1864–1947) und Werner Bergengruen (1892–1964) Jochen Klepper (1903–1942), Rudolf Alexander Schröder (1878–1962), Siegbert Stehmann (1912–1945) und Otto Freiherr von Taube (1879–1973). Nach dem Verbot des „Eckart“-Kreises 1943 durch die Nationalsozialisten wirkte Ihlenfeld als Pfarrer in Mittenwalde bei Berlin, bevor er 1944 auf eine Pfarrstelle in Pilgramsdorf bei Liegnitz (Schlesien, heute Pielgrzymka, Polen) wechselte, von wo aus er beim Einmarsch der Roten Armee im Frühjahr 1945 mit seiner Familie über die Tschechoslowakei nach Coswig bei Dresden flüchtete.
In Dresden arbeitete Ihlenfeld seit 1946 als Chefredakteur der im selben Jahr ins Leben gerufenen sächsischen Kirchenzeitung „Der Sonntag“, die an die Tradition des bis 1941 monatlich erscheinenden „Sächsischen Kirchgemeindeblattes für Sachsen“ anknüpfte. Das Blatt unterlag der Zensur der Sowjetischen Militäradministration, die zudem nur eine geringe Auflage zuließ. 1949 übersiedelte Ihlenfeld nach Berlin-West, wo er den Eckart-Verlag neu gründete, dem er bis 1962 vorstand und in dem die meisten seiner Schriften erschienen. Ihlenfeld unterhielt Korrespondenzen mit Autoren und Autorinnen wie Max Brod (1884–1968), der im Eckart-Verlag publizierte, sowie Hilde Domin (1909–2006) und seinem Freund Hugo Hartung (1902–1972).
Ihlenfelds literarisches Werk ist bis heute nicht umfänglich erforscht. Im Unterschied zu Texten anderer „ostdeutscher“ Autorinnen und Autoren der Nachkriegszeit wie Hartung, Ruth Storm (1905–1993) und Karl Friedrich Borée (1886–1964) weist es stärkere progressive und experimentelle Erzählstrukturen auf und zeigt seinen Autor als reflexiven Intellektuellen. Als solcher wurde er auch zum Literaturkritiker – etwa mit den Essays „Rudolf Alexander Schröder“ (1953) und „Zeitgesicht“ (1960). Ihlenfelds Romane sind nicht nur von politischen, sondern immer auch von theologischen Überlegungen und Diskussionen durchzogen und haben eine erkennbar autobiografische Grundierung: Die Wirren der letzten Kriegstage schilderte er 1951 in seinem umfangreichen Hauptwerk „Wintergewitter“. Die Handlung in „Kommt wieder, Menschenkinder“ (1954) siedelte er im geteilten Berlin an. Seine 1959 erschienene Erzählung „Der Kandidat“ spielt in Ostpommern, wo sich Ihlenfeld zwischen 1924 und 1926 aufhielt. Wie seine Prosawerke drückt auch Ihlenfelds metaphernreiche Lyrik immer wieder den Zwiespalt zwischen einem Glauben an eine christliche Heilsgeschichte und Zweifeln angesichts der politisch-historischen Weltlage aus.
Besonders beschäftigte Ihlenfeld die Frage nach der deutschen Ostgrenze. Unter Rückgriff auf Montagetechniken, Perspektivwechsel und den inneren Monolog erzählte er in „Gregors vergebliche Reise“ (1962) von der Erinnerung an die Ostgebiete hinter Oder und Neiße und der Unmöglichkeit einer Rückkehr. Ohne revisionistische Ansprüche zu erheben, stellt der Text das Spannungsverhältnis zwischen der Bundesrepublik und Polen heraus. Ihlenfeld verurteilte die rückwärtsgewandten und besonders die revanchistischen Positionen zahlreicher Vertriebenenverbände. Dennoch widersprach er der von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der Ost-Denkschrift proklamierten Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze mit dem Bändchen "Noch spricht das Land" (1966). Bis heute harrt Ihlenfelds vielseitiges Werk einer umfassenden wissenschaftlichen Würdigung sowohl aus theologisch-kirchengeschichtlicher als auch vor allen Dingen aus literaturwissenschaftlicher Sicht.
1952 | Fontanepreis für den Roman „Wintergewitter“, Berlin-West |
1953 | Beiratsmitglied der Stiftung „Haus der Ostdeutschen Heimat“, Berlin-West |
1956 | Mitglied der Akademie der Künste, Berlin-West (stellvertretender Direktor der Sektion Literatur, 1962–1965) |
1957 | Jochen-Klepper-Plakette |
1959 | Nominierung für den Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig |
1963 | Mitglied des Deutschen PEN-Zentrums (Bundesrepublik) |
1971 | Dr. h. c., Kirchliche Hochschule Berlin-Zehlendorf |
1990 | Berliner Gedenktafel am Haus Heimat 85, Berlin-Zehlendorf |
Nachlass:
Akademie der Künste, Berlin, Kurt Ihlenfeld-Archiv. (weiterführende Informationen)
Gedruckte Quellen:
Dietmar Neß (Hg.), Schlesisches Pfarrerbuch, Bd. 6, Regierungsbezirk Liegnitz, T. I, 2016.
Öffentliche Religionen, 1932.
Wo ein Zweiglein blüht. Gedichte, 1949.
Ich seh den Stern. Ein Winter- und Weihnachtsbuch. Mit Holzschnitten v. Hellmuth Muntschick, 1949.
Die goldenen Tafeln. Ein weihnachtliches Spiel, 1949.
Der Schmerzensmann oder die Weihe des Hauses. Erzählung, 1950.
Geschichten um Bach, 1949, 21961.
Wintergewitter. Roman, 1951.
Poeten und Propheten. Erlebnisse eines Lesers. Essays, 1951.
Das dunkle Licht. Blätter einer Kindheit, 1952.
Fern im Osten wird es helle. Geschichte von drüben, 1953.
Kommt wieder, Menschenkinder. Roman, 1954.
Eseleien auf Elba. Erzählungen. Mit Zeichnungen v. Klaus Ihlenfeld, 1955.
Huldigung für Paul Gerhardt, 1956.
Ein Botschafter der Freude. Dokumente und Gedichte aus Paul Gerhardts Berliner Jahren, 1957.
Rosa und der General. Ballade, 1957.
Freundschaft mit Jochen Klepper, 1958.
Unter dem einfachen Himmel. Ein lyrisches Tagebuch. Gedichte, 1959.
Der Kandidat. Roman, 1959.
Sieben Feste. Sieben Betrachtungen, 1959.
Die Nacht von der man spricht. Spiele im Dezember, 1961.
Zeitgesicht. Erlebnisse eines Lesers. Essay, 1961.
Gregors vergebliche Reise. Roman, 1962.
Stadtmitte. Kritische Gänge in Berlin, 1964.
Das Kind und die Könige. Weihnachtserzählungen. Mit Illustrationen v. Erich Behrendt, 1964.
Noch spricht das Land. Eine ostdeutsche Besinnung, 1966.
Angst vor Luther?, 1967.
Loses Blatt Berlin. Dichterische Erkundung der geteilten Stadt, 1968.
Das glückliche Ufer. Ein Berliner erlebt Blankensee, 1969.
„... aber die Kinder, die Kinder.“ Erzählung, 1972.
Kirchenlied:
Das Kreuz ist aufgerichtet. Kirchenlied. Evangelisches Gesangbuch Nr. 94, 1967.
Herausgeberschaften:
Geistliche Gedichte, 1935.
Die Stunde des Christentums. Eine deutsche Besinnung, 1937.
Das Buch der Christenheit. Betrachtungen zur Bibel, 1939.
Die Zuversicht. 100 Gedichte aus 100 Jahren. Gedichte, 1940.
Te Deum heute. 365 Texte zur Krisis des Christentums, 1965.
Arno Lubos, Geschichte der Literatur Schlesiens, Bd. III, 1974, S. 381–384.
Christian-Erdmann Schott, Kurt Ihlenfeld, in: Wolf-Dieter Hauschild (Hg.), Profile des Luthertums. Biographien zum 20. Jahrhundert, 1998, S. 337–347.
Hans-Joachim Beskow, „Er schrieb – an eines andern Statt, der niemals schrieb. Den frage weiter.“ Bemerkungen zu Leben und Werk von Kurt Ihlenfeld, in: Frank-Lothar Kroll (Hg.), Deutsche Autoren des Ostens als Gegner und Opfer des Nationalsozialismus. Beiträge zur Widerstandsproblematik, 2000, S. 403–414.
Roland Rosenstock, Evangelische Presse im 20. Jahrhundert, 2002.
Christian Erdmann Schott, Kurt Ihlenfeld (1901–1972) – Theologe, Schriftsteller, Verleger, Publizist, in: ders., Schicksal und Geschichte. Zum Weg der evangelischen Schlesier nach 1945, 2010, S. 153–160.
Frauke Janzen, Flucht und Vertreibung im literarischen Diskurs der BRD. Rhetoriken der Opferkonstruktion, 2021.