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[0001] [0002] [0003] [0004] [[I]/0005] Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Abbildung] [[II]/0006] Nur der Naturforscher ist verehrungswerth, der uns das Fremdeste, Seltsamste, mit seiner Localität, mit aller Nachbarschaft, jedesmal in dem eigensten Ele- mente zu schildern und darzustellen weiß. Wie gern möchte ich nur einmal Humbolden erzählen hören. Goethe’s Wahlverwandschaft. [[1]/0007] 1. Vorlesung, 3. November 1827 Prolegomena. Alle Materie ist im Raume zusammengefaßt entweder in Kugeln (Weltkörper) geballt oder in Dunstkreise, die die Welt- körper umgeben gehüllt. So finden wir in dem unermeßlichen Raume an 3000 Nebelflecken, welche entweder Sternhaufen sind oder dunstförmige im Lichtproceß begriffene Materie, auflösbare oder unauflösbare Sternhaufen. Da man mit Hülfe Herschelscher und Frauenhoferscher Teleskope diese Sterne in einem wechselnden Verhältniße mit den Ne- beln gefunden hat, so konnte daraus auch in diesem fern- sten Raume noch Bewegung erkannt werden. Auch die Ent- fernung vermochte der menschliche Scharfsin zu berechnen aus der Fortpflanzung des Lichtes und hiernach läßt sich denn mit Gewißheit behaupten, daß viele Körper des Himmels 24,000 Jahre bedürften, ehe ihr Lichtstrahl zu uns gelangen konnte. Ob wir mit jenen fernen Systemen, etwa durch Cometen in einiger Verbindung stehen, das soll späterhin untersucht werden. Die Größe des ganzen Weltsÿstems läßt sich übrigens kaum ausdrücken. Unser Sonnensÿstem beträgt im Durchmeßer etwa 86,000 Millionen Meilen, setzten wir dies nun eine Linie groß, so würde sich doch kein Stoff finden lassen das ganze Weltsÿstem darzustellen in diesem Verhältniße, denn 260 Fuß würde allein schon unsere Stern- schicht ausmachen. Allein durch solche Vergleichungen kann der Mensch diese Größen sich denkbar machen. So hat Herschel, [Abbildung] [[2]/0008] der seinen Zahlen große Wahrscheinlichkeit gegeben hat, ge- zeigt, daß wir, bei jenem Verhältniß der Größen mit bloßen Augen nur etwa 3′ 3″ sehen, durch sein großes Fern- rohr aber 4⅓ geographische Meilen. Das Verhältniß würde also etwa sein wie der Durchmesser eines Infusionthierchens 1/1000 einer Linie zu dem Durchmesser eines Wallfisches 75 Fuß. Diese Vergleichungen zeigen was der Mensch in dem unendlichen Raume vermag durch die Hülfe der Fernröhre. In unserem Planetensÿstem vermögen wir alle Entfernungen genau anzugeben und es mangelt z. E. bei der Entfernung des Mon- des von der Erde nur etwa die Sicherheit für 15 Meilen. Bei allen Sternen aber außer unserm Planetensÿstem müssen wir uns mit der Annahme eines minimums und maximums be- helfen. Aber nicht allein die Entfernung der fernsten Sÿsteme hat man zu messen versucht, nicht allein ihre Bewegung hat man erkannt, sondern es ist den Astronomen auch gelungen eine Translation jeder fernsten Sterne zu erkennen. Man hat nemlich neuerdings mehre Doppelsterne gefunden von denen man weiß, daß die mit gefärbtem Licht, sich um die licht- loseren drehen. Eine solche Lichtverschiedenheit findet sich in unserm Sÿsteme nur bei den Satelliten des Jupiters. Das Licht wird übrigens bei seinem Anbrennen und Verlöschen färbiger, wie dies neuerdings Seebeck nachgewiesen und wir haben dies auch gefunden bei den Sternen die von Zeit zu Zeit an dem Firmament auflodern. Wären nun die Sterne überall gleich verbreitet, so [[3]/0009] würden alle Himmelsräume in einem gleichen Sonnenglanz erscheinen. Da dies aber nicht der Fall ist so folgt, daß die Sterne nicht gleichmäßig vertheilt und daß jeder Himmels- raum mit einer lichtschwächenden oder Bewegung hemmenden Materie, gewöhnlich Aether genannt, angefüllt ist. Da wo der obere Teppich des Firmaments dünner gewebt ist, muß der Himmelsraum selbst verschieden gefärbt sein und die schwarzen Flecken am südlichen Himmel lassen sich viel- leicht so am besten erklären. In Rücksicht auf das Licht haben indeß die trefflichen Entdeckungen Frauenhofers gelehrt, daß alle Weltkörper unserer Sternschicht nicht dasselbe Licht aus- strahlen, ja daß sich Aehnlichkeiten finden zwischen Planeten und Fixsternen und hingegen Unähnlichkeiten unter den Planeten unter sich und den Fixsternen unter sich. S. 3 Die Form unserer Sternschicht, die abgeplattet ist, macht, daß wir sie selbst und die übrigen in gewissen Positionen sehen, so daß sie uns von einer solchen Position aus als Milch- straße erscheint, oder als ein zusammengepreßtes Sternheer; nach dieser Ansicht wird aus Berechnungen folgen, daß un- ser Planetensÿstem dasteht, wo die Milchstraße den Adler berührt. Unser Planetensÿstem selbst aber hat eine Bewegung in der Sternschicht, welche indeß schwer zu erkunden ist. Frü- her meinte man sie ginge nach dem Herkules hin; wir werden noch ausführlicher davon reden. In unserem Syste- me giebt es nun gleichsam wiederum 2 Systeme, nemlich 1., das der größeren Planeten 2., das der kleineren oder Aste- S. 4 [[4]/0010] roiden, wozu gehört die Ceres, Vesta u. a. m. Außer diesen Planeten giebt es in demselben noch Cometen. Wir kennen keinen Uebergang von den Planeten zu den Cometen; es können wohl aus letztern erstere werden. Den Ueber- gang von den größern Planeten zu den kleineren ma- chen die Satelliten des Jupiters. Die kleinern Planeten sind von den größern fast in allen Beziehungen verschieden. 1., Sie sind kaum so groß als der Mond, z. E. Vesta wie Deutschland. 2., Ihre Bahnen sind anders gestaltet und nähern sich mehr denen der Cometen. 3., Die Planeten zwischen der Sonne und den kleineren Mars, Merkur, Venus, Erde haben gemeinsam eine größere Dichtig- keit etwa wie Platina und Eisenstein. Die kleinern sind weniger dicht, etwa wie Naphta. 4., Die größern ro- tiren langsamer um sich selbst und sind deshalb weniger abgeplattet. Die Rotation der größern beträgt meist 24 Stunden, die der kleinern 9 Stunden. 5., Die größeren Planeten innerhalb derselben sind mondarmer, die außerhalb derselben mondreicher, ja selbst mit Ringen umgeben; so ist Saturns Ring nur eine Reihe zusammengeknoteter Satelliten. Die Zahl der unser Sonnensÿstem durchstreichenden Cometen ist sehr groß; 400 sind beobachtet, 2 von diesen ge- hören unserm Sÿstem ganz an, nemlich der Enkesche Comet der in 3½ Jahr zurückkehrt und nicht weiter geht als Merkur, nicht so weit als Jupiter. Er ist bis jetzt 5 mal erschienen und zuletzt, von Enke vorausgesagt, in Neuholland beobachtet. Auch ist er oft retardirt was für [[5]/0011] eine hemmende Materie spricht. Der andere unserm Planetensÿstem angehörende ist der von Biela ent- deckte, welcher alle 6½ Jahr zurückkehrt. Biela Ueberall ist Bewegung. In dem Planetensÿstem ist sie oscillirend. Dies ist der Theil des Naturbildes das aus der phÿsischen Astronomie entlehnt wird. Nun gehen wir zu unsern tellurischen Verhältnißen über. Wir reden hier von der Maße, der Größe, der Form unsers Planeten. Die Form desselben ist theils bestimmt durch Messungen, theils geschlossen aus den Bewegungen des Mondes und ande- rer Körper. Die Abplattung der Kugel ist wahrscheinlich größer als man bisher angenommen; sie beträgt wahrscheinlich 1/299; die südliche Hemisphäre ist nicht abgeplatteter als die nördliche. Die Unregelmäßigkeit der Form zeigt sich besonders in den Inseln. Die Dichtigkeit der Erde ist eine solche wie sie den Planeten zwischen der Sonne und den kleinern Planeten zukommt. Sie ist ungefähr 54/10 (74/10) in den innern, gedrückten Schichten; in den äußern Schichten ist die größte Dichtigkeit wie die des Ba- salts kaum 3½ specifische Schwere. Die Temperatur nimmt auch zu und in gewißer Tiefe ist alles flüßig. Das können wir freilich nur nach der Analogie schließen, da wir nur die Erdwärme etwa in einer Tiefe von 900 Fuß kennen. Aber hier nimmt die Wärme in der Tiefe zu. Schon in den Berg- werken von Cornwallis und in den Gruben auf der Höhe der Andes steigt sie von 7° auf 26°. Daraus ist zu schließen, daß [[6]/0012] in der Tiefe von einigen Meilen die Materie geschmolzen sein muß. Die Flüßigkeit des Erdkerns und seine große Dichtigkeit ist kein Widerspruch! Denn wenn der Kern des Cometen gasförmig ist so daß man Sterne 7ter Klasse durch denselben erblickte, und doch das Innere dichter sein muß, da es gedrückt wird als das Aeußere, so kann bei dem Erd- körper das Innere auch flüßig und dicht sein, wenn das Aeu- ßere nicht so dicht und doch auch nicht flüßig ist. 2. Vorlesung, 7. November 1827 Als Folge der innern Wärme kann man betrachten die heißen Quel- len und Vulkane. Die vulkanischen Erscheinungen sind entwe- der bleibende im Zusammenhang zwischen dem Innern des Körpers und der äußern Atmosphäre oder temporaire, Her- vorstoßungen durch Spaltungen wie sie sich als Inseln darstel- len oder als ganze Berge z. E. der Monte Nuovo bei Neapel. Humbold selbst beobachtete an der Westküste Mexico’s einen, in wenig Stunden 1500 Fuß hervortretenden Vulkan. Diese in- nere Erwärmung oder die durch die Sonne bewirkte ist es die magnetisch-electrische Kräfte in Bewegung setzen, wie Seebeck und Mrs. Sommerville gefunden hat, daß man durch Sonnenstrahlen unmagnetisches Eisen magnetisiren kann. Es scheint indeß auch einen Zustand des Planeten zu geben, wor- nach er unabhängig ist von seiner Stellung gegen äußeres Licht und äußere Wärme. Die Vulkane bilden Gebirge, körniges Gestein und ver- ändern hartes Gestein in körniges. Diese verschiedene Association gewisser Substanzen, wie die Gebirge nichts wei- ter sind, bieten die größte Abwechselung dar; wohingegen, [[7]/0013] wäre unser Erdkörper nur aus einer Substanz gebildet, die Untersuchung dem Geognosten wenig Nahrung geben würde. Wunderbar ist das Gewebe des körnigen mit dem nichtkörnigen Gebirge. Wir finden gewöhnlich folgende Schichten: 1., Aufgeschwemmte lockere Schichten mit Süßwasserprodukten und Knochen jetzt lebender und aus einer Urwelt stam̃en- der Riesenthiere. 2., Dichte Schichten von Kalkstein abwechselnd mit fragmenta- rischem Gestein wie z. E. Sandstein. 3., Thonschiefer, schwarzen Kalk mit grauem, alten Sandstein, mit wenigen Spuren organischer Wesen. 4., Granit, GneusGreus und Glimmerschiefer, Serpentinstein, Tro- chiten, Sienitporphÿr, Basalt und DolormitenDoleriten. Lange hat man einen Theil hiervon: Granit, Gneus, Glim- merschiefer und Sienit Urgestein genannt, weil man gemeint das Tiefere müße älter sein als das Höherliegende. Die sich vorfindenden organischen Körper möchten aber am besten das Alter bestimmen und sie finden sich nach bestimmten Verhältnissen in diesen Schichten zerstreut, die wohl von unten nach oben sich hinauf geschoben haben. Zwischen den Uebergangsgebirgen und den Flötzgebirgen findet sich eine große Schicht von Vegetabilien, und wiederum zwischen den ältesten und neueren Gebirgen. So finden wir also 2 Zer- störungen: 1., Die Schichten von Steinkohlen welche aus Palmen und Farren- kräutern bestehen. 2., Pflanzen als unsere jetzigen Vegetabilien der bestim̃ten [[8]/0014] Gegend wo sie sich vorfinden am nächsten sind, nemlich zwischen den neusten Flötzgebirgen. Steinkohlen hat Humbold zwischen 15–16000 Fuß über dem Meere, und Parrÿ hat sie in der Nähe des Pols gefunden. 3. Vorlesung, 10. November 1827 Die Heterogeneität ist erstens mechanisch, dann chemisch, Theils sind die Gebirgsarten einfach, als Kalkstein, Thonschiefer, theils zusammengesetzt als Granit. Werner hat zuerst die Idee der Association der Gebirgsarten festgehalten. So findet sich Basalt und Mandelstein, Steinkohlen, Quarzporphÿre und Sandstein, entweder neben einander oder unter ein- ander. Eine Zeitlang sagte man die Betrachtung dieser Association sei allein schon der Inhalt der Geognosie; man sprach von periodischen Reihen z. E. Thonschiefer und alterirenden. So schließen auf das Vorkommen des Steinsalzes nach solcher Analogie die Schichten, die 1., platt aufeinander liegen, oder die Flötzgebirge (über der Kreide nennt man sie tertiaire). 2., Das fragmentarische Gestein mit Spuren der Zerstörung z. E. Granit, Trochÿt, große Glocken bildend, wie der Chimbo- rasso, vulkanisch aufgetrieben; die Porphÿre, rother Quarz- porphÿr, Basalt. In ganzen Erdstrichen fehlen einige von diesen Klassen, bald erscheinen sie in andern Formen als Kalkstein unter Bildungen der Schaalthiere. Zwischen und um den Orinoko fehlen die Flötzgebirge und die Arbei- ten der Molusken. Hier finden sich Palm- und Grasarten, die 2schaligen Schaalthiere, dann riesenhafte Eidexen, dann kolossale Wallfischknochen, endlich Säugethiere und Vögel- knochen versteinert. Zwischen den Flötzgebirgen und Ueber- S. 10 arithme- tischen S. 11 [[9]/0015] gangsgebirgen in Steinkohlenschichten finden sich die Monokotylidonen. Eine 2te Spur von zerstörter Waldschicht findet sich zwischen den Flötzgebirgen und der tertiairen Bildung, Waldbäume denen ähnlich, die in unserer Zone wachsen, Di- kotÿlidonen. Es sind dies geognostische Horizonte, nach denen man sich orientiren kann, ein Chronometer, ein Niveau der Zeit. Man meinte lange Zeit, nach der Theorie der Auf- lagerungen und dem Neptunismus, daß die unterliegenden Schichten alle älter seien und brachte die sonderbaren Ideen von Auflösungsmitteln zum Vorschein und sprach so von Granit- wasser, Porphÿrwasser. Doch hat sich gefunden, daß nicht über- all Auflagerungen sind, sondern auch Anlagerungen, Spalten aufrechtgestellter Maßen, die Flötzschichten zwiebelartig auf- gelagert, und lange Rücken in den tieferen Ebenen der Erde hin. 12 Unter den Gebirgen finden wir tiefe Communicationen durch Erdbeben; so fand zugleich die Erderschütterung in Lissabon, Böhmen und den Antillen Statt; in den Antillen schwoll zur selben Zeit bis auf die Stunde und nach kleineren Zeittheilen, das Meer an, in Böhmen versiegten Heilquellen. Die äußere Erdrinde ist nur oxÿdirt. Eine Kugel von Natrium oder Palastrium — der Luft ausgesetzt, wird in Natrum und Alkali verwandelt. Die körnigen Gebirgs- arten in der Ebene können zuerst oxÿdirt sein, wo sich die gesellige Molluske angesiedelt. Auf der Höhe aber ist der Granit und Trochÿt emporgehoben. Granit, Gneus und Glimmerschiefer, alle körnig, erheben sich in Ellÿpsenform S. 13 Potassium [[10]/0016] zwischen den andern Gebirgsarten. Die Spalten der andern Gebirgsarten sind alle mit Granit gefüllt, was anders nicht denkbar, als durch spätere Existenz des Granits. Man sieht an manchen Stellen im südlichen Frankreich den Granit über- hängen; zu Tÿrol liegt Granit auf Kalk, der den Granit zum Theil in körnigem Kalkstein verwandelt hat. Man hat gefunden, daß man den gewöhnlichen Kalkstein in salinischen karrarischen Marmor durch Schmelzen unter großen Druck verwandeln kann. Ueberall ist ein solcher Halbschatten von Marmor und körnigem Kalkstein um den Granit, wo derselbe an Kalk gränzt. S. 13 Das südliche Tÿrol ist klassischer Boden für die Geogno- sie; dort findet sich Kalkstein und Grauwacke vom Porphÿr emporgehoben; auf der Andeskette 14000 Fuß hoch Meerkonchilien, ohne daß das Meereswasser so hoch ge- standen hätte; so das Alpengebirge in Europa. Dasselbe kommt auch auf den Inseln vor. Auf dem vulkanischen TuffTuff in den liparischenliparischen Inseln finden sich Meerespflanzen. Man fand in Deutschland, welches das Verdienst hat bergmänni- sche Arbeiten dieser Sache wegen (z. E. bei Bonn) unter- nommen zu haben, daß die Basaltkuppen in der Tiefe mit Zapfen zusammenhängen, die man weit verfolgen kann durch Spalten, aus welchen sie wie Pilze über der Erdfläche emporwachsen. 14 ? In die Spalten scheinen aus dem Innern der Erde so die Metalle einzudringen, wie man noch an Vulkanen sieht. Alles dies gehört dem geistreichen Herrn v. Buch an, [[11]/0017] der von den canarischen Inseln bis zum Nordkap die Erde durch- forschte der erfahrenste Geognost. Man hat in unsern chemi- schen Oefen die geognostischen Producte nachmachen können; so hat Mitscherlich durch eine Reihe von Versuchen mehre der körnigen Gesteine dargestellt. Die Atmosphäre. Sauerstoff, Stickstoff, Kohlensäure. Die Kohlsäure ist verschiedenartig, der Sauerstoff hinge- gen immer gleich, dies fand ich auf dem Chimboraßo, Gay Lussac noch höher im Ballon. Wie das Meer, so schlägt auch die Luft Wellen nach oben. Eine andere Bewegung der Luft ist die welche der Barometer anzeigt und die in den Tro- pengegenden so groß ist, daß man nach dem Barometer sehen kann was die Uhr ist; von 9–9¼ ist hier die größte Höhe; er sinkt bis 12 Uhr, steigt dann bis 4¼ und am höchsten steht er wiederum 4½, sinkt dann bis 9 und wieder bis 3½ wo er am niedrigsten ist. So giebt es hier 2 Ebben und Fluthen die durch Stürme und alle gewaltsamen Umände- rungen nicht unterbrochen werden. Die Quantität der Niederschläge (Regen) ist sehr un- gleich. Die meisten von allen Ländern, die in gleicher nörd- licher Breite gelegen sind hat England nemlich 30–35 Zoll; in den Tropen finden sich 130″. Das Klima ist nicht nur von der astronomischen Lage der Erdtheile abhängig, sondern auch durch Verhältniß zwischen Continent und Meer bedingt, besonders ist es abhängig von dem mehr Wärme erregenden Lande im Ver- hältniß S. 15 [[12]/0018] hältniß zu dem durchsichtigen Meer. Europa’s mildere Temperatur ist abhängig von der spitzen Lage gegen das Meer im Westen. Im Winter ist der Continent mit Schnee bedeckt, das Meer nicht, und Westwinde herrschen vor- züglich. So fand man denn immer, daß Amerika unter der- selben Breite viel kälter ist als Europa, China noch kälter als Amerika. Südlich von Europa ist ein weiter Continent Afrika, welches an sich schon wärmer ist als Asien, da bei Asien der Aequator durchs Meer geht; dazu kommen noch die Sandwüsten. Alle übrigen Continente reichen mehr nach Norden; das nördliche Europa dagegen ist schmal, das Meer von Eis frei, schlimmer ist es mit Asien, noch schlimmer mit Amerika das viele Inseln mit Eis im Norden hat; dahingegen im kältesten Winter nördlich von Scandinavien noch eisfreies Meer ist. Dazu kommen noch die warmen Strömungen, die aus südlichen Meeren kom̃end, an die Küste von Scandinavien streifen. 4. Vorlesung, 14. November 1827 Die Vertheilung der Wärme würde ganz anders sein, wäre alles feste Decke als jetzt bei dem beweglichen Luftmeer. In jenem Fall würde die Wärme nur abhängen von den Sonnen- strahlen, die jetzt in der Luft gebrochen und entkräftet werden. Der Ocean hat eine andere Temperatur als das Land 1., weil die durchsichtigen Theile sich anders als die festen erwärmen 2., weil die wäßrigen Theile sich nicht so schnell abkühlen. In der Tiefe herrscht die größte Kälte selbst unter dem Aequator; eine andere ist die Tempe- [[13]/0019] ratur auf den Untiefen, weshalb man, nach Franklins Entdeckung, durch das Thermometer Untiefen entdecken kann und wieder eine andere Temperatur findet sich in den Strömungen, durch welche oft Temperaturen verschiedener Breiten mit einander vermischt werden. Betrachtung des Organischen. Das Organische der Erde ist entweder Pflanzenstoff oder Tierstoff, oder Zwitter von denen es noch nicht ausge- macht ist ob es diesem oder jenem angehört z. E. die Priest- leysche Materie. Man meinte früher das Licht sei nöthig zur Entwi- ckelung organischer Stoffe, so Lavoisier, der die Mÿthe von Prometheus hierauf bezog. Indeß ist diese Idee mehr poetisch als wahr; denn wir wißen daß so tief unsere Bergwerke gehen und in allen Höhlen unterirdische Vegetabilien sich finden, ja in der Tiefe des Meeres selbst grüne vegetabilische Stoffe; ja die Eingeweidewürmer selbst sind fern von allem Licht in gleichmäßiger Tem- peratur. Wunderbar daß diese in den verschiedenen Species desselben Genus in allen Welttheilen gleich sind! S. 18 Pflanzenwelt. Der rothe Schnee aus der Polarwelt der in Europa noch sehr fortvegetirt hat, besteht aus kleinen organischen Theilen, temella nivea nach Brown. Er findet sich unter dem Gefrierpunkt, kommt aber auch in der Wärme fort. Ihm gegenüber in der Pflanzenwelt stehen ähnliche Wesen, welche in den heißen Quellen über 65° Reaumur Hitze leben. Beide sind die ersten Keime der Pflanzen. ? [[14]/0020] Welch ein ungeheurer Gegensatz zwischen diesen mikros- copischen Pflanzen und den Palmen auf den Norfolckinseln von 300 Fuß Höhe und den Zapfenbäumen am Columbia, die eben so groß werden! Es herrscht in den Pflanzen solche Einheit und Consequenz der Natur, daß wenn man die Zahl der Species einer Fa- milie kennt, man, durch einen gewissen Quotienten sie multiplicirend die Zahl der Species in andern Familien, ja überhaupt alle Species erlangt. Diese Harmonie bezieht sich nicht auf die Zahl der Individuen sondern auf die Zahl der For- men, die sich gegenseitig limitirt haben. Gewisse Fami- lien können nordische, andere aequatorialische tropische genannt werden; aber auch unter denselben Parallelkreisen sind ver- schiedene Familien in den verschiedenen Welttheilen. fehlt viel Die Pflanzen sind theils gesellig lebende theils isolirt lebende; letztere z. E. am Orinoko, wo nie ein Wald aus einer bestimmten Baumart besteht. Ein merkwürdiger Um- stand ist noch, daß die verschiedenen Formen so vermischt sind, daß dort wo hohe Gebirge herausragen, eine größere Man- nigfaltigkeit sich findet. __ Thierwelt. Die Idee eine Pflanzengeographie zu behandeln ist später entstanden als die einer Thiergeographie. Die Pflanzen ma- chen Reisen nur im Eÿ, diese aber ihr Leben lang. Am un- vollkommensten bewegen sich die 2schaaligen Muscheln, Ace- phalen und Gasteropoden, besser schon die Echinen oder See- igel etc: Der Unterschied der Klimate ist in Hinsicht der Thiere S. 21 [[15]/0021] weniger auffallend. So findet man Fische derselben Species von 35° nördlicher Breite bis zum Aequator. Freilich ist diese große Ausbreitung den Fischen leichter, da sie von der Oberfläche des Meeres hinabsteigend, die verschiedenen Klimate sich schaffen können. Die Zahl der beschriebenen Pflanzen häuft sich auf 60,000, der Insecten auf 45,000, der Vögel auf 5400, der Fische auf 3000, der Säugethiere auf 700. In den meisten Ländern sind die Säugethiere ⅕ der Vögel. Indeß hat dies Verhältniß nicht immer existirt. Säugethiere sind schon viele verloren gegangen, nament- lich die in dem ältern Zustande der Näße unseres Pla- neten lebten, die dickhäutigen, Elephanten, Pferde, Schwei- ne, Krokodilartige. Diese vorweltlichen Thiergeschlechter erscheinen in riesenhafter Größe; so fand sich in England ein Krokodil aus älterer Zeit von 75′ Länge und von der Höhe eines Ochsen, da die jetzigen höchstens 22′ messen. Anderer solcher verlorner Geschlechter sind: die Pleisio- saurus, ein Crokodil mit Schwanenhals, dessen Füße in der letzten Hälfte seines Körpers liegen, Ichtÿosaurus ein Crokodil mit Fischaugen u. a. m. S. 22 Die Geographie der Thiere ist auch wichtig für unsre phÿsikalische Erdkunde selbst; sie giebt uns merkwürdige Kenntzeichen an von dem ehemaligen Zusammenhang der Erdtheile, der Inseln die zusammenhängen mit dem Conti- nent und derjenigen die durch vulkanische Kraft entstanden sind. Auf den Inseln Asiens z. E. Sumatra findet man dieselben großen Thierformen als auf dem festen Lande, [[16]/0022] so Rhinoceros mit 2 Hörnern, Tapir, Elephant etc: auf den Südseeinseln hingegen nur Mausartige Thiere bis zur Größe des Kaninchens. Menschen. Das höchste Ziel aller Naturbeobachtung ist das Erkennen unserer eignen Natur; und daher schließen wir unser Gemälde mit einer Betrachtung der Menschen- racen. S. 22 Man war bisher sehr unbestimmt in Hinsicht des Eintheilungsgrundes, nach dem man die Menschenracen abtheilte. Gewöhnlich richtete man sich nemlich nach: Knochen, Farbe, Haaren. So z. E. nennt Cuvier: weiße, schwarze, gelbe und Blumenbach fügt noch hinzu rothe und oliven- farbige. Allein diese Gründe sind sehr unbestimmt und schwach. Man meinte, namentlich im Alterthum, bestim̃te Abzeichen in Hinsicht auf Knochenbau, Farbe und Haar kämen immer zusammen vor bei den Negern, doch hat man in neurer Zeit gefunden, daß sich nicht immer alle 3 beisammen finden. Neuerdings hat man als Einthei- lungsgrund die Sprache angenommen. Die Sprachen sind nicht Nationenweise unter den Völkern vertheilt; bei den verschiedensten Racen finden sich ähnliche, bei derselben oft ganz verschiedene Sprachen. Man wird vor allen Dingen bei den Menschenracen die großen Eintheilungen verlassen müssen. Die Namen der Racen sind eben so unbestimmt gewählt gewesen als die Abtheilungen selbst, wie z. E. Meiners sprach von häßlichen, unvollkommenen, (zu denen [[17]/0023] er selbst die phÿlosophischen Indier rechnet) und schönen, edlen. 5. Vorlesung, 17. November 1827 Natur ist Einheit und Vielheit. – Inbegriff der Naturdin- ge und Naturkräfte. Der Mensch selbst der uncultivirte, bil- det, fühlt und ahnt die Kräfte; der gebildete richtet mehr seine Aufmerksamkeit auf die Dinge. Naturkenntniß ist demnach: 1., die Kenntniß der Dinge unter einander. – Naturbeschreibung. 2., die Kenntniß der Dinge nach ein- ander – Naturgeschichte. Es ist oft gut und nothwendig beide mit einander zu verbinden, so namentlich bei der Geognosie. Die Naturkenntniß selbst ist a., besondere b., allgemeine; entweder nach den Objecten oder nach der Graduation der Beschreibung der Objecte selbst z. E. die Botanik ist die Ab- straction dessen, was dem ganzen vegetabilischen Leben eigenthümlich ist; sie ist eine logische Anordnung einer großen Zahl von Thatsachen. Nach den Objecten abgetheilt kann man die Naturgegenstände an sich betrachten, wie in der Phÿsik, oder man kann alle Körper als ein Natur- ganzes betrachten, wie sie in räumlicher Verbindung stehen theils mit dem Erdkörper, theils mit dem Weltganzen. S. 24 Zuerst hat sich diese richtige Eintheilung der Geographie ausgesprochen in dem Werk des Varenius 1650, der seine Erdbeschreibung nannte: Geographia generalis qua etc: u. so richtig die generalis trennt von der specialis. Diese Geographia generalis theilt er 1., in die absoluta 2., die respectiva 3., die comparativa. Indessen bleibt es das Werk und der Triumph neuerer Zeit das Zusammentreffen Varenius [[18]/0024] mehrer Naturkräfte durch eine Vergleichung der verschiede- nen Wissenschaften zur Erkenntniß von Regeln zu benutzen, die man auf diesem Wege schwerlich früher zu finden ver- muthen konnte. So hat man aus der genauen Bestim̃ung des Mondumlaufs schließen können auf die Abplattung der Erde, auf die Unwandelbarkeit der Temperatur der ver- schiedenen Tageszeiten, so daß man erkennt, daß in 2000 Jahren keine Veränderung in dieser Hinsicht von ½° Reaumur statt gefunden hat. Versuche mit dem Doppelspat haben die Frage beantwortet ob das Kometenlicht, dem Kometen oder einem fremden Körper angehört. Wer hätte früher an solche Schlüsse wohl gedacht? Es ist mir schwer der Wissenschaft die ich abhandeln soll, einen guten Namen zu geben. Unbestimmt sind die meisten Namen: Phÿsiologie, Geognosie, Geographie; so heißen in England die Aerzte Phÿsiker und was wir unter Phÿsiker verstehen neñt der Engländer Naturphÿlosoph. Kant hat den Titel gefunden: Weltbeschreibung. Man pflegt neuerdings der speciellen Geographie diese Weltbeschreibung als einen besondern Theil voranzuschicken, den man den tellurischen Theil nennt; so machte es z. E. Carl Ritter in seiner vergleichenden Geogra- phie; dies ist das geistreichste Werk dieser Art, das unser Jahrhundert geliefert; es ist die erste Schrift in der der Einfluß dargestellt wird, den die Oberflächen-Ansicht auf die Völker und ihre Schicksale gehabt hat. Die Weltbeschreibung liefert die Materialien zur [[19]/0025] eigentlichen Naturphÿlosophie, deren Gründe auf vielfache Weise gesucht sind. Ich kann diese Versuche nicht tadeln, obgleich ich selbst mehr empirisch zu Werke zu gehen veranlaßt wurde. Bei dieser Naturphÿlosophie sind nur zu fürchten und schwer zu vermeiden: die falschen Thatsachen. Empiriker und Phÿlosophen sollten sich nicht gegenseitig verachten, denn nur mit einander verbunden vermögen sie den höchsten Zweck zu erreichen. In unserem Jahrhundert finden sich 2 Haupt- tendenzen: 1., die Tendenz viele Thatsachen aufzuhäufen; was doch nichts nützt wenn man keinen allgemeinen Ge- sichtspunkt und Ueberblick gewinnt; 2., die Tendenz die Be- obachtungen und Versuche zu verachten und z. E. eine Physik zu lehren, die man mit unbenetzten Händen treiben kann. Dies führt zu einem stolzen Dogmatismus. Letztere Tendenz ist die gefährlichste, weil sie leicht Anlaß giebt die Studien der positiven Wissenschaften zu verachten. So wenig nun Na- turphÿlosophie und Empirismus im Widerspruch sein sollten, so wenig sind auch aus der Empirie die sogenannten mathematischen Hÿpothesen zu verbannen; sie sind nicht bloß unschädlich, sie sind selbst nothwendig. Geschichte unserer Wissenschaft bei abend- ländischen Völkern. Diese Geschichte ist gleichsam die Geschichte der Entstehung des Gedankens. Es ist hier die Rede von der Entwickelung der einzelnen Naturkenntniße. Eine begeisterte Ahnung des Allgemeinen brachte zur Betrachtung des Naturganzen nachdem man lange war bei Contrasten stehen geblieben. ? Ahndung [[20]/0026] So bildet hier sich ein Kreis; der Wilde nemlich hat schon das dunkele Gefühl der Einheit der Natur und zuletzt kommt der cultivirte Mensch, wenn er lange genug die einzelnen Dinge studirt hat, wieder zu der Einheit zurück, die aber nun Folge eines vernunftmäßigen Erkennens, nicht mehr bloße Ahnung ist. Völker die dem Naturzustande nahe sind, bringt die Begeisterung religiöser Gefühle zur Anbetung der Natur- kräfte und sie glauben sich abhängig von Sternen und andern Kräften der Natur. Alles wird ihnen bedeutsam und zwar nicht bloß der Bewohner einer üppigen, von Vegetation strozenden Gegend, sondern selbst der Wilde der die kahlen Wüsten durchzieht, findet reichlichen Stoff für sein religiöses Gefühl. Die frühsten Kenntniße der Natur ge- hören nicht einem Urvolke an. Man hat lange von solchen Urvölkern geträumt und als solche genannt: die Semitischen Völker, die Aegÿpter, Kelten, Atlanten, Bewohner Irans__Irak und neuerlich endlich die Hindu’sInder. Die Kenntniße der Natur erscheinen bei allen wilden Völkern, nach ihren besonderen Anlagen und Wohnplätzen besonders gestaltet und ausge- bildet. Eigentlich ursprüngliche Wilde hat noch kein Reisender gesehen und ich muß nach meinen Erfahrungen, da ich Jahre- lang unter den Wilden des Orinoco lebte, der neuerlich auf- gestellten Meinung beipflichten als seien sie alle nur Reste ehemals gebildeter Völker. So fand ich bei den Wil- den am Orinoco, die den Himmel durch ihre Laubgewölbe nur schauen, wie durch einen Schornstein, förmlich astronomische Kenntniße, die sie hier nie erlangen konnten. Die Neigung [[21]/0027] der cultivirten Völker zurückzukehren zu dem sogenannten Unschuldszustande, die wir schon in Tacitus Germania ausgesprochen sehen, diese Neigung wahrscheinlich hat An- laß gegeben von einer solchen Unschuldsweisheit der Ur- völker zu reden. Eine natürliche Astronomie, die wir bei so vielen alten Völkern finden ist nicht wunderbar, warum will man denn glauben, daß die Abtheilung der Jahre etc: von einer Nation zur andern hätte kom̃en müssen; es gehört zu ihrer Erlangung nur einige Aufmerksamkeit. Die Naturweisheit der Urvölker, die durch nichts Geschicht- liches bewiesen wird, gehört in eine Sphäre des Glau- bens, die diesen Vorlesungen fremd bleiben muß. Von Norden her wollen alle Völker ihre Kenntniße erlangt haben, so z. E. die Indier deren Braminen aus dem Himalaja sollen gekommen sein, die Chaldäer, die Griechen, die Mexikaner und Peruaner. Daraus wird folgen, daß mehr Kenntnisse von den nordischen Völkern nach dem Süden wanderten als umgekehrt. Das Resultat aller dieser Betrachtungen ist: daß wir an rohen Völkern ein Gefühl von der Einheit der Na- tur finden, aber Kenntniße des Einzelnen vermissen. (So ist die schönste Blüthe der Poesie, das Epos, die frühste gewesen.) Wenn es uns als ausgemacht erscheint, daß es kein Urvolk gebe, so können wir auch nicht mit Ge- wißheit unterscheiden bei welchem Volke sich die ersten Spuren der Naturkenntniß vorfinden. Babel, Meroe, Indien und andere Orte werden als solche Ursitze der [[22]/0028] Wissenschaft genannt, mit welchem Rechte, das lassen wir dahin gestellt sein. So schwer es ist zu sagen welche von den vielen leuchtenden Sternen die nähern sind, welche die ferneren, eben so schwer ist es zu bestimmen welche von diesen verschiedenen Kulturschichten uns näher liegen, welche ferner. 6. Vorlesung, 21. November 1827 Die Fortschritte in der Naturerkenntniß bewirken: 1., große Weltbegebenheiten, 2., einzelne Bestrebungen ein- zelner Männer 3., die Erfindung neuer Organe, oder sol- cher Instrumente wodurch man tiefer in die Natur bli- cken kann. Wir nehmen 6 Hauptabschnitte in der Erwerbung der Naturerkenntniß an und zwar 4 der alten 2 der neuern Zeit. S. 29 Die der alten Zeit sind: 1., Die Jonischen Naturphÿlosophen und auf Dorischem Boden die Pÿthagoräer. 2., Alexanders Expedition nach Indien (dem Osten). 3., Die Araber die namentlich die chemischen Kenntniße besonders erweitert haben. 4., Die Entdeckung Amerikas. 5., Entdeckung neuer Organe z. Naturbeobachtung und Fernröhre 1590–1643. 6., Cooks Weltreise. Unter den Joniern gründete Thales sein Sÿstem auf sinnliche Anschauung; unter den Doriern treten, der Eigenthümlichkeit dieses Namens gemäß, ernster und großartiger die Pythagoräer auf. Unter den Jonischen [[23]/0029] Naturphÿlosophen leitet Thales alles aus dem Feuchten, Anaximenes alles aus der Luft ab, Anaximander be- hauptet einen Grundstoff der zwischen beiden Wasser u Luft ist. Diese Naturphÿlosophen stellten zuerst die Idee auf eines Verdickens und Verdünnens, wie sie es nennen, und worunter sie etwa unsere Attraction und Repulsion verstehen. Sie betrach- teten noch nicht jeden Planeten als ein Ganzes, sondern viel- mehr das ganze Planetensÿstem war ihnen ein solches Ganzes in welchem die untern Theile die verdickten, die oberen (die Feuerkugeln selbst) die verdünnten waren. Da alles ihrer Theorie nach aus einem Grundstoff her- geleitet wird so ahnten sie schon, daß es keine Hetero- geneität der Stoffe gäbe, sondern daß alles auf Eins zurückgeführt werden könne. So waren dem Empedocles die Elemente selbst nicht einfache Stoffe, sondern zusam̃en- gesetzte. In neuerer Zeit hat man diese Ideen, aber mit weniger Glück wieder aufleben zu lassen versucht. Indeß betrachteten die Jonischen Phÿlosophen die Natur nicht immer so im Allgemeinen, sondern auch im Einzelnen, wie z. E. Empedocles die Vulkane. Der Pÿthagoräische Bund, ein Dorisches Institut, war großartig und ernst. Doch auch mit den Joniern hängt Pÿthagoras durch Pherecides zusammen. Als der Bund zerstört ward, fingen die Pÿthagoräer an zu schreiben; allein nur von Philolaus (edidit. Boeckh.) haben wir noch etwas übrig und nur von ihm können wir unsere Charakterschilderungen dieser Secte fehlt richtig [[24]/0030] hernehmen. So sÿmbolisch auch alles scheint, so können wir sie doch Phÿlosophen des Maßes und der Harmonie neñen, denn bei ihnen finden wir zuerst eine Anwendung der Ma- thematik auf Naturkunde, eine mathematische Sÿmbolik. Zu Grunde liegt ihrem Sÿstem die Idee daß alle Natur- erscheinungen von Maaß und Ziel abhängen. Die Mei- nungen der Pÿthagoräer vom Weltbau haben auf Coper- nikus gewirkt, freilich nicht als Sÿstem des Philolaos selbst, sondern vielmehr das was spätere Schriftsteller von ihm schloßen. Denn nach diesem lag die Sonne nicht in der Mitte des Planetensÿstems, sondern sie ist ihm ein Spiegel der die Strahlen des Centralfeuers oder Welt- heerdes auf die Erde hinwirft. Anklänge des Pÿthagoräischen Wissens finden sich bei Plato, namentlich in seinem Timaeus; er mogte sie aus Großgriechenland mit- gebracht haben. Bei Plato unterscheiden wir 1., Seine scharfsinnigen Erkenntniße der einzelnen Naturerscheinun- gen; so erkannte er zuerst den Zusammenhang unterir- dischen Feuers und Wassers (Periphlegeton) dessen Theile die Vulkane seien. Das Mittelmeer betrachtete er wie eine große Niederung um die die Griechen, wie die Frösche lebten; er träumte von zertrümmerten Inseln etc: 2., Bloß nationelle Ansichten, die aber sehr dunkel und undeutlich erscheinen. So unterschied er Ge- birgsarten die durch die Wasser entstanden und andere die dem Feuer ihr Dasein verdankten. Vor Alexanders Expedition nach Indien kamen wenig [[25]/0031] Producte der Tropenwelt zu den Hellenen. Südlich von Cÿrene breiteten sich Sandwüsten aus und der Theil Nubiens den sie kannten ist ein baumarmes Land, das wenig schöne Früchte bringt. Selbst die Gegend des Aus- flusses des Indus liegt noch außer der Tropenwelt. Allein in den großen Landstücken die aus der Tropenzone in die gemäßigten sich erstrecken, finden sich die Tro- pengewächse auch weiter fortgepflanzt, über die Tropen- zone hinaus; so finden wir es in Amerika und so auch giebt es in Indien bis 32–35° nördlicher Breite Tropenpflanzen. Die Hellenen kannten nur einzelne durch den Handel. Einzelne Anklänge wahrer Kenntniß gab es theils bei Herodot, der die Bambusa beschreibt, theils durch Ktesias, der als Leibarzt sich in Persien aufhielt, aber des Vorrechtes der ersten Reisenden: Wunderbares statt des Wahren zu geben, sich oft bediente. Durch seine Wun- dererzählungen soll Alexander zuerst die Lust bekommen haben die Gegenden der Wunderwelt selbst zu besuchen. Der Eindruck den seine Expedition gemacht hat, läßt sich nur vergleichen mit dem, welchen später die Entdeckung Amerikas in der cultivirten Welt machte. Man lernte durch sie zuerst die ungeheuren Bäume kennen, deren Gipfel kein Pfeil erreichte, die großen Thierge- stalten wurden dadurch zuerst den Griechen bekannt. Man lernte nun zuerst die Mousonen, die sonderbaren Winde kennen; man sah daß das Steigen und Sinken des Flußes nicht bloß dem Nil angehöre, obgleich Nearch [[26]/0032] zuerst dieser Erscheinung und der vielen Krokodille wegen den Indus für den Nil hielt. Man erkannte zuerst den Einfluß des Klima’s auf die verschiedenen Menschenracen, denn man wunderte sich, in Indien troz der Hitze keine Schwarzen zu finden, und schrieb diese Erscheinung der feuchten Hitze zu die hier herrschte, statt daß sie in Aethiopien trocken war. Von der Weisheit der Hindus, ihrer Algebra und Naturkenntniß lernte Alexander freilich nichts, denn er drang nicht in den Theil vor, wo größere Kultur herrschte; diese konnte erst am Ganges gefunden werden. Erst Seleucus Nicator stellte hierhin eine Expedition an und brachte 500 Elephanten mit. Wie Alexander Naturproducte von den Indiern kennen lernte, so von den Chaldaeern astronomische Kenntniße. Kallisthenes soll 1900, von den Chaldaeern beobachtete Eclipsen aufgezählt haben, doch spricht Aristoteles hiervon nicht. Mit diesem Manne hängt Alexanders Expedition eng zusammen; seine naturhistorische Kenntniße sind die Früchte jener Expedition. Sein Bestreben ist nicht sowohl die Begründung eines allgemeinen Naturwissens, son- dern er beschäftigte sich mit Naturbeschreibung; er war ernst aber nüchtern. Es fehlen uns vielleicht diejenigen seiner Werke, welche allgemeine Ansichten enthalten. Was wir von ihm haben beschränkte sich auf Naturgeschichte, Naturbeschreibung und generelle Ansichten. Derselbe Geist des Sammelns pflanzte sich auf die Alexandrinische Schule fort. Die Ptolomäer stifteten Sammlungen, [[27]/0033] Bibliotheken und besoldeten eine Menge Gelehrten. Als Aegÿpten römische Provinz ward, ging dieser Geist des Sammelns auf die Römer über. Strabo, unter August zeichnet sich besonders hierin aus; er dringt immer auf die Erkenntniß der Producte und sucht aus ihrer Gestalt die Klimate zu erkennen. Früher hatte schon diese Idee Diodor-Siculus von Sizilien. Plinius hat das großartigste Unter- nehmen einer Weltbeschreibung im Alterthum gewagt. Der Plan ist herrlicher freilich als die Ausführung. Es war eine kolossale Idee alles, Natur und Kunst im ganzen Um- fange zu verbinden. Im Anfang handelte er von den all- gemeinen meteorologischen Ideen, von der großen Welt- ansicht der Gestirne; dann will er auf das Specielle über- gehen und spricht von den Menschen und dem was sie treiben. Am Schluß kommt er auf die vergleichende Naturgeschichte zurück. Hier führte er die Ideen aus daß die Milde des Klima’s in gemäßigten Zonen der Entwickelung mensch- licher Fähigkeit am günstigsten sei. Sein Ernst nun, ward nicht fortgesetzt. Die schwärmerischen Neo-Platoni- ker und Gnostiker etc: haben den guten Einfluß gehabt, daß sie wieder zum Gefühl der Einheit zurückführten. Strabo 7. Vorlesung, 24. November 1827 Das Studium der geheimen Kräfte brachte sie auf das Studium der Chemie und die Vorliebe der Araber für diese Wissenschaften schreibt sich von diesen noch her; der Name Chemie findet sich zuerst im Plutarch de Iside, er ist gebildet von dem Koptischen Chame Landesname Aegÿptens, __ schwarz, also die Kunst aus Aegÿpten. [[28]/0034] In jener Zeit da aus dem Oriente fremde Völker ver- heerend in den Occident einbrachen, erhält sich noch Grie- chenland, im Vergleich mit dem abendländisch-römischen Reich bei weitem am hellsten, während jenes durch die Ein- fälle der Hunnen und Vandalen verfinstert wurde. Germanische Stämme mit gelbem Haar und blauen Augen, die eine, der unsern ähnliche Sprache redeten, wohnten wie Klaproth gezeigt, im Central-Asien um den Bai- kal-See bis an die westliche Gränze China’s hin. Diese wurden durch chinesische Dÿplomatik angereizt sich auf die Hiong- hu’s zu stürzen, welche westlich von ihnen saßen und tür- kischer Abstammung waren. So beginnt schon 260 a. C. die große Völkerwanderung. Die Hiong-hus drängten noch mehr nach Westen und so wurden Alanen und Gothen vorgeschoben, in die sich von Norden die Hunnen, Finnischen Stammes, ergoßen. Durch diese Völkerzüge kam Nacht auf die abendländische Welt. Nicht aber so durch die Ara- ber einen semitischen Stamm. Schon vor vielen Jahrhunder- ten waren diese ins nördliche Afrika eingefallen, und hatten sogleich nach ihrem Einfall, ein Beweis ihrer Kraft, die Dÿnastie der Hÿksos in Memphis gegründet. Von jeher waren sie auf ihrer Halbinsel hin und her gezogen, bis sie endlich vom Ganges bis weit hinaus über die Säulen des Herkules herrschten. Ihr eigenthümlicher Charakter hat sich noch kürzlich in den Wechabiten gezeigt; sie sind unwissend aber nicht roh und lieben leidenschaftlich die Natur. Daher hat sich ihre Kultur besonders auf Natur- [[29]/0035] erkenntniß geworfen. Sie kamen indeß nicht wie ein rohes Volk nach dem Westen, sondern schon vor Muhamed gab es Keime der Civilisation unter ihnen. Durch grie- chische, von der katholischen Kirche vertriebenen Aerzte die in Mekka sich niederließen mochten sie angeregt sein. Vor dem Propheten schon blühte bei ihnen die Dichtkunst, die durch dichterische Kampfspiele in Mekka und Okkad gebildet ward. Es glänzte als Dichter Antar. Den höchsten Flor erhielt ihre Civilisation als die Abbaßiden das Ca- liphat erhielten. Die Schulen von Mosul und Bagdad, Bibliotheken nach dem Muster der alexandrischen wurden von ihnen gestiftet. Sie cultivirten sich durch die Ein- wirkung der aegÿptischen Schule und griechische Flüchtlinge vermehrten ihre Cultur. So hat Griechenland immer, selbst in seinem Unglück Lichtstrahlen über die andern Völker ausgegossen. Die Araber haben den Himmel beobachtet und die Pflanzenwelt; sie studirten Chemie und erfanden neue Instrumente und maßen die Erde in den Ebenen von Mesopotamien und endlich sind sie es, welche die in- dischen Zahlen in Europa einführten die sie saec: 13 in Persien kennen lernten. Sie haben zuerst richtige Kenntniß der Optik und Refraction gehabt und haben Schriften des Alterthums beseßen die uns noch fehlen; so kennen wir z. E. Ptolomaei Optik nur aus arabisch- lateinischer Version. Die Uebersetzung alter griechischer Werke hielten sie für so wichtig, daß die Kaliphen einen besonderen Uebersetzungsausschuß hatten. (Das Medium [[30]/0036] zwischen beiden Sprachen war das Phönizische.) Im All- gemeinen indeß war ihr Streben ganz practisch. Theo- rien gaben sie nicht, sondern sie verbesserten nur was sie etwa theoretisch vorfanden z. E. die alten astronomi- schen Tafeln. Es war dieß auch natürlich, denn allen Völ- kern des Islams fehlt Freiheit des Geistes. Am wichtig- sten indeß waren ihre chemischen Entdeckungen. Sie ent- deckten die Säuren, Salpetersäure und Königswaßer; sie haben zuerst die Idee gehabt zu destilliren und hierdurch erfanden sie: Naphta, Brantwein, Alkohol und Queck- silber-Oxcÿde. (Das Rosenöl, das man gewöhnlich als erstes Product ihrer Destillirkunst nennt, ward später erfunden.) Sternwarten errichteten sie in Persien z. E. in Samarkand und in Spanien, wo von ihnen auch die astronomische Kunst blieb; so versam̃elte Alphons X von Castilien, von dem ein spanischer Dichter singt er habe über den Himmel die Erde verloren, einen Congreß von christlichen, jüdischen und muhamedanischen Astronomen, welcher die Alphonsinischen Tafeln machte. Mongolen Sie und ihre Entdeckungen füllten den großen Zeit- raum aus von 640–1236 p. C. Was später von ihnen in Granada übrig blieb, verarmte bald und vermogte den frühern Glanz nicht mehr hervorzubringen. Diese arabische Bildung ging auf einige Spanier über von denen wir nur nennen: Raimundus Lullus von Majorca, Doctor illustrissimus genannt; ferner doctor mirabilis, Roger Baco, Raimundus Lullus u. a. m. [[31]/0037] 4te Epoche war die Entdeckung von Amerika. Vorbereitet wurde sie durch das Aufblühen des italischen Handels und die Anregung geistiger Kräfte, welche von den freien Städten Italiens ausgeht; durch die Erfindung der Buchdruckerkunst und des Lumpenpapiers 1426 und durch das Studium der classi- schen Literatur das durch dieselbe angeregt ward. Apulien und Calabrien war lange Zeit noch unter bÿzantinischer Herrschaft gewesen und daher waren schon früh Griechen nach Italien gekommen. Unter den Italiänern nennen wir nur als Hauptwerkzeuge dieses neuen geistigen Lebens Petrarca und Boccacio. Den Einfluß den ein frei- eres Sprachstudium auf die Gemüther ausgeübt hat, braucht man nicht erst zu schildern. Die Entdeckung Amerikas saec: 15 war nicht die erste. Scandinavische Schiffer hatten es schon 1003 entdeckt. Jörke und Leith fanden zuerst Neufundland, welches sie von einer Art Weinreben, die sie vorfanden, Winland nañten. 1090 gingen die Brüder Zeen hin und entdeckten einen Theil der vereinigten Staaten, den sie Grojeo nannten. Außer diesen frühern Entdeckungen, eröffneten ein- zelne Reisen von Mönchen und namentlich die Reise des Venetianers Marko Polo größere Ansichten der Welt und ein Streben dieselbe näher kennen zu lernen. Aber diese Landreisen können keinen so lebendigen Einfluß gewinnen da sie von Einzelnen angestellt wurden, als See- reisen die neue Bevölkerungen in die entdeckten Länder brachten. Der Theil der Erde von den Azoren bis gegen 1390 ? ? [[32]/0038] die östliche Küste Asiens warwar den damaligen Völkern ganz unbekannt; dieser Theil ward jetzt erst ihnen geöffnet. Diese Entdeckung Amerikas trifft zusammen mit 3 andern Weltbegebenheiten: die schönsten Gebilde alter Kunst kamen aus ihren Gräbern hervor, der Laokoon der Apoll und der Torso wurden aufgefunden; die Re- formation gab dem Geiste Freiheit und Stärke und endlich entdeckte damals Kopernicus das neue Weltsÿstem. 1507 schon hatte er sein Werk de orbium coelestium revolutionibus ? vollendet, obgleich es erst 1543 heraus kam. Kopernicus glaubte das Sÿstem des Philolaos herzu- stellen, durch das Buch des mÿstischen Capella: de nuptiis philologiae et Mercurii begeistert; doch hatte er den Philolaos mißverstanden, denn dieser setzt nicht die Sonne in die Mitte des Sÿstems. Das Werk des Ari- starch von Samos wurde erst 1 Jahr nach Copernicus Tode gefunden. Durch Amerika’s Entdeckung ward zuerst ein Conti- nent gefunden, der von 50° N. B. sich bis zu 50° S. B. erstreckt. Hier sahen die Menschen zuerst Schnee unter dem Aequator, denn in Afrika wo man dasselbe hätte finden können, war man noch nicht bis zum Mondgebirge vorgedrungen. Damals erkannte man zuerst den Einfluß der Höhe auf die Temperatur. Damals entstanden die merkwürdigen Diskussionen über die Menschenracen denn damals auch hatte man in Afrika die verschiedenen Völker kennen gelernt. In Amerika aber hatte man [[33]/0039] ein ganz abgeschlossenes Menschengeschlecht gefunden und warf nun die Frage auf, warum da kein Negervolk sich finde. Man stritt darüber mit vieler Heftigkeit und glaubte diese Menschen seien, eben so wie ihre reißenden Thiere, die sie als Junge mitgenommen, aus Asien gekommen. Was der menschliche Verstand nicht alles ersinnt! Die Entdeckung von Amerika hatte auch einen großen Einfluß auf die richtige Ansicht von den Vulkanen. Man glaubte zuerst Wasservulkane gefunden zu haben, da sich die Berge Amerika’s zu solcher Höhe erheben, daß geschmolzene Wasser aus ihrem Innern hervorbrechen. Damals auch wurden die großen Strömungen entdeckt, namentlich der Golfstrom. Ueber ihn schrieb: Petrus Martÿr de ? Angiera Anfang des 16ten saec. Auch ein neuer Him- mel wurde damals von den Menschen gesehen. Die Schif- fer wurden aufmerksam auf die magellanischenmagellanischen Wolken; es sind dieß nicht eine Milchstraße sondern 2 große Nebel- flecken die keine Zone bilden. Schon früher waren sie den Arabern bekannt. Auch die schwarzen Flecken (ca- nope nennt sie Magellan) wurden damals zuerst von den Europäern gesehen. 2 Bücher die Anfang saec: 16 erschienen sind am interessantesten, nemlich Akosta’s Naturgeschichte und Petrus Martÿr de Angiera?. Nach dieser Weltbegebenheit, deren Folgen mit un- begreiflicher Schnelligkeit fortgingen und sich ausbrei- teten, ist kaum eine andere noch zu nennen. Die Kenntniß des Luftstroms auch der von Ost nach West geht [[34]/0040] und den wir gewöhnlich Paßssatwind nennen, haben wir Columbus, Poccode und Magellan zu danken. Auch Columbus schon fand, daß die Magnetnadel in ihren Ab- weichungen vom Pol überall gleich sei. Die durch alle diese Entdeckungen erzeugte neue Kultur trat nun an die Stelle der scholastischen Phÿlosophie. Auch Bruno ein Pan- theist im Sinne der Epikuräer trug hierzu viel bei. 8. Vorlesung, 28. November 1827 Auch zu mannichfachen chemischen Experimenten führte die Entde- ckung Amerika’s, denn ihrer bedurfte man zur leichten Gewinnung der Metalle. So ward denn damals die Amal- gamation entdeckt, durch welche man mit Hülfe des Quecksilbers Silber und Gold ausscheidet. Als Gegner der scholastischen Phÿlosophie, die sich mit Unrecht eine aristotelische nannte, wirkten besonders, Jordanus Bruno der sich in Chemie und Astronomie auszeichnete und einer der ersten Anhänger des Copernikus war. Indeß neigte er sich zu einem eleatischen Pantheismus, indem er die Welt als ein Thier betrachtete. Er ward in Genf verketzert und nachher in Venedig verbrannt. Dann der Kanzler Baco welcher schrieb de augmentis scientiarum. Er ist practi- scher als die andern, fand nichts neues, lieferte aber zuerst einen Schematismus wie man die Natur betrachten soll; dann Campanella welcher sich auszeichnete als antischolasti- scher Phÿlosoph durch sein Buch de phÿlosophia instauranda. Als 5te Epoche betrachten wir die Erfindung neuer phÿsi- kalischer Instrumente von 1590 bis 1643. Man versuchte nemlich bald nach der Entdeckung einer neuen Erdhälfte, [[35]/0041] das gegebene weite Feld genauer kennen zu lernen, und fand bald neue Organe auf. Die wichtigsten Erfindungen sind: 1., Fernröhre erfunden 1590 bis 1611. In die Zeit dieser 21 Jahre fällt die Entdeckung von Jupiters Trabanten und mithin die neue Idee, daß andere Planeten auch Monden haben; ferner die Erkenntniß der Ursache des neblichten Anblicks der Milchstraße; man sah nun zuerst Berge auf dem Monde und den Ring des Saturns. 2., Thermometer a: 1600 und lernte dadurch den Einfluß der Temperatur auf die Vegetationsverhältniße kennen. 3., Barometer a: 1643 durch Torricelli; zuerst angewandt zur Erkennung der Höhe der Berge von Pascal. Es wurde mit diesem Instrumente die Ebbe und Fluth des Luftmeers entdeckt. 4., Infinitesimalcalcul entdeckt durch Leibnitz und Newton. Schon 1676 behauptet Leibnitz diesen Calcul gehabt zu haben. Er wurde angewandt auf Astronomie, dann auf Phÿsik. Durch die erweiterte Schiffahrt und größere Zugäng- lichkeit der Erde und durch die immer wachsende Zahl der Instrumente musten sich nach dieser Zeit auch die Entde- ckungen häufen und daher wird es denn schwerer sie alle aufzuzählen, je näher man der neuern Zeit kommt. Wir nennen nur: 5., Genauere Kenntniß von den Luftströmen durch Dampier u Halley 6., Die Kenntniß der magnetischen Linien 1700 durch Halleys Verdienst. [[36]/0042] Endlich als 6te Epoche stellen wir Cook’s Entdeckungsreise und seine Auffindung Neuhollands auf. Außer den neuen Erfahrungen die dadurch für Naturgeschichte und Astronomie gemacht worden, ist sie merkwürdig, weil sie eigentlich zuerst eine Expedition war, die ausging auf Erweiterung der phÿsi- kalischen Kenntniße. Die Temperatur der Luft und des Meeres, so wie die magnetischen Linien wurden genauer bestim̃t. Forster hatte das Verdienst das Neuentdeckte in einem Na- turbilde darzustellen. Für die Geographie hat Cook nichts gethan, denn damals waren noch nicht allgemeine geognosti- sche Ideen aufgestellt worden. Seine Reise aber gab An- stoß zu allen folgenden Reisen, welchen jetzt nicht mehr Hauptzweck die geographische Entdeckung war. Dufresne und viele andere gingen bloß aus um phÿsikalische Ent- deckungen zu machen, und dies gelang denn auch immer besser, da man immer mehr neue phÿsikalische Instrumente erfand. Der Spanier Spina (?) fand zuerst, daß die südliche He- misphäre nicht abgeplatteter sei, als die nördliche. Freycinet u. Duperrey Einen eigenthümlichen Character erhalten die neuern Bestrebungen durch die Landreisen. Gingen diese auch nicht so weit wie die arabischen im Mittelalter und waren sie auch räumlich nicht so groß und umfassend, so sind sie doch wichtiger geworden, weil die Menschen mit neuen Organen ausgerüstet, sie antraten. In Asien reisten Dvis, Niebuhr u. a. m. und fanden daß das Himmala- jagebirge höher sei als die Andes, ja vielleicht 9–12000 Fuß höher. In Europa machte z. B. Saussure und mit ihm Pallas? [[37]/0043] viele andere wichtige geognostische Entdeckungen. Afrika durchreisten Mungo-Park, Bruce, Hornemann, Lichtenstein, Barrow, Le-Vaillant etc: Durch die geognostischen Be- strebungen fand man denn auch Fingerzeige für die Theorie des Erdbaues. Man entdeckte organische Geschöpfe einer Vorwelt; so namentlich zeichneten sich in dieser Hin- sicht aus Cuvier, Brolland, v SchörerCuvier, Brogniart v. Schlottheim u. a. m. Es wurden neue Arten von Gebilden gefunden die über der Kreide lagen, die Phaecieren-Gebilde. Die Geognosie gab Aufschlüsse über die Verhältniße der Vulkane und Erhe- bungen von Inseln und Bergen, was v. Buch auf ganze Erdtheile anwandte, so daß er gezeigt hat, daß die Form des festen Landes nicht bestimmt ward durch das Zurückweichen der Gewässer, sondern vielmehr durch Erhebungen des Continents. Alle diese Ideen, die sich auf die Construction der Erde be- ziehen, sind befestigt worden durch neue Entdeckungen in der Phÿsik. In Italien erfand man die Voltasche Säule und den Galvanismus; sie ward besonders wichtig seit Bercelius die wichtigste Anwendung von derselben ge- macht hat. Oerstedt und Seebeck entdeckten die Iden- tität der electrischen Kräfte und in der Chemie leisteten viel Lecoq, Montagne, Saussure, Erman, Dalton Wells und Gay-Lussac. Oerstädt, Seebek Um die Zeit des Endes des 18ten saec. fällt die Entde- ckung der Raum durchdringenden Fernröhre durch Dollond, Herschel und Frauenhofer. Durch sie wurden aufgefunden, der Uranus und die unserem Planetensÿstem angehörenden [[38]/0044] Kometen; dann die Doppelsterne, oder die Bewegung 2er selbstleuchtenden Körper um einander oder um einen dritten. Die Entdeckung neuer optischer Erscheinun- gen hat hierzu noch beigetragen. Durch die Erscheinung der farbigen und unfarbigen Polarisation ist es ge- lungen zu entscheiden, ob ein Stern von sich das Licht hat oder von einem andern; ob das Leuchten von einem Gasartigen oder andern Lichte herrührt. unfarbigen Die neusten geographischen Entdeckungen sind bis in die Polargegenden ausgedehnt und wenn man gleich 26° noch hat, so ist doch mancherlei schon früher bestimmt; z. E. ist da- durch wahrscheinlich gemacht, gegen die bisherige Annahme, daß am Südpol weniger Eis sei, als am Nordpol. Die Ent- wickelung der Intelligenz hat gleichen Schritt gehalten mit dem phÿsischen Wissen. Früher war das nicht der Fall, denn die Menschen konnten sich nicht weit genug ausbreiten. Die Civilisation ist jetzt auf größere Räume verbreitet und die Völker helfen sich wechselweise fort, indem sich jedes mit einem andern Zweige des phÿsikalischen Wissens beschäftigt. Die Fortschritte in einzelnen Wissenschaften gehen immer stoßweiße und was noch dunkel geblieben ist in der Geog- nosie und Meteorologie wird vielleicht durch die glückliche Entdeckung eines einzigen Tages in dem Laboratorium des Chemikers oder dem Kabinett des Phÿsikers aufgehellt werden. 9. Vorlesung, 1. Dezember 1827 Quellen der Wissenschaft. Diese sind entweder eignes Studium der Natur, oder S. 46 [[39]/0045] Studium der Schriften in denen die Beobachtungen gesam̃elt sind. Was ein einzelner Beobachter sehen kann, ist natürlich gering in Vergleichung mit dem was während so vieler Jahrhunderte beobachtet ist. Wenn es daher sehr wichtig ist die Beobachtungen zu sammeln, so ist es doch auch nothwendig sich mit irgend einem Theil der Naturwissenschaften zu be- schäftigen, denn nur so vermag man das, was andere beob- achtet haben verstehen lernen. Für diejenigen welche viel Muße haben und Zeit genug darauf verwenden können ist das Studium aller Reisebeschreibungen, aller einzelnen Abhandlungen das wichtigste, denn nur aus dem Speciellen kann das Generelle erkannt werden; wer weniger Muße hat muß sich an den Sammlungen anderer halten. Die älteste phÿsikalische Geographie lieferte Mitte des 17ten saec: Varenius s. oben. Er verwechselt häufig das Spe- cielle mit dem Generellen und hat den Stoff nicht genug unterschieden. Veraltet ist: Lulot Einleitung zur Erdbeschreibung aus dem holländischen v. Kaestner 1755. Neuer: Kants phÿsikalische Geographie 2 Werke, fortge- setzt von Ring und Vollmer. 6 Bände. Besser: Langeerde 4 Bände voll Theorie. Maltebrun geographie universelle 1812; eine geist- reiche Behandlung der phÿsikalischen Erdbeschreibung, hat aber auch das Specielle mit dem Generellen verwechselt. Seine Aufmerksamkeit auf das Organische ist sehr zu rühmen. [[40]/0046] Vater Grundriß der Phÿsik 1814. Grundstaett und Menke 1810 dasselbe; Erde in der neuen Ausgabe von Gähler’s phÿsikalischem Wörterbuch. Link’s Be- trachtungen über die Urwelt folgt eine phÿs. Erdbeschreibung v. Halle Welträume. Laplace sÿsteme du monde Schubert’s und Littrows astronomische Werke. Auf v. Horst’s geistreichen Phÿsikalischen Theil der Weltgeschichte folgt eine Geschichte der durch Ueberlieferung nachgewiesenen natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche 1822–24. 2 B. Ein ganz ausgezeichnetes Werk das keine andere Litera- tur hat ist Uker’s mathematische und phÿsikalische Erdbeschrei- bung der Griechen und Römer 1816–21. Ein Zweig der Literatur neuster Zeit ist die aesthetische Behandlung großer Naturscenen geworden. Diese sowie die botanischen Gärten haben mächtig zu dem Streben ange- regt, fremde Länder zu sehen. Auch ein neuer Zweig der Landschaftsmalerei ist jetzt aufgeblüht der sich mit der in- dividuellen Darstellung der Pflanzenformen beschäftigt. In früherer Zeit waren die Strebungen, Gegenden zu be- schreiben, nur bei Dichtern zu suchen, nicht bei Prosaikern, wo höchstens einmal Schlachtfelder oder Wohnsitze roher Völ- ker beschrieben wurden. Die Alten kannten den Genuß der Natur, aber er bildete keinen Hauptzweig der Literatur; die Landschaften waren ihnen nur ein Hintergrund. Bei den Indo-germanischen Völkern finden wir mehr das tiefe Gefühl für die unbelebte Natur. Als den ersten [[41]/0047] Versuch sie zu beschreiben, nennen wir des Kardinal Bembo Werk, Beschreibung der verschiedenen Schichten der Vegetation die er beim Ersteigen des Aetna gesehen un- ter dem Titel: Aetna dialogus beschrieben. Andere ähnliche Beschrei- bungen finden sich in seinen großen historischen Werken. In neuerer Zeit hat Georg Forster eine solche Behandlung mit Geschmack gewagt, in seiner Beschreibung der Südsee- inseln, Bernhard de St. Pierre in dem Roman Paul et Virginie; Chauteaubriand in seiner Beschreibung der Ue- berschwemmung des Missisippi und in seiner Reise nach Griechenland p. Ferner Goethe, dessen tiefes Gefühl für Schönheit alles durchdringt, und der sich noch besonders be- schäftigt hat mit speciellen Theilen der Naturerkenntniß. Es hat indeß diese aesthetische Naturbehandlung auch auf Abwege geführt; manche haben poetisch erzählen wollen und sind unwahr geworden. Bei der Schilderung großer Gegenstände ist fremder Schmuck immer gefährlich. Analog diesem neuen Zweige der Literatur, ist der neue Zweig der Landschaftsmalerei, der sich auf die characteristische Darstellung der Pflanzen geworfen. Bei Römern und Griechen ist die Landschaftsmalerei höchstens zu dramati- schen Zwecken oder zum Hintergrund historischer Gemälde benutzt. Selbstständig ausgebildet wird sie zuerst in der van Eÿk’schen Schule. Heinrich v. Bloss versuchte zuerst die historischen Figuren zu verkleinern und die Landschaft zur Hauptsache zu machen. Mediosaec: 16 ent- wickelte sich diese Kunst freier in Italien. Erst med: [[42]/0048] saec: 17 hat man angefangen mit Wahrheit exotische Na- turerscheinungen zu mahlen, so stellte Franz Boos der mit dem Grafen v. Nassau nach Brasilien ging den Amazonenfluß dar. Hodges Cook’s Maler, Daniel’s Reise von Plÿmouth nach Canton u. a. m. In der Darstel- lung der Pflanzenform hat es am weitesten gebracht Hou- gendorf, der kürzlich nach Brasilien reiste. Man kann alles dieses als eine Erweiterung der Weltansicht ansehen und die Schilderungen Forster’s, der Anblick des Drachenbaums im botanischen Garten und Hodges Bilder haben mich selbst zum Antritt meiner Reise bewogen. Koes 1642 ? Portsmouth n. Calcutta ? Rugendas Phÿsikalische Geographie. Die Weltbeschreibung ist definirt als Betrachtung des Geschaffenen. Es drängen sich hierbei von selbst 3 besondere Betrachtungen auf: S. 50 Betrachtung der Anhäufung der Materie: 1., Nach dem Maß der absoluten Größe; 2., Nach der Verschiedenheit der chemischen Natur; 3., Nach dem Maß ihrer räumlichen Entfernung von einander; 1., Anhäufung der Materie nach dem Maaß der absoluten Größe. Wir gehen darauf aus, zu sehen wie die einzelnen Stoffe im Weltraum vereinigt sind. Hier ist uns zuerst auffallend wie so verschieden die Weltkörper an Größe sind; der kleinste Planet Vesta hat einen Durchmesser von [[43]/0049] 59–60 Meilen, die Sonne dagegen 3300 Meilen. Der große Aerolith Aerolith (gleichfalls ein planetarischer Körper) der in Chaco in Mexico fiel, hat einen Durchmesser von 4–5 Fuß. Das Ver- hältniß des Durchmessers des Aeroliten zu dem der Vesta ist also wie 1 zu 270,000. Also übertrifft der Durchmesser der Vesta den des Aeroliten 80 mal, als den der Sonne den der Vesta. Der Fixstern Veja nun ist 34 mal größer als die Sonne; da verkleinert sich denn die Vesta so daß der Durchmesser des Veja den der Vesta 2–3 mal mehr über- trifft als der der Vesta den des Aeroliten. Der innere Satellit des Saturn ist 2 mal kleiner als Vesta; den- noch werden 135000 Aeroliten neben einander gestellt einen Satelliten bilden und erst 212000 Satelliten bilden einen Vesta. Selbst unter den starren Körpern also findet sich ein ungeheurer Unterschied der Größe im Weltraum und die Größe wird also nie einen Weltkörper bestimmen, denn der Aerolit kann auf diesen Namen so gut Anspruch machen als die Veja obgleich dieser 28000,000,000 mal größer ist als jener. ? ? richtig! Die Materie welche den Raum erfüllt macht sich auch in der grösten Entfernung sichtbar. (Thierkreislicht.) Andere sichtbare Massen sind die Nebel welche die Dunst- räume der Körper umgeben und welche Herschel Nebel- flecke genannt hat d. h. solche dunstförmige Massen in welche kein consolidirter Körper eingesenkt ist. Wenn man sie 8–900 mal vergrößert erblickt, erhält man immer noch dieselbe Glanzerscheinung. Durch Schließen kann man [[44]/0050] noch aus andern Gründen auf die Existenz der Dünste kommen. Wenn wir uns nemlich vorstellen daß, je stärker die Fernröhre sind desto mehr die Massen zunehmen, so kommt man auf die Idee, daß wenn es kein Hinderniß im Welt- all gäbe, aus jedem Theile desselben die Sterne uns Licht zu- senden müßten. Das ganze Himmelsgewölbe müßte also vollkommen Sternhelle haben; da dies aber nicht der Fall ist, so schließt man, daß diese Materie sehr schwächend ist; es ist der dunstförmige Stoff, der sich noch nicht zu Welt- körpern gebildet hat. Eine andere Ursache kann man aus der Wiederkehr der Kometen ableiten. 10. Vorlesung, 5. Dezember 1827 Beschaffenheit der Materie selbst nach der Art ihrer Verdichtung. 1. Der Zustand der Materie kann ein 3 facher sein: starr, tropfbar-flüßig, elastisch-flüßig. Es findet sich eine jede dieser 3 Formen auf der Erde. Die flüßige Maße sehen wir im Ocean und wahrscheinlich findet sie sich auch im Innern der Erde. In der Tiefe von 48 Meilen muß sich eine Hitze von 46° Reaumur finden bei welcher Eisen schmilzt. So aber sind nicht alle planeti- schen Körper. Der Mond scheint bloß starr zu sein. Seine Atmosphäre ist von solcher Dünnigkeit wie bei uns unter der Luftpumpe. Das eine haben alle Nebenpla- neten mit einander gemein, daß sie sich um sich selbst bewegen und zugleich in halber Zeit um den Hauptplaneten; allein Atmosphären mögen wohl einige haben z. E. die Satelliten des Saturn. Wenn der Mond bloß starr ist, so S. 52 [[45]/0051] giebt es andere Körper die bloß gasförmig sind z. E. die Kometen. Bloße Nebelkörper sind die planetarischen Nebelflecken die Herschel entdeckt hat. Alle Planeten jenseits der neuentdeckten (?) sind auch schon so dünn, daß sie etwa wie Wasser sein mögen. 2., Chemische Verschiedenheit der Körper. Wir kennen eigentlich nur das was in und auf unsern Planeten ist. Doch wenn die Aerolithen aus weiter Ferne kommen, so finden wir auch die chemische Verschiedenheit frem- der Körper. Gust: Rose hat gezeigt, daß sie Gebirgsarten sind mit Christallisation. Von unseren Planeten kennen wir eigentlich auch nur die Oberfläche, die aus vielen heteroge- nen Körpern besteht; jetzt kennen wir solcher etwa 51. Die größere Maße bildet Sauerstoff und Kieselerde. Die größere Quantität des Sauerstoffs ist nicht in der Luft sondern in den Bergen, in der festen Maße der Erde. Das Wasser ist aus Sauerstoff und Wasserstoff zusam- mengesezt; Erdmasse ist wenig dabei. Die Atmosphäre besteht seiner größeren Quantität nach aus Stickstoff und 1/1000 ist Sauerstoff. In den Anhäufungen des Organischen liegt der Grund warum sie ihre Verhältniße nicht verändern; sie machen ein Ganzes aus, in ihrem Innern bestim̃t. Kohlen- säure (?) 3., Entfernung der verschiedenen Gruppen. Alle Völker, alle Sprachen unterscheiden Himmel und Erde, die telluri- schen Verhältniße von den nichttellurischen. 1., Welcher von den Himmelskörpern ist unserer Erde am nächsten gekom̃en? 2., Welche Himmelskörper kommen sich am nächsten? [[46]/0052] ad. 1. Der Mond ist 48000 geographische Meilen entfernt von uns und mithin der nächste. Im Jahre 1770 kam ein Komet unserer Erde am nächsten, der, wäre er nicht so dünn gewesen, unser Jahr um 3 Tage verlängert hätte. Der Bielasche ist 1826 ? nur 2 Mondweiten von uns gewesen. 1783 meinte man unsere Atmosphäre sei vermischt wor- den mit einem Cometenschweif; man sah den Mond gar nicht und die Sonne 2 Monate ohne Strahlen; auch spürte man zugleich bedeutende Erdbeben. Allein, diese Undurch- sichtigkeit der Luft ward nicht am Aequator beobachtet und das hätte doch sein müssen, wenn eine Vermischung mit dem Cometenschweif Statt gefunden hätte. Der Komet von 1819, der so schnell kam daß man ihn auf einmal mit treff- lichem Glanze sah, ist am 26ten Julius desselben Jahres durch die Sonne gegangen und daher muß sein Schweif sich mit unserer Atmosphäre gemischt haben. 1453 soll ein Comet den Mond verfinstert haben und der wäre als dann unserer Erde am nächsten gewesen. Es findet sich diese Nachricht in dem bÿzantinischen Schriftsteller Franza; allein er ward mißverstanden; er hat bloß gesagt: es sei, als der Mond verfinstert worden, auch ein Comet erschienen. Junius ad. 2. Das Beispiel größerer Nähe zweier Himmelskörper giebt uns der innere Saturnstrabant. Er ist nur 27,300 Meilen von seinem Hauptplaneten entfernt. 1767 und 79 ist der Comet von 79 mitten durch das Sÿstem der Jupiter- trabanten gegangen und doch ist ihre Bewegung nicht ge- stört worden. Der Comet von 1680 hat sich der Sonne auf Phrantza ? [[47]/0053] ⅝ Mondweiten genähert. Der Ring des Saturn sind zu- sammenklebende Satelliten; er ist merkwürdig als der nächste, der nur 5800 Meilen von den Hauptplaneten ent- fernt ist. Die Doppelsterne sind nicht so nahe wie es scheint, denn wenn sie uns nur 5 Sekunden entfernt von einander zu sein scheinen, so ist ihr Abstand doch so groß als der der Sonne vom Saturn. Die dunstförmigen Massen nähern sich einander viel mehr. In einige derselben sind die Sterne hineingesenkt. Die Ge- schwindigkeit des Lichts ist etwa folgende Größe: von dem Saturn 2½ Stunde, vom Uranus 3 St.: vom Rande un- serer Sternschicht 2500 Jahre; von den Nebelflecken 30–40,000 Jahr. Die Attraction ist bei den dichten Körpern weniger groß als bei den lockern. Selbst die Körper welche jenseits unserer Sternschicht liegen üben eine Wirkung auf unsern Erdkörper aus. Was wir hiervon berechnen kön- nen geht nur bis zur Entfernung des Saturn. Nicht bloß Ebbe und Fluth im Ocean, sondern auch in der Atmos- phäre wird erregt durch die Attraction des Mondes und der Sonne. 2400 ? vom Sirius 3 Jahre, vom Uranus 2 ½ Std., vom [[48]/0054] 11. Vorlesung, 8. Dezember 1827 Astronomischer Teil welcher sich mit der geballten und ungeballten Materie des Weltraums beschäftigt.  Wir reden nur von dem was ist, nicht aber von den Gründen warum und wie es ist, welches einer beson- deren mathematischen Behandlung überlassen bleibt. Unsere Lage ist zur Erkenntniß der Gestirne sehr vortheilhaft, indem wir auf einem nicht selbst leuchtenden Körper und auf einem mittleren Planeten wohnen. Denn wären wir auf __ selbstleuchtenden Körper so würden wir nichts von den Gestirnen wissen, indem diese Licht-Atmosphäre den Durchblick verhindern müße, wie man in Peru mehre Monate hindurch nichts von den Himmelskörpern bemerkt wegen einer Verdichtung der Luft, durch die nur die Sonne als rothe Scheibe zu dringen vermag. Der Ideenkreis der Menschen würde aber ohne Kenntniß des gestirnten Himmels viel beschränkter ge- blieben sein; sie wären gewiß nicht so früh zu religiöser Begeisterung gelangt, welche zuerst die große Ordnung der Gestirne angeregt hat; sie hätten schwerlich die Gestalt und Form der Erde erkannt, die sie nur durch Pendelschwingungen hätten construiren können; die Schiffahrt wäre ihrer besten Stütze beraubt gewesen und die Mathematik würde nim- mer so ausgebildet worden sein. Auf unserer Erde selbst ist die beste Lage zur Erkenntniß der Gestirne sowohl als auch der tellurischen Verhältniße der Aequator; denn hier übersieht man die nördliche wie die südliche Hälfte des Himmels. Deshalb will auch Herr Herschel jun: mit den [[49]/0055] Instrumenten seines Vaters sich auf eine hohe Lage unter dem Aequator begeben, wo zu jenen Vortheilen noch die Dünne der Atmosphäre hinzukommt. Wir sehen unter den Sternen nur 2 Körper als Scheiben, alle andern bezeichnen sich uns mit mehrfachen Strahlen, sowohl Fixsterne als Planeten. Im Fernrohr verlieren sich diese Strahlen, so daß, durch dasselbe betrachtet der Him̃el fast trauriger erscheint. Etwas Aehnliches findet sich schon unter den Tropen wo die Atmosphäre reiner ist. Wir haben hier also Unterschiede zu machen zwischen den Erscheinungen die in dem Wesen der Himmelskörper begründet sind und solchen die aus unserer Atmosphäre herzuleiten sind. Die Fixsterne haben unter den Tropen ganz dasselbe Licht wie die Planeten. Die Art wie wir bei Anschauung der Ge- stirne getäuscht werden ist zweierlei: 1., durch Vergrö- ßerung 2., durch strahlenförmige Polÿgone als welche uns die Sterne erscheinen (polÿgona stellata). Es kommt beides her von der großen Entfernung. ad. 1. Durch das undeutliche Sehen fällt der Kegel des Lichts nicht in einer geometrischen Figur in die Netzhaut, sondern dahinter oder davor. Man nennt dies den Zerstreuungs- kreis des Sternes. Man hat gemeint daß es von dieser Zerstreuung herkommt, daß, wenn der Mond einen Stern bedeckt, dieser Stern am Monde zu kleben scheint. Allein hierfür werden wir später einen bessern Grund aufführen. ad. 2. Sonne und Mond werden als Scheiben gesehen, Jupiter [[50]/0056] und Venus erscheinen aber nur durch Fernröhre so. Es wäre zu wünschen, daß man erführe, ob Sterne die halb so groß wie der Mond erscheinen sich dem Blick auch noch als Scheibe darstellen oder nicht? Die Zahl der Strahlen ist verschieden nach den einzelnen Leuten. Einige sehen 8 Strahlen in re- gelmäßiger Figur, ich aber nur 7 in unregelmäßiger Figur; wenn man die Augen zusammenzieht vergrößern sich die Strahlen etc: Die Art der Suppression zeigt deutlich, daß die Polÿgonalform bloß vom Kopf abhängt; denn wenn man z. E. das Auge erhebt, werden die unteren Strahlen verschwinden und die oberen sich vergrößern. Die Alten scheinen 5 Strahlen an den Sternen bemerkt zu haben; denn nach Horapollon bedeutete ein Stern die Zahl 5 und alle Hieroglÿphensterne haben 5 Spitzen. Das Funkeln der Sterne ist nicht Folge der Dünste, die sich in der Atmosphäre bewegen, denn es ist keinesweges eine Translationsbe- wegung. Es entsteht, wie Mitschel beobachtet hat, daß der Stern entweder gar nicht im Augenblick für unsern Blick existiret, oder daß er Farben hervorbringt; es ist als wenn der Stern von Zeit zu Zeit verschwindet und vor dem Verschwinden farbig geworden ist. 5 mal in einer Secunde hat Mitschel diese Emanation von Strahlen be- obachtet; er schloß hieraus, daß die Sterne intermitti- rendes Licht geben. In neuerer Zeit hat man erklärt, daß es mit dem Phaenomen der Interferenz zusam̃enhängt; man ist nemlich darauf aufmerksam geworden, daß 2 Lichtstrahlen sich zerstören können. Grimaldi in Bologna [[51]/0057] hat bemerkt daß die Beugung der Lichtstrahlen farbige Fran- zen giebt und daß in Mitten beider eine weiße Lichtlinie sich zeigt. Th. Jung hat 1803 diese Entdeckung fortgesetzt und hieraus die Undulationstheorie gebildet aus welcher sich die Bewegung der Lichtstrahlen erklären läßt. Young ? 12. Vorlesung, 12. Dezember 1827 Daß das Phaenomen des Funkelns der Gestirne mit der Interfe- renz zusammenhängt wird noch klarer, wenn man sich nur erinnert der wellenförmigen Bewegung des con- centrischen Kreises die z. E. entsteht wenn man einen Stein ins Wasser wirft. Wenn die beiden Bewegungen so auf- einander passen, daß gerade die eine hinauf geht wenn die andere hinuntergeht, so wird Ruhe eintreten. Wenn nur die Strahlen durch ungleichförmig gemischte Luft fahren so werden 2 Strahlen ungleiche Geschwindigkeit erlangen und dadurch werden sie sich selbst zerstören. Hieraus läßt sich auch erklären warum das Funkeln weniger wird unter den Tropen und auf hohen Bergen und mehr in den temperirten Zonen und auf Ebenen. Ich habe be- merkt, daß in den Tropen die Sterne funkelnd werden wenn sich die Luft erkältet, (nicht wenn sie feucht wird) und das Beginnen der Regenzeit kündigt sich so an, wegen einer größern Electricität der Luft. Die Scheiben funkeln nicht, weil hier ein Lichtpunkt den andern er- setzen kann. Mit der Interferenz hängen ferner zusammen: die Erscheinung, daß ein Stern auf dem Mond zu kleben scheint wenn dieser vor ihn tritt; die farbigen Ringe und schwarzen Flecken; und endlich die Erscheinung daß bei S. 62 fehlt etwas wörtlich [[52]/0058] einer totalen Sonnenfinsterniß ein großer Ring mehre- re Secunden lang sichtbar bleibt. Mit bloßen Augen sehen wir nur die Sterne 1ster bis 7ter Größe. Nach Herschels Beobachtung nun ist es wahr- scheinlich, daß Sterne 6ter und 7ter Größe 10 Siriusweiten von uns entfernt sind, und folglich 30 Jahre gebrauchen ehe ihr Licht zu uns gelangt. Man hat lange behauptet aus finsteren Orten könne man auch bei Tage die Sterne sehen. Allein es scheint dies falsch zu sein. Ich hat sie nie gesehen aus den vielen Schachten in denen ich gewesen und ich habe auch niemals einen Menschen gefunden der sie gesehen hat. In der Pariser Sternwarte war es ein Betrug des Astrono- men Concièrges. Die Führer auf dem Montblanc behaupten die Sterne, auf dem Gipfel dieses Berges, bei Tage gesehen zu haben; allein auf gleichen und noch größeren Höhen Südamerika’s ist dergleichen nie vorgekommen. Es giebt übrigens Menschen die stärkere Augen als andere haben; so versichert Benzenberg daß er einen Herrn v. Eschwegen Eschwege in Göttingen gekannt habe, der bei Tage den Regulus (ein Stern 1ster Größe) sah und andere die die Trabanten des Jupiters mit bloßen Augen sahen. *) So haben Herschel und Bonpland den Jupiter noch 18 Minuten nach Sonnenaufgang unter den Tropen gesehen. Venus mögte noch am leichtesten bei Tage erkannt werden; wodurch es indeß erschwert wird sie zu sehen, ist der Um- stand daß man selten den Platz wo sie zu suchen, genau anzugeben vermag und durch das Suchen eine Beweglichkeit S. 63 wörtlich *) Encke hat mich versichert, daß er auch die Trabanten dieses Planeten mit unbe- waffnetem Auge sehe. [[53]/0059] des Auges bewirkt die das Auffinden erschwert. Scheiben sieht man unter einem Winkel von 1 Min:, Baumstämme von 15–18 Secunden, Ableiter von 25 Secunden. Ich sah Bonpland in weißen Kleidern auf dem schwarzen Trachytgestein des Chapuza in einem Winkel von 5–6 Secunden, wozu indeß der Umstand beförderlich war, daß jener sich bewegte. Warum aber, so mögen wir nun fragen, sieht man denn bei Tage die Sterne durch Fernröhre? Die Sterne werden durch dieselben ja nicht größer, sondern kleiner. Die Ur- sache liegt in der Schnelligkeit der Bewegung – so erklärt es sehr treffend Arago. Das Ausschließen des äußeren Lichts aus den Röhren trägt wohl etwas dazu bei, allein daß es nicht nöthig ist, sieht man daraus daß man auch durch die ältern Luftfernröhre *) die Sterne gesehen. Trapazit- gestein ? wörtlich S. 63/64 Man sagt häufig, daß die Zahl der Sterne, die man mit bloßen Augen sehen könne 5000 sei; allein Herschel hat ge- zeigt daß es von Sternen der 1sten–6ten Größe wenigstens 11000 giebt. (Sterne 6ter Größe allein zählte Herschel 8076, 7ter Größe 14000). Das teleskopische Sehen ist nicht bloß merkwürdig wegen der vielen neuen Erscheinungen die man dadurch gefunden z. E. den Ring des Saturn, die Sonnenflecken, sondern am wichtigsten ward es als man es mit messenden Instrumenten *) Luftfernröhre nennt man die ältern Fernröhre die man so ungeheuer lang machte, daß man sie nicht mehr mit einer Röhre umgeben konnte. Man hatte z. E. welche von 250 Fuß Länge; sie bestanden als denn bloß aus einem Objectiv und einem Ocular, die man mit großen Winden einander näherte oder von einander entfernte. Dominiqu Cassini unter Louis XIV wollte eins von 600 Fuß machen, wovon indeß nur das Ocular fertig ward. Natürlich daß bei solchen gewaltigen Anstalten, das Volk viel aufmerksamer auf einen Astronomen ward. [[54]/0060] in Verbindung setzte; so ward es nicht bloß für die phÿsische sondern namentlich auch für die mathematische Astronomie gewinnreich. Diese Verbindung machte zuerst 1634 Morin in Paris und es führte sie weiter aus 1664 Picard. Einen andern Vortheil bringen die Nachtfernröhre als Kometen- sucher, die nur 4–5 mal vergrößern aber ein größeres Objectiv haben wodurch also ein größerer Lichteindruck ent- steht, der durch eine stärkere Vergrößerung und also Ver- zerrung verloren gehen würde. wörtl. S. 64 13. Vorlesung, 15. Dezember 1827 Cf: Von den Franz: Annalen der Chemie Thl. 1. 1816. pag: 199 und 239. Memoire v. Fresnel 1819. Thomson’s Chemie Franz: v. Hiphel Supplemtbd: 1822. Fischer’s mechanische Naturlehre. Bd. 2. Astrognosie. Das Resultat der Beobachtungen im Felde der Astrognosie ist: daß geballte Körper in Schichten als Inselgruppen vertheilt sind, zwischen welchen sporadisch einzelne Sterne lie- gen. Was wir mit bloßen Augen sehen ist die Gruppe in der wir uns befinden. Unser Planetensÿstem aus 11 Hauptplaneten und 18 Nebenplaneten bestehend ist unbeträchtlich im Verhält- niß zu dem Sonnensÿstem in welchem es liegt, und dies Sonnensÿstem ist unbedeutend in der großen Schicht von Sonnensÿstemen zu denen es gehört. Nehmen wir es in seiner größesten Größe mit allen Cometenbahnen die sich uns zei- gen, so hätte es doch 37,000 mal größer gedacht, Platz in unserer Sternschicht. Wir beginnen mit den äußersten Grenzen, von dem [[55]/0061] mÿthischen Theil gleichsam, der sich doch darin von dem mÿthischen Theil der Geschichte unterscheidet, daß er nicht bloß mehr auf Vermuthungen beruht sondern seit 30 Jahren Resultat der angestellten Beobachtungen ist. Von den fernen Gruppen – Unsere Sternschicht – Unser Planetensÿstem das wird die Reihefolge unseres Vortrages sein. Von den fernen Gruppen. Einige von den fernen Nebelflecken sind dem Auge sichtbar und von jeher beobachtet. So der Gürtel der An- dromeda, die Krippe im Krebs. Teleskopisch zuerst be- obachtet saec: 17 von Simon Magius; später 1724 wurde der Nebelfleck im Schwerdte des Orion von Huygens ? be- obachtet. Der Columbus dieser Räume war Herschel, ihm folgten beobachtend: Mercier, raisonnirend, Lambert. Herschel hatte zuerst die Idee von 3 Dimensionen nach denen diese Weltkörper gelagert sein müssen und so warf er das Senkblei in diese Räume und maß die Tiefen des Himmels. Die Nebelflecke sind entweder auflösbare oder unauflösbare Nebel. Wenn man die erstern mit stärkern Fernröhren betrachtet, so schwindet der Nebel und es erscheinen deutlich die einzelnen Sterne; so z. E. die Milchstraße. Viele Nebelsterne lösen sich aber nicht auf. Man kann fragen: würden sie nicht von noch stärkern Fernröhren aufgelöst werden? Es könnte sein; allein nach analogen Schlüssen giebt es eine Wahrscheinlichkeit daß sie wirklich unauflösbar sind. Man ist nemlich von einer Vergrößerung von 150 S. 66 [[56]/0062] zu 1800 gestiegen und dennoch haben sich nicht einmal einzelne Sterne gezeigt; bei einigen giebt es im In- nern einen zunehmenden, glänzenden Kern, als wenn ein Stern im Nebel versenkt wäre. Häufig sind teleskopische Sterne 1 oder 2 in der Mitte des Nebels wirklich gefunden, und man hat gefunden, daß sich diese mit dem ganzen Nebelhaufen fortbewegen. Dies alles spricht dafür daß das unauflösbare Nebelsterne sind. Die Zahl der Nebelflecken ist 3000, von denen die meisten unauflösbar. Denken wir sie uns alle auf ei- nem Haufen, so würden sie etwa 600 Vollmondsräume am Himmel einnehmen. Herschel meint, daß der näch- ste unauflösbare Nebelfleck 8000 der entfernteste 300,000 Siriusweiten von uns entfernt ist. Die unauflösbaren Nebelflecken wären also Lichtwolken, wie unsre Dunst- wolken; wir unterscheiden 3erlei Arten: 1., Bloße Nebel, ganz kernlos, rund und von gleicher Farbe. 2., Solche, in deren Innern es eine Zusammenziehung des Lichts giebt, aber nicht einzelne Sterne. 3., Nebel in denen im Innern einzelne Sterne sind. Die planetarischen Nebelflecke haben 12–15 Secunden im Durch- messer; sie würden also nach berechneter Ferne den ganzen Raum zwischen der Sonne und dem Uranus ausfüllen. Daher meint Herschel daß die Lage aller Sternsÿsteme auf sie, als auf Fixpunkte zu beziehen sei. Uebrigens sind sie von verschiedener Form, pinselartig, kammartig cometenschweifartig. In der Leÿer findet sich einer in Gut [[57]/0063] Gestalt eines Ringes, der in seiner Mitte einen schwar- zen Fleck hat und in der einen Seite teleskopische Sterne. Es giebt Bewegung in diesen Räumen die alles was wir an Schnelligkeit kennen zu überschreiten scheint, selbst die des Lichtes. Allein auch Veränderungen finden sich an den Nebelflecken. So stimmte die Beschreibung Huigens von dem im Orion nicht mehr zu der jetzigen Ansicht und daß er nicht etwa falsch beschrieben erhellt aus der von Herschel gemachten eigenen Erfahrung, der diesen hellen Flecken von 1774 bis 1800 beobachtete und selbst in diesem kürzern Zeit- raume Veränderung gefunden, er scheint nemlich aus einander zu gehen. Sterne 8ter Größe die früher in solchen Nebeln wa- ren, haben sich jetzt daraus entfernt. Herschel hat auch ver- schiedene Stufen der Verdichtung gesehen aus denen sich manch- mal 2 Formen bilden. Unter den 3000 Nebelflecken giebt es schon 600 welche in der Mitte verdichtet sind. Von unserer linsenförmigen Sternschicht. Nur uneigentlicher Weise darf unsre Sternschicht ein Ne- belflecken genannt werden, in so fern man sie etwa aus weiter Ferne sähe. Die verschiedene Lichtstärke ist es, die die Idee von der Form der Sternschicht begründet hat. In der frühsten Zeit beschäftigte man sich bloß mit den grösten, hellsten Sternen und die verschiedenen arabischen Stämme beteten verschiedene derselben an; einer den Sirius, ein anderer den Canopus etc: Es war dies die beschauende Astro- nomie. Unter den Ptolomäern begann die messende. Hÿp- parch der einen Stern auflodern sah in der Cassiopeja [[58]/0064] hat in seinem cathalogus die Sterne gezählt bis zu denen 6ter Größe und in demselben Buch sie zuerst classificirt nach ihrem Glanze und die Klassen mit einzelnen Buchstaben be- zeichnet. Dieß ist von der grösten Wichtigkeit; denn wenn man jene Scala vergleicht mit der heut entworfenen, so findet man daß große Veränderungen vorgegangen sind, unter den Sternen, daß sie entweder näher gekommen oder eine Aenderung des Lichtprozesses statt gefunden haben müsse; so namentlich im Kranich. Die früheren Beobachter kannten indeß nur 2 Dimensionen unserer Sternschicht, Herschel aber 3. Messungen der Lichtstärke also sind von der größern Wichtigkeit wegen der Bestimmung der Entfernung der Sterne. Lambert hat gefunden, daß das Licht des Vollmonds über 277,000 mal schwächer ist als das der Sonne; nach Olbers hat der Aldebaran ein 400,000 mal schwächeres Licht als der Vollmond; die Sonne würde dieselbe Lichtstärke des Aldebaran für uns haben, wenn sie 311,000 Halbmesser der Erdbahn von uns entfernt wäre. Nach Olbers hat beim Vollmond ein Theil der Atmosphäre so groß wie die Schei- be 900000 mal weniger Licht als die Vollmondscheibe selbst. Venus Licht ist nur 3000 mal schwächer als das des Vollmonds nach Lambert. Die Sterne 1ster Größe haben kaum 1/20 Se- cunde Durchmesser für uns und bei ihnen hat man doch große Mühe den Uranus, der 4 Secunden Durchmesser hat, zu sehen; das kommt daher, weil er nicht selbst leuchtet. Wegen der Größe der Sterne hätte man glauben können, daß in der Minuten ? Gut! [[59]/0065] Größe die Ursache des stärkern Leuchtens liege, wenn nicht Herschel gezeigt hätte, daß es leuchtende, nicht zu- sammengeballte Himmelskörper giebt. Venus hat Licht- abwechselungen eben so wie der Mond und dennoch findet sich in ihr selbst ein Lichtproceß, indem sie von Zeit zu Zeit phosphorisirend sichtbar wird. Die Lichtstärke selbst kann auf vielfache Weise gemessen werden: 1., Die sicherste Art ist die, die Schatten mit einander zu ver- gleichen von Rumfort vorgeschlagen. 2., Eine andere, ältere ist das Licht der Körper oder Sonne selbst, nachdem man es in Hohlgläser aufgefangen hat, zu ver- gleichen, von Lambert zuerst angewandt. 3., Eine sehr geistreiche Art wandte Herschel zuerst und zwar auf die Jupiterstrabanten an, indem er nemlich einen Theil des Lichtes im Fernrohr verkleinerte. Vor ihm hat es zwar Baillÿ schon eben so gemacht, aber Herschel ist durch das Mittel des Diaphragma auf die Idee von der Gestalt unserer Sternschicht gekommen. Er richtete nemlich 2 Spiegeltelescope gleicher Stärke auf einen Stern. Fand er in ihnen das Licht nun ganz gleich stark, so richtete er das eine Telescop auf den Stern dessen Lichtstärke er vergleichen wollte mit dem andern und bedeckte das 1ste Telescop und zwar so lange bis der größre Stern den kleinern an Licht gleich ist, und aus dem Maaß der Bedeckung berechnete er die Lichtstärke, aus dieser wiederum die Entfernung; denn die Lichtstärke verhält sich [[60]/0066] wie das Quadrat der Entfernungen. 4., Eine von mir vorgeschlagene, vermittelst ei- nes Spiegelsextanten; denn durch das Erheben oder Niederliegen des Fernrohrs an diesem Instrumente kann man 2 Sterne zusammenbringen *). 14. Vorlesung, 19. Dezember 1827 Herschel jun: hat ein memoire über den Nebelfleck im Schwerdt des Orion herausgegeben und gezeigt wie sehr sich derselbe verändert hat. Die Vertheilung der größern und kleinern Sterne ist auf beiden Hemisphären ziemlich gleichmäßig. Von der 1sten Größe finden sich nemlich in beiden 9; von der 2ten Größe in der Nordhemisphäre 26 in der südl: 27. Von der 7ten Größe in der nördl: 76 in der südl: 101. 8ter Größe im nördl: 195 in d. südl: 181 etc: Die Verschiedenheit des Lichts hatte schon Herschel be- obachtet indem er ein Prisma vor seinem Objectiv hing; nach ihm fand Frauenhofer, daß sich merkwürdige Querstreifen im Spectrum des Prisma’s bei einigen Sternen finden. Das Spectrum ist gleich wenn man die Sonne und den Mond da- durch sieht, also einen selbstleuchtenden und einen refractirten Körper. Allein Ofenfeuer, electrisches Feuer und Sternlicht erscheinen ganz verschieden durch das Prisma gesehen. Pollux ist ganz verschieden von Castor, letzterer ganz gleich dem Sirius. Allein es giebt auch, ohne das Licht der verschiedenen Sterne *) Im Spiegelsextanten sieht man nemlich 2 Sterne zu gleicher Zeit, einen durch Reflexion im Spiegel den andern durch den freien Theil des Rohrs. Wenn nun der durch Reflexion gesehene lichtschwächer ist als der andere: so hängt es durch Auf- und Abschieben vom Beobachter ab, beide Bilder gleich zu machen. Will man nun, nachdem man beide zusammengebracht messen wie weit die Lichtstärke ver- schieden ist; so kann man dies nach dem Maaß wie weit man ab- oder auf- dreht bestimmen. [[61]/0067] zu zerlegen, fürs bloße Auge verschiedene Sternfarben. So theilten die Perser den Himmel ein nach 2 rothen Sternen (dem Altares und Antibaras) und 2 weißen Sternen (dem Regulus und Formathat) diese 4 nannten sie des- halb regiae stellae. Sirius ward früher roth genannt und hat jetzt ein glänzend weißes Licht. Er erschien den Ae- gyptern im rothen Licht, am 20ten Julius in der Dämmerung zuerst und bezeichnete ihnen den Anfang des Jahrs. Bei der Zahl der Sterne muß man unterscheiden: 1., die mit bloßen Augen gesehen werden am ganzen Fir- mament. 2., die welche nur in unseren Breiten gesehen werden oder am Aequator. Es sollen 1ter bis 6ter Größe 5000 sein. Herschel indeß hat den Bodeschen Catalog durchgezählt und 8000 gefunden. 6ter Größe allein 6700 ?. Doch ist es unsicher zu bestimmen was Sterne 6ter oder 7ter Größe sind; daher die Abweichungen in den Zahlen. 6ter und 7ter Größe giebt es 11 — 12000. Gute Augen sehen gewiß noch Sterne 7ter Größe und deren giebt es fürs Auge sichtbare 14200. In dem Him- melsgewölbe vertheilt würde von diesen noch nicht 1 Stern auf 12 Vollmondflecken kommen. Die ältern Catalogen von Hÿpparch, Allmagestus von Ptolemaeus enthalten nur 1200 Sterne und der Unterschied der Zahlen wird be- trächtlich von denen 5ter Größe an. Bode’s Uranologie Uranographie ? enthält ? 17240. Will man nun die später beobachteten von Bessel und Harding hinzufügen, so sind gewiß 120,000 Sterne bestimmt worden, allein fest und sicher sind nach dem Catalog von Piazzi und Bessel 8–9000. Wie S. 72 [[62]/0068] viel Sterne durch ein Telescop gesehen werden ist unbe- stimmt. Herschel sah, als er sein Telescop auf die Milch- straße, aber nicht auf den dichtesten Theil derselben richtete, in 40 Minuten 258,000 Sterne durch sein Rohr gehen. Littrow ? in Wien glaubt daß man mit 12–15 füßigen Telescopen auf der Breite einer jeden Quadrat Minute 1 Stern ent- decken würde; das würde etwa 180 Millionen machen und dann 200 auf jede Vollmondsgröße fallen. Sterne des südlichen Himmels: südlichen Him̃el nennen wir den Theil des Himmels den man zu sehen anfängt von 37½° N. B. an und dessen Sterne also eine südl: Abwei- chung von 52½° Breite haben. Wenn man sich nemlich dem Aequator nähert sieht man nicht bloß neue Erdräu- me sondern auch neue Himmelsräume. Auf dem Aequa- tor selbst, überschaut man heide Hemisphären. Die Alten kannten den Himmel nicht südlicher als Syene und Meroe. Die südlicheren Fahrten waren selten und wurden zu- dem von Leuten gemacht, die sich wenig um die Sterne kümmerten. Allein in 25000 Jahren dreht sich die Him- melsaxe um sich selbst, daher hatten die Bewohner Ale- xandria’s damals den herrlichen Anblick des Kreutzes, das jetzt unter dem Horizont dieser Stadt steht. Die frühste Nachricht empfing die nördliche Welt von diesen Sternbildern nach der Entdeckung Amerika’s durch einen Reisegefährten Magellan’s . . . . . .. Später beobachtete ihn Haley in St. Helena; La Caille in der Capstadt wohin jetzt Fallow (?) geschickt ist. In dem Theile der von Pol zu Pol Posidonius (?) [[63]/0069] nur ⅕ des Himmelsraums ausmacht und den man anfängt südlich von Madeira zu sehen, glänzen 6 Sterne 1ster Größe und 12. 2ter Größe. Erster Größe nemlich: Canopus, Soperus, Alpha des Kreuzes, Betha im Schiff, die Füße des Centau- ren. Die Schönheit des südl: Himmels rührt von der Gruppi- rung her; denn seine Landschaft macht einen größern Ein- druck auf die Einbildungskraft als die des nördlichen Him̃els. Auffallend sind am südl: Himmel: die großen Nebelflecke oder die große und kleine Magellanische Wolke und andre in der Argo nicht weit vom Canopus und als dann die beiden schwarzen Flecken. Wenn man von Nord nach Süd reist, so sieht man die Sterne in folgender Ordnung: 1.,Canopus 37½° S. B. bei Madeira 2., die Füße des Centauren 3., Achernar ? im Eridanus, 4., das Kreuz 5._, die schwarzen Flecken oder Kohlensäcke 6., die magellanischen Wolken. Allein so war es nicht immer, sondern die Umdrehung der Erde die eine andere ist als die der Himmelsaxe verändert die Lage der Gestirne. So sah man früher das Kreuz eher denn die Füße des Centauren und den Canopus. Ein besonderer Character liegt in dem Licht der südl: Sterne, es ist weißer, weniger röthlich und mehr planetarisch. Die leuchtenden Nebel finden sich nicht bloß in den beiden magellan: Wolken sondern auch im Schiffe. So treten am glänzendsten hervor: der untere Theil des Schiffes und des Schützen(?) die Füße des Centauren, der südl: Theil des Kreuzes; im leeren Raum liegen dann der Pfau und Canopus. La Caille hat den südlichen Himmel zuerst in Provinzen getheilt. In Hinsicht Acher- nar [[64]/0070] der Sternbildernamen kann der nördliche Himmel mÿtisch, der südliche industriell genannt werden. Der schwarzen Flecke giebt es 2. Der eine ist im südl: Kreuz so daß Alpha fast hineinfällt; der 2te ist südlicher und ich hat diesen nicht genau gesehen, da er nicht südl: als 15° S: B: gewesen ist. Erstern habe ich unter 3 und 4° S. B. gesehen. Ich fand ihn etwa 3° breit so daß er den Raum von etwa 6 Vollmondsflächen einnahm. Ich glaubt nicht wie La Caille daß die schwarze Farbe Wirkung des Contrastes sei, es müssen Gründe sein die in der Oeffnung des Himmels selbst liegen, wie schon Reinhold Forster gesagt hat. Aehnliche Röhren giebt es noch mehrere am Firmament; so fand Herschel eine im Scorpion und im Schlangenträger; die im Scorpion hat 4° ist aber nicht schwarz; vielleicht ist die Röhre nicht so lang wie die der schwarzen Flecke. Merkwürdig ist, daß man bei der Röhre des Scorpion einen großen Sternhau- fen findet; vielleicht hat dieser durch besondere Attraction alle Sterne aus der Oeffnung gezogen. ? 15. Vorlesung, 22. Dezember 1827 (Wir halten uns bei der Betrachtung unserer Stern- schicht länger auf als der Plan dieser Vorlesungen zu ge- statten scheint, aus 2erlei Grund: 1., weil in den allge- mein zugänglichen Schriften über die Entdeckungen in derselben wenig enthalten ist 2., weil der Geist einer Welt- beschreibung ein ganz andrer ist, als der, welcher in astronomischen Vorlesungen herrschen muß; in letzteren ist der wichtigste, der genau messende Theil; in einer Naturbeschreibung richtet sich das große Interesse, nach der größern Maße.) [[65]/0071] Die kleinen Magellanschen oder capschen Wolken, krei- sen um den Pol auf ähnliche Weise wie der große Bär; jetzt auch in gleichem Abstande. Sie sind an Glanz der Milchstraße gleich; ob sie auflösbar oder nicht sind, vermag jetzt noch nicht entschieden zu werden. v Humboldt der sie beobachtete, hatte keine sehr starke Telescope bei sich. Sie nehmen 8 Mondbreiten, 3–4° in ihrer längern Axe ein. Von den Griechen sind sie nie beschrieben, allein arabische Schriftsteller haben sie aufgeführt. Im südlichen Arabien sah man sie und nannte sie die alabasternen Ochsen. Dr Horner hat geäußert, daß sie vielleicht ehemals da gestanden hätten, wo jetzt die schwarzen, leeren Flecke, die Kohlensäcke, sich befinden; allein wir glauben nicht daß beide in einer Beziehung zu einander stehen. Das Kreuz ist von den Alten gekannt, von Eudoxus in Alexandria gesehen, selbst der südliche, glänzendste Theil mit dem α. Als man anfing das rothe Meer zu beschiffen sind Nachrichten davon zu den Astronomen des Mittelalters gekommen. Die Griechen rechneten die 4 Hauptsterne des Kreuzes zu den Füßen des Centauren. Acosta hat zuerst den Nutzen angeführt den man von diesem Sternbilde zum Zeitmaaß ziehen kann; und wir haben bemerkt, daß selbst die Wilden des Orinoko darnach die Stunden zählen. In Südamerika ist es sprichwörtlich: “es ist schon spät und das südliche Kreuz steht senkrecht.” Dante († 1321) hat dieß Sternbild gekannt und in seinem purgatorio davon gesprochen. Dieß ist sehr auffallend; [[66]/0072] er mochte durch seine Bekanntschaft mit dem handelnden Theil Italiens, den Venetianern und Genuesen, die den arabischen Meerbusen beschifften, davon Nachricht empfan- gen haben. Doch hat man jene Stelle auch anders ausgelegt, mÿstisch, von den 4 Weltkugeln.von den 4 weltlichen Tugenden. Wir wenden uns nun zu einem Theil der Winkel messenden Astronomie, die sich auf die entferntesten Fix- sterne bezieht, oder auf die Geschichte der Doppelsterne. Galiläi hat zuerst von ihnen gehandelt und die Fragen aufge- stellt: was nennen wir Doppelsterne? Giebt es phÿsische oder nur optische Doppelsterne? Er meinte das letztere und stellte die scharfsinnige Aufgabe, nach ihnen die Paralaxe zu finden, was wohl möglich wäre, wenn sie nur schein- bar zusammengehörten und einer hinter dem andern stände. Herschel hat diese Untersuchung am Ende des vo- rigen Jahrhunderts wieder vorgenommen und 1782 ge- zeigt, daß der gröste Theil der Doppelsterne in innerer Verbindung mit einander stehe und eine eigne Bewegung im Weltraume habe. Bessel hat dieß bestätigt. Wir wollen sie betrachten: der Zahl, der Natur, der Sache, der Größe der Bewegung und endlich der Zeit nach. S. 78 Die Zahl der Doppelsterne ist seit einigen Jahren sehr vermehrt worden. Früher kannte man kaum 800–1000 mit denen sich Sauth, Herschel jun: und Bessel beschäftigten. Struve in Dorpat hat vor wenigen Wochen (scripsit d 24 Dec: 1827) einen Catalog von Doppelsternen herausgegeben, in dem er 3312 aufführt die er alle selbst, bis auf 74 beobachtet hat. 3112 ? South [[67]/0073] 2300 danken wir allein seiner Thätigkeit. Er hat untersucht wie sie nicht bloß am Himmel vertheilt sind, sondern auch ge- funden, daß von den Sternen 1ster–3ter Größe immer unter 5 ein Doppelstern, von den Sternen 5–7 Größe kaum unter 12 ein Doppelstern sei. Er hat auch entdeckt, daß wenn man die Sterne 1–7 Größe zusammenwirft, man unter __ allemal einen Doppelstern findet. Das β in der Leyer Was ihre Natur anlangt so führen wir nur beispielsweise einige auf: Castor ist ein Doppelstern 2ter und 4ter Größe. Der Polarstern 2ter und 11ter Größe. Das Δ in der Leÿer ist 4 fach, das sigma Σ im Orion 16 fach. Die ältesten Beobachtungen in dieser Art sind gemacht 1759 von Lesslÿ und Brading (?). Im 61ten Stern des Schwan’s hat man seit 57 Jahren die Bewegung des kleinern um den größern beobachtet. 71 Die Farbe der Doppelsterne ist sehr verschieden. Bei denen, wo ein Contrast sich findet ist allgemeine Erfahrung, daß der größere der bunte und der kleinere der weiße ist. Daß beide bunt sind findet sich auch wohl. Man könnte glauben diese Verschiedenheit sei nur optisch und komme her von den Supplementarfarben; allein dies ist nicht der Fall, sondern man findet, daß z. E. auch ein blauer und ein weißer zu- sammen ist, und also Farben die sich nicht fordern. Auffallend ist daß blaue und grüne Sterne nie isoliert gefunden sind, sondern diese immer als Doppelsterne. der grössere nie bunt Sie bewegen sich entweder um einander, der kleinere um den größeren, oder beide um den gemeinschaftlichen Schwer- punkt. Die Veränderungen die man hierbei sieht sind entweder: 1736 Bradley ; 1759 Maskeline [[68]/0074] daß der Positionswinkel selbst verändert wird, oder biswei- len nur die Position oder bisweilen kommen sie einer hinter den andern; so sind seit ein Paar Jahren einige verschwunden, die bald auf der andern Seite wieder zum Vorschein kommen mögten. Die Bewegungen sind von unglaublicher Verschieden- heit und ungeheurer Schnelligkeit. Ψ Psy des großen Bären hat in einem Jahr 6° in andern 12° gemacht, so daß er wohl in 52 Jahren seinen Kreislauf vollendet. Die Rotation unsers Planetensÿstems ist von West nach Ost; der Kometen nach allen Richtungen und eben so auch die Rotation der Doppelsterne, von denen einige selbst von Ost nach West sich bewegen. Ihre Bewegung ist übrigens periodisch. 58(?) Von der Entstehung neuer Sterne. Es giebt gewisse Gegen- den des Himmels die wir revolutionäre, oder vulkanischen Bo- den nennen können. Die revolutionärste aller Gegenden in der die meisten großen Weltbegebenheiten statt gehabt haben, ist die Gegend zwischen der Cassiopeja, dem Adler, Schwan, Schlangenträger und Scorpion. Außer der Beschränkung der Gegend ist noch merkwürdig bei diesen auflodernden Sternen: 1., ihre kurze Dauer 2., die Verschiedenheit der Farbe 3., daß sich keine Ortsveränderung bei ihnen gefunden hat. Die älteste Begebenheit dieser Art ist im Adler beobachtet, wo man 389 p. C. einen neuen Stern auflodern sah, der 3 Monate dauerte und so stark glänzte wie Venus. Die Araber führten im Scorpion einen solchen auflodernden Stern an, der den 4ten Theil des Monddurchmessers hatte und 4 Monate dauerte. In der Cassiopeja erschien 1572 ein neuer S. 80 gut [[69]/0075] Stern, weiß, denn gelb, roth, endlich bleifarb, anfangs glänzender als Venus, bei Tage sichtbar 16 Monate dauernd; Tÿcho der ihn beobachtete fand aber keine Paralaxe. An demselben Punkte haben schon 2 mal vorher ähnliche Naturbe- gebenheiten statt gehabt 945? und 1264. Cassini hat 1670 wie- der in der Cassiopeja 5 neue Sterne entdeckt, von denen 2 verschwanden, 3 blieben. 1604 loderte der Stern im Fuß des Schlangenträgers auf, den Kepler beobachtete; anfangs ein Stern 1ster Größe, gelb, dann safran, purpur und vor seinem Verlöschen blasroth; er dauerte 1 Jahr. Er erschien bei einer Conjunction des Jupiters und Saturn und Kepler meinte es sei der Stern der Weisen. 1670 ist in der Nähe die- ser Gegend, im Fuchs ? ein Stern erschienen den Pater Antelm zuerst sah; er war 3ter Größe und verschwand nach 3 Monaten, loderte aber nach dem Zwischenraum von 3 Monaten noch 2 mal auf und verschwand dann gänzlich; das 2te und 3te mal beobachte- te ihn Cassini. Von den Plejaden hat man mit Unrecht ge- glaubt es sei einer verloren gegangen. Es rührt daher weil man jetzt nur 6 Sterne besonders hervortreten sieht. Schon Ovid sagt in den Fasten: qui septem dicuntur sex tamen esse solent. Man hat hiernach eine alte Mÿthe gebildet: die Electra, der 7te Stern habe sich weg und zum großen Bären geschlichen und sei nun der ἀλώπηξ oder das Rauterlein. Manche Sterne verändern ihr Licht und so kommt es wohl daß ein Stern 1ster Größe zu einem 3ter Größe hinabsinkt. Regelmäßig verändert sich Η im Arinus; andere ver- ändern sich unregelmäßig so z. E. die Mira Misa ? im Wallfisch. η im Antinous ? — ? [[70]/0076] Fabircius 1596 hat zuerst ihre Lichtveränderung bemerkt; Cassini sagt, ihre Periode bilde 137 Tage, manchmal aber bleibt sie mehre Jahre weg. Auch im Schwan finden sich ver- änderliche Sterne z. E. 1600 kam ein 2ter Größe der jetzt 6ter Größe ist. 1680 ist wieder einer beobachtet der endlich blieb. Castor war heller als Pollux, jetzt wird er aber jährlich licht- ärmer und schwächer u. so m. a. Im großen Bären war Δ zu Tÿcho’s Zeit 2ter Größe und jetzt hat er sich sehr verändert. Morau wollte diese Lichtveränderung daraus erklären, daß die Sterne linsenförmig seien und man sie also bald schmaler, bald breiter sähe; andre meinen es gebe dunkle Sterne, welche um die hellen rotieren und sie so von Zeit zu Zeit verdun- keln. 334 ? 1655? 1686? Kirch ___ δ Méran 16. Vorlesung, 29. Dezember 1827 Was die Größe der Fixsterne anlangt, so haben wir 1., ihre scheinbare Größe zu betrachten 2., besonders von der Milchstraße zu fragen: ob sie Folge einer wirklichen Zusam- mendrängung oder nur Folge der Projection sei. Sieht man die Sterne am Himmel zerstreut, so findet man offenbar Sterne verschiedener Größe. Wahrscheinlich kommt dies doch wohl daher, weil sie uns nicht gleich nahe stehen. Nehmen wir an daß alle gleich groß sind, so würde folgen daß die scheinbar kleineren weiter entfernt sind. Es ist hierüber keine Regel aufzustellen. Nach dem Probabili- tätscalcül muß man eine mittlere Größe annehmen und denn sind die kleineren die entfernteren. Nach jenem Calcül folgt, daß, wenn 17 Sterne zusammengruppirt sind, es wahrscheinlich ist wie 50000 : 1 daß sie die verschiedene Größe [[71]/0077] nur durch ihre nähere oder weitere Entfernung erlangen. Herschel hat auf diese Weise den Himmel gefegt und die Zahl der Sterne hat ihm zum Senkloth gedient, die Tiefe des Himmels auszumessen. —? Die Sternenmenge nimmt auf merkwürdige Weise ab, wenn man sich von der Milchstraße entfernt. Diese scheint die Folge der Projection zu sein und die sternlosen Räume sind denn die Pole der Milchstraße – nemlich: das Haupthaar der Berenice nahe beim Arctur und im südlichen Himmel nahe bei der Bildhauerwerkstatt. Für die Annahme daß die Milchstraße nur durch die Projection entsteht spricht: daß in wirklichen Sternhaufen Sterne von gleicher Größe bei einander sind, so daß man immer einen innern Grund für die Zusammenhäufung findet; bei der Milchstraße aber finden sich Sterne von allen Größen beisammen. Die Zählungen am Himmelsraume haben es wahrscheinlich gemacht, daß die große Axe unsers Sternhimmels 800 Siriusweiten, die kleinern 140–150 lang sei. Herschel hat die Frage zu beantworten gesucht, ob wir auf einer Sterninsel vom leeren Raum um- geben, uns befinden, oder ob unser Sternsÿstem mit an- dern, ähnlichen zusammenhänge. Früher glaubte er das erstere, und meinte selbst hinter der Milchstraße den reinen Himmel gesehen zu haben, später aber glaubte er bei den Polen nähere Nebelflecke zu entdecken. Nach die- sen Untersuchungen die nur Wahrscheinlichkeit bieten, liegt unser Sternsÿstem zwischen Adler und Sirius und [[72]/0078] das Verhältniß unserer Lage zu beiden ist wie 5 : 3. Un- sere Sterninsel ist aber nicht bloß abgeplattet, sondern man hat auch auslaufende Trümmer an andern Stellen gefunden, so daß sie dem Zustande der Verwüstung ausgesetzt scheint. Man hat auch schon früher geglaubt daß die Milchstraße Folge der Projection sei, am frühsten deutlich ausgesprochen von Kant 1755. Herschel, Beob- achtungen wurden zuerst 1790 angestellt. Die Milchstraße, von den arabischen Astronomen der Fluß, von den schwäbischen Mönchen des Mittelalters die Jacobstraße genannt, theilt sich beim Schwan in 2 Arme. Beim Fuße des Centauren sieht man auch einen ihrer Arme. Ihre Breite ist von 2° bis 17°, am breitesten zwischen dem Orion und dem südl: Schiff, am schmalsten beim α emeis. Eine Zone von Nebelflecken erstreckt sich durch die Jungfrau, durchschneidet die Milchstraße bei der Cas- siopeja und geht dann nach der Bildhauerwerkstatt zu. Von der Bewegung der Fixsterne, welche nicht etwa Folge der Aberration oder der Schwankungen unserer Erdaxe oder endlich der Praecession der Aequinoxien ist. In neueren Zeiten hat Herschel und Prèvot in Genf Untersuchungen hierüber angestellt aus denen folgt, daß unser ganzes Sternsÿstem sich dem Hercules zuwen- det und daß diese Translation wohl Einfluß äußern muß auf die Stellung der Fixsterne, daß ihnen aber dennoch ein Theil ihrer Bewegung eigenthümlich angehört. Humboldt hat die interessante Bemerkung gemacht Praezession S. 84 ?- [[73]/0079] daß die Sterne 1ster Größe am südl: Himmel eine kleinere eigene Bewegung haben als am nördlichen, kleinere als Arctus und Sirius; so schwach wie Aldebaran. Die absolute Entfer- nung der Fixsterne, so sagt man gewöhnlich, ist uns nicht bekannt. Allein wir kennen sie doch nach gewissen Gren- zen und haben dies gelernt durch die Bestimmung der Paralaxe *). Hieraus folgt daß die nächsten Fixsterne wenig- stens 4 Billionen Meilen von einander und von uns ent- fernt sein müssen. Sind die Sterne 1ster Größe wenigstens 4 Billionen Meilen von uns und von einander entfernt, so kann man auch den scheinbaren Durchmesser dieser Sterne finden. Das beste Mittel uns einen genauen Begriff von ihrer Größe zu geben, bieten uns die Be- deckungen dieser Sterne vom Mond und die Bewegung des Mondes selbst, Hugens und Halleus haben diese Beob- achtungen begonnen und jetzt sind die Fixsterne nicht mehr Theil der beschauenden, sondern schon der winkel- messenden Astronomie geworden. Auch nach der Licht- stärke hat man sie gemessen und auch diese Messungen nä- herten sich der Gewißheit. Aristarch v. Samos schon be- hauptete daß die Fixsterne unbeweglich seien wie die Sonne und sprach von ihrer ungeheueren Entfernung. Aehnliche Behauptungen hatte Thales ausgesprochen und Heraclit von Pontus meint die Fixsterne seien Welten wie die unsere und beständen wie die unsere aus Erde, Luft u. Wasser. *) Die Paralaxe der Erdbahn ist der Halbmesser der Erdbahn aus einem Gestirn gesehen und die Entfernung zweier optischer Oerter aus den Polen oder Erdbahn gesehen. [[74]/0080] Ja die Pÿthagoräer sprachen selbst von dem Rotiren der Fixsterne. Von allen diesen Behauptungen indeß ist wohl zu unterscheiden was wir mit Sicherheit von den Fixsternen wissen. Dies beschränkt sich eigentlich nur auf ihre Existenz. Man kennt ihre Farbe und ihre Zahl, dagegen kennt man nicht ihre Gestalt selbst, wohl aber die Gestalt ihrer Gruppen und ihre Bewegungen. Man kennt ferner das minimum der Entfernung und ihres Durchmessers. Allein vollkom̃en ungewiß ist alles was sich auf die Projection bezieht: ob die Zusammenhäufung Folge einer wirklichen Zusamm̃en- drängung oder Folge der Projection sei. Man ist fer- ner ungewiß, was zu unserem Sternsÿstem gehört, was nicht so z. E. das Haupthaar der Berenice und die Ma- gellanischen Wolken; Es ist ferner ungewiß ob z. E. die Nebelflecken des Orion entfernter sind als Sterne 4ter und 8ter Größe und ungewiß endlich wie die Dimen- sion unserer Sternschicht selbst beschaffen ist. 17. Vorlesung, 2. Januar 1828 3., Von unserem Sonnensÿstem selbst. So wie dies, kennen wir durch wirkliche Beobachtungen, nichts ähnliches im übrigen Himmelsraume. Unsere Sonne ist wahrscheinlich den Fixsternen sehr ähnlich; allein Planeten sehen wir bei andern Fixsternen nicht, sondern die, sie etwa umgebenden Sterne sind selbstleuchtend. Wir erblicken bei den Planeten eine 2 fache Erleuchtung, nem- lich bei den Hauptplaneten Reflex der Sonne und dann bei den Nebenplaneten Reflex des Lichtes der Hauptplaneten. Es giebt bei den Nebenplaneten noch ein 3tes Licht, welches sich S. 87 [[75]/0081] z. E. am Monde zeigt wenn er bei einer totalen Mondfinster- niß nicht ganz verschwindet. Unser Sonnensÿstem besteht aus einer weit größern Zahl von Weltkörpern als man bisher geglaubt; nemlich aus: 11 Hauptplaneten, 18 Nebenplaneten, 2 Cometen die in der Bahn der Planeten eingeschlossen bleiben, einer unzäh- ligen Menge Cometen die weiter schweifen; aus einer großen Zahl von Aerolithen und endlich aus dem Zodiacallicht selbst. Die Hauptplaneten haben noch den Namen Irrsterne behalten als Gegensatz gegen die Fixsterne. Die Idee daß die Sonne in der Mitte stehe ist schon in den ältesten Zeiten geahnt worden. Es sind also 6 Hauptkörperarten aus denen unser Sonnensÿstem besteht; die Cometen sind von diesen allen die wichtigsten geworden, weil wir durch sie die Ent- fernungen messen gelernt haben. Die Planeten haben nicht bloß das Sonnenlicht, sondern ein eignes phosphorisirendes Licht, so daß man z. E. die dunkle Seite der Venus gesehen hat. Außer der Venus findet sich diese Erscheinung wahrscheinlich auch am Uranus, was man daraus geschloßen hat, daß er so weit weg ist, einen sehr kleinen Durchmesser hat und doch gesehen wird. Mars hat ein trübes, röthliches Licht, da die andern Plane- ten doch alle weiß erscheinen; Saturn ist graulich weiß, Mercur und Venus am weißesten. An Jupiters Tra- banten hat man blaue und orange Farbe wahrgenom- men. In der Stellung des Planetensÿstems ist man ver- schiedenen Ordnungen gefolgt. Die kleine Periode der Woche S. 88 [[76]/0082] ist dadurch entstanden, daß die Planeten nicht sowohl den Tagen, als vielmehr den Stunden vorstehen. Unerachtet die Alten nur 5 Planeten kannten, so ahneten doch schon viele daß es mehr gebe; so Artemidor und Simplicius, welcher letztere meint, es gäbe viel häufiger Mondfin- sterniße als wir sie erklären könnten, und diese ent- ständen dann dadurch daß dunkle unsichtbare Planeten zwischen ihn und die Sonne träten. 1610 wurden die Jupiterstrabanten entdeckt. 1655 der 6te Saturntrabant 1671 〃 7te 〃 1672 〃 5te 〃 1684 〃 3te und 4te von Cassini 1781 der Uranus von Herschel; schon früher hatte man ihn gesehen, aber ihn für einen kleinen Fixstern gehalten. 1787 der 1ste und 2te Uranustrabant 1789 〃 1ste 〃 2te Saturntrabant 1790–1794 die andern Uranustrabanten 4–6. von Herschel 1801 Ceres von Piazzi 1802 Pallas von Olbers 1804 Juno von Harding 1807 Vesta von Olbers 1818 der Comet von Encke 1826 〃 〃 〃 Biela. 1., Von der Entfernung der Planeten. Die Erde ist von der Sonne 108 Sonnendurchmesser S. 89 [[77]/0083] entfernt also 20½ Millionen Meilen. Der Jupiter ist 1030 Sonnendurchmesser entfernt Uranus beinah doppelt so weit, nemlich 19 Erdweiten, 2000 Sonnendurchmesser oder 400 Millionen Meilen entfernt. Der Comet von 1811 geht 22 mal so weit von der Sonne weg als Uranus. Der Abstand des Uranus ist nur der 1000ste Theil der Sirius- weite. In der Größe der Planeten sieht man keinen Zusammen- hang mit ihren Abständen. 3 mal werden sie größer und 2 mal kleiner, wenn wir vom Uranus zu zählen anfan- gen. Der kleinste aller Monde ist der innerste des Saturn; der gröste der 3te des Jupiters. Wenn man die Abstände der nächsten und entferntesten Trabanten ver- gleicht, so findet man folgende Resultate: Saturn hat die am meisten entfernten 7½ Halbmesser; Jupiters sind 13, Uranus 19 Durchmesser ihres Hauptplaneten entfernt. In absoluter Entfernung steht der 7te Saturns- trabant am weitesten von seinem Hauptplaneten ab. In unserm Sÿstem sind am nächsten von allen Planeten sich Saturn und sein 1ster Trabant. In der pÿthagoräi- schen Schule meinte man die Abstände der Planeten wä- ren den Harmonien der musikalischen Skala gleich. Kepler hat zuerst diese Abstände in eine Reihe gebracht und behauptet zwischen Mars und Jupiter müsse ein neuer Planet entdeckt werden, was auch geschah. S. 89 Bewegung der Planeten. Um die Sonne bewegen sie sich von West nach Ost; dagegen die Cometen nach S. 90 [[78]/0084] allen Richtungen. Gegen den Sonnenäquator sind am meisten geneigt Pallas 17° 8′, Juno 11°. Alle Bahnen der Uranustrabanten stehen senkrecht auf den Uranusäqua- tor. Je größer die Neigung, desto seltener die Verfin- sterungen. Bei allen Nebenplaneten ist die Umlaufszeit um den Hauptplaneten gleich der Rotation um ihre Axe. Die Nebenplaneten bewegen sich in demselben Augenblick, in dem sie sich um den Hauptplaneten bewegen, um sich selbst. Die stärkste aller Excentricität ist die der Juno, dann Mars, Jupiter, Venus. Eine große Excentricität und Neigung der Bahn sind Eigenthümlichkeiten der Vesta u. Venus. 18. Vorlesung, 5. Januar 1828 Dichtigkeit der Planeten. Von dieser wollen wir noch eini- ges hinzufügen um die beiden, durch die kleineren Planeten oder Asteroiden getrennten, Sÿsteme noch näher zu charac- terisiren. Die Dichtigkeit, wenn man die einzelnen Pla- neten vergleicht, nimmt mit dem weitern Abstande ab und von dieser Regel macht nur Uranus eine Ausnahme. Die Sonne ist nicht, wie Kepler meint, der dichteste Körper, sondern sie ist kaum von der Dichtigkeit der Salpetersäure ⅒ und 2/10 wenn Wasser = 1. Dahingegen Mercur bis 20 oder 21 dichter als Wasser, Venus 52/10 die Erde 48/10 oder 54/10 (letztere Zahl ist wahrscheinlich die richtigere) Mars 33/10. Denn kommen die kleinen Planeten Jupiter 18/100 also fast wie das Wasser, Saturn nur 47/100 etwa wie Tannenholz. Uranus etwa 9/10 also wieder dichter *). Um die Dichtigkeit S. 90 *) Wenn wir die Dichtigkeit dieser Himmelskörper mit flüßigen Stoffen ver- gleichen, so wird daraus noch keinesweges folgen, daß sie nicht compacte Körper sein, sondern sie können auch gar wohl irdische Stoffe sein. So ist z. E. der Bimstein und der Mandelstein von Mexico weniger dicht als Wasser und Salpetersäure. [[79]/0085] eines solchen Himmelskörpers zu erfahren muß man auch das Volumen kennen, denn die Planeten ziehen sich nach der Quantität ihrer materiellen Theile an. Die Dichtigkeit konn- te also bestimmt werden: 1., durch die Erfahrung wie die Pla- neten sich gegenseitig stören 2., dadurch, daß man die Durch- messer kennen zu lernen suchte und auf diesem Wege ihre Größe und mit dieser die Dichtigkeit fand. Dies ist na- mentlich ein Verdienst von Gausz, der die Angabe der Jupiters Masse verbesserte durch Berechnung der Stö- rungen Vesta’s. Die Kometen, deren Masse man bis jetzt zu berechnen vermochte haben so geringe Dichtigkeit, daß einer z. E. nur 5/1000 hatte. Die inneren Planeten haben 5 mal größere Dichtigkeit als die äußeren. Doch gehört ¾ der ganzen Planetenmaße dem Jupiter an, obgleich er nur Wassers Dichtigkeit hat. Die Masse Jupiter’s und Saturn’s verhält sich zu den übrigen wie 20: 1. Daher stören diese beiden Planeten gewaltig und wir mö- gen uns freuen, daß wir weit von ihnen entfernt, uns zwischen 2 Planeten von geringerer Masse als der unsrigen uns befinden. Die Monde haben nicht immer wie unser Mond, dessen Dichtigkeit sich zu der der Erde wie 1 : 149/400 verhält, geringere Dichtigkeit als ihr Hauptplanet. 3 von Jupiter’s Trabanten sind dichter als Jupiter selbst und auch der 4te Saturnstrabant verhält sich zum Saturn wie 17/10 : 1. Die innern Planeten sind von geringerer Größe als die äußern, auch weniger als diese unter einander verschieden. (Setzen wir die Mittelgröße der äußern [[80]/0086] zusammen = 1 so ist die der innern nur = ½?) Die äußern Planeten sind viel größer und sich ungleicher; Wenn wir die Erde = 1 setzen, so ist die Mittelgröße der äußern = 780; sie schweifen von dieser Mittelgröße ab bis 1333 und 77. Die innern Planeten haben die Dichtigkeit des Platina, die äußern die Dichtigkeit des Wassers; also ist die mittlere Dichtigkeit der innern Planeten 5 mal grö- ßer als die der äußern Planeten. Die äußern haben bei größerem Durchmesser schnellere Rotation, etwa von 10 Stunden; sie sind im ganzen Mondreicher; wir finden bei ihnen 17 Satelliten und den großen Ring des Saturn. Die innern haben nur 1 Mond, den der Erde. Die äußern Planeten haben Zonen oder Streifen. Man hat dies sonst Verdickungen der Atmosphäre genannt, worüber wir später reden werden. Eine sonderbare Verschiedenheit unter den Planeten ist noch in der Schiefe der Ecliptik selbst. Von den innern wird der Venus ein Winkel von 72° zugeschrieben, während die andern immer schwanken zwischen 20° und 28°. Die äußern Planeten dagegen stehen ganz anders z. E. Uranus steht senkrecht auf seiner Bahn, Jupiter dagegen hat kaum eine Schiefe von 3°. Jupiter’s, Venus und Mars Rotation ist 1665–1671 von Cassini zuerst beobachtet; dagegen die Ro- tation und Abplattung des Saturn 1789 von Herschel; die des Mercur 1800 von Schröter. Mars soll trotz so lang- samer Umlaufszeit 1/15 abgeplattet sein; die Erde nur 1/290, Jupiter ¼, Saturn 1/11, Uranus Abplattung ist noch nicht genau bestimmt worden. [[81]/0087] In der verschiedenen Schiefe der Erd-Ecliptik fand man eine Ursache für die merkwürdige Erscheinung, daß nicht nur diejenigen Thier- und Pflanzen-Formen, welche der ältern Erdschichte angehören den Formen ähnlich sind welche wir in den Palmenklimaten finden, sondern daß selbst Thiere, den noch lebenden südl: tropischen Thieren ähnlich, an den Polen eingewickelt gefunden werden. Andere erklärten dies Phaenomen durch die Sonnenfackeln und Flecke. Die älte- sten Beobachtungen über die Ecliptik finden sich in chine- sischen Manuscripten und aus diesen folgt, daß seit 2000 Jahren die Schiefe der Ecliptik immer in Abnahme begriffen ist. Der Chevalier Nouville hat hieraus den Schluß gezogen, daß die Erde endlich senkrecht auf ihre Bahn zu stehen kommt, und daß denn ein ewiger Frühling über die Erde ver- breitet werden wird. Durch Laplace aber ist gefunden, daß auch diese Veränderung, wie alle im Weltsÿstem, periodisch ist. Die Dauer dieser Periode ist freilich nicht mit Gewißheit angegeben, aber doch ist gewiß, daß das maximum nur 2½° beträgt. Was jenes Phaenomen an- langt, daß man fälschlich durch diese Veränderung der Schiefe der Ecliptik zu erklären suchte; so hat man es so zu erklä- ren gesucht, daß man eine große Zertrümmerung nicht bloß organischer Körper, sondern ganzer Erdschichten selbst annahm. Es fragt sich indeß was hierdurch für ein Unter- schied der Klimate entstehen konnte. Nach der Verschieden- heit des maximum und minimum der Sönnenhöhe ver- minderte sich auch die Dauer des Tages und der Nacht. [[82]/0088] Die Umlaufszeit eines Planeten um den Centralkörper bestimmt auch die Entstehung der Epochen, wie die Planeten nach den verschiedenen Jahreszeiten zu stehen kommen. Jupiter mit der Venus 72° und Uranus 90° sind die bei- den Extreme. Je größer die Schiefe der Ecliptik eines Pla- neten, desto größer auch der Unterschied der Jahreszeiten. 19. Vorlesung, 9. Januar 1828 Dem Zustande in welchem die Erdbahn mit dem Sonnen- äquator gleich fallen würde ist Jupiter sehr nahe. Nach dem Stande des Uranus würde die Sonne in Berlin und Petersburg bald Palmenklima *) bald ewige Nacht geben. Anders würde es bei Jupiters Stande sein, in diesen wür- de die Sonne, nahe am Nordcap beständig 20° hoch stehen. Von der Atmosphäre welche die verschiedenen Planeten umhüllt. Früher meinte man, daß alle Körper von Gasarten umgeben seien; es ist dies nicht ganz der Fall. Es drängen sich uns bei dieser Betrachtung 2 Fragen auf: 1., wie hoch eine Atmosphäre ist, die wir Luft nennen können? 2., wie hoch überhaupt die Gränze einer Atmosphäre sei? Man hat ge- wöhnlich diese Höhe auf 8–10 Meilen angegeben; allein in dieser Höhe würde sie schon nicht mehr einen Barometerdruck von 1½ Linie haben und also dem sogenannten luftleeren Raume unter unseren Luftpumpen gleich sein. Die höchsten Punkte zu denen in der Atmosphäre auf Bergen und Ballons die Menschen gelangt sind, betragen etwa 1 deutsche Meile S. 96 *) Doch ist das Palmenklima nur ein unbestimmter Ausdruck; es giebt Palmen- arten die auch mäßigerer Temperatur nur bedürfen so namentlich die Berg- palmen von denen die berühmteste die Wachspalme. Diese kommt nicht tiefer vor als 900 Toisen und findet sich noch in einer Höhe von 1500 Toisen. Doch herrscht in dieser Höhe noch die mittlere Temperatur von Mailand 10° Reaumur. Eine [[83]/0089] wo noch 14 Zoll Luftdruck (die Hälfte des gewöhnlichen) sich fand. Wenn nun der Luftdruck so allmählig, je höher man kommt immer abnimmt, so müsse man glauben es gäbe gar keine eigentliche Gränze der Atmosphäre. Es ist hierüber viel Streit zwischen Mathematikern und Phÿsikern gewesen. Laplace hat geglaubt, daß man nur auf den Zustand einer Atmosphäre daraus schließen könne, daß die Elasticität der Luft in größerer Höhe mehr abnehme als der auf sie lastende Druck. So meinte er habe die Erde einen Theil der Mondatmosphäre an sich gezogen. Wenn unsre Erde auf diese Weise dem Mond einen Theil seiner Atmosphäre entzogen hätte, so würde es noch wahrscheinlicher sein, daß die grö- ßern Planeten uns gleichfalls unsere Atmosphäre entzogen und sich selbst so verdickt hätten. Guliston hat die Unhaltbar- keit dieser Laplaceschen Meinung gezeigt. Die Sonne müste nach diesen Schlüssen eine sehr verdichtete Atmosphäre haben. Er hat hieraus gefolgert, daß die Atmosphäre eine bestim̃te Gränze haben müsse. Nach genauern Beobachtungen geben die Trabanten des Jupiters welche bei ihrem Durchgange durch den Jupiter mit ihrem Schatten an der Scheibe des Hauptpla- neten wohl beobachtet werden können. Sie müsten aber doch, wenn sie in seine Atmosphäre kämen, verlangsamert werden; hiervon aber findet sich nichts. *) *) andere Art, die Turia (?) Montana findet sich weniger hoch, bis etwa 1200 Toisen wo 11½° mittlere Temperatur herrscht. Man braucht weniger für die Palmen nach der wärmsten Temperatur zu fragen, als vielmehr wie die kälteste sei. Bei 1700 Toisen Höhe finden sich keine Palmen mehr denn dort ist die mittlere Temperatur höchstens 6–7° Reaumur. Wo die Temperatur eines Monats bis 0° herabgeht können keine Palmen mehr gedeihen. Wo die mittlere Temperatur 10° Wärme ist geht die Temperatur theilweise tiefer herab als 5° Reaumur Kälte. [[84]/0090] Von den Bergen der Planeten. Solche Bergmassen hat man auf den innern Planeten mehr bemerkt als auf den äußern. Früher, so lange man glaubte, daß auf der südlichen Erdhemisphäre die höchsten Berge seien, meinte man eine große Uebereinstimmung der Erde in dieser Hinsicht mit andern Planeten zu finden. In der Venus wollte nemlich Schröter auch auf ihrer südl: Hälfte die höchsten Berge, etwa 6 mal so hoch als der Himalaja sehen: Mercurs Berge sollen 19000 Toisen hoch sein. Die Mondberge haben dieselbe Höhe welche man dem Himalaja zuschreibt, nemlich 4200 Toisen. Wenn man Leibnitz auf dem Monde zu 4170 Toisen annimt und ihn mit dem Monddurchmesser vergleicht, so findet sich daß er 1/214 Theil desselben beträgt; der Himalaja ist indeß nur 1/746 Theil des Erddurchmessers. S. 97 Gesetze der Planetenbewegung. In der Schiefe der Eclip- tik, und in der verschiedenen Abplattung der Planeten finden wir durchaus keine bestimmten Regeln, sondern hierbei schei- nen sie abzuhängen von Gesetzen denen sie gefolgt sind bei ihrer Bildung. Das gesetzliche fängt für uns erst an, wenn die Massen, Dichtigkeit und Rotation bereits verbunden sind. Was Kepler als Gesetze aufgestellt, hat Newton erst aus dem innern Causalzusammenhang begründet *). Kepler giebt 3 Ge- S. 98 *) Copernicus 1473 gebohren ist gleichsam Schöpfer des Weltsÿstems. Tÿcho de Brahe 1601 hat die messende Astronomie auf den höchsten Gipfel gebracht. Kepler fand die Gesetze der Induction und Analogie worauf er oft durch sein mÿstisches Streben geführt ward. Galiläi der an Newtons Geburtstag starb hat die phÿsische Astronomie gegründet und Newton hat Kepler’s Gesetze aus dem Causalzusammenhang aufgefunden. [[85]/0091] setze der Planetenbewegung: 1., die Planeten bewegen sich in Ellipsen in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. 2., die Sectoren der Flächen welche man aus den der Planeten gezogen beschreibt, verhalten sich zu den Zeiten in welchen diese Läufe beschrieben werden *). Dies Gesetz hat er zuerst entdeckt, ob man es gleich das 2te nennt. 3., die Qua- dratzahlen der Umlaufszeiten von 2 Planeten verhalten sich gegen einander wie die Würfel der mittleren Entfernungen der Planeten von dem Hauptkörper. Kepler war hierauf durch Analogie der pÿthagoräischen Tonleiter gekommen. Er hatte es 1618 zuerst entdeckt, jedoch sich verrechnet und erst nach 2monatlicher ungeheurer Arbeit den Fehler gefunden. Gesetz von der Gleiche d. Bahn 20. Vorlesung, 12. Januar 1828 Von den Weltkörpern selbst. 1., Von den Planeten a., den innern b., den äußern. 2., Von den Cometen a., von denen welche in unser Sonnen- sÿstem eingeschlossen bleiben b., von denen welche darüber hinausgehen. 3., Von den Aerolithen: doch von diesen werden wir im geog- nostischen Theil reden. Die Sonne, dieser Centralkörper hat 825 mal so viel Vo- lumen 560 mal so viel Masse als alle Planeten zusammen ge- nommen. Der Durchmesser ist vielleicht 109¾ Durchmesser der *) Die Zeiten welche ein Planet anwendet, einen Theil seiner Bahn zu durchlaufen, verhalten sich gegen einander, wie die Sectoren oder Räume der elliptischen Fläche zwischen dem zurückgelegten Bogen und dem Brennpunkt d. i. der Radius Vector schneidet in gleichen Zeiten gleiche Flächen von seiner elliptischen Bahn ab. Vor Kepler hatte man nemlich angenommen, daß die Bewegung eines Körpers in excentrischen Bahnen gleichförmig, mithin die Sectoren der Bahn den Zeiten proportional seien. [[86]/0092] Erde. 20,871,000 Meilen ist sie von uns entfernt. Eine Kanonenkugel welche in einer Secunde 1500 Fuß durchliefe würde vom Mond zur Erde 9 Tage, von der Sonne zur Erde 9 Jahre unterweges sein; dennoch kommt das Licht in 8 Min: 13 Sec: von der Sonne zu uns. (nach Delambre) richtig Man sieht an dem östlichen Rande der Sonne Flecken, welche sich von Osten gegen Westen bewegen und gewöhnlich nach 13 Tagen verschwinden. Man sieht sie etwa 30°–32° entfernt vom Sonnenäquator. Man hat aus diesem Allen eine Rotationsdauer von 25 Tagen (?) berechnet. Die Flecken sind nicht erst zu unserer Zeit, sondern schon früh gesehen; die Alten behaupteten daß sie früher ganz bedeckt gewesen sei von solchen Flecken. Im Jahr 321 p. C. führen zuerst die Chinesen sie an; 626 sind sie mit bloßen Augen gesehen u. arabische Astronomen (Abulfaradsch, Averroës) behaupteten den Mercur in der Sonnenscheibe zu sehen, was indeß unmöglich sein würde; auch die Peruaner denen die Garua ein dichter Nebel die Sonne monatelang verhüllt, kannten im Anfange saec: 16 die Sonnenflecken. Der Engländer Harriot hat sie zuerst als Flecken erkannt am 8ten Dec: 1610; in demselben Jahr sah sie auch Joh: Fabricius, der noch, die mildernden Blend- Gläser nicht kennend, seine Augen daran gewöhnen muß in die Strahlen zu schauen. Der Jesuit Tscheiner in Ingolstadt wird gewöhnlich als Entdecker genannt. Man muß, was diese Sonnenflecke anlangt, unterscheiden zwischen den schwarzen Flecken mit aschgrauem Rande und den Lichtadern welche man immer auf der Oberfläche der Sonne wie ein Gitter erblickt, S. 100 [[87]/0093] die sich aber nicht bewegen. Vor den Flecken geht die Sonnen- fackel vorher. Der schwarze Fleck welcher der Fackel nach 2 Stunden folgt, ist mit einem Halbschatten umgeben welcher vollkommen begränzt, sich nicht in den hellern Theil verliert. Dieser Halbschatten ist, wenn der Fleck in der Mitte der Scheibe steht, gleich groß an beiden Seiten; aber wenn er dem Rande sich nähert wird der Halbschatten breiter am Rande hin wo der Fleck verschwindet und schmaler gegen den Mittelpunkt der Scheibe; also umgekehrt wie es sich nach perspectivischen Gesetzen verhalten sollte wenn alles auf einer Fläche läge. Erklärt hat man diese Erscheinungen dadurch: daß die Sonne selbst nicht leuchtend sondern ein schwarzer Körper sei. Die Lichtfackel entstände durch ein Zusammenschieben der ihn umge- benden elastischen lichten Flüßigkeit, die dann und wann durch sich durch zuschauen erlaube. Um die zuletzt angegebene [Abbildung] Erscheinung zu erklären muß man annehmen, daß es 2 Wol- kenschichten um die Sonne gäbe w. w. von denen die äußere die mehr Leuchtende wäre und daß die Penumbra von der innern Fernröhre a b und a c, wenn A B der schwarze Fleck ist. Auch die Vergrößerung dieses Halbschatten, wenn sich der Fleck dem Rande nähert also das Auge gleichsam von 1 zu 2 tritt, gegen [[88]/0094] den Rand zu ist hierdurch erklärt, denn a c rechts ist größer als a b aber a c links ist kleiner als a. b. Vor 40 Jahren noch war die Meinung, die Sonne sei ein dunkler Körper noch so verschrieen, daß in Oxford ein Mensch deshalb für toll gehalten ward. Herschel hat zuerst die Perioden der Erscheinung dieser Sonnenflecke aufge- zeichnet und eine Tabelle entworfen worauf er die Erscheinung der Sonnenflecke den Kornpreisen in England gegenüber gestellt hat, indem er meint, daß die Flecken einen großen Einfluß auf die Erwärmung, folglich auch auf die Fruchtbarkeit der Erde haben. Das Sonnenlicht giebt 3erlei Arten von Strahlen: chemische, (nicht leuchtende,) magnetisirende und leuchtende Strahlen. Mariotte hat zuerst gefunden, daß es unsichtbare Wärmestrahlen gebe und Rochon hat 1775 diese Entdeckung noch weiter ausgeführt, indem er gezeigt, daß im Prisma der violette Strahl nicht, aber wohl der rothe Strahl wärmt und Herschel endlich hat gefunden, daß das maximum der Wärme noch außerhalb des rothen Strahles liege, wo gar kein Licht ist. Seebeck hat diese Ansicht dahin vervoll- kommt indem er gezeigt, daß es auch hierbei kleine Ab- weichungen giebt und daß manch mal das maximum der Wärme doch in den rothen Strahl fällt. Chemisch wirkend ist der violette Strahl. So leuchten die Lichtsteine im violetten Strahl, erlöschen aber im rothen; das hat gleichfalls Seebeck ent- deckt. Mrs: Som̃erville hat gezeigt, daß wenn man den violetten Strahl auf das Eisen fallen läßt die magnetische S. 102 [[89]/0095] Kraft schneller wirksam wird. Als am meisten leuchtend kann man den gelben Strahl betrachten. Lindenau hat geglaubt der Durchmesser der Sonne habe abgenommen weil sie so viel Licht schon ausgestrahlt; allein dieses ist bis jetzt nicht erwiesen. 300000 mal stärker ist das Sonnenlicht als das des Vollmonds. Es ist nun noch die Frage übrig, ob die Sonne an den Rändern heller ist als im Centrum? Wir sollten meinen die Ränder wären dunkler, weil sie uns nicht so zugeneigt sind und auch durch die Verdickung in der sie ihrer Richtung wegen für uns erscheinen, könne das Licht geschwächt werden *). Allein neuerdings ist durch optische Versuche dargethan, daß die Sonne im Centrum eben so leuch- tend ist, als an den Rändern nach der colorisirten Polarisation die Arago entdeckt hat **). Durch ähnliche Erscheinungen hat man bestätigen können, daß die Natur des Körpers eine gasförmige sein muß. Kommt nemlich das Licht von einem festen Körper so wird es colorisirt, von einem gasförmigen aber nicht. In neurer Zeit ist das Sonnenlicht von Gausz angewandt als Heliotrop und er hat den reflecktirten Strahl 9 Meilen weit gesehen. Mit der Erscheinung der Sonnen- flecken darf man nicht Erscheinungen einzelner Körper verwechseln, die mit ungeheurer Schnelligkeit sich bei der Sonne vorbei bewegten. Olbers hat dargethan, daß es wahrscheinlich Aerolithen seien die bei ihr vorbeigefahren, nicht etwa wie ein englischer Astronom meinte, große *) Eine spätere Entdeckung ist es, daß die Quantität des Lichts, welche zurückgestrahlt wird, von der Neigung der strahlenden Fläche abhängt und sich zur Fläche verhält wie die sinus der Winkel. **) Man sieht nemlich durch ein Bergkristall, dessen Seiten parallel dem Einfallswinkel [[90]/0096] Vögel. Die Bewegung der Sonne ist eine doppelte, nemlich ein- mal die Bewegung um ihre Axe, dann um ihren Mittel- punkt selbst durch Einwirkung der Planeten und anderer Him- melskörper; die hierdurch erregte Schwankung beträgt wohl nur 60 Meilen. Eine sehr ungewisse ist die Translation der Sonne mit ihrem ganzen Sÿstem in der linsenförmigen Stern- schicht, vielleicht dem λ des Herkules zu. 21. Vorlesung, 16. Januar 1828 Von den Planeten. Man theilt sie in obere und untere, je nachdem sie nach der Sonne zu innerhalb der Erdbahn, oder außerhalb derselben kreisen. S. 105 Von den unteren Planeten: als solche kennt man jetzt nur Mercur und Venus. Bei diesen muß man wiederum die obere und untere Conjunction unterscheiden. In der oberen Conjunction stehen sie (von der Erde aus gesehen) jen- seits der Sonne; dann erscheinen ihre Scheiben im vollen Licht, ihr Durchmesser dagegen ist wegen der größeren Entfernung kleiner; in der unteren Conjunction, wo sie zwischen der Soñe und der Erde stehen, und mithin einen scheinbar größeren Durchmesser haben, zeigen sich die Phasen, dieses höchst wich- tige Phaenomen. Vom Mercur. Dieser ist bei uns sehr schwer mit bloßen **) S. 105 **) der Strahlen geschnitten sind, 2 Bilder in den Kom- plementarfarben z. E. roth und grün. Läßt man nun 2 Sonnenbilder so aufeinander fallen, daß der Mit- telpunkt des einen in die Peripherie des andern fällt, wodurch man also Strahlen aus der Mitte der Sonne und von dem Rande übereinander bringt, so wird man in der Mitte bei c. immer weiß erhalten, zum Beweise, daß beide Strahlen von gleicher Beschaffenheit und Stärke sind. [[91]/0097] Augen zu sehen, weil er sich selten über 29° von der Sonne entfernt. Kopernicus bereute es noch auf seinem Sterbebette ihn nie gesehen zu haben; selbst der große Delambre, welcher so viele Jahre sich mit der beobachtenden Astronomie beschäf- tigte, hat ihn nur 2 mal in seinem Leben gesehen. Dagegen unter 30–35° N. B. in Babÿlon und Aegÿpten kann man ihn sehr leicht entdecken. Seine Lichtstärke ist größer als die des Jupiters, sein Durchmesser variirt v. 4–11½ Secunden und beträgt 580 Meilen; er ist ⅕ größer als der des Mondes; Umlaufszeit 87 Tage; Bahn sehr excentrisch, nur von den Aste- roïden in dieser Hinsicht übertroffen; Entfernung von der Sonne 8,000,000 Meilen. Schon die Aegÿpter glaubten, daß Mercur und Venus sich um die Sonne bewegten, und es ist nicht zu läugnen, daß grade die große Sonnennähe dieser Planeten auf Copernicus System vielen Einfluß gehabt habe. Seine Ro- tation ist sehr spät, erst 1800 bestimmt, und zwar nicht durch seine Berge, obgleich die nach Schröters freilich nicht ganz zuverläßigen Messungen bis 58,000 Fuß Höhe haben, son- dern durch eine Folge von Beobachtungen der Atmosphäre, welche Mercur zu haben scheint und welche bei den Phasen eine Dämmerung hervorbrachte. Noch genauer hat Harding die Rotation durch Beobachtung von Flecken und Streifen bestim̃t, welche er auf dem Mercur wahrgenommen. Dennoch bleibt es immer zweifelhaft, ob er eine Atmosphäre habe und ob nicht das was man sieht andere Flüßigkeiten sind, welche sehr nahe an der Oberfläche sich befinden. Monnier will die [[92]/0098] Atmosphäre beim Durchgange durch die Sonne gesehen haben: Humboldt konnte bei dem, von ihm in Lima beobachteten Durchgange nicht das Mindeste entdecken. Der erste Durch- gang wurde von Gassendi beobachtet, nachdem ihn Kepler vor- ausgesagt hatte; Halleÿ ging deswegen nach St. Helena. Man hat bis jetzt 21 Durchgänge beobachtet; der nächste wird 1832 im April vorkommen, der folgende 1835 in demselben Jahr, in welchem man den großen Halleÿschen Cometen erwartet. Von der Venus. Man schreibt dem Parmenides aus der pÿthagoräischen Schule die Entdeckung zu: daß es der- selbe Stern, nemlich Venus sei, welcher als Morgen- und Abend-Stern am Himmel erscheint. Lambert berechnete, daß die Lichtstärke der Venus nur 3000 mal schwächer sei, als die des Vollmonds. Ihr Durchmesser ist 86 mal kleiner als der der Erde. Die Berge sind wie auf der Erde in Ketten vertheilt, nicht wie auf dem Monde, wo sie um den Rand von Kratern herumliegen. Schon Lahire äußerte die Meinung, daß sie höher sein müsten als die der Erde; Schröter bestim̃te sie auf 7 Meilen und will auch eine Dämmerung, also eine At- mosphäre der Venus entdeckt haben. Er faßte seine Beobach- tungen in einem großen Werke zusammen, dem er den eleganten Titel gab: Aphroditographische Fragmente (für Mercur: Cÿnthiographische und den Mond Selenotopo- graphische Fragm:) Ueber die Umdrehung der Venus ist ein langer Streit zwischen Cassini und Bianchini geführt. Man hat die Gestalten des südlichen Hornes in den Phasen 107_ [[93]/0099] dazu benutzt um die Rotation auf 23 St: 21 Min: zu bestim̃en. Was man von einem Venus Mond gesagt hat, ist bloße Fa- bel. Fontana wollte ihn 1645 gesehen haben, und Lambert nahm sich die unnütze Mühe sogar Tafeln dafür zu be- rechnen. Zwar wollen beim Durchgange 1769 einige Astro- nomen mehrere Stunden nach dem Austritt der Venus den Mond vor der Sonnenscheibe gesehen haben, allein schon die Angabe dieser Zeit zeigt hinlänglich, daß sie sich geirrt haben müssen. Die Phasen der Venus geben einen der schönsten Beweise für die Richtigkeit des Kopernikusschen Sÿ- stems und gehören zu den frühsten Entdeckungen durch die neuerfundenen Fernröhre *). Da es in jener Zeit Sitte war, die neuen Entdeckungen durch ein Logogrÿph zu bezeichnen, wo eine gewiße Anzahl von Buchstaben das Geheimniß ent- hielt, so mag hier angeführt werden, daß Galileï in seinem Nuntius sidereus die Entdeckung der Venusphasen so entzif- ferte. Cÿnthii figuram aemulatur mater amorum und die des Saturnringes: richtig Altissimaum planetam tergeminum oberservavit. Kepler sagte den ersten Durchgang der Venus vorher und Horrobs ein junger, von Newton geschätzter, doch früh ge- storbener Astronom beobachtete ihn. Halleÿ machte zuerst auf die Wichtigkeit der Durchgänge für die Messungen über Entfernung der Sonne etc: etc: aufmerksam. Schon 1761 ging Markeline nach St. Helena um einen Durchgang zu beob- achten; doch der wichtigste ist der von 1769. Cook unternahm dafür richtig *) Die Reihe der Entdeckungen ist kurz folgende: 1, Soñenflecke 2, Jupitertrabanten 3, Ring des Saturn 4., Phasen der Venus 1610. [[94]/0100] seine 2te Weltumsegelung und blieb lange auf Otaheiti, wo Wales den Durchgang beobachtete. Der Pater Hell wur- de deshalb nach Lappland und Chapter nach Kalifornien geschickt. Zuletzt endlich hat Encke alle diese Beobachtungen von neuem berechnet und zusammengestellt um die Son- nenparalaxe so genau wie möglich zu bestimmen. Sie ist jetzt bis auf ⅒ Sec: gewiß, welches freilich noch 3 Mondabstände ausmacht; doch ist dies nicht viel, wenn man die ungeheure Größe und Entfernung der Sonne bedenkt. Das Mittel der Unsicherheit ist 1/232 der ganzen Entfernung, welches so viel sagen will, als ob man bei der Schneekoppe von 4950 Fuß um 20 Fuß ungewiß wäre *). Von der Erde. Wir berühren hier nur die Erscheinun- gen, welche mit der Astronomie in Verbindung stehen, d. h. solche, bei denen die Erde in ihrer Eigenschaft als Planet in Betracht kommt. Von 1683 bis 1718 glaubte man, (und dieser Meinung folgten Cassini und Maraldi) daß die Erde am Aequator abgeplattet sei. Dies ergab sich aus den, damals freilich unvollkommnen Messungen; allein der Irrthum kam daher, daß wirklich an jenen Stellen, wo man die Grad- messungen vornahm Ungleichheiten in der Figur der Erde sich fanden. Später wurde Condamine nach Amerika ge- schickt um einen Grad zu messen und Maupertuis nach Finnland. Die letzteren Messungen sind verbessert durch Dr Schwanenberg, der sie wiederholte und große Differenzen fand. S. 108 *) Den Abstand des Mondes von der Erde kennen wir 13 mal genauer als den der Sonne; er ist bis auf 15 oder 16 Meilen bestimmt: also beträgt hier das Mittel der Ungewißheit 1/3300 der ganzen Entfernung. [[95]/0101] Nach Maupertuis beträgt der 66° N. B. 57,400 Toisen, nach Schwanenberg 51,188 Toisen. Doch hat Rosenberger neuerlich gezeigt, daß der Fehler Maupertuis nicht so sehr groß sei und daß wohl ein Theil davon auf Schwanenbergs Rechnung kommen könne, welcher keine Kreise von Frauenhofer son- dern von Lenoir hatte. Die Vergleichung zwischen Peru und Lappland giebt für die Abplattung 1/330, zwischen Frank- reich und Lappland 1/304. Die genaueren Pendelmessungen geben sie noch größer auf 1/289. Die Anziehung des Mondes läßt auf 1/305 schließen. Duperreÿ’s neuste Untersuchungen auf 1/289. Die Schwankung ist also nur zwischen 1/305 und 1/289. Die Größe der Irrung in der Figur der Erde ist also nur 593 Toisen oder 3600 Fuß = 1/18 der Abplattung. Die Excentri- cität der Erdbahn ist jetzt im Abnehmen, so wie bei den mei- sten Planeten, außer bei Mercur, Mars und Jupiter bei welchen sie im Zunehmen ist. Für die Rotation der Erde hat man 3 Beweise: 1., Die Abplattung selbst, welche nicht da sein würde wenn die Erde still stände; 2., Die Verschiedenheit der Pendellänge; 3., Den Fall der Körper; S. 109 Wäre die Rotation 17 mal schneller, als sie ist, so würde die Schwere am Aequator = 0 sein d. h. kein Körper würde mehr fallen; wäre sie aber noch größer, so würde sie die Anziehungskraft der Erde besiegen und alle Körper wür- den weggeschleudert werden. Man behauptete zuerst gegen des Copernicus Sÿstem, [[96]/0102] daß wenn die Erde sich drehe, so müsse ein Körper, den man von der Spitze eines Thurmes fallen lasse, nicht am Fuße desselben ankommen, sondern, da die Erde während dessen von West nach Ost fortgerückt sei, müße er etwas gegen Westen zurückbleiben. Es wurden viele Versuche des- halb gemacht; allein man konnte nichts von dem Zurückbleiben bemerken; bis endlich Newton darthat, daß ein Körper, der von der Spitze eines Thurmes fällt, in dem Augenblick des Abfalls eine größere Wurfkraft habe als wenn er unten am Fuß sich befände; weil er nemlich um die ganze Höhe des Thurms weiter vom Mittelpunkt der Erde entfernt sei. Hieraus folgt, daß er nun nicht mehr nach Westen zurück- bleibe, sondern, wenn der Thurm hoch genug, also die Wurf- kraft stark genug ist, noch um ein geringes von Osten voraus- geschleudert werden muß. Dies bestätigten die Versuche voll- kommen, welche theils von Guglielmini in Bologna am Thurm degl’Asinelli (demselben wo schon Galilei seine Versuche machte) theils von Benzenberg am Michaelisthurm zu Ham- burg und in einigen Kohlengruben in der Grafschaft Mark angestellt wurden. Man fand überall eine Deviation nach Osten, weil die Schwungkraft an der Thurmspitze größer ist, bei 250–260 Fuß Höhe von 4–5 Zoll. Einen Beweis für die Translation der Erde finden wir in der Aberration des Lichtes der Fixsterne. Da dies aber ein sehr schwieriges Thema ist, so werde ich mich darauf beschränken den Weg des Raisonnements anzugeben, wodurch die Sache am deutlichsten werden wird. [[97]/0103] Nachdem Copernicus Sÿstem bekannt wurde, beobachtete man sehr häufig die Fixsterne um eine Veränderung in ihrer Gruppirung zu bemerken; allein weder diese noch also eine Verrückung konnte wahrgenommen werden. Endlich fand Bradleÿ 1728, daß alle Sterne, wenn sie bei Tage erscheinen nach Süden rücken, wenn bei Nacht nach Norden, daß also der scheinbare Ort der Sterne sich nach der Gegend hinbewegt, wohin die Erde geht. Jeder Stern durchläuft eine Ellipse von 40 Secunden großer Axe, wel- che an Werth einem Bogen entsprechen, den die Erde auf ihrer Bahn in 16 Zeitsekunden durchläuft. Nun fand Bessel die höchstmerkwürdige Uebereinstimmung, daß das Licht grade 16 Secunden braucht um die Erdbahn zu durchschneiden: es ist also nichts wahrscheinlicher, als daß 40 Bogen-Secunden (große Axe der Sternellÿpsen) von den 16 Zeitsecunden hervorge- bracht werden, welche das Licht zur Zurücklegung der Erdbahn braucht; wir sehen also die Sterne an verschiedenen Stellen, je nachdem wir uns an dem einen oder dem andern Endpunkte der Axe der Erdbahn befinden. Die Bewegung des Lichts ist 10,000 mal schneller als die der Erde und wir sehen die Sterne nicht an ihrem wahren Orte, sondern in der Richtung der Diagonale des Parallelograms dieser zusammengesetz- ten Bewegung. Eben so, wenn man auf ein schnellse- gelndes Schiff eine Kanonenkugel abfeuert, so werden die beiden Löcher in der Vorder- und Hinterwand des Schiffes nicht genau in der graden Linie liegen, welche man in der Richtung der Kanone bis zu dem Loche in der Vorder- S. 110 [[98]/0104] wand ziehen kann, sondern das Loch in der Hinterwand wird etwas hinter der Bewegung des Schiffes zurückbleiben. Ein anderer schwieriger Punkt ist die Vorrückung der Nachtgleichen. Nach dem Kopernicusschen Sÿstem nahm man die Rotation der Erde als mit sich selbst parallel an: allein später fand man, daß in 25,700 Jahren diese Axe einen kleinen Kreis beschreiben wird; und zwar rührt dies (sonderbar genug) von der Abplattung der Erde selbst her. Wäre die Erde eine genaue Kugel, so würde dies Phaenomen nicht statt finden, so aber, da gleichsam ein erhöhter Ring um den Aequator liegt, wird dieser Theil von der Sonne stärker angezogen, als die andere Hälfte. Wenn wir uns [Abbildung] denken C a sei der Aequator und die Sonne stehe in der Richtung von S un- ter 45° so wird der Kreisschnitt P C e gleich sein e C a: nehmen wir aber, nach der Abplattung der Erde den Aequa- tor C b an, so ist klar, daß nun zu dem Kreisschnitt P C e das Stückchen P e d hinzugekommen ist, dagegen der Kreisschnitt e C a um d e a b gewachsen ist: er hat also an Masse den er- sten übertroffen und wird von der Sonne stärker angezogen, als der andre: daher wird der Winkel P C S nach und nach kleiner werden; – Schon Hipparch entdeckte die Vorrückung der Nacht- gleichen, indem er die Beobachtungen des älteren Astronomen Timocharis und Aristillos verglich. Später wurde sie genauer bestimmt und a priori bewiesen durch die Betrachtung, daß eine Kugel durch keine äußere Kraft eine solche Vorrückung 111 l. [[99]/0105] erleiden kann, indem sie auf gleiche Weise in allen ihren Theilen angezogen wird. Auch die Sonne und der Mond ha- ben eine Tendenz die Schiefe der Eclÿptik zu verändern; allein die Rotation hindert wieder das Zusammenfallen der Eclÿptik und des Aequators. Die Vorrückung geschieht von Osten nach Westen und der Antheil welchen Sonne und Mond daran haben, verhält sich wie 3 : 1. Auch die Planeten haben solche Tendenz, aber die Wirkung derselben ist unabhän- gig von der Gestalt der Erde und fällt einige Jahrtausende mit der Tendenz der Sonne zusammen, wirkt ihr aber dann wieder entgegen. Aus der Vorrückung der Nachtgleichen erklärt es sich, daß die Sternbilder der Eclÿptik ihren Namen nicht mehr entspre- chen, weil die Vorrückung seit den 2000 Jahren daß diese Sternbilder benannt sind, ungefähr den Raum eines Stern- bildes ausmacht. 22. Vorlesung, 19. Januar 1828 Hieraus glaubte man schließen zu können, daß der Kreis von Dendera mehre Tausend Jahr über unsere Zeitrechnung hinaus gehe; allein neuere Untersuchungen haben es wahrscheinlich gemacht, daß dieser Zodiacus älter, ja aus der Caesarn Zeit stammt. Da dieser Thierkreis, so wie ein anderer bei Theben gefundener, zirkelförmig ist, so würde man nicht den Anfang kennen; allein die Zei- ten sind nach Bildern in 2 Reihen im Porticus des Tempels aufgestellt; in dem zu Dendera eröffnet den Zug der Löwe, in dem bei Theben die Jungfrau. Da nun 2700 Jahr a. C. der Frühaufgang des Sÿrius (Thot) bis auf 2 Tage mit dem Sommersolstitium zusammenfiel, so hat man gemeint, [[100]/0106] daß das Sommersolstitium im Löwen gewesen sei, bei Errichtung des Zodiacus und nicht wie jetzt in den Zwillin- gen. Burckhard bewies hieraus er sei von 4270 a. C. in dem er annahm, daß das Monument so alt sei als dieser Zustand der Erde. In neuerer Zeit hat man eine Cartouche untersucht welche leider nicht mit nach Paris gebracht ist und Champollion hat dort Autokrator gelesen; so wird aber häufig auf Münzen Tiberius und Nero genannt. Auch müsse zwischen diesem Monument und dem bei Theben ein ganz bedeutender Unterschied in Rücksicht auf das Alter sein, da letzteres mit der Jungfrau beginnt; doch sind aber beide durchaus ähnlich. Früher warf man auch dem Monument von Dendera vor, daß sich die Wage auf demselben finde und behauptete diese sei erst zu Caesar’s Zeit in den Thierkreis gesetzt. Doch dieser Einwand ist nichtig da Ideler gezeigt hat, daß die Wage schon bei den ältesten Indiern vorkommt. Die Schiefe der Erdeclÿptik erleidet eine kleine Ver- änderung nur von 18 Secunden und daher beschreibt sie in 18 Jahren 8 Monaten einen kleinen Kreis. Wichtiger ist die große Aenderung der Schiefe welche zwischen 28–29,000 Jahren vorgeht. Anaximander, der Erfinder der Sonnen- uhren unter den Griechen, hat sie zuerst gemessen. Die älteste genauere Beobachtung derselben ist von den Chinesen Lojan 1100 a. C. welcher sie damals 23° 54′ fand. Pÿtheas fand 23° 49′ Yones 1000 p. C. fand 23° 27′ 56″. Im Anfange des 19ten Jahrhunderts betrug sie 23° 27′ 56″ gemessen von S. 114 l. [[101]/0107] Bessel. Laplace hat über dies Phaenomen Untersu- chungen angestellt und bewiesen, daß die äußersten Grenzen dieser Veränderung nur 1½° betragen; es ist dies also eine Sekulärbewegung welche auf die Climate keinen Einfluß haben kann. Der Mond. Die Alten meinten der Mond sei früher nicht da gewesen und die Arcadier nannten sich seleïden. Er sollte erschienen sein als Hercules mit den Gÿganten kämpfte. Ueber diese Mÿthe ist viel gestritten. Creuzer meint sie sei eine Anspielung auf die Einführung des Mond- cultus. S. 114 Die Größe seines Durchmessers ist 166466 ? Meilen und seine Rotation steht senkrecht auf der Mondbahn. Die Entfernung von der Erde ist 51,800 Meilen bis auf 1/3200 Theil genau, zuerst bestimmt von Lacaille am Cap der guten Hoffnung und Lalande in Berlin. Das Licht des Mondes ist nach Lambert 300,000 mal geringer als das der Sonne. Neben dem Lichte des Vollmonds sehen wir das aschfarbne Licht, welches von der Refraction der Erde herkommt. In den ältesten Zeiten hatte schon Plutarch die Idee von einer Phos- phorescenz, doch ist diese Aushülfe nicht nöthig. Leonardo da Vinci († 1521) hat die beste Erklärung davon gegeben. Bei totalen Mondfinsternissen verschwindet der Mond gar nicht, sondern man sieht ihn im rothen Lichte, nament- lich unter den Tropen. Dies ist nicht mehr reflectirt von der Erde, sondern inflectirt von der Atmosphäre, welche die Erde umgiebt. Es ist verschieden, nach der verschiedenen Lage, [[102]/0108] in welcher der Mond gegen die Erde zu stehen kommt. Selten sieht man diese Inflection gar nicht, allein auch dies ist vorgekommen. Man hat anno 1827 genaue Be- obachtungen über die Wärme des Mondes angestellt. Arago hat mit Hohlspiegeln versucht seinen Strahlen Wärme zu entlocken; allein weder er noch Daniels haben die geringste Erhöhung der Wärme, selbst bei den feinsten Instrumenten verspürt. Früher meinte man, daß die Flecken, welche man im Monde sieht nur Spiegelungen seien, namentlich Abspie- gelungen der Gestalt unsrer Sterne, eine Idee welche noch allgemein verbreitet unter den Persern ist. Da diese Flecken aber verschiedene Farbe haben, so glaubte man es seien Berge oder Meere. Doch sind die Farben in den Flecken selbst verschieden. Die Gewißheit, daß es nicht Wässer sind hat man daraus erhalten, daß man gefunden sie stehen nicht in einerlei Niveau. Kunowskÿ hat eine Beschreibung der Mondoberfläche geliefert und gezeigt, daß sich die größten Ungleichheiten auf demselben finden. Auch schwärzliche Flecken sieht man z. E. beim Caesar. Die Berge erkannte man zuerst daraus weil man bemerkte, daß die aschgrauen Theile von den beleuchteten nicht schroff abgeschnitten sind, son- dern allmählig zu ihnen hinüber gehen. Denn erkannte man sie aus der Erhöhung am Mondrande selbst. Die beste Art sie zu messen ist die nach der Länge des Mondschattens selbst. Jetzt kennen wir die Topographie des Mondes besser als die der Erde, denn wir kennen Höhen von 3–400 Fuß. Man sieht freilich S. 116 l. [[103]/0109] immer nur einen Theil des Mondes, aber es kann, wegen eines Schwenkens desselben, dann und wann noch etwas mehr gesehen werden als die Seite welche er uns immer zuwendet. Galilei entdeckte diese Vibration, Tob: Meÿer hat sie näher bestimmt. Es fanden sich 3 solcher Schwenkun- gen, eine am Rande von 6–8°, die Vibration der Länge; denn eine des Nord- und Südpols, die Vibration der Breite; und denn eine tägliche Vibration vermöge welcher die Linie vom Auge des Beobachters nach dem Mittelpunkt nicht im- mer denselben treffen kann. Die Topographie des Mondes hat das merkwürdige, daß die Kettengebirge hier sehr selten sind; nur einige fanden sich auf der nördlichen Hemisphä- re. Auf der südlichen sind alle Berge Krater. Hier sind auch die größern Höhen, nemlich Leibnitz und Dörfel 4166 Toisen oder 1/214 des Mondhalbmessers. (Der höchste Punkt des Hima- laja ist nur 1/7000 des Erdhalbmessers) Nicht gut vergleicht man überhaupt die Berge des Mondes mit denen der Erde; alles was Namen hat auf dem Monde sind nemlich Länder, nicht Spitzen. Hipparch und Ptolomaeus z. E. sind so groß wie Böhmen; dahingegen sind die Massen der Andes nie über 5–6000 Toisen dick. Die Mondberge dagegen haben Durch- messer von 12–20 Meilen. Gewöhnlich sind es Ringfiguren mit einem Aschenkegel in der Mitte. Die Rillen sind nicht eigentliche Flußbette zu nennen, sondern sind vielmehr kleine, zusammenhängende Krater. 1790 und 94 hat man viel von Mondvulkanen gesprochen, deren Ausbrüche Herschel und Brühl in London wollten beobachtet haben. [[104]/0110] Ja Schröter meint sogar nach dem Verlöschen leuchtender Punkte aschförmige Kegel an demselben Fleck gefunden zu haben; doch ist man hievon zurück gekommen. Wahrscheinlich sind diese angebliche Vulkaneruptionen nichts anders als spie- gelnde Punkte, Reflex des Erdenlichts der Erde unter besondern Zuständen und Stellungen. Diese Erscheinung findet sich am häufigsten beim Aristarch in der Nähe des Helicon; nicht wie man meinte beim Plato. Am meisten gesehen wird es aus den großen Continenten Afrika’s und Asiens. Es könnte wohl die Spiegelung eines platten, glimmerar- tigen Berges sein. 23. Vorlesung, 23. Januar 1828 Es ist ein großer Unterschied zwischen der nördlichen und südlichen Hemisphaere des Monds, weil auf der nördlichen, wie gesagt, sich Ketten (z. E. die Apeñinen, Alpen und Atherusien) finden, hingegen auf der südlichen nur Centralgebirge oder Umwallungen. In demselben Meridian mit den Apenninen ist auf der südlichen He- misphaere eine große Spalte, auf der eine Maße zu- sammenhängender Essen liegen. Eine sonderbare Er- scheinung sind die weißen Streifen welche über Berg und Thal fortgehen. Wir haben keine Idee was es sein mag; bei schwächerer Vergrößerung sieht man sie lichtvoller als bei stärkerer. Was die Werke der Kunst auf dem Mon- de anlangt, so hat Boeckh zusammengetragen was man von Philolaos weiß was er hierüber gedacht. Neuerdings ist der Streit hierüber wieder lebhafter geworden. Man hat gewöhnlich keine rechte Vorstellung von der Größe der Städte, auch der Erde; London z. E. hat nur 7/10 [[105]/0111] einer geographischen Meile Flächeninhalt. Schröter hat mit vieler Wärme sogar die schöne Landschaft und treffliche Bebau- ung des Landes beschrieben, wie vor ihm Newton und Plato; ja er hat sogar Wohnungen in einem Flecken gemessen die nur 80 Fuß hoch sein sollen. Bei einem Berge, sehr sinnig Schröter genannt, hat man einen Sternentempel sehen wol- len und sogar die Frage aufgeworfen: ob man auf dem Mon- de Brunnenkreße bauen könne? Mit einem Frauenhoferschen Instrument wie das zu Dorpat möchte man wohl Gegenstän- de von 9–700 Fuß unterscheiden können, allein messen doch nur Gegenstände von 1800 Fuß d. h. auf der Fläche. Höhlen von 800, ja vielleicht nur von 300 Fuß würde man messen können, wenn der Schatten die gehörige Länge hätte. Wenn man aber frägt wie man ein Naturwerk von einem Kunstwerk auf dem Monde unterscheiden soll, so weiß ich keine Antwort darauf zu geben. Die Mondstädte von denen man gefabelt, haben 30–40 □ Meilen und sehen daher mehr einem Gebirgslande ähnlich als einem Werk der Kunst. Die Atmosphaere des Mondes ist sehr ähnlich dem Vacuum unter unserer Luftpumpe; ein Barometer würde nur einige Linien hoch stehen. Man glaubte bei Sonnenfin- sternißen Spuren der Atmosphaere zu sehen, da man Re- genbogen erblickte und wiederum wollte man bei solchen Gelegenheiten auch Löcher sehen im Monde. Am 27. Jan: 1778 hat Ulloa auf dem atlant: Ocean eine Sonnenfinsterniß beobachtet wobei wenige Minuten vor dem Austritt des S. 120 [[106]/0112] Mondes ein glänzender Stern an der Mondscheibe erschien. Er schloß auf ein Loch, es kann ja aber auch, da es so kurz vor dem völligen Austritt erschien ein Einschnitt, ein Kra- ter gewesen sein. 1725 ist in Rom etwas ähnliches gese- hen. Louville, Haleÿ u. a. glaubten Blitze zu sehen in der Atmosphäre bei Sonnenfinsternissen; an den Rändern kom- men solche Funken häufiger vor. Schon Le Monier beschrieb dies Sprühen und Humboldt hat es in Frankreich gesehen. Doch so wenig man dies erklären kann; eben so wenig kann man daraus auf eine Atmosphaere schließen. Die erste Topographie des Mondes erschien von Hevel. Riccioli hat den Bergen Namen der berühmten Astronomen gegeben; Dom: Cassini und Lahire haben 2 vortreffliche Karten gezeichnet, welche indeß nicht herausgegeben sind, sondern in der franz: Academie liegen. Ferner gab Lohrmann Karten und Mondatlas heraus. Später edirte Kruithuÿsen in München Tob: Meÿer’s Beobachtungen über den Mond in den Bonner Schriften der kaiserlichen Naturforscher. Auf mannigfache Weise hat der Mond Einfluß auf die Bewohner der Erde und zwar nicht bloß als Leuchte der Nacht. Laplace hat die eines Phÿlosophen nicht würdige Frage unter- sucht ob er bloß dazu da wäre unsere Nächte zu erleuchten und gezeigt, daß es zu diesem Zweck ein besseres Mittel gegeben hätte uns immer Vollmond zu geben, wenn er nemlich nicht Trabant, sondern äußerer Planet wäre und außer dem Erdschatten, der Sonne gegenüber stände. Am wigtigsten ist er für die Schiffahrt wegen der Monddistanzen. [[107]/0113] Die ganze Lehre von der Gravitation verdankt die erste Anregung der Beobachtung des Mondes und seines Laufes. Selbst die Figur der Erde konnte daraus geschlossen und so- gar ziemlich genau gemessen werden. Man hat aus dem Monde die Unveränderlichkeit des Tages schließen können, so daß seit Hipparch die Tage nicht um eine Secunde sich ver- ändert haben. Zodiakallicht. Man sagt gewöhnlich, daß es 1683 von Dominic Cassini entdeckt worden wäre. Er merkte nemlich, daß im Frühling nach Sonnenuntergang, im Herbst nach Sonnenauf- gang ein Licht erscheine, des Morgens am östlichen, des Abends am westlichen Himmel, von der Sonne abgekehrt nach der Rich- tung des Thierkreises. Als Cassini es in Paris sah, erblickte auch Schardin es in Persien und als er sich darnach er- kundigte erfuhr er daß es hier längst bekannt sei und selbst einen besondern Namen habe. Für Europa gilt Cassini’s Entdeckung, in den Tropen ist es aber etwas älter. In einer mexikanischen Handschrift fand Humbold unter den Wun- dern welche Cortez Erscheinung vorhergingen auch eine pÿramidalische Lichterscheinung gen Osten, aufgeführt. Man behauptete es stehe im Zusammenhang mit der Zahl der Nordlichter und wollte es selbst in Verbindung bringen mit den Sonnenflecken. Daß es nicht immer von gleicher Stärke ist hat Humbold gesehen in den Steppen von Caraccas. Er sah es hier von 2 zu 2 Minuten an demselben Abend oft wechseln und hielt dies Anfangs für eine Folge der theilweisen Verdickung in der Atmosphäre, was indeß S. 122 [[108]/0114] dadurch unwahrscheinlich wird, daß in denselben Augenbli- cken selbst kleine Nebelflecke unverändert erschienen. Lange hat man geglaubt es wäre die abgeplattete Atmosphäre der Sonne; allein diese kann sich nicht weiter als höchstens bis zum Mercur erstrecken. Vielleicht ist es ein Rest der alten Sonnenatmosphäre der von dieser getrennt wurde durch die schnelle Rotation. Mars. Sein Durchmesser beträgt 963 Meilen also 55/100 des Erddurchmessers. An ihm werden auch Phasen bemerkt. Her- schel hält seine Abplattung für 1/12, Schröter für kaum1/80; Harding stimmt Herscheln bei, meint aber daß große Undulationen in der Scheibe seien, welche er Flüßigkeiten zuschreibt. Man sieht an ihm dunkle, bewegliche Flecken und helle an den Polen. Letztere nennt man auch Eisflecken. Diese sind neuerdings von Kunowskÿ beobachtet. Lacaille hat aus ihm den Vortheil für die Sonnenparalaxe gezogen, Keplern ist er wichtig geworden wegen seiner großen Excentricität. S. 123 Die 4 kleinen Planeten. Schon die Alten meinten es gäbe viele kleine Planeten welche ihrer Kleinheit wegen nicht ge- sehen werden könnten. Man hält diese 4 für Trümmer eines einzigen. Sie zusammen würden etwa so groß sein wie der Mond. Der kleinste Vesta hat nicht viel über 40 Meilen im Durchmesser. Herschel nannte sie verächtlich Aste- roïden, Laplace besser telescopische Planeten. Sie sind in umgekehrter Reihefolge gegen die Sonne zu entdeckt, wie man häufig das zuletzt sieht, was einem am nächsten S. 124 l. [[109]/0115] ist. Gaus gab dem Olbersschen Planet den Namen Vesta. Juno wurde von Harding 1804 entdeckt, Pallas 1802, Ceres 1801 von Piazzi. Olbers hat die Vesta absichtlich entdeckt, weil er schloß daß, da zwischen den Flügeln der Jungfrau der Knoten der Planeten sei, auch die etwaigen Trümmer dadurch gehen müßten. Encke hat die Berechnung ge- macht, daß im 3400 Jahren sie sich alle wieder diesem Planeten nähern werden und also sie sich vielleicht wieder zusammenballen können. Am excentrischten sind Juno und Pallas; die Winkel der Pallas sind 34° die der Juno 13° in welchen sie die Elipse der Erde schneiden. Die Bahnen dieser kleinen Planeten sind so sonderbar verschlungen, daß man sie kaum einzeln ver- folgen kann, sondern nur wenn man sie alle in Be- wegung denkt. 24. Vorlesung, 26. Januar 1828 Die äußern Planeten. An der Gränze unsers Sÿstems stehen Jupiter und Saturn welche durch ihre Größe von dem größteen Einfluß auf die andern sind. Jupiter ist merkwürdig durch seine Lichtstärke, seinen Durchmesser welcher 11 Erddurchmessern gleich ist und seinen Inhalt; er ist ⅓ größer als alle übrige Planeten wenn man sie in eine Kugel geballt denkt, trotz seiner Dünnigkeit also von großer Maße. Man sieht an ihm merkwürdige Streifen und Flecken. Ausschließen hiervon muß man die Schatten seiner Monde. Unabhängig von diesen hat er Flecken welche zu seiner Atmosphäre gehören. Die Streifen sind später beobachtet als seine Satelliten. Gewöhnlich sieht man 5 große Streifen von bräunlicher Farbe um den Aequator, von denen S. 125 l. [[110]/0116] der mittelste heller erscheint; indessen hat man oft bis 10 solcher Streifen gezählt, häufig 2 an den Polen. Zwischen diesen Streifen sind bewegliche Flecken, vielleicht nur zufällige Ver- änderungen in der Atmosphaere. Allein nicht bloß an diesen Flecken, auch an den Streifen beobachtet man Veränderungen. Zuerst sah man von 1665–1666 ununterbrochen einen Flecken über den mittelsten Streifen. Später hat hiernach Dom: Cas- sini die Rotation auf 9 Stunden 56 Minuten berechnet. 1690 ist dieser Flecken wiederum beobachtet. Schröter hat darnach nochmals die Rotationszeit berechnet und dasselbe Resultat ge- funden. Die Abplattung bestimmte Cassini auf 1/14; Schröter meinte sie sei nicht feststehend, sondern wollte viele Un- regelmäßigkeit in der Figur des Planeten entdeckt haben, die er mit einer Ebbe und Fluth verglich. Die 4 Monde sind zuerst 1609 von Simon Meÿer (Magius genannt) in An- spach gefunden; er nannte sie Sidera Brandenburgica; jedoch machte er seine Entdeckung nicht früh genug bekannt, so daß ihm Galilei der sie 1610 entdeckte und Sidera Medicaea nannte, zuvorkam. Man sieht an ihnen viele Flecken. Sie sind alle größer als unser Mond, der 3te ist der größte und muß den Jupiterbewohnern größer als uns das ganze Orionsbild er- scheinen. Laplace hat die Tafeln ihrer Bewegung zu großer Vollkommenheit gebracht, so daß die Fehler vielleicht höchstens 8–10 Secunden betragen. Er hat auch das Gesetz entdeckt, daß die 3 ersten Trabanten durchaus nie zugleich verfinstert werden können. Saturn, obgleich entfernter, hat ein kleineres Volumen S. 126 [[111]/0117] als Jupiter, nemlich sein Durchmesser ist gleich 94/10 Erddurch- messer. Die Rotation ist ähnlich der des Jupiter in 10 Stunden 16 Minuten zuerst bestimmt von Herschel 1789. Von der Abplattung glaubt Herschel daß sie eine doppelte sei, als Folge einer flüßigen Hülle. Der größte Durchmesser wäre nicht am Aequator sondern würde mit diesem einen Winkel von 45° bilden. Bräunliche Streifen finden sich auch hier, beobachtet von Herschel, Schröter und Kunowskÿ. Trabanten hat er 7 von denen 5 leicht zu erkennen sind; die 2 innersten, kleiner selbst als Vesta, sind zuerst von Herschel durch sein 40 füßiges Fernrohr*) gesehen, nachher von wenigen Astronomen. Saturn hat die größten und kleinsten aller Monde unsers Planeten- sÿstems. Flecke sind nur in dem 7ten, äußersten gesehen und an diesem hat man auch gefunden, daß er immer nur eine Seite dem Hauptplaneten zuwendet wie unser Mond. Der Ring des Saturn ist nicht von Galilei sondern von Huÿgens entdeckt, der ihn 1659 als Ring erkannt hat, und die Ursachen angegeben warum er nicht immer gleich erscheint. Er verschwin- det wenn er so zu stehn kommt, daß die Sonne dadurch scheint, denn er ist sehr dünn, nur 113 Meilen dick. In dieser Stellung ist er nur für sehr große Fernröhre sichtbar, wie Herschel ihn durch das seinige sah. Gewöhnlich sieht man 2 Ringe welche con- centrisch sind. Es ist die Frage ob zwischen diesen und dem Pla- net eine Materie sei welche sie verbindet. Clarke will einen Stern dazwischen gesehen haben und das würde also die Frage verneinen. Schröter behauptete, daß der Ring unveränderlich sei und sich nicht mit drehe, weil er Knoten [[112]/0118] gesehen hat, welche sich in 36 Stunden gar nicht verändert haben. Allein da die Ringe nicht in einer Ebene liegen, so kann er sie als Knoten verschiedener Ringe immer gleichmäßig gesehen haben. Die Nächte des Saturn müssen die malerischsten von allen sein, der Menge seiner Nebengestirne wegen. Uranus. Sein Durchmesser beträgt nur 4 Erddurchmesser, seine optische Kleinheit nur einen ∠ von 4 Secunden. Da man ihn trotz dem mit bloßen Augen sehen kann, so hat er vielleicht einen eigenen Lichtprozeß. Durch seine Entdeckung ist unser Planetensÿstem um das doppelte vergrößert. Herschel hat 6 Satelliten entdeckt, andere haben nur den 2ten und 4ten gesehen. Man hat bisher weder Flecken gefunden, noch weiß man etwas über seine Rotation; doch scheint diese nicht von Westen nach Osten, sondern von Norden nach Süden sich zu be- wegen. S. 127 Cometen. Allgemeine Betrachtungen. Die Alten schon haben sich viel mit diesen Gestirnen beschäf- tigt. Die Pÿthagoräer behandelten sie wie Planeten und die Aegÿpter rühmten sich ihre Wiederkunft vorhersagen zu köñen. Seneca hat am verständigsten von ihnen geschrieben und warf die Frage auf: ob der zu seiner Zeit gesehene derselbe sei als der, welcher bei Caesar’s Tode gesehen worden. Abergläu- bischere Ideen knüpften sich später wieder an ihre Erscheinung und Ende saec: 15, Anf: saec: 16 hielt man sie wiederum nicht mehr für Gestirne sondern für bloße Meteore. So sah sie Acosta an, welcher, weil sie von West nach Osten ziehen, daraus die Höhe der Passatwinde bewieß welche auch in dieser Richtung S. 128 l. [[113]/0119] wehen. Sie bewegen sich in sehr excentrischen Bahnen und Pastor Dörfel in Plauen soll 1680 entdeckt haben, daß ihre Bahnen parabolisch seien; Herÿ Percÿ Herzog v. Northumberland gebührt das Verdienst die Excentricität derselben bestim̃t zu haben. In Mexicanischen Manuscripten hat Humbold An- zeigen gefunden von den im 16 saec: erschienenen Cometen. Dort wurden, wie in China, alle Astronomen gehängt, wenn einer kam den sie nicht vorher gesagt hatten. Man hat geglaubt einen Uebergang zu finden von den kleinen Planeten zu den Cometen, welcher auch in den excen- trischen Bahnen zu liegen scheint. Laplace indeß hat ge- zeigt, daß es sehr unwahrscheinlich sei, daß Cometen Pla- neten werden. Man muß bei ihnen den Kern, die Dunst- hülle und den Schweif unterscheiden. Doch verdicken sich die einzelnen Sphären und es ist kein schroffer Unterschied zwischen diesen 3 Theilen des Körpers. Der Kern ist so wenig dicht, daß Herschel 1795 im Novbr: einem Doppelstern 13ter Größe durch den Kern gesehen hat. Lahire hat geglaubt Phasen an ihnen zu sehen, und hat daraus beweisen wollen, daß sie kein eigenes Licht haben. Allein die Farben der Planeten sind so ungleich daß man hierauf keinen Werth legen darf. Olbers meinte die Dichtigkeit beweisen zu wollen dadurch daß der Comet von 1819 drei Stunden länger vor der Sonnenscheibe sein würde; General Lindner behaupte- te nun aus seinen Tagebüchern, daß an dem von Olbers bestimmten Tage nicht einmal ein Sonnenfleck gewesen sei; doch wollen andere solche Flecke gesehen haben, Wilke *) S. 129 l. *) in Hanover. [[114]/0120] sogar im Centrum; doch ist alles dieß gewaltig ungewiß und Olbers selbst legte später keinen Werth darauf. Galilei hat den Schweif der Cometen schon mit einer Flamme verglichen und zugleich darauf aufmerksam gemacht, daß alle Flammen transparent seien. Nähert sich der Comet der Sonne so wird der Schweif größer auf Kosten der Dunsthülle. Doch ist in Rücksicht der Schweife die größte Verschiedenheit. Einige Cometen haben gar keine Schweife; der von 1780 hatte einen Schweif von 70° der, als der Kern im Zenith stand, noch nicht über dem Ho- rizont war. Der Comet von 1754 hat 6 Schweife gehabt. Ge- wöhnlich sind sie etwas inclinirt. Der Comet von 1823 hatte einen getheilten Schweif, dessen convexe Seiten gegen einan- der standen. Man meinte früher die Richtung der Schweife sei allemal der Sonne entgegengesetzt; doch der Comet von 1823, welchen in Deutschland zuerst Kunowskÿ sah, hatte 2 Schwei- fe von denen einer gegen die Sonne zu, der andre aber in einem stumpfen ∠ von 160° stand. Zu einer sonderbaren Beobachtung hat der Enckesche Comet 1825 in Neuholland An- laß gegeben; man will nemlich dort eine Rotation von 19 Stunden 36 Minuten gesehen haben. Bei ihrer Wiederer- scheinung haben die Cometen nicht immer dieselbe Gestalt. Der Haleÿsche hat immer einen kleineren Schweif wieder mitgebracht. Der Comet von 1811 hatte nach Herschel einen Kern von 93 Meilen, der Durchmesser der kugelförmigen Dunst- hülle betrug 27,000 Meilen, die Länge des Schweifes 22,000,000 Meilen. Daß die Cometen keinen eigenen Lichtprozeß haben, wollte schon Lahire, wie wir oben gesagt, aus den Phasen [[115]/0121] beweisen; 1819 haben Arago und Humboldt durch ein optisches Mittel diese Behauptung bewiesen und gezeigt, daß sein Licht ein reflectirtes sei und er eine colorirte Polarisation be- sitze. Die Zahl der Cometen ist schwer zu bestimmen. Man hat historische Kenntniße von 400; beobachtet sind hiervon 128; im 17ten saec 10, im 18ten 65, die übrigen alle im 19ten saec: Die Probabilitätsrechnung bringt etwa eine Zahl von 400,000 als Gränze des minimums. 25. Vorlesung, 30. Januar 1828 Man sieht also, daß die Cometen bei weitem den größten Theil der Bevölkerung unsers Sonnensÿstems ausmachen. Messier und Vons, früher in Marseille jetzt in Italien, sind als die beiden Astronomen zu nennen, welche die größte Menge von Cometen entdeckt haben, doch sind wir auch in der neusten Zeit für Cometen- Beobachtungen sehr begünstigt gewesen, denn von 1769–1807 ist kein großer Comet erschienen, dann aber kamen die be- deutenden von 1807, 1811 und 1819. Noch vor 8–9 Jahren kannte man nur die Wiederkehr des einzigen Halleÿschen Cometen mit Sicherheit, welche 1682 berechnet wurde. Dann erschien er 1759 und wird 1835 wieder- kehren. Encke machte 1819 die glänzende Entdeckung, daß ein kleiner Comet in ungefähr 3 Jahren um die Sonne gehe, und welchen die Franzosen deshalb Comête de courte période nannten. Der 3te Bielasche Comet wurde erst 1826 erkannt. Zwar hat Olbers einen Cometen von 1815 elliptisch berechnet, und seine Periode auf 75 Jahr bestimmt: allein es findet sich gar kein früherer Comet welcher dazu paßte und die Zukunft wird entscheiden ob er Recht hatte. Auch hielt man die beiden Cometen [[116]/0122] von 1532 und 1660 für identisch und erwartete diesen wieder 1790; allein vergeblich, wie es auch Olbers vorausgesagt, welcher einsah, daß die Elemente dieser beiden Bahnen nicht übereinstimmten. Wenn durch die Astronomen und namentlich durch Lalande eine große Furcht vor der Nähe eines Cometen verbrei- tet worden ist, so wurde auch dieselbe Furcht durch die Be- rechnungen der Astronomen wieder gehoben. Wir müssen also betrachten in welcher Sonnennähe und Erdnähe der nächste Comet bis jetzt gekommen ist und die Nähe berücksichtigen in welche er zur Erdbahn kommen kann. Der von 1680 war nur 34000 Meilen von der Sonne also ⅝ einer Mond- weite von der Erde 10,000,000 Meilen entfernt. Der von 1770 war 6 Mondweiten von der Erde vorbei gegangen; durch den Phÿsiker Lichtenberg war der Irthum entstanden als sei er zwischen Erde und Mond durchgegangen; dies ist aber von keinem einzigen Cometen historisch nachgewiesen. Der 2te innere Comet, der Bielasche kommt der Erdbahn am nächsten, indem er in manchen Fällen nur 2 Mondweiten von derselben entfernt ist. Die Gefahr wird überhaupt sehr vermindert durch den Ge- danken an die äußerst geringe Maße der Cometen, obgleich nicht zu läugnen ist, daß die Geschwindigkeit der Cometen, besonders wenn die Richtung grade entgegengesetzt wäre, einen starken Stoß hervorbringen würde. Der Comet von 1770 ging durch das Sÿstem der Jupitertrabanten ohne die min- deste Störung in demselben hervorzubringen, also muß auch die [[117]/0123] Attraction sehr klein gewesen sein. Von demselben Comet berechnete Laplace, daß wenn er 1/5000 von der Maße der Erde gehabt, so würde unser Jahr um 3 Stunden verlängert worden sein; da es aber nicht einmal um einige Secunden verlängert worden ist, so läßt sich daraus auf die unendlich geringe Maße des Cometen schließen. Der Bielasche Co- met durchschneidet zwar die Erdbahn, allein dennoch ist die Un- wahrscheinlichkeit sehr groß, daß er je mit der Erde zusam̃en- treffen wird. Von den Cometen innerhalb des Sonnensÿstems. Der Enckesche Comet zieht seine Bahnen zwischen Merkur und Jupiter und wurde zuerst 1786 von Méchain beobachtet. Dann 1795 von Miss Herschel der Schwester des Astronomen; von Messier und Bode. 1805 von Pous 1819 wieder von Pous, 1822 nach der Vorhersagung von Encke von Rümker in Para- matta in Neuholland, wo man ihn sogar mit bloßen Augen sehen konnte und 1825 von Harding in Göttingen. Seine Umlaufszeit wurde 1819 entdeckt; er geht, wie alle Planeten von West nach Ost und kann der Erde nie gefährlich werden da er in zu großer Entfernung von ihr bleibt und nicht einmal mit seiner Bahn die Erdbahn berührt. Die Umlaufszeit war verschieden, welches man einer eigenen im Weltraum verbreiteten Materie zuschreibt, welche vielleicht mit dem Zodiakallicht Aehnlichkeit hat, aber sonderbar genug so auf den Cometen wirkte, daß sie ihn der Sonne näher brachte also seine Umlaufszeit verkürz- te. [[118]/0124] Von 1786–95 brauchte er 1208,2 Tage 〃 1795–1805 〃 1207,7 〃 〃 1805–1819 〃 1207,2 〃 Dieser Comet wird nicht nur viel Licht über die Natur der Cometen verbreiten, sondern auch für manche Erscheinun- gen in unserem Sÿstem von Wichtigkeit sein. So wird er ge- wiß mit der Zeit über die Masse des Merkur große Auf- schlüsse geben, über die wir fast ganz in Ungewißheit schweben. Der Bielasche Comet wurde 1772, 1805, 1822 gesehen und seine Umlaufszeit beträgt 6 Jahre 9 Monate. In der Sonnennähe ist er nicht weit von der Erdbahn, während er auf der andern Seite nicht über den Jupiter hinausgeht. Sein Umlauf wurde 1826 von Biela gefunden und fast gleich- zeitig von Gambon in Frankreich. 1826 war er 114,000 Meilen von der Erde entfernt, es könnte daher wohl der Fall eintreten, daß sein Schweif sich mit unserer Atmosphäre vermischte; man glaubte, daß dies 1783 geschehen sei, wo ein merkwürdiger Höhenrauch die Sonne mehrere Monate lang verhüllte; bis zuletzt Arago bewiesen hat, daß auch bei der schnellsten Bewegung des Cometen dieselbe Verdunklung auch jenseits des at- lantischen Meeres in Amerika müsse Statt gefunden haben, wovon sich aber keine Spur findet. Der Höhenrauch muß also anderen uns unbekannten Ursachen zuzuschreiben sein. Von den äußeren Cometen kennen wir nur einen, den Halleÿschen. Er wurde zuerst 1456 gesehen und fällt also in die ominöse Zeit, wo zugleich die Araber im Westen sehr schnell aus Spanien verjagt wurden, während sie im Osten reißend [[119]/0125] vordrangen und 1453 Constantinopel eroberten. Der Pabst Kalix- tus ließ Gebete gegen diesen Cometen ausschreiben und ihn förmlich verwünschen. Man hat ihn wieder beobachtet 1531, 1682, 1759 und erwartet ihn wieder den 16ten November 1835. Er hat also eine Periode von 76 Jahren, welche zwischen 75½ und 76 schwankt wegen der Anziehung der beiden gewaltigen Massen des Jupiter und Saturn, welche schon für sich allein ein eigenes Sÿstem von Planeten ausmachen. Halleÿ hatte sein Erscheinen 1682 vorhergesagt und Clairault überreichte der Akademie ein Memoira, worin sein Erscheinen auf die Mitte April 1759 bestimmt war. Er erschien endlich med: März und wenn man damals die Störungen des Jupiter und Saturn genauer gekannt und vom Uranus etwas gewußt hätte, so würde man eine Genauigkeit von 5–6 Tagen erreicht haben. Noch ist zu erwähnen, daß der Comet von 1770 durch Lexel auf 5½ Jahre Umlaufszeit berechnet wurde; er wollte aber nicht erscheinen. Burckhardt in Paris hat sich sehr darum be- müht, aber endlich fand man durch eine Menge der mühse- ligsten Rechnungen, daß seine Bahn inflectirt worden sei: er näherte sich nemlich dem Jupiter 1779 wieder auf so weit, daß dieser auf ihn einwirken konnte und nach den unabän- derlichen Gränzen, die man mit Unrecht Störungen nennt, wurde die Bahn des Cometen so sehr perturbirt, daß er sich von uns entfernte und wahrscheinlich nie wieder erscheinen wird. Der Comet von 1815 den Olbers auf 75 Jahr elliptisch berechnete stand in seiner Sonnenferne 34 Erdhalbmesser von der Erde entfernt, der Halleÿsche 36 Erdhalbmesser. [[120]/0126] Ganz allgemein betrachtet können die Bahnen der Cometen: Kreise, Parabeln, Ellipsen und Hÿperbeln (alle 4 Kegelschnitte) sein: allein nur eine mögliche Geschwin- digkeit giebt Kreise und Parabeln, viele Geschwindigkeiten, wie sie durch die Perturbationen gestört werden, geben Ellipsen und Hÿperbeln; die Parabel ist die unwahrschein- lichste, die Ellipse die wahrscheinlichste Bewegung. Die Be- rechnungen aber werden gewöhnlich für die parabolische Be- wegung gemacht, weil hier die große Axe eliminirt wird. Laplace hat unwidersprechlich bewiesen, daß, so große Aehnlichkeiten man auch zwischen den Asteroiden und den neu entdeckten Cometen finden wollte, doch nie ein Planet zum Cometen und umgekehrt werden könnte. Er hielt die Cometen für irrende Nebelflecke, welche von einem Sonnen- sÿstem zum andern gehen können. Ueberhaupt nahm er an, daß alle Weltkörper aus einem Nebelzustande hervorgegan- gen wären, nach Herschels Beobachtungen, welcher sah, daß die entfernten Nebelflecke sich zerspalten, theilen und zusam- menziehen. So können aus einem Nebelflecke, worin mehre Kerne sich befinden, Sternhaufen entstanden sein, wie die Plejaden, wo Kerne vorhanden sind, da wird sich ein Zustand bilden, wie wir ihn bei den Doppelsternen wahrnahmen, daß nemlich 2 Sonnen sich um einen gemeinschaftlichen Schwer- punkt drehen. Laplace glaubt, daß jene dunstartige Materie sich ursprünglich so weit verbreitet habe, als unser Sonnensÿstem reicht. Der Centralkörper zog sich langsam zusammen und rotirte auch eben so langsam. Die Rotation erstreckte sich [[121]/0127] aber nur so weit, als die Schwere der Centrifrugal-Kraft das Gleichgewicht hielt. Sobald die einzelnen Körper sich dem Centralkörper nähern, so wird die Rotation, wegen der ver- mehrten Masse schneller, und die Grenze der Atmosphaere ist kleiner, als vorher. Die Zusammenziehung der Atmosphaere des Centralkörpers brachte nun eine Zerreißung der dunst- förmigen Materie hervor und an der Stelle der Planeten ro- tirten anfangs Ringe von einer ungeheuren Größe. Die Planeten ballten sich auf 2 verschiedene Arten zusam- men, entweder als selbstständige Kerne, (wie die Erde etc:) oder als mehrere zusammen gehörige Kerne, wie die Asteroiden, von denen aber Olbers mit großem Scharfsinn annimmt, daß sie Trümmer eines frühern Kernes wären. Die Plane- ten bildeten nun wieder ein Centrum für ihr kleineres Sÿ- stem von Trabanten und ein ursprünglicher Ring als spe- cimen ist uns beim Saturn übrig geblieben: wenn dieser Ring sich wieder theilte, so würde der Saturn noch mehr Tra- banten und zwar lauter innere bekommen. Dies Sÿ- stem von Laplace hat einige Aehnlichkeit mit dem von Buffon, welcher annahm, daß der Stoß eines Cometen auf die Sonne, die Planeten davon abgesprengt hat. Wenn man annähme, daß der Stoß von Westen nach Osten und ungefähr in der Richtung des Sonnenaequators Statt gefunden habe, so erkläre sich hieraus sowohl die geringe Neigung der Planetenbahnen gegen den Sonnenae- quator als auch ihre Translation von West nach Ost; allein die Rotation um ihre Axe würde nicht hinlänglich deduzirt sein. [[122]/0128] Die Sicherheit von der Dauer unsers Planetensÿstems beruht auf der Kenntniß der Mechanik des Himmels und wir sehen, daß im Mittelalter viel darüber gestritten wurde. Dies liegt darin, daß wir alles für zufällig halten, was nicht nach bestimmt auf einander folgenden Gesetzen erklärt werden kann; allein wir müssen nicht vergessen, daß in diesen Dingen die Periode größer sein kann als unsere Er- fahrungen: wir können sie deshalb nicht messen und den- noch mag sie existiren. Ferner aber ist auch das Periodische gar nicht einmal nothwendig um uns manche Erscheinungen zu erklären. Wir müssen sagen, daß alles das gesetzlich ist, was aus Ursachen erkannt werden kann und wie könnten wir behaupten, daß uns alle Ursachen bekannt sind. Eine Ordnung der Dinge kann auf die andere folgen und alle können in einer größeren unveränderlichen Weltordnung begriffen sein. Noch muß hinzugefügt werden, daß in unserem Plane- tensÿstem selbst durchaus kein Princip der Zerstörung auf- zufinden ist: sie muß also immer von außen kommen und da sind die Cometen das einzige, das sie veranlaßen köñ- te. Alle Störungen in unserm Sÿsteme sind nur Oscil- lazionen um einen mittlern Zustand. Zuerst ändern sie bloß die Richtung der Planeten in ihrer Bahn, denn affi- ciren sie selbst auf die Bahnen, welche aus ihrer Lage kom- men, allein diese Sekularstörungen (so nennt man die in großen Perioden sich bewegenden) sind meist ab- und zu- nehmend, in einem beständigen Schwanken von hinüber [[123]/0129] und herüber begriffen. So verhält es sich mit der Excen- tricität der Erdbahn, welche sich sehr genau hat berechnen lassen: sie war 8400 Jahr vor unserer Zeitrechnung am größten und wird von nun an noch 23,000 Jahre abnehmen, denn aber sich wieder nach der andern Seite hin ins Gleichgewicht zu setzen suchen. So ist die Excentricität des Jupiters jetzt im Wachsen begriffen; die des Saturn dagegen nimmt ab, und wird sich nach 900–1000 Jahren, nach Laplace’s Berech- nung, wieder ausgleichen. Einer der merkwürdigsten Umstände aber ist es, daß die Sicherheit von dem Ueberhandnehmen der Störungen durch Jupiter und Saturn nur darauf beruht, daß ihre Umlaufszeiten nicht beide durch ganze Zahlen ausgedrückt werden können d. h. sie sind irrational zu einander. Sie sind ungefähr wie 12 : 30, aber nicht ganz, denn dies gebe 2 : 5 und in diesem Falle würden sie nicht nur sich selbst, sondern auch alle andern Planeten zerstören. Der Jupiter hat 4332 Tage Umlauf, 〃 Saturn – 10739 〃 〃 woraus man leicht berechnen kann, daß sie sich nur dem Verhältniß 2 : 5 nähern. Aber schon diese Näherung ist es, wodurch sie in den Stand gesetzt werden, so große Störungen in unserm Sÿstem hervorzubringen. Eine andere Bürgschaft für die Stabilität unseres Sÿ- stems haben wir in der Unveränderlichkeit der großen Axe der Planetenbahnen: sie bleibt in ihrer absoluten Größe immer dieselbe; ferner in der großen Entfernung der Planeten von einander; so wie in der Kleinheit der [[124]/0130] Excentricität ihrer Bahnen, und der Neigung derselben gegenein- ander. Laplace sieht nur 2 Gefahren, die im Sonnensÿstem selbst begründet wären: 1., die wiederstehenden Mittel, über welche der Enckesche Comet Aufschluß gegeben hat, der durch eine Bewegung hemmende Materie in seiner Bahn gestört und der Sonne näher gebracht ist: so wird auch nach und nach bei den Planeten die Attraction gegen den Centralkörper zunehmen; 2., das Abnehmen der Masse der Sonne durch langes Leuchten, wodurch sie immer schwächer werden würde. Allein beide Gefahren sind wenigstens noch sehr entfernt. Das einzige nicht periodische in unserm Sÿstem ist die Richtung der Absidenlinie; (welche durch die beiden Endpuncte der großen Axe der Erdbahn geht) allein dies bringt weiter keine Gefahr, sondern veranlaßt nur, daß sie nach und nach gegen andere Fixsterne gerichtet wird. 26. Vorlesung, 2. Februar 1828 Phÿsikalische Erdbeschreibung oder von den tellurischen Verhältnissen. Die 3 Hauptmomente von denen wir in diesem Theile handeln werden sind: 1. das Starre 2. die flüßige Hülle 3. das Organische oder die Pflanzen und Thiere, der Masse nach zwar das Kleinste auf dem Erdboden aber am meisten von der Form besiegt. s. gut 1. Von dem Starren; unnatürlicher Weise ist dieser Theil die Geognosie genannt. Dieser Theil zerfällt wiederum in 5 Unterabteilungen: a., Gestalt und Dichte der Erde. [[125]/0131] b., Innere Erwärmung und Erleuchtung welche die Erde nicht von außen her empfängt. c., Magnetismus oder was dasselbe Electromagnetismus. d., Veränderungen welche Folgen der Communication der Oberfläche mit dem Innern sind; hierher gehören: Vul- kane, heiße Quellen, Erschütterungen, Gebirgsarten. e., Das Oberflächen ersehen selbst, die Bergketten pp. Die Gestalt der Erde ist nicht bloß Gegenstand der Neu- gierde sondern ihre Bestimmung hat großen Einfluß auf das bürgerliche Leben, die Schiffahrt, die Landkarten, die Bestim- mungen der Entfernungen und Maaße. S. 139 l. Eine flache Erdscheibe vom Okeanos umfluthet, war die frühste Ansicht welche die Menschen davon hatten, so nach Thales, welchem Plinius ganz unkritisch schon die Wissenschaft von einer Kugel zuschreibt. Die Pÿthagoräer erkennen sie zu- erst als solche, nach dem Zeugniß des Philolaos. Die Gründe welche sie dafür aufstellten waren dieselben (ausgenom̃en die Weltumseglung) welche wir noch heute dafür nennen: der Schatten der Erde bei Mondfinsternissen; die Bemerkung, daß wenn man von Cÿpern nach Aegÿpten fuhr man das Sternbild des Canopus immer höher und höher heraufsteigen sah. Der scharfsinnige Aristoteles fügte noch den Grund hinzu, daß alle Theile nach dem Gesetz der Schwere dem Mittelpunkt zustreben. Hiernach war die Idee von den Gegenfüßlern bei den Alten sehr allgemein und z. E. Diogenes Laertius hat ausführlicher von ihnen geredet. Alles dies aber ging ver- Gut [[126]/0132] loren in den Zeiten der Barbarei; und setzte doch Pabst Za- charias den Bischof von Salzburg Vigilius deshalb ab, weil er behauptet hatte, daß es Antipoden gäbe. Genauer lernen wir nun die Gestalt der Erde kennen durch die Gradmessungen. Die erste ist angestellt von dem Caliphen Al in Mesopotamien. Man legte einen Theil auf der Erde zurück und verglich nun mit diesem die Him- melskörper. Solche Messung besteht also jedesmal aus einem astronomischen und einem geodetischen Theil. Mahmud ließ einige seiner Astronomen nach Norden andere nach Süden reisen bis sie einen Grad zurückgelegt hatten. Welche Un- sicherheit aber solche unmittelbare Messung der Erde hat, ist leicht einzusehen und so bewegten sich die Araber auch gar nicht auf einem bestimmten Meridian. Der Holländer Schnel- lius hat zuerst eine sicherere Messungsmethode aufgefunden. Er warf ein trigonometrisches Netz über die ganze Richtung der zu messenden Gegend und maß den Grad durch eine Basis. Dies wandte er zuerst an zwischen Leÿden und Alk- mar. Um Sicherheit zu erlangen wurde die größte Auf- merksamkeit auf die Meßinstrumente gewandt. Bei der Messung in Peru bediente man sich noch der Holzstäbe, später machte man sie von Platina, in England von Glas; auch wußte man immer mehr den Contact zu vermindern. Der astro- nomische Theil solcher Gradmessung besteht darin, daß man einen astronomischen Winkel bestimme; er wird durch den Unterschied der Meridianhöhen gemessen. Wird gleich dem Aeratosthenes in Alexandria die erste Messung gut [[127]/0133] zugeschrieben, so ist diese doch vielmehr nur eine Schätzung zu nennen. Er bediente sich hierzu des bekannten tiefen Brunnens zu Syene. Doch die Stadien der Karawanenstraße mußten ihm die Bestimmung der Entfernung von Syene nach Alexandria angeben; auf den Durchmesser des Sonnenbildes wurde gar nicht Rücksicht genommen und daß Alexandria und Syene keinesweges unter demselben Meridian liege, berücksichtigte er gar nicht. Als der 2te Gradmesser wird der Lehrer Cicero’s, Posidonius genannt, welcher nach dem Cano- pus maß. Der 3te soll Ptolomaeus gewesen sein, dessen Anfänge den Arabern Anlaß geben. Almamum folgte ihm und führte sein Werk aus. Dieser war so sehr Lieb- haber der Astronomie daß, als er den griechischen Kaiser gefangen genommen hatte, er zur Bedingung seiner Freilassung die Abtretung der Handschrift des Almagest von Ptolomaeus machte. Seine beiden abgeschickten Banden fanden dasselbe Resultat (welches der Caliph gewünscht hatte) nemlich das was im Almagest stand. Gut Die ersten Trigonometrischen Messungen von Schnellius in Leÿden 1615(?) gaben falsche Bestimmungen und führten lange Newton irre. Genauere wurden 1669 von Picard in Frankreich angestellt, wornach sich jedoch ergab daß die Erde an den Polen nicht abgeplattet, sondern zugespitzt sei. Trotz alle dem hatte Newton schon die Wahrheit theoretisch erwiesen und bestand darauf trotz der scheinbaren Einwürfe des Fran- zosen. Gerechtfertigt wurde er zuerst durch Riché in Ca- yenne, welcher fand daß seine Pendeluhren in Caÿenne lang- [[128]/0134] samer gingen als in Paris. Er stellte als Ursachen hierfür auf 1., die größere Wurfkraft am Aequator 2., aber meinte er ob hieraus nicht folgen würde, daß die Erdmasse am Ae- quator mehr aufgehäuft sei als an den Polen zu. Deshalb wurde von 1735–1746 Reisen angestellt von Gòdet nach Quito *) und hier Messungen gemacht. Später wurde Clai- raut und Lacondamine, Maupertuis u. a. nach dem Norden geschickt. Sie maßen eine Basis zwischen Torneo und dem Berge Titis, auf dem Flußspiegel des Torneo . Dies war eine unglückliche Expedition, da alle Theilnehmer der- selben gegenseitig gespannt wiederkehrten. Schwanenberg der sie neuerdings nachmaß, wollte den großen Fehler von 1200 Fuß auf einen Grad gefunden haben; doch hat Rosenberg aus Halle gezeigt, daß es nicht so gar arg ist als Schwanen- berg es macht. Bei den französischen Messungen sind zuerst Repetirkreise angewandt welche Tobias Meÿer erfunden hat. **) Spätere berühmte Gradmessungen sind die von Much in England über den Canal weg in Verbindung gesetzt mit fran- zösischen; in Ostindien von Lewton und King; in Russland von Struve u. a. in Hannover von Gaus (in Holstein von Schumacher.) Als Resultate hat man gefunden, daß ein Grad am Aequator 56731 Toisen in Frankreich 57006 in Lappland 57200 beträgt. Clairaudt Gut In neuern Zeiten hat man die Pendelmessungen vorge- zogen. Die erste war die von Riché in Caÿenne, später *) Welches damals zu Peru gehörte, deshalb peruanische Messungen genannt. **) Gòdel bediente sich bei seiner peruschen Messung piramidaler Tagsignale; später wandte man Reverbere zu Nachtsignalen an, welche in großer Höhe angebracht 25 Meilen weit gesehen wurden. Die neueren Signale sind Gaus und Bessels Heliotrope. [[129]/0135] wiederholt an der afrikanischen Küste. Es giebt 2 Methoden: 1., mit der Platinakugel und 2., mit einem unveränderlichen Pendel. Neulich fand Bessel in Königsberg eine neue Methode, welche bald beschrieben werden soll. Die größten Messungen der Pendellänge sind von Engländern und Franzosen gemacht, am Aequator in Afrika, in Spitzbergen, in Indien und West- Grönland. Die Resultate sind: daß die Abplattung zwischen 1/305 und 1/280 schwankt; dies macht nur 3600 Fuß oder 1/18 der ganzen Abplattung. Die Folge der Abplattung ist also, daß die Figur der Erde sich so weit von einer Kugelgestalt entfernt als wenn man das Himalaja 2 mal auf den Aequator setzt. 64,200 Fuß () oder 3 Meilen ist der Aequator entfernter vom Mittelpunkt der Erde als die Pole. Die Gradmessungen geben die Abplattung 1/305 dasselbe Resultat gab die Mondtheorie von Laplace, aber nach Burckhard gab diese nur 1/299. Man hat lange gefragt ob die südliche Hemisphaere mehr abgeplattet sei als die nördliche? Lacaille bejahte diese Fragen. Dies zu untersuchen war besonders der Zweck der Reisen um die Welt des Spaniers Alessandro Mala Spina und der Franzosen Fresnel und Brusbeÿ. Die Pendelversuche zeigen, daß kein Unterschied zwischen beiden Hemisphaeren sei. Doch verschieden ist die Abplattung bei den verschiedenen Meridianen; daher kann man nur sagen: die Erde habe nur Tendenz zur Regelmäßigkeit nicht Regelmäßigkeit selbst. Wollte man die Messung in England allein gelten lassen; so würde folgen daß die Erde zu gespitzt sei; die von Frank- reich allein, daß sie noch mehr abgeplattet sei. Wo Basalte [[130]/0136] in der Nähe sind, nehmen die Pendelschwingungen 10–13 Secunden des Tages zu; diese Bemerkung machte Sabÿ auf Ascension, Humboldt und Arago auf andern vulkanischen Inseln. (Auch in der Breite hat die Erde eine Abplattung. Man hat von Bordeaux aus eine Messung angestellt bis Fiume, welche Oesterreich bis Siebenbürgen fortsetzen will.) Man kann also die Abplattung der Erde schließen: aus der Mondtheorie, aus den Gradmessungen und den Pendelversuchen. Die beiden ersten geben zwischen 1/304 und 1/305 Abplattung, die Pendelversuche 1/290. Dieser Unterschied beträgt 3600 Fuß in dem Aequatorialhalbmesser der Erde, oder da dieser 156 Meilen lang ist, 1/5000 Theil desselben. Mehre Gradmessungen mit einander verglichen geben den Umfang der Erde; die Pen- delversuche geben die Abplattung. Ohne kostbare Gradmes- sungen, ja ohne selbst die Sternwarte zu verlassen, kann man den Umfang der Erde schließen aus der Mondtheorie, der Mondparalaxe und den Pendelversuchen. In neuerer Zeit hat man die Frage untersucht ob auch in der Richtung der Parallelen eine ähnliche Abplattung als am Polardurchmesser sich finde. Schon 1733 haben Cassini und Merailli deshalb Pendelversuche angestellt, welche indeß sehr ungenau ausfielen. Neuerdings haben die französische sardinische und österreichische Regierung gemeinschaftlich deshalb Versuche machen lassen durch die Astronomen: Bossout, Henrÿ, Plana und Carnini. Es wurden 15 Längengrade gemessen, nemlich nördlich vom Ausflusse der Garonne an, über den Montblanc Carlini Boussault Gut Meraldi richtig [[131]/0137] und Mont Cenis durch Norditalien bis Fiume und die österreichi- sche Regierung hat den löblichen Entschluß gefaßt diese gemessene Linie fortzusetzen bis Orzowa in Siebenbürgen, dann wird sie 24 Längengrade in sich faßen. 27. Vorlesung, 6. Februar 1828 Das Resultat war daß man eine noch größere Abplattung fand als die der Breite, nemlich 1/250 bis 1/260. Mag auch die Localität der Alpen und der platten Lombarbei hierzu etwas beigetragen haben, so muß sie doch im Ganzen bedeutend sein. Die Abplattung im Allgemeinen beweißt, daß die Dichtig- keit der Erde im Zunehmen ist nach dem Centrum hin. Diese verschiedene Dichtigkeit ist auch ein nothwendiges Bedürfniß der Stabilität des Oceans. Wäre das Wasser so dicht als Quecksilber, so würden immerfort Ueberschwemmungen Statt haben. Wäre diese größere Dichtigkeit am Centro nicht, so würde auch die Abplattung größer sein, nemlich 1/230. Ein englischer Infanterie-Capitain Simmis hat die närrische Behauptung aufgestellt, daß die Erde inwendig hohl sei und ein Loch 12–16° breit, nördlich von Sibirien hineinführe. Er hat vielfach die Leute aufgefordert mit ihm dorthin zu reisen und namentlich neuerdings den Magistrat von Augsburg und andere deutsche Städte dafür zu interessiren gesucht. Er meint wunderbare Thiere darin zu finden und hat zu gleich angenommen, daß 2 leuchtende Planeten(Proserpina & Cerberus) sich darin herumdrehend Licht und Wärme verbreiten. Dies letztere wäre gar nicht nöthig. Chladnÿ schon hat ge- zeigt, daß die Compression der Luft eine sehr warme Tem- peratur hervorbringe und einen fortwährenden Lichtprozeß gut [[132]/0138] bewirken müsse. Francklin hat solche Compression der Luft im Innern der Erde angenommen und Lichtenberg diese Idee durchgeführt. Auch gewogen ist die Erde in neuerer Zeit mit vieler Genauigkeit. Auf 3 fache Weise kann die Dichtig- keit des Erdkörpers gefunden und mithin seine Schwere bestim̃t werden. Thom: Young, Laplace und Iverly haben diese schweren Rechnungen versucht und fanden die Schwere 47/10 mal größer als die des Wassers. 2., hat man dasselbe Re- sultat gefunden durch die gemessene Anziehung der Gebirge. Zuerst stellte solche Messung 1774 Huton an in Pershire an der schottisch-englischen Gränze. Man wählt zu diesem Zweck ein Gebirge, welches von Osten gen Westen streicht; hat man nun die Attraction dieser Gebirgsmasse ausgewirkt, so wird man nicht dasselbe Resultat an dem nördlichen wie an dem südl: Ende finden. Versieht man das astronomische Instrument mit einem Pendel oder Loth so wird ein anderer Stern am nördlichen ein anderer am südlichen im Zenith zu stehen scheinen. So fand man am Chimborasso eine Attraction von 14 Se- cunden. Die Secunden welche man als Unterschied zwischen den Messungen am Norden und denen im Süden findet, sind Folgen der Anziehung des Berges. Man weiß nun wie viel der Masse des Berges gehört, wie viel der Masse der Erde. Hat man nächstdem das Volumen des Berges gemessen und die Gebirgsarten aus denen er besteht, bestimmt, so findet man nachdem man die Attraction des Berges von der der Erde abzieht auf diesem Wege ebenfalls eine 47/10 mal größere Schwere als des Wassers. Carlini Ivory(?) Pertshire Gut [[133]/0139] hat am Mont Cenis etwas ähnliches versucht und 44/10 gefunden. Herr. v. Zach hat in Marseille ähnliche Beobachtungen angestellt; allein die Berge waren nicht groß genug dazu, so daß das Re- sultat um einige Secunden schwankt. Das 3te Mittel ist durch die Drehwage. 1768 war Mitchell auf die Idee gekommen, daß die Oscillationen an der von ihm erfundenen Drehwage die Attraction messen könnten. Sein Apparat war in Hulastons Hände gefallen, Keventisch hat hiernach einen neuen gebildet und die Erdattraction damit gemessen; und fand 54/10. Wollaston Cavendish Von der innern Wärme des Erdkörpers, dem Electro- Magnetismus, dem Licht der Erde und dem Polarlichte. Wir können hierbei nur allgemeine Betrachtungen anstellen, das besondere gehört ins Gebiet der Phÿsik. S. 152 Die 3 Quellen der Wärme sind: 1., von außen die Son- nenstrahlen welche verschieden ist nach der Größe des Einfallswin- kels und der Dauer ihrer Gegenwart. 2., Von der Ausstrahlung aller Gestirne welche dem Weltraume selbst zugehört. Dies ist eine Entdeckung des scharfsinnigen Fournier. Er zeigte, daß wenn in dem Weltraume eine absolute Kälte sei, die Wärme unseres Sÿstems bis gegen den Monat September hin schon ausgestrahlt sein würde; diese Wärme des Weltraumes bestimmt er als etwas geringer denn die an den Polen her- schende. 3., Derjenige Theil der primitiven Wärme, welche dem Erdkörper gehört. gut Fourier Bei der Verdichtung des Planeten selbst, ist große Wärme erregt und diese ist incarcerirt in der Erde. Von dieser reden inkarzerirt [[134]/0140] wir hier. Sie hat keinen Einfluß auf die Temperatur der Oberfläche des Erdkörpers. Die Theorie zeigt, daß durch die Quantität Wärme welche bereits ausgestrahlt ist ein solches Gleichgewicht hergestellt worden sei, daß in Tausenden von Jahren die Temperatur kaum um 1/30° Reaumur abwei- chen werde. Laplace meint die Wärme die dem Erdkörper angehöre sei in unsern Gegenden wohl nur ¼° Reaumur. In einer Tiefe von 8–10 Fuß unter der Erde bemerkt man noch tägliche Veränderungen der Temperatur; in 100–120 Fuß nur noch eine jährliche. In Frankreich wo Lambert schon vor Saussure solche Versuche angestellt hat, legte man 18 füßi- ge Thermometer in die Erde; bei 10 Fuß stand es bei Tage wie bei Nacht; auf 80–90 Fuß hatte man schon eine be- ständige Wärme welche sich nicht mehr veränderte. Im Oc- tober war die Wärme noch nicht in diese Tiefe gedrungen, erst in der Mitte dieses Monats fing der Thermometer an zu steigen. Der Temperaturzustand der Erde ist jetzt unver- änderlich; was sie empfängt, strahlt sie aus an den Polen. Mondbeobachtungen beweisen, daß die Veränderung des Tages nicht um 4/1000 einer Secunde betragen. 28. Vorlesung, 9. Februar 1828 Unter 20 Fuß Tiefe findet man die mittlere Temperatur des ganzen Orts. Fol- gende Resultate fanden Arago und ich am 20ten Juli 1825 in Paris da das Thermometer 26° R. im Schatten hatte: bei ½ Fuß Tiefe 22½° R.– 〃 10 〃 〃 11° R. – 〃 20 〃 〃 94/10° R. u. so blieb es bis 30 Fuß Tiefe. 1½ [[135]/0141] Je tiefer man kommt desto geringer das maximum und minimum. Wenn die Rotation und Translation der Erde zunehmen, würde der Punkt, in welchem diese gleichmäßige Temperatur anfängt näher der Oberfläche sein. Diese Tiefen der Temperaturen verhalten sich wie die Quadrate aus der Dauer der Wärme selbst. (wie 1 : 19). Die Empirie giebt 2 Mittel diese Theorie zu bestätigen: 1., durch Messung der Temperatur in dem starren Theil, nemlich in Bergwerken in der Grubenluft. 2., Durch Beobachtungen der Quellen selbst, denn die Eindrin- gung der Wärme geschieht auch durch das Eindringen der Flüßigkeit selbst worauf L. v. Buch zuerst aufmerksam gemacht hat und woraus die wichtige Folge fließt, daß die innere Erdwärme im Norden größer ist als in den tem- perirten Zonen, ja vielleicht größer als am Aequator. Die Idee von der Centralwärme findet sich schon bei den Alten in ihrem Mythus von Phlegethon. Leibnitz, Haleÿ u. a. beschäftigten sich später damit und sprachen von einer Grundwärme. 1765 schrieb Merau hierüber 2 Memoiren in den Schriften der Pariser Academie welche bei aller Gründlichkeit freilich noch viele falsche Behauptungen enthalten z. E., daß diese Wärme mit der Zeit immer zunehmen müsse, da sie doch wahrscheinlicher immer im Abnehmen begriffen ist. Lam- bert zuerst machte schöne Versuche mit Thermometern in ver- schiedenen Tiefen. Aufmerksamer ward man aber noch durch die Bergwerke, in denen manche Messungen angestellt wur- den besonders von Saussure in Bex, von Fox und Woals in _ _ Méran [[136]/0142] Cornwallis und Devonshire. Man kann in Bergwerken die Luft beobachten, doch ist dies sehr betrüglich da die Luft von der obern Atmosphaere sehr modificirt wird. Ein besseres Mittel sind die Bergwasser, das beste aber Bohrlöcher in die Gesteine. So fand Trebrand (?) in Sachsen bei 90 Klaftern 9° bei 130 Klftr: 12°. Dobuisson machte Versuche bis zu der Tiefe von 1000 Klftr:(?) Am merkwürdigsten sind die Beobachtungen welche bei bedeutender Höhe angestellt worden sind; so fand ich bei 10,000 Fuß Höhe in Peru 15° R. obgleich die mittlere Temperatur nur etwa 6–7° R. dort ist. In Guada- quato in Mexico 6000 Fuß Höhe, findet man 1440 Fuß tief eine Quelle deren Temperatur 27° R. ist da die mittlere Temperatur des Orts doch nur 12° beträgt. Diese Tempera- turzunahme ist 8mal schneller als die, welche wir in der Luft beim Hinaufsteigen beobachten. Die besten Beobachtun- gen bleiben immer die welche in den Kellern des Observa- toriums zu Paris seit 80 Jahren gemacht sind, wo bei 85 Fuß 94/10° sich finden, da die mittlere Temperatur von Paris ge- nau 8½° beträgt. Die ersten Beobachtungen an Quellen stellte Rubock in England an und beschrieb sie in den philo- sophical transactions von 1775. Es giebt 2erlei Arten von Quellen 1., solche, die ihre Temperatur gar nicht ändern 2., solche bei denen sich kleine Oscillation in den verschiedenen Monaten findet. v. Buch und Balemberg haben gefunden, daß am Nordcap und der Hudsonbaÿ im stärksten Winter stets fließende Quellen sind und von 56 bis 66° N. B. ansteigend sieht man die Wärme der Quellen um 3 bis 4° zu nehmen. Geht man dagegen nach Trebra v. Dubuisson [[137]/0143] Süden so nimmt die Wärme der Quellen ab. Am 48–50° B. ist sie gleich der Luftwärme, in Italien ist sie schon geringer und viel geringer fand v. Buch sie auf den canarischen Inseln. Unter den Tropen fand man sie in Kellern nie höher als die der Luft. In der Butschaoh-Höhle in Südamerika ist die Temperatur des Wassers und der Luft niedriger als die Temperatur der äußern Luft. Die Schichten übrigens welche ungleich vom Centrum der Erde entfernt sind haben gleiche Temperatur. So gaben die Versuche 11000 Fuß hoch in Bergwerken angestellt dieselben Resultate als am Meere angestellt. Die merkwürdigste Ursache dieses Phaenomens ist die der Regenzeit. Nach Mai regnet es unter den Tropen nicht mehr; also die Wasser welche eindringen sind von der nie- dern Temperatur. Nach Balembergs Meinung trägt auch die Schneedecke dazu bei. Andere theoretische Gründe können auch sein: daß unter gleichen Tiefen vom Centrum die Erdschichten nicht dieselbe Temperatur haben; daß die innere Wärme des Cen- trums in den nördlichen Breiten mehr gespürt wird als unter den Tropen. Von den Erdmassen welche man, wenn gleich nahe an der Oberfläche, doch im Innern der Erde fand, haben wir keine genauere Kenntniß. Gmelin hat an die Petersburger Akademie davon berichtet, daß in Irkutsk Kosacken am Weiter- graben eines Brunnens gehindert worden wären, weil sie eine Eisdecke gefunden hätten; doch ist kein genauer Beobachter dabei zugegen gewesen. Francklin hat auf seiner Reise nach dem Makenzie und Kupferminenfluß 65° N. B. bei 3 Fuß Tiefe große Eismassen gefunden; doch fehlt uns noch der nähere Bericht. Eine Gut [[138]/0144] Vegetation könnte sich doch wohl noch darauf finden, denn Chamisso hat schon gezeigt, daß sich Pflanzen mehre Jahre lang auf Eis- massen erhalten. Noch ist zu bemerken, daß Quellen welche Kohlen- säure enthalten 3–4° höhre Temperatur haben als solche welche keine haben. Dies findet sich z. E. bei der Wetterau. Die Kohlensäure, Erzeugniße ausgebrannter Vulkane möchte wohl von der innern Tem- peratur participiren und sie den obern Wassermassen mittheilen. Electro-Magnetismus. Die älteste Beobachtung war die, daß der Magnetismus dem Eisenerze allein gehöre. Bald fand man, daß das Eisen seine magnetische Kraft nur rhapsodisch behalte, wenn es mit andern Dingen vermengt ist; so als Stahl mit Kohlenstoff, als Eisenstein mit Sauerstoff, oder mit Schwefel und Phosphor. Später fand man, daß Nickel und Kobalt ebenfalls zu Magnetnadeln dienen können. Ritter’s und Richter’s Ent- deckung, daß Mangan und Chrom gleichfalls diese Eigenschaft haben hat sich nicht bestätigt. Arago zuerst hat gezeigt, daß alle Körper von magnetischen Kräften sollicitirt werden können. Zuerst entdeckte er dieß in Greenwich. Er ließ hier eine Nadel in einem hölzernen Kasten schwingen und da diese Schwingungen keine Dauer hatten schloß er bald, daß der Kasten einwirken müsse auf die Magnet- nadel. Bei späteren Versuchen in Paris fand er, daß Kupfer dieselbe hemmende Kraft ausübe. Körper welche gar nicht me- tallisch sind haben einen hemmenden Einfluß auf die Nadel. Man hat durch dieselbe beruhigt, sie aber auch wieder dadurch in Bewegung gebracht. So wurde eine Nadel bewegt durch die Schwingungen einer Holzplatte welche von ihr durch eine Glasscheibe getrennt war, daß die Luft also nicht die Bewegung [[139]/0145] leiten konnte. Selbst Eis und Wasser können hiernach magnetisch werden. Hansteen (?) in Norwegen hat bemerkt, daß die Schwin- gungen einer Nadel im Norden eines Baumes nicht dieselben waren als im Süden desselben, so daß also das Holz des Baumes participirt. Oerstädt hat 1820 gefunden, daß Wärme, Electrici- tät und Magnetismus im innigsten Zusammenhange stehen. Er zeigt, daß eine Magnetnadel im rechten Winkel einen electrischen Strome genähert, abweicht, nach dem der Strom fließt. Ampère fand daß, wenn 2 electrische Ströme sich gegenüber gestellt wären und die Drähte durch welche er die Electricität leitete beweglich seien, diese Drähte die- selben Bewegungen machten wie die Nadel. Darauf fand man, daß wenn Metalldrähte in Schraubenlinien vom elec- trischen Strom durchdrungen wurden, sie sich ganz wie Magne- te verhalten, so daß man sie dadurch förmlich magnetisiren konnte. Durch Poggendorfs Entdeckungen wurde es möglich die feinsten Spannungen der electro-magnetischen Kräfte zu beobachten, so daß man durch eine Magnetnadel eine so kleine Quantität Säure entdecken könne, welche keine chemischen Versuche zeigen. Dies nannte man Hÿdroelectricität. Seebek’s glänzende Entdeckungen führten auf die Thermoelectricität, welche er fand durch die ungleiche Erwärmung von Metallen in Stangen von Wißmuth und Antimonium. Dies ist wohl die Electricität der Erde selbst durch die Sonnenstrahlen. Diese selbst bringen Magnetismus hervor durch die violetten oder chemischen Strahlen; zuerst wurde diese Entdeckung gemacht von Morecchini (?) in Rom, dann bestätigt durch Miss: Sommerville in London. Je richtig Gut r. [[140]/0146] nach dem das Licht polarisirt wird, kann es verändert werden, so daß was früher Südpol war, nachher Nordpol werden kann. Die magnetischen Kräfte habe ich noch wirksam gefunden bei 15000 Fuß Höhe. Gaylussac der sich 21,500 Fuß erhob hat hier die Magnetnadel schwingen lassen. Die Quantität der Schwin- gungen war dieselbe als in Paris; er schloß also daß die mag- netische Kraft nicht abgenommen. Nach Kupfers in Kasan Bemerkung muß aber doch die Intensität der Kraft abgenom- men haben; dieser hat nemlich den Einfluß der Wärme auf den Magnetismus berechnet. Die Beobachtung Gaylussac’s in Paris wurde bei großer Hitze angestellt; die in der Höhe bei großer Kälte. Wäre die Kraft also gleich gewesen so hätten die Schwin- gungen in der Höhe mehr sein müssen als in der Tiefe: denn die Intensität der magnetischen Kräfte nimmt ab mit der Zunahme der Wärme: Gay Lussac 29. Vorlesung, 13. Februar 1828 Aehnliche Versuche hat man in der Tiefe angestellt. Erman hat eine Reihe solcher Versuche in Bergwerken gemacht, aber keine Zunahme der magnetischen Kraft gefunden. Fälschlich glaubte Krouton(?) in England daß die Oscillationen im Finstern zunähmen. Gut Da es hier nicht unser Zweck ist die Ursachen des Magne- tismus zu ergründen sondern vielmehr nur seine Vertheilung auf der Oberfläche der Erde zu betrachten; so fügen wir über jene nur weniges bei. Einige meinen die Erstarrung des Erdkörpers habe, wie die primitive Wärme, so auch die magnetischen Kräfte erzeugt; andere lassen sie entstehen durch die äußere Erwär- mung durch die Sonne, wogegen wieder andere die Idee aufge- stellt haben, als seÿ die Erwärmung eben Folge der magnetischen [[141]/0147] Strömungen. So hielt Brewster ? dafür, daß die magnetischen Pole, möge man nun 2 oder 4 annehmen die Pole der größern Kälte seien, was indeß durch die Erfahrung keinesweges bestätiget wird. Denn die größere Kälte herrscht nicht an dem magnetischen Pol in Canada 60–70° N. B. sondern viel weiter gegen Westen zwischen Neu-Sibirien und der Behrings-Straße. Ueber die Meinung ob die magnetischen Pole vielleicht die ältern Erdpole seien hat zuerst Klügel geschrieben. Laplace hat das Gegentheil darzuthun gesucht und durch Gradmessungen bewiesen, daß das maximum der Abplattung bei den jetzigen Polen sei. Ue- brigens nahm schon Haleÿ 4 Pole an, 2 bewegliche und 2 un- bewegliche; Tobias Meyer nahm dagegen einen kleinen Magneten im Innern der Erde an. Seebeck stellte, nach den von ihm ge- machten Erfahrungen, die Hÿpothese auf, daß vielleicht die vulkanischen Feuer durch die ungleiche Erwärmung der Metalle Ursach seien an dem Magnetismus. G. Die Erscheinungen des Magnetismus sind: die magnetische Abweichung – Neigung – und Intensität der Kraft. Die magnetische Abweichung. Die magnetische Nadel frei aufgehängt zeigt westlich von dem wahren Norden. Man hat lange geglaubt, daß Flavio Gioja aus Amalfi im 13ten saec: zuerst die Polarität oder die nördliche Richtung des Magnets gefunden hätte. Allein 1081 finden sich schon bei dem Dichter de Provin mehrere Verse welche von der marinette sprechen. Bei Chinesen und Arabern ist der Gebrauch des Compasses uralt; denn schon im 12ten saec: hat man die Abweichung gemessen. Columbus hat sich 1181 (?) S. 163 r. [[142]/0148] mit Unrecht gerühmt zuerst eine Linie gefunden zu haben ohne Declination. Er fand nemlich, daß zwischen den Azoren und Canarischen Inseln der Compaß den wahren Norden zeige. Die Wichtigkeit dieser Abweichung der Nadel kennen zu lernen leuchtet wohl jedem ein, namentlich für die Schiffahrt, beträgt doch ihre stünd- liche Abweichung häufig 1/4°. Die gewöhnliche Methode die Größe der Abweichung zu erkennen ist: daß man einen dazu einge- richteten Compaß, den Abweichungscompaß nimmt, die mag- netische Mittagslinie genau auf die Mittagslinie des Ortes legt und nun Acht giebt auf welchem Grade die Nadel in der Büchse ruhig stehen geblieben ist. Dieser Grad zeigt jedesmal die Größe der Abweichung an. Eine andere Methode ist die von v. Zach angegebene wozu man einer freihängenden Nadel mit einem Fernrohr bedarf. Dies Fernrohr ändert seine Richtung denn mit jeder Minute; bestimmt man den Stern des wahren Nordens so braucht man nur den Winkel zu messen den die- ser Stern mit einem bestimmten Gegenstande macht. In neuerer Zeit erst wurde man aufgeklärt darüber wie ge- fährlich es sei wenn auf dem Schiffe viel Eisen sich befinde. Herr Barland erfand eine kleine Platte wornach die Ein- wirkung des Eisens auf die Nadel realisiert werden kann, und wofür der Erfinder von der englischen Admiralität den Preis empfangen hat. 1538 wurde von Pedro ? Nuñez eine 2te Linie ohne Abweichung am Cap der guten Hoffnung gefunden. Die frühsten magnetischen Charten sind von Alonso de St. Cruz dem Lehrer Carls V. 1530. Um von der Verschiedenheit der magnetischen Abweichungen eine Idee Barrow? [[143]/0149] zu machen erwähnen wir nur einige in London gemachte Beobachtungen: 1580 war hier die magnetische Abweichung 11° 14′ östlich; 1622 war sie 8° 1634 4° 5′; 1655 war gar keine Abweichung; 1672 war sie 20° 30′ westlich; 1692 aber 6° und 1774 21° 16′ und seit 1818 hat diese westliche Abweichung ihr maximum erreicht. Die Linien ohne Abweichung sind seit Anfang saec: 17 bekannt; doch ist es schwer die damaligen Linien mit den jetzigen zu vergleichen. Die welche damals in Paris war, mag jetzt in Kasan sein. Man kann 3 oder 4 Linien annehmen: 1., eine welche jetzt im atlantischen Ocean ist nicht weit von Sandwichlande, sich längst der Küste von Brasilien hinzieht etwas östlich von Trinitat hinauf- läuft nach dem magnetischen Pol in Canada. 2., wäre in der Südsee welche westlich von der Küste von Peru geht und deren nördliche Fortsetzung wir nicht keñen, 3. und 4., diese beiden sind wahrscheinlich nur eine; sie durch- schneidet die molukischen Inseln, theilt sich mehr nördlich in 2 Zweige von denen einer nach China, der andere in wun- derbaren Verschlingungen durch Bengalen nach Tobolks und Kasan geht. in Norwegen meint es seien auch diese 2 Zweige nur eine einzige Linie, die sich noch wunder- barer schlängelt von China nach Archangel. Im Innern von Afrika ist keine solche Linie gefunden und die welche früher am Cap war muß also östlich gegangen und nicht ersetzt worden sein. Die Linie auf dem Continente zeigt nur sehr geringe Bewe- gungen. Was den magnetischen Pol anlangt, so ist der in Ame- rika trotz der vortrefflichen Reisen der Engländer noch im̃er nicht [[144]/0150] genau bestimmt. Parrÿ, Franklin, Lÿon und Savÿ Sabine? bestim̃en ihn; doch schwanken ihre Angaben noch zwischen 60–70° N. B. und 80–100° der Länge. 30. Vorlesung, 16. Februar 1828 Excurs. Die Kraft des Electromagnetismus erscheint Licht ent- bindend an den Erdpolen, Licht entbindend bei den electri- schen Explosionen. Man kennt weder die Zahl noch die Lage der magnetischen Pole genau. Näher bestimmt ist der mag- netische Aequator oder die Linie auf welcher die Inclination gleich= 0 ist. Außer jenem schon besprochenen magnetischen Pol in Canada, befindet sich ein 2ter nördlicher etwas westlich vom Ausfluße des Jenisey 70–75° N. B. Die beiden südl: Pole sind dem Südpol näher als jene dem Nordpol. Wahrscheinlich ist der eine südl: in dem Meridian von Van Diemens Land, der andere in dem neuentdeckten Archipelagus von Neu- Schottland südl: von der Magellanstraße. Diese sind ihrer Lage wegen sehr unzugänglich und der canadische allein ist umgangen. Vor einigen Jahren hat sich gefunden, daß der magnetische Aequator nicht ein großer Kreis sei sondern sich schlängelt. Diese Un- regelmäßigkeiten erregen bei jeder mathematischen Anwen- dung große Schwierigkeiten. Alle bisherigen Versuche bestanden darin, daß man die empirischen Gesetze, welche man auf der Oberfläche der Erde fand zu erklären gesucht hat durch geodetische Annahmen eines innern Magneten, dem man eine gewisse Bewegung hat zuschreiben müssen. Es ist hiermit aber nur die Schwierigkeit von der Oberfläche in die Tiefe der Erde verlegt. Man hat geglaubt, daß der Umlauf der magnetischen G. [[145]/0151] Pole um den Weltpol sehr unbestimmt sei und spielende Ver- gleichungen mit indischen mÿsteriösen Zahlen angestellt, u. dergl: mehr. Keine mathematische Rechnung hat etwas von der Declination, Inclination etc: bestimmen können und deshalb hat der vortreffliche Hansteen in Norwegen, der sich lange hie- mit beschäftigt hat, sich muthvoll entschlossen auch in diesem Jahre eine beschwerliche Reise in das nord-östliche Asien anzu- treten. r. Die Jesuiten haben schon 1682 in Siam die stündliche Be- wegung der Magnetnadel entdeckt, was unter den Tropen sehr schwierig war, weil sie nur sehr gering ist. Nach Cassini und Gilpius Versuchen sind an jedem Tage 2 Ebben und 2 Fluthen der magnetischen Abweichungen, ähnlich den Barometer-Veränderungen unter den Tropen. Die Quantität der stündlichen Abweichung ist sehr verschieden in den verschiedenen Jahreszeiten; in den Win- termonaten beträgt sie gewöhnlich nur 2–3 Minuten und im Ganzen steigen sie nur bis 8–10–12 Minuten. Diese Ver- änderungen sind besonders wichtig für solche, welche noch mit der Bussole Aufnahmen machen müssen. Bei uns erreicht sie im Juli das maximum von 19 Min: im December das minimum von 6 Minuten. Manchmal vermehret sie sich noch außerordentlich bis 20–22 Min. Celsius entdeckte, daß Nord- lichter an Orten wo sie nicht gesehen werden den größten Ein- fluß auf die Abweichung der Magnetnadel haben. hat, als 1806 in Berlin ein großes Nordlicht gesehen ward, eine Ab- weichung von 28 Min: beobachtet und zwar auf die entgegenge- [[146]/0152] setzte Seite hin, so daß das Nordlicht eine abstoßende Kraft äußerte. Auch findet man dann und wann bei Nacht wohl häufige und starke Oscillationen von 20–25 Minuten. Solche mit Oldmann habe ich beobachtet und gefunden, daß sie auch mehre Nächte wiederkehrten, wie wenn magnetische Gewitter in der Atmosphaere wären. Die magnetische Neigung. Wenn eine Magnetnadel welche an beiden Enden gleich schwer ist aufgehängt wird, so neigt sie sich ge- gen den Pol hin und macht einen verschiedenen Winkel unter den verschiedenen Breiten. Man hat erst in neuer Zeit das In- strument so sehr vervollkommt, daß diese Beobachtungen genau gemacht werden können; Cook’s Beobachtungen sind werthlos weil ihm ein solches Instrument fehlte. Der magnetische Aequator hat keine Inclination und seine Bestimmung ist also höchst wichtig. Humboldt hat ihn auf den Andes und du Fressinay, auf dem Ocean bestimmt. In Afrika findet er sich am Cap: Gardafou; im Innern Afrika’s ist er noch unbekannt. Im atlantischen Ocean bleibt er wie in Amerika in der südl: Hemisphaere; bei den Gallapagos Inseln im stillen Meer schneidet er den Aequa- tor und bleibt dann auf der nördlichen Hemisphaere. Wie der magnetische Pol eine Bewegung um den Pol hat, so schiebt sich auch der magnetische Aequator von Ost gen West vor. Die durch- schnittsquoten mit dem Aequator haben eine Bewegung von West nach Ost. Da die Inclination geringer ist je näher die Nadel dem magnetischen Aequator sich befindet, so hat man bemerkt, daß das Fortschieben der Knoten eine Ursache ist von der Verände- rung der Inclination. 1805 fand ich mit Gaylussac die punkte Freycinet S. 171 [[147]/0153] Inclination in Berlin 69° 50′ 1827 mit Encke eben daselbst 68° 39′. Die größte Inclination wurde unter 73° N. B. durch Parrÿ gefunden nemlich 88°. Aehnliche Veränderung wie in Berlin ist auch in Paris beobachtet. 1798 stellte ich mit Borda in Paris Beobachtungen an und von der Zeit bis 1827 hat die Inclination jährlich 4 Minuten abgenommen. Auf die von mir und Sevoÿ in der Havanna angestellte Beob- achtungen gaben eine jährliche Verminderung von 4 Minuten. Arago hat neuerdings gezeigt, daß die Inclination auch stündlich wechselt; von 9 Morgens bis 6 Uhr Abends größer wird und dann wieder kleiner. Sabine ? Intensität der magnetischen Kräfte selbst. Borda, welcher die von Tob: Meÿer erfundenen Repetirkreise sehr verbessert hat ist zuerst auf die Idee gekommen, daß die magnetische Kraft unter den verschiedenen Breiten verschieden sein könne. Er suchte dies zu erfahren dadurch, daß er die Nadel oscilliren ließ. Ich fand, daß die Intensität der Kraft vom Aequator gegen den Pol hin zunehme. Seine Nadel die in Paris 255 Oscillationen gab, machte unter dem Aequator nur 212. Er hat berechnet, daß wäre die Kraft unter dem Aequator = 1, sie in Neapel = 12/10, in Paris = 13/10 in Berlin = 14/10 ist. Hansteen verglich in Paris seine Nadel mit meiner und hat nun diese Beobachtungen bis zum Nordcap fortgesetzt; dort ist sie in jenem Verhältniß = 17/10. Während des Nord- lichts scheint die Stärke abzunehmen. Auch hier ist eine stündliche Veränderung; von Morgen bis Mittag nimmt die Intensität der Kraft zu, Nachmittags ab. Zu bedauern ist, daß man kein S. 172 [[148]/0154] sicheres Maaß hat, damit in zukünftigen Jahren diese Ver- gleichung übereinstimmend könnte fortgesetzt werden; denn es steht nicht in unserer Macht der Nadel so viel Kraft zugeben als wir wollen und man kann deshalb nicht wissen ob die Nadeln gleich sind mit denen man experimentirt. 31. Vorlesung, 20. Februar 1828 Vergebens hat man bis jetzt versucht diese 3 Erscheinun- gen auf eine mathematische Formel zu reduciren; sie stehen bis jetzt wie isoliert und unabhängig von einander da. Th. Young hat in der Formel √4 = 3 Sin 2 Inclination. Die Intensität als Function der Abweichung behandeln zu kön- nen, Savÿ hat geglaubt die Intensität wäre = √1–3 Cos: 2. der magnetischen Polardistanz. Aus dieser Theorie und wenn man den Erdkörper mit eisernen Terellen vergleicht würde hervorgehen, daß sich die Intensität zur Polardistanz wie 1 : 2 verhalte und dies hat sich nach Savÿ’s Beobachtungen bestätigt wenn man Puncte des Innern von Afrika mit denen bei Spitzbergen vergleicht. Doch unter dem Aequa- tor dies Verhältniß wie 1 : 17/10 gefunden. Daraus folgt also eine große Unregelmäßigkeit und Ungleichheit. Sabine(?) 153 Vom Erd- oder Polar-Licht. In dem Innern der Erde sieht man fast nie leuchtende Substanzen und nur in einem Kohlenbergwerk Westphalens ist als große Seltenheit eine leuch- tende Pflanze gefunden. Um desto merkwürdiger das Selbst- leuchten des Erdkörpers an den Polen. Die Alten haben nie deutlich von dieser Erscheinung geredet, obgleich sie doch bis zu den brittischen Inseln gekommen sind. Diese Erscheinungen selbst sind sehr verschieden und wir besitzen aus neurer Zeit S. 174 [[149]/0155] vortreffliche Beschreibungen wie z. E. von Francklin. Es fängt gewöhnlich mit dem Segment eines Kreises bis 6–8° an, welches als brauner Nebel erscheint; dieser Nebel wird begränzt von einer lichtweißen Zone aus welcher Strahlen senkrecht in die Höhe gehen, welche geneigt sind nach der Rich- tung der magnetischen Kraft. Sie verbinden sich in einer ge- wissen Höhe und bilden denn einen Dom oder ein Zelt. Der Nebel ist bräunlich grau, doch erkennt man darin noch die kleinsten Sterne. Hansteen meint, daß diese Materie, wenn sie sich mit der Atmosphaere verbinden würde einen Niederschlag der Dünste geben würde. Der Dom ist gewöhnlich nur 12–15° groß. Wrangel hat ihn nie höher als 8° gesehen. Zuweilen geht er aber doch durch den Zenith, dann aber ist er nicht einfach, sondern mehrere Bogen sind übereinander. Die Farben sind von der größten Schönheit: purpur, grün, violett. Francklin und Parrÿ haben gefunden, daß wenn die Streifen sich zwischen 2 größern Sternen befinden, die Intensität des Lichts aufsteigend von einem Stern zum andern gehe. Oft sind auch leuchtende Wolken gesehen worden. Tinemann, welcher sich 15 Jahr in Grönland aufgehalten, hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß die kleinen Wölkchen (Schäfchen) die höchsten welche man gefunden, in einem Verkehr mit dem Nordlicht stehen. denn er behauptet sie in Island leuchtend gesehen zu haben. Aehnliches behauptet Parrÿ der sie in dem Bogen hat stehen gesehen. Auch bei uns machen die Schäfchen eigenthümliche Richtungen nach dem magnetischen Meridian. Die Stärke des Nordlichts ist verschieden nach den Breiten. 62–63° N. B. ist es stärker nach [[150]/0156] Cavendish ? Parrÿs Beobachtung als näher am Pol. Man hat lange geglaubt, daß die Höhe des Nordlichts sehr beträchtlich wäre. Messungen gaben 80 ja 100 Meilen Höhe, also außer der Atmosphaere. Ceventish fand 10–15 geographische Meilen. Sternschnuppen sind in dieser Höhe leuchtend. Wrangel behauptet, daß Sternschnuppen das Nord- licht entzünden und legt großen Werth auf diese Behauptung. In Cumberlandhaven ist die Höhe des Nordlichts von dem Ge- fährten Francklins, dem Lieutenant Richardson gemessen in 2 Meilen Entfernung und er fand, daß das Phaenomen nur 1 oder 1½ geographische Meile hoch sei. Ja sie sahen es manchmal unter tief hängenden Wolken. Auf Parrÿs 3ter Reise haben Scherer, Ross und Parrÿ einen Strahl des Nordlichts zwi- schen sich und dem Lande, welches kaum 9000 Fuß entfernt war, niederschießen gesehen. Parrÿ macht darauf aufmerksam, daß der Bogen einen Schatten des Schiffes nur auf kurze Zeit warf; die kurze Zeit welche der Schatten auf der Oberfläche des Meeres sichtbar blieb könnte auf große Nähe schließen lassen. 9000 ? Am Südpol, wo weniger Continente sind, ist dies Phaeno- men seltener. In Europa wird es nicht südlicher als Lissabon gesehn, in Amerika aber noch in Mexico; doch liegt dies auch dem magnetischen Pol näher. Die Periodicität der Erscheinung ist früh schon beobachtet. Der Phÿsiker Ritter meinte es seien viele Meteorsteine gefallen wenn das Nordlicht erschienen doch dies und so manches Aehnliche sind Fabeleien. Häufig erschienen sie von 1722–1745. Damals gab es in einem Jahr 60 Nordlichter, von 1746–55 wurden in einem Jahr nur 6 beobachtet; von 1756–60 [[151]/0157] kaum 1. Seit der Zeit sind sie wieder häufiger geworden. Es ist aber möglich, daß bei uns nur die höheren gesehen werden. 1824 hat Parrÿ in 180 Tagen 50 Nordlichter gesehen, im Januar 15–16, im November nur 1. Wrangel fand es im Westen grade umgekehrt. Das zischende Getöse welches viele gehört haben wollen wird von andern geläugnet und für eine leere Jägermÿthe gehalten; so Pallas in Sibirien. Wrangel will es dann und wann gehört haben; v. Buch konnte in Norwegen keine gewisse Kunde darüber erhalten. Hansteen spricht als von etwas Ausgemachtem, von dieser zischenden Bewegung; ebenso will Herle auf seiner Reise nach dem Kupferminenfluß es gehört haben. Francklin meint es sei eine vom Schnee verursachte Täuschung. ? Hearne Eben solche Zweifel werden noch gehägt was den magnetischen Einfluß anlangt. Celsius und Wilke haben zuerst beobachtet, daß die Nadel bei Nordlichten beunruhigt werde und abweiche. Neuer- dings ist dies geläugnet. Auch die Richtung des Bogens ist nicht immer im magnetischen Meridian. In einzelnen Fällen ist die Unruhe der Magnetnadel nicht zu läugnen; ja Hansteen hat sie so unruhig werden sehen, daß sie an das Glas anschlug. Dagegen hat man auf den Parrÿschen Reisen bei 72–73° N. B. nicht die geringste Einwirkung des Nordlichts auf die Magnetnadel beobachten können. Dennoch ist auf der Pariser Sternwarte eine Unruhe bemerkt an den Tagen an welchen Parrÿ Nordlichter gesehen hat; also ist vielleicht fern von der Er- scheinung der Einfluß größer als in ihr selbst. In der Barrow- strasse auf Melville Peninsula hat man nie diesen Einfluß beobachtet wohl aber südlicher hat Francklin bedeutende De- [[152]/0158] clinationen wahrgenommen. Electrische Einflüße des Nord- lichts hat man nicht entdeckt, obgleich bei den Parrÿschen Reisen Spitzen auf den Masten bis 200 Fuß Höhe errichtet wurden und durch Ketten mit Electrometern in Verbindung gesetzt; und obgleich wegen der Kälte die Electricität der Maschinen leicht bewirkt ward. Woltmann hat am Comersee bei Nordlichtern electrische Beobachtungen gemacht, doch sind sie nicht bestätigt. Die Ursache des Phaenomens ist verschieden angegeben. Man meinte bloße Eistheile in der Luft schwimmen zu sehen; Meiran meinte es sei Folge des Zodiakallichts welches in der verlängerten Axe der Weltpole stehn geblieben sei. Biot hält es für Magneteisensand durch nordische Vulkane ausge- spieen. Nach Scoresbÿ ist nicht zu läugnen, daß die Nord- lichter Einfluß auf Sturm, Richtung des Windes etc: haben und nach allen Nordpolreisenden ist wohl eine Verbindung mit den Wolken anzunehmen. Möchten doch die Wolken, da die Electricität nur auf der Oberfläche der Wolke ist, Ursache sein. Davÿ hat gezeigt, daß an der voltaischen Säule durch den electrischen Strahl eine lange Flamme hervorgebracht werden kann und daß diese der magnetische Nordpol anziehe der Südpol abstoße. Also mag wohl der electrische Strahl des Nordlichts von dem Erdmagnetismus gelenkt werden. Scoresby 32. Vorlesung, 23. Februar 1828 Erdbeben, heiße Quellen, Vulkane. Schon unter den Griechen theilten sich die Geognosten in Vul- kanisten, unter denen besonders Heraclit zu nennen und Neptunisten, wie die ionische Schule. Die Theilung dauerte fort und beide Partheien hielten sich ziemlich das Gleichgewicht bis [[153]/0159] Ende des 18ten Jahrhunderts die Parthei der Vulkanisten die Ueberhand gewann. Dieselben Geognosten welche früher selbst den vulkanischen Ursprung des Mandelsteins ja der Krater geleugnet hatten, betrachten jetzt sogar die Granite etc: als Pro- ducte der Vulkane. Daher hat der Professor Douglas in Oxford scherzhafter Weise einen Thermometer gemacht nach welchem man die allmählige Erwärmung der Geognosten für das vulkanische Sÿstem nachsehen kann. Bei den Alten wurden die Gebirgs- massen bloß nach ihrer Farbe und Tauglichkeit zu Materialien für Bildhauer betrachtet nicht aber nach ihrem chemischen Unter- schied. So wichtige Disciplinen wie z. E. die Christallographie, sind neuern Ursprungs, letztere in Frankreich begründet durch Haun (?) in Deutschland durch Weiss; sie gehört zu den neusten Naturwissenschaften und zählt kaum 40 Jahre. Das glänzende Verdienst, die Lehre von der Formation der Gebirgs- arten und mit hin die positive Geognosie gegründet zu haben, gehört Werner an, dem Stifter der Freÿbergschen Schule. Noch vor einem halben Jahrhundert wurde die Geognosie behandelt wie in der ionischen und pÿthagoraeischen Schule. Hÿpothesen und Mÿthen ersetzten die Stelle von Untersuchungen. Diese Zeit in welcher man die Geognosie als Nahrung für die Phantasie betrachtete ist vorüber. Vorurtheilfreie Nachfor- schungen über den Ursprung der Erde haben jene Mÿthen ver- drängt. 158 Erdbeben. Das Erdbeben ist eine Erschütterung der festen und flüßigen Theile der Erdoberfläche durch eine unterirdische, uns unsichtbare Ursache. Man war von jeher geneigt sie be- S. 182 l. [[154]/0160] sondern Localursachen zuzuschreiben und fast aller Orten wo sie gespürt werden giebt man einen Berg an von dem die Erscheinung, als dem Centralpuncte, ausgeht. Doch wider- spricht dies die Erfahrung. Auch in der Atmosphaere, so glaubt man, gehen Veränderungen vorher welche es ankündigen sollen, doch dies ist vollkommen falsch. In Südamerika hat man beim stärksten Winde wie bei völliger Windstille, bei bedecktem und bei heiterm Himmel Erdbeben gespürt. Doch än- dert sich in den Tropengegenden wohl das Wetter nachher, so daß wenn vorher dann und wann Veränderungen bemerkt worden sind, sie als Folgen eines in einiger Entfernung schon Statt ge- fundenen Erdbebens angesehen werden können. Die kleinen, stündlichen Variationen des Barometers in den Tropen wer- den selbst nicht einmal gestört, sondern gehen wie gewöhnlich fort. Meist sind die Erderschütterungen mit Getöse verbunden. Am merkwürdigsten in Rücksicht dieses Getöses ist das Plateau von Quito woselbst man 7–8 Minuten vor der Erderschütte- rung ein furchtbares Klirren und Raßeln, auch wohl einen hellen Klang wie Kettenschleppen hört. Doch ist dies Getöse nicht immer von Erdbeben begleitet. Das merkwürdigste Getöse ohne Erdbeben ist 1784 in GuadaquatoGuanaxuato gehört und zwar während 3 Monate. Es begann als ferner, sich immer mehr nähernder Donner, war im Januar höchstens 1 oder 2 Minuten unterbrochen und hörte ohne Erschütterung allmählig, wie es begonnen, wieder auf. Es war kaum auf ¼ □ Meile ein- geschränkt. Mit dieser Erscheinung stehen die Getöse in Verbindung welche man hört, wenn entfernte Vulkane Ausbruch haben, G [[155]/0161] manchmal in Entfernungen von 120 Meilen. Ein solches Getöse ward am 30ten April 1812 einen Monat nach der Zerstörung von Caraccas daselbst gehört als der Vulkan von St. Vincent zu speien anfing. Aehnliches hörte man am Magdalenenstrom 1814 als der Vulkan Cotopaxi ausbrach. Dies Getöse wird nicht etwa stärker wenn man sich dem Vulkan nähert, sondern häufig sogar schwächer. Eine Fort- pflanzung durch die Luft kann es also nicht sein, da auch häufig ganze Gebirgsmassen dazwischen liegen; es möchte wohl in dem Innern der Erde seinen Grund haben, aus der es durch verschiedene Spalten hierher und dorthin geleitet werden köñte. Ich auch magnetische Veränderungen bei Erdbeben beobachtet, nicht in Rücksicht auf die Intensität der magnetischen Kraft, sondern in Rücksicht auf die Inclination; und zwar blieb die Nadel ein ganzes Jahr hindurch in diesem veränderten Zustande. Was die Bewegung des Erdbebens anlangt, so nim̃t man gewöhnlich 3erlei Arten an: eine oscillirende, eine von unten nach oben, und eine schiebende Bewegung. Doch ist dies phantastisch, sie sind wohl alle mit einander verbunden, und höchstens kann man die Richtung eines Erdbebens durch Pendeluhren bestimmen. Die Erdbeben bei Quito waren so stark, daß sie dem Gefühle viel stärker erschienen als die an der peruanischen Küste; dennoch wurden die 3stöckigen Häuser und die hohen gewölbten Kirchen nicht zerstört und erhielten höchstens einmal einen Riß; hingegen ist Lima oft zer- stört und man baut daher nur 1stöckige Gebäude. Das Ver- schieben der Erdoberfläche hat sich namentlich in Calabrien G [[156]/0162] gezeigt wo Maisfelder die Stelle der Kohlfelder und umgekehrt, einnahmen; ähnlich wurde in RioBamba das Eigenthum der Menschen verschoben, so, daß keiner wußte wo das seinige geblieben sei und Prozesse dem Erdbeben folgten; ja die Gräber wurden hier 300 Fuß hoch fortgeführt. RioBamba hatte 10,000 Einwohner und viele Kirchen und doch waren bei meiner Anwesenheit nur Ruinen von 5 Fuß Höhe übrig geblie- ben; alles andere war verschlungen. An den Theilen der Erde sind die Erdbeben am bedeutendsten wo die größte Schwäche zu sein scheint. Der größte Zusammenhang ist an den Küsten der Südsee bemerkt worden in einer Länge von 400– 450 deutschen Meilen. Daß sie in Verbindung stehen mit den Vulkanen beweist die Erfahrung aller derer welche in Krater hinabgestiegen sind; denn in diesen finden sich eben solche Erschütterungen, welche erst nach dem Schlackenauswurf aufhören. Die Vulkane können mit Recht Sicherheitsklappen genannt werden (eine Bemerkung welche schon Strabo lib. 1 gemacht hat) denn da, wo Vulkane speien finden sich seltener Erderschütterungen. Bei einigen Gebirgsarten kommen sie auch seltener vor als bei andern z. E. weniger bei Granit- und Quarz-Gebirgen als bei Trachÿt. Merkwürdig ist, daß die Spalten durch welche sich die Erschütterungen fortpflanzen sich immer mehr öffnen und weiten; doch giebt es auch gleichsam Brücken wo diese Fortpflanzung unterbrochen wird, welche die Spanier hasse pointe nennen. 1798 bei dem Erdbeben von Cumala erbebte die ganze Küste nur nicht die Halbinsel Ara- ma, später aber ward es auch hier gespürt; eben so in Bogota Cumana roca, que haze puente Araya G ? [[157]/0163] vor 8 Monaten,, welches früher immer verschont blieb. Sie wirken indeß nicht bloß dÿnamisch und mechanisch sondern auch chemisch. Oft hat man Flammen aufsteigen sehen; so z. E. in Lissabon wo noch 3 Wochen nachher Rauch von den benachbarten Höhen aufstieg. Auch Hügel erheben sich, in Südamerika moja genannt, in denen nach Klapproths und G. Rose’s Unter- suchungen gekohltes Wasserstoffgas sich findet. Daß die Electricität mit diesen Erscheinungen in Verbindung stehe ist oft geläugnet und auch ich habe in Südamerika keine Veränderung derselben bemerkt. Doch hat man im Thal von Pignerol in Piemont wo die Erdbeben 1808 fast 8 Monate fortdauerten bei den einzelnen Erdstößen beträchtliche Ver- änderungen in den Spannungen eines Electrometers ge- funden. G Elekrometers 33. Vorlesung, 27. Februar 1828 Doch die Erdbeben erschüttern nicht allein sondern die er- schütterten Theile werden auch oft erhoben und bleiben in diesem Zustande. So sind häufig Untiefen in den amerikanischen Häfen entstanden, so haben neuerdings 30–40 Meilen längs der Küste Kalksteinschichten bis 5 Fuß Höhe sich erhoben. In den moluckischen Inseln finden, wie Reinhart erzählt ähnliche Dinge statt; langsame Hebungen hat man beobachtet und an Corallenriffen meint er ähnliches gesehen zu haben. In Schweden hat man lange schon bemerkt (Celsius? z. E.) daß an einem großen Theil der inneren Küste der Meeresspiegel sinkt. Da dies nun an andern Stellen nicht geschieht, so schließt v. Buch sehr richtig, daß es der Continent sei der emporsteigt, nicht das Meer welches sinkt. Dies Emporsteigen beträgt in 100 Jahren kaum 3 bis 4 moluckischen (?) [[158]/0164] Fuß, ist aber ein unläugbares Phaenomen. In Demerara, dem englischen Guiana und bei den Südseeinseln und vielen andern Orten sind eben solche Beobachtungen gemacht. Von der Wirkung dieser dÿnamischen Kräfte gehen wir zu den Quellen über. Thermalquelle muß fast eine jede unserer Quellen ge- nannt werden, da sie beinahe alle höhere Temperatur haben als der Luftkreis. Selten steigt diese Wärme bis 70 und 80° R. Die wärmste ist wohl die Quelle bei Gualaxuato in Mexico welche 77° R. hat und deren Hitze in der Tiefe wohl noch zunim̃t. Auch in Frankreich findet sich eine Quelle von 70°. Alle diese heißen Quellen kommen aus dem Urgebirge. Sie haben das Merkwürdige, daß sie durch reagirende Mittel keinen Niederschlag zeigen als reines destillirtes Wasser (also viel- leicht nur Dämpfe sind). Dies bemerkte zuerst Link in Portugal, nach ihm Humboldtauch ich u. a. m. Die Quellen in Popayam ? enthalten Schwefelsäure und außer dieser einige Salzsäure; dasselbe findet sich in mehreren Kraterseen. Bei Corullo finden sich Vulkanbäche welche sich seit 1759 ge- bildet haben und jetzt bis 60° Hitze enthalten. Viele Thermalquellen sind eben so merkwürdig wegen der vielen Substanzen welche sie enthalten, als sie merkwürdig sind wegen ihrer Heil- kräfte. So sind im Carlsbader Brunnen schon 12 Substanzen entdeckt durch Soltmann. Die Einwendungen welche man von der Möglichkeit der Nachmachung des Quellwassers gemacht hat, beruhen auf dunklen, nicht genau dargestellten Begriffen, weil man einen wunderthätigen Einfluß der Quellen geglaubt hat. Hat S. 189 l. r. G Xorullo [[159]/0165] man doch sogar behauptet, daß die Quelle von Wisbaden welche 70° R. Hitze hat ungefährdet in den Mund genommen werden könne, (was doch wohl niemand zu versuchen gewagt hat) daß die Magnetnadel hier abweiche etc: Struve hat die Gebirgs- arten ausgelaugt aus denen die Quellen hervorgehen und die Entdeckung gemacht, daß man in wenigen Tagen, mit nur 2 bis 3 Athmosphaeren Druck dasselbe Wasser als in der Quelle finde. Der Geiser und Raiko in Island enthalten 3/10 Kieselerde und kohlensaures Natron, ja sogar eine vegeta- bilisch-animalische Substanz welche nicht etwa auf der Ober- fläche schwimmt, sondern im Wasser selbst enthalten ist und welche Amoniack giebt. Solange man noch keine klaren Begriffe von der Wärme des Innern der Erde hatte schrieb man die war- men Quellen aus Localursachen her; später glaubte man, daß sie durch große galvanische Säulen hervorgebracht seien etc: Der geringen Quantität von Bestandtheilen wegen sind merk- würdig die Thermalquellen von Gastein und Pfeffers; so wie die von Landeck und Flüssbeck kaum 2–3 Gran Bestand- theile enthalten, da doch gewöhnlich Brunnenwasser 10–12 Gran enthält. Was die Gleichheit und Stetigkeit der Wärme und des Gehaltes betrifft, so ist man jetzt mehr im Klaren als sonst. In Carlsbad hat sie sich seit 1775 gar nicht verändert. Allein andere Quellen haben in Hinsicht der Temperatur Verände- rungen erlitten. So Pÿrmont, und Marienbad hat auch noch an- dere Bestandtheile enthalten als es früher hatte. Andere Quel- len stoßen bald Luft aus; so die Destillationen des Nephtha Naphtha ? [[160]/0166] welche man oft mit brennbarem Gas verwechselt hat; sie fin- den sich am Caspischen Meer und in Italien. Die älteste Art der Gaserleuchtung ist die, welche man am südlichen Abfall des Himalaja im Brama-Tempel angewandt hat, indem man das dem Berge entquillende Wasserstoffgas entzündete. Die Quellen welche Kiesel u. a. Dinge mit sich führen bilden ganz eigenthümliche Decken, andere welche allerlei Gasarten enthalten, bilden Toffhügel. Die ersten Vulkanischen Erscheinungen welche einen Uebergang von den Quellen zu den Vulkanen machen, sind die Kothvulkane in Italien und Sicilien Salza genannt. Es sind Lettenhügel aus denen sich Gas entwickelt mit denen große Maßen Koth heraus kommen. In Columbien bei Turbako, nicht weit von Carthagena ist Flötzgestein mit Letten bedeckt; dort erheben sich Kegel von 10–12 Fuß Höhe welche sich täglich senken und andern Platz machen. Jeder Kegel hat einen Krater welcher mit kaltem Wasser gefüllt ist und nur par tradition werden ihnen Flammen zugeschrieben. Das Phaenomen des Feuers wird also wenigstens nicht immer gesehen, sondern nur von Zeit zu Zeit. Häufig werden diese Hügel plötzlich in die Höhe geworfen bei welchen Aufwürfen auch häufig Steine mitkommen. Diese Steine zeigen und be- weisen, daß das Phaenomen nicht ganz local ist, denn man findet sehr verschiedene Steine und ganz andere als welche sich auf der nächsten Oberfläche befinden: Auf der Insel Taman in der Krim sah Pallas 1794 einen Lettenauswurf und Parrol (?) sein Begleiter machte chemische Versuche welche [[161]/0167] zeigten, daß Stickgas, nicht Kohlensäure da sei; daß sie aber dennoch nachher geleuchtet. Schon 2 mal sind im Meer von Asow Inseln entstanden, so 1799 den 5ten September und 1814 am 10ten Mai, welche ganz aus Letten bestehen. Unter den Azoren findet sich ähnliches. In Italien fand man in den Kothvulkanen nicht Stickgas sondern geschwefeltes Wasserstoffgas. Die eigentlichen Vulkane stehen in inniger Verbindung mit den irdischen Substanzen selbst, mit der Hervorbringung der Gebirgsarten. Eine Definition läßt sich schwer geben. Wenn die vulkanischen Phaenomen vollständig da sind, so ist ein Vulkan: ein Kegel von Trochÿt, der auf seiner Oberfläche eine Oeffnung hat welche mit den Spalten im Innern der Erde zusammenhängen und welcher Erdarten wie Erdquellen entfließen. Man kann eine Gradulation von mehreren solchen Verbindungen annehmen. Quito kann man einen Vulkan, eine Trochÿtglocke nennen deren einzelne Vulkane nur Essen sind. Doch würde diese Ansicht nicht ganz richtig sein, da jeder einzelne ein centrum besonderer Erscheinungen darbietet. Einen an- dern Grad des Zusammenhanges findet man in Teneriffa. Da ist nur ein einziger Vulkan und wenn andere Aus- strömungen der Lava Statt gefunden haben, so ist ein Berg entstanden, welcher aber nie wieder neue Ergüße erlitten hat, so daß der Pick der einzigste Vulkan auf allen cana- rischen Inseln ist. In Amerika scheint eine große Spalte von Osten nach Westen zu gehen, auf der die meisten Vulkane S. 193 Gra- duazi- on ? wörtl. [[162]/0168] stehen: Auch der von Xorullo ist in dieser Richtung entstanden und wenn man gewußt hätte, daß ein Vulkan sich bilden sollte, so hätte man voraus sagen können, daß er in keiner andern Richtung sich zeigen werde. Seit 2 Jahrhunderten scheint sich in Amerika das Feuer von Norden nach Süden gezogen zu haben, weil die nördlichen Vulkane weniger speien. In dem Zentralvulkan von Teneriffa ist nur ein Krater, aber bei dem Ausbruch von Lancerote muß ein anderer unter dem Meer entstanden sein und zwar da, wo das Gestein am schwächsten, also leicht zu durchbrechen war. 34. Vorlesung, 1. März 1828 Bei dem Studium der Naturwissenschaft überhaupt, und besonders bei dem der Geognosie welche so viele Phaenomen in ihren Tiefen umfaßt, ist es von besonderer Wichtigkeit, daß wir uns nicht in den einzelnen Erscheinungen verlieren, sondern das Gemeinsame derselben auffaßend, ihren Causalnexus zu errathen suchen. Daher werden wir den Zusammenhang des innern Erdkörpers mit der äußern Rinde als in 3erlei Gestalt sich offenbarend, betrachten müssen: 1., durch Bewe- gung allein, daher die Erdbeben, welche um so schrecklicher für uns sind, da wir seit der frühesten Kindheit uns daran ge- wöhnt, den Boden worauf wir treten, als etwas festes und unbeweg- liches zu betrachten; 2., indem durch das Verschieben der Erdrinde etwas ungewöhnliches zum Vorschein kommt: Dampf, Luft, Wasser, Schlamm; oft werden auch Steine von Flammen begleitet her- vorgeschleudert. 3., Durch intermittirende, geschmolzene Erde ergießende Quellen, die aus einem Trachÿtkegel ausfließen. wörtl. Eben so wie man beim organischen Bau von dem ein- [[163]/0169] fachen zum zusammengesetzten übergeht, wie der Zusammen- hang der Formen klarer wird, indem man zuerst bei einer Bildung mit wenigen Gliedern verweilt und dann eins und mehrere zusetzt: eben so hier. Bei jeder folgenden Gruppe von Erscheinungen findet man alles vor, was in der frühern vorhanden war. Bei den Vulkanen zeigt sich z. E. Feuer, wie bei den Erdbeben und bei den Luftquellen. Bei den Quellen von Baku über die leider noch fast gar nichts bekannt ist, scheint es der Fall zu sein, daß sie sich von selbst entzünden und daß man das Feuer wellenförmig über die Erde sich dahin wälzen sieht, welches aber doch nicht durch das Ausströ- men von Wasserstofgas hervorgebracht wird, wie man früher glaubte. Bei Pietramala dagegen scheint keine Selbstentzün- dung Statt zu finden, sondern die Spalten nur immer von den Reisenden angezündet worden zu sein. Selbst bei den Schlam̃- vulkanen sind Flammen aus der Erde aufsteigend gesehen worden. Die Vulkane vereinigen alle Erscheinungen die wir bei den heißen Quellen und Erdbeben gesehen haben, nemlich Ausstoßen von heißem Wasser, Luft, Flammen und haben nun noch ein neues Phaenomen, nemlich die Erdquellen, welche dann in einzelnen Schichten erstarren und sich consolidiren. wörtl. Die unterirdische Kraft, welcher diese Erdquellen ihr Dasein verdanken, ist eine schaffende, wie alle Naturkräfte; indem sie die alten Verwandschaften der Körper löst und daher neue hervorbringt; sie ist aber nicht bloß eine schaffende, sondern auch eine bewegende, indem sie die von ihr [[164]/0170] bereiteten Massen bis auf die Oberfläche der Erde emporhebt, wo sie an der Luft erstarren. Dies Erstarren, je nachdem es unter einem großen oder geringen Drucke (unter dem der Atmosphaere oder des ungeheuren Meeres) vor sich geht, ist steinartig als Lava, glasartig als Obsidian. Die größte Masse der Gebirgsarten ist vor unserer Geschichte entstanden; aber ein großer Theil davon schreibt sich, so zu sagen, noch aus der historischen Zeit her und wird her- vorgebracht: 1., durch Quellen wie der Travertino von der Umgegend Roms der sich bis zu 500 Fuß Höhe erhebt. Die schönen Kaskatellen von Tivoli bestehen daraus: man hat sie genau untersucht und gefunden, daß sie nichts sind, als eine Anhäufung von kohlensaurer Kalkerde, meist cÿlindrisch um ein Centrum ge- lagert, das dem Pflanzenreiche angehört. Der kleine Fluß Aniene, welcher die Wasserfälle bildete, bringt noch heut zu Tage solche Schichten hervor; eine Menge der größten Ge- bäude des alten und neuen Roms sind aus diesem Travertino gebaut, der zu den Süßwasserformationen gehört. Aehnliche Erscheinungen finden sich in Paris in den Kalkbrüchen; auch in Ungarn giebt es mehrere Seen, welche noch immer Gebirgs- arten absetzen. 2., Durch Anschwemmung. Wenn wir bei den Quellenbildungen annehmen, daß sie wirklich das Gestein durch Niederschlag bilden, so müssen wir hier bemerken, daß die Bildung nur durch Ver- schiebung hervorgebracht wird: dahin gehören die Tufschichten und Breccien. Der fragmentarische Sandstein, den wir bei uns [[165]/0171] finden, ist auch dazu zu rechnen, indem seine Entstehung nur als Folge des Fortschiebens angesehen werden kann. Die Salse oder Kothvulkane bringen Lettenschichten durch Aufstoßen hervor; ja bei dem großen Kotopaxi ist es der Fall gewesen, daß er Letten in ungeheurer Menge umherschleuderte, welche mehrere □ Meilen Landes bedeckten. Wenn wir noch weiter gehen, so hängen vielleicht die Lettenschichten auf den Basaltinseln (wie Böhmen) mit Vulkanen zusam̃en, die wir uns nicht so mikroskopisch denken können als die Salse; aber in den Trachytvulkanen ist der eigentliche Sitz der Hervorbringung von körnigen Gesteinen. Diese Trachÿtvulkane oder eigentlichen feuerspeienden Berge betrachten wir in 3 Rücksichten: 1., nach ihrer Entstehung. Es kommt sehr häufig vor, daß sie sich im Naßen bilden, also: Aufsteigen von Inseln aus dem Meere: sehr selten ist die Bildung im Trocknen, an der Erdoberfläche auf dem Boden des Luftoceans. Der Vulkan von Xorullo in Mexiko, welchen ich beschrieben, ist kein eigentlicher zu nennen, so wenig als der Epomeo auf Ischia obgleich dieser letzte 1302 einen sehr starken Aus- bruch hatte. 2., nach ihrem gegenwärtigen Zustande in voller Wirksamkeit, den man ihr reiferes Alter nennen könnte. Hierbei können lange Pausen von Unthätigkeit eintreten, so wie es bekannt ist, daß der Vesuv, vor dem großen Ausbruche vom Pompeji und Herculanum mehrere Jahrhunderte ruhte, so daß der Glaube an seine feuerspeiende Eigenschaft sich beinahe aus wörtl. [[166]/0172] dem Gedächtniß der Umwohner verloren hatte. 3., nach ihrem veralteten Zustande wo sie als Solfataren erscheinen. Dieß ist das letzte Stadium der Vulkane, gar sehr von ihrem reiferen Alter abweichend: denn auch die chemischen Erscheinungen, Entwicklung von Gasarten etc: etc: sind nicht dieselben bei den Solfataren und Vulkanen. Schon die Alten machten die Bemerkung, daß bei den Vulkanen dasjenige, was auf die Oberfläche der Erde ausgeströmt wird, von sehr fern herkomme und Seneca sagt sehr richtig vom Aetna: er seÿ nicht alimentum, sondern via ignis. Dem ausgezeichneten Naturforscher L. v. Buch, dem wir so viel Neues über die Vulkane im allgemeinen ver- danken, gehört auch die Bemerkung, daß man den Ausbruchskrater wohl vom Erhebungskrater unterscheiden müsse. Wenn die feste Gesteinmasse durch elastische Dämpfe gehoben wird: so muß sie entweder oben zerbersten und einen Krater bilden, oder sie zeigt sich als Dom wie der Chimborasso und die Kuppen in Vivarais in Auvergne. Nachdem der Erhebungskrater sich gebildet, entwickelt eine andere Hebung den Trachÿtkrater als Ausbruchskrater. So fand v. Buch auf Palma, einer der kanarischen Inseln, daß die ganze Insel nichts ist als ein Erhebungskrater. Blöcke von Glimmerschiefer sind hervorge- schleudert worin man Granaten findet, dann Stücke von Basalt. Der Pic v. Teneriffa ist wie mit einem Mantel, oder mit Wall und Graben durch den Erhebungskrater umgeben. Dieser bildet auf einer bedeutenden Höhe eine große Ebene, wo fast nichts wächst als Retama nach dem spanischen Dialecte [[167]/0173] der Insel (Spartium nubigenum.) In Fortaventura (um noch ein Beispiel von den kanarischen Inseln zu nehmen) liegt die Stadt St. Maria della Grazia ganz in dem Erhebungs- krater. Bei der Erhebung einer solchen Insel entstehen Barancas, tiefe Thäler, die strahlförmig gegen den Krater in die Höhe gehen; ein sehr merkwürdiges Factum: denn durch das Daseyn der Thäler wird der vulkanische Ursprung der Insel beurkundet: Es war nicht anders möglich, als daß die Masse, nach dem sie aus dem Meere herauf gestiegen war an der Luft erkaltend und erstarrend in unzählige Einsenkungen sich spaltete. Die kleine Insel Amsterdam (zwischen dem Cap der guten Hoffnung und Vandiemens-Land) ist eine ganz ähnliche pelagische Erscheinung; sie besteht aus einem basaltischen Ringe mit einer Bresche, aus der zuweilen sie- dendheißes Wasser stürzt. Barancos ? wörtl. Die Erscheinung von Santerin im griechischen Archipelagus wurde schon von den Alten beobachtet. Hier hat die Trachÿtmasse erst Thonschiefer und darauf Kalkschiefer hervorgehoben, so daß man also fast die Natur in ihrer Werkstatt belauschen kann. Die 3 Inseln Santorino, Therasia und Astronisi bilden eben- falls einen Ring, der aber nicht ganz vollständig ist und in dem Mittelpunkt der 3 hat sich noch eine kleine Insel bilden wollen, die aber kaum zu Stande gekommen ist. So bil- deten sich im Jahre 1573 die alten Kamenen und 1700 und 1709 die neuen Kamenen bei welchen mehrere Naturforscher, die sich grade in der Nähe befanden, so glücklich waren, den Verlauf der ganzen Entstehung mit anzusehen. Es erfolgte kein Schlackenausbruch, sondern ein Felsen schob sich aus dem Meere hervor. [[168]/0174] Unter den Azoren ist eine Insel, die ordentlich eine Epo- che des Entstehens und Verschwindens hat. Bei St: Michael erhob sich zuerst 1638 eine Insel, verschwand aber bald wieder; Sie kehrte zurück, obgleich nicht ganz an derselben Stelle 1719 und verschwand wieder. Endlich erhob sie sich wieder 1811 aber immer nur auf kurze Dauer. Ihre Höhe betrug 200 Fuß und nachdem sie versunken war, sondirte man das Meer und fand 400 Fuß, so daß also die ganze Ausdehnung des Phaenomens 600 Fuß betrug. Zwischen dem 1ten und 2ten Ausbruche verflossen 81 Jahre; zwischen dem 2ten und 3ten 92. Ob nun wirklich die elastischen Dämpfe diese bestimmte Periode brauchen um eine Kraft zu erlangen welche den Dom in die Höhe heben könne, oder ob diese Zwischenräume zufällig sind, muß unentschieden bleiben. wörtl. Eine andere, mit submarinen Bewegungen zusam- menhangende Erscheinung, ist die große Unruhe des Meeres in manchen Tropengegenden, ohne Sturm, ja selbst ohne Windstoß. Besonders häufig findet sie sich an den Küsten von Lima und Peru. Ich wurde in diesen Gegenden oft durch das Brausen der Wellen geweckt welche ohne einen Lufthauch in einer Höhe von 20–25 Fuß an das Ufer rollten. Auch versichern die Einwohner, daß manchmal Flammen aus dem Meere aufsteigen. Ein ähnliches unterirdisches Phaenomen muß es veranlaßt haben, daß 1739 eine große Menge todter Fische in Lanzerote ans Ufer geworfen wurden. An einigen Stellen wird das Meer erwärmt. [[169]/0175] Im Golf von Cariaco ist ungefähr auf ¼ □ Meile das Wasser wärmer als in den übrigen Stellen. Welch eine gewaltige Hitze muß dazu gehören um diese große Wassermaße von unten durchzuwärmen! Am schwie- rigsten ist von allen Erscheinungen das Emporsteigen der Flammen aus dem Meer zu erklären; auf eine Art nem- lich die sich mit einer gesunden Phÿsik vertrüge. Herr v. Buch nimmt an, und dabei müssen wir fürs erste stehen bleiben, daß Blöcke von den neuen Metalloiden der Alkalien in die Höhe geworfen würden: diese werden beim Durchgange durch das Wasser an ihrer Oberfläche oxÿdirt, zerplatzen aber an der Luft und verbrennen mit Feuererscheinung. Es ist eine weit verbreitete Meinung, daß die Nähe des Wassers zur Unterhaltung der Vulkane nöthig sei, durch Hervor- bringung von Wasserstoffgas, weil wirklich die meisten Vulkane nicht weit vom Meere liegen. Aber überall läßt sich dies nicht durchführen, denn die Entfernungen werden manchmal zu be- trächtlich. So habe ich durch trigonometrische Messungen gefun- den, daß der Vulkan Kopakotelepek(?) in Mexico volle 32 Mei- len von jedem Meere entfernt ist. Der Guatamajo(?) welcher merkwürdig ist wegen des gewaltigen unterirdischen Doñers, den man fast regelmäßig von halber zu halber Stunde hört, östlich von der Andeskette im Innern gelegen, ist 40 Meilen vom Meere entfernt. Durch Rüppel hat man Nachrichten von einem Vulkan der sich in Kordofan befinden soll, und wenigstens 120 Meilen vom Meere abstehen würde. Aber bei weitem die größte Entfernung (und zwar historisch erwiesen) wörtl. [[170]/0176] eines Vulkans vom Meere finden wir in dem Innern Asiens. Klaproth machte die Entdeckung in den chinesischen Annalen, welche auch von Abel-Remuss at bestätigt wurde, daß sich unter 42½° N. B. ein Feuerberg Ko-tschang nicht weit von der Stadt Ku-tsche befinde, also 270 Meilen vom Meer, so weit als von Moskau bis zum schwarzen Meer. Dieser Feuerberg ist nicht bloß ein einzelner Ausbruch, sondern die Beschreibung von den Ausbrüchen der geschmolzenen Erd- arten, Steinen etc: etc: sind so detaillirt, daß man an der Richtigkeit nicht zweifeln kann: man hätte dies sonst für ein Phaenomen halten können wie das der Boraxsäure im Florentinischen; allein es ist ein eigener Vulkan und es ließe vielleicht, um die Hÿpothese zu retten, sich annehmen, daß ein großer See in der Nähe sich vorfände. So liegt nördlich von Tcheran der Vulkan Dunawengi nicht fern vom caspi- schen See. Doch überhaupt ist die Annahme einer großen Wassermaße nicht nöthig zur Unterhaltung des unterirdischen Feuers, und wir müssen sagen, daß uns der erste Grund davon unbekannt ist, wenigstens kann ein Eindringen des Wassers in die Vulkane der Grund nicht sein. wörtl. Der Monte nuovo entstand 1538 in den phlegräischen Fel- dern bei Neapel. Ich habe selbst mich davon überzeugt, daß er nichts ist als ein Schlackenhügel und ich entdeckte auch einen sehr kleinen Erguß von Lava. Da nun ganz neuerlich in Ischia ein Erdbeben gewesen ist, so wäre es sehr möglich, daß das vulkanische Feuer sich auf kurze Zeit von dem Vesuv weg, nach der Gegend des Epomeo zöge, von dem wir wissen, daß er [[171]/0177] 1302 einen heftigen Ausbruch gehabt hat. Höchst merkwürdig ist die Entstehung des mexikanischen Vulkans Xorullo 1759. Er liegt in einer schönen Hochebene wo Basalt und Trachÿt in der Nähe sind, also auf vulkanische Mächte hindeuten. Früher waren hier reiche Indigo- und CaffeeKaffee -Pflanzungen deren Pfleger in leichten Schilfhütten wohnten. Sie hörten zuerst einen unterirdischen Donner; sahen, daß die Erde sich in Klüfte spaltete aus welchen Bimstein und andere leichte Materien hervorgeschleudert wurden (wie Plinius vom Vesuv erzählt) dazu gesellte sich ein Aschenregen. Die Bewohner flohen auf den nahgelegenen Hügel von Aguasaco von wo auch ich das Phaenomen betrachtet habe. Ich maß von hier aus in der Ebene eine Erhebung von 280–300 Fuß, wie eine Blase mit einer Spalte; worauf sich der Krater von Xorullo und mit ihm 2 andere Vulkane erhoben hatten. Zugleich war ein großer Lavaausbruch erfolgt. Das merk- würdigste aber ist, daß auf dieser vulkanischen Fläche sich 3–4000 kleine Kegel befinden, von 5–6 Fuß Höhe, von den Einwohnern fornitos (Oefen Oefen) genannt, welche immerfort rauchen: daher glaubt man in der Ferne die Gegend sei be- baut und der Rauch steige aus den Hütten der Dörfer. [Nicht immer haben die Vulkane, wenn sie zum reifern Alter gelangt sind, dieselbe Thätigkeit, sondern die Erscheinungen sind sehr ungleich. In dem Krater des Stromboli sind ununter- brochen Eruptionen und die Auswürfe von Flammen und glü- henden Steinen, welche man vom Meer aus sehen kann, folgen sich beinahe regelmäßig von 6–7 Minuten. Da man nun schon W. 3 ? [[172]/0178] mehre Jahrhunderte n. Chr: dieselben Erscheinungen gesehn hat, so läßt sich denken, wie viele Millionen Male die Eruptionen sich müssen wiederholt haben, und man kann dies nur eine pulsirende Lufterscheinung nennen. Auch scheint es, daß die kleinen Vulkane häufigere Ausbrüche haben, als die großen. Die ganz hohen in Amerika bleiben oft 60 bis 70 Jahre ruhig; viel- leicht weil eine größere Kraft dazu gehört die Lava so hoch zu heben; daher kommen denn auch bei ihnen die häufigen Seitenausbrüche. Doch muß man bedenken, daß in so bedeutenden Höhen der Rauch nicht so leicht sichtbar ist, weil er sich nicht so bald niederschlagen kann. Beim Vesuv sind die Rauchsäulen nichts als Wasser- dämpfe, die sich aus der Atmosphaere niederschlagen und auf dem heißen Krater in Verdampfung übergehen; daher scheint es als stiegen sie aus dem Krater. Meist haben die Vulkane die Gestalt von Domen gleich viel ob mit oder ohne Oeffnung. Der Chimborasso hat keine Oeffnung, doch entdeckte ich einen kleinen, niedrig liegenden Seitenvulkan mit Lava, zum deutlichen Beweis, daß die elastischen Dämpfe nicht Kraft genug gehabt hatten, den Dom selbst zu sprengen. wörtl. Der höchste bekannte Vulkan ist der Kotopaxi, nach meinen Messungen 17700 Fuß, nach andern 17712. Dann folgt der Kopatopeletl 16600 Fuß hoch. Man stellt sich gewöhnlich die Vulkane steiler vor als sie sind. Wenn man die Höhe nach dem Verhältniß des Grund- durchmessers berechnet, so findet sich eine merkwürdige Ue- bereinstimmung zwischen Vesuv, Aetna und Pic von Teneriffa, [[173]/0179] S. 202 l. wie 1:28. Also ist die Höhe ungefähr [Abbildung] 1/30 des DurchmessersUmfangs ? ; daher sind die Ab- hänge meist so sehr gering, kaum 10 bis 12 Grad. Das Verhältniß der Höhe des Aschenkegels zur Höhe des Vulkans ist sehr verschieden: je stärker die Eruptionen um desto höher der Aschenkegel. Beim Ve- [Abbildung] suv beträgt er ⅓ der ganzen Höhe, beim Pic 1/22: beim Vesuv 200 Toisen beim Pic 84 Toisen. Nach sichern Zeichen des Ausbruches hat man viel und ver- gebens gesucht. In Neapel glaubt man, daß der Vesuv im Herbst häufiger speie als sonst: aber man würde sich nur einen schwachen Begriff von der Stärke der vulkanischen Heerde machen, wenn man annähme, daß der Zustand unserer Atmos- phaere Einfluß darauf haben könnte; im Gegentheil ist zu glauben, daß die vulkanischen Erscheinungen auf den Luft- kreis einwirken. Indeß wird beim Stromboli behauptet und scheint durch alle Zeugnisse bestätigt, daß er wirklich im Winter heftiger speie als im Sommer. Vielleicht ist bei diesem kleinen Vulkane ein Zunehmen der Kräfte durch Verdampfung denkbar, indem im Winter mehr Regen hineinfällt als im Sommer. W. Beim Vesuv hat man jedoch ein sicheres Zeichen entdeckt; es ist das Ausbleiben der Quellen von Resina, weil die große herannahende Hitze die Dämpfe verhindert sich nie- derzuschlagen. Der Herzog della Torre hat in Resina und in Torre dell’ Anunaziata viele Versuche darüber angestellt, [[174]/0180] und ihm verdanken wir das meiste was wir darüber wissen. [Die Größe des Kraters ist durchaus nicht bestimmt und verändert sich auch durch Ausbrüche und Einstürze. Beim Pic. v. Teneriffa ist er von 300 Fuß im Durchmesser. Beim Aetna ist er nach den letzten Messungen viel kleiner als man glaubte. Den größten Krater fand ich beim Pichincha an dessen Fuße Quito liegt; er hat 4200 Fuß im Durchmesser. Auf dem Rande desselben bilden sich wieder kleine Krater welche das Umhergehen auf der scharfen Kante des Kraters sehr erschweren. Eben so beim Xorullo. Auch ist der Krater nicht immer becherartig, sondern oft unregelmäßig. Der Kratersee von Choruca in Mexico ist wie mit hohen, einzel stehenden Thürmen umgeben: dazwi- schen liegt ewiger Schnee über den man nicht wagen darf zu schreiten, da er in allen Tropenländer nicht Consistenz genug hat um den Menschen zu tragen. [Ein Satz fehlt] Auf dem Pichincha ist derselbe Fall, daher blieb mir, als ich zu einer Ansicht des Kraters ge- langen wollte, nichts anders übrig als diese thurmähnlichen Felsen zu erklimmen. Diese Felsen haben oben nur 8–9 Fuß Durchmesser, daher mußte ich mich gleich zur Erde werfen, sobald ich oben angelangt war um nicht herabzustürzen. Aber zu trigometrischen Messungen sind diese Spitzen vor- trefflich geeignet und ich fand dadurch den Diameter des Pichincha von 4200 Fuß bei einer Tiefe von 3–4000 Fuß. Eine der erhabensten Ansichten! W. 35. Vorlesung, 5. März 1828 Der Ausbruchskrater findet sich entweder gar nicht und dann sind Lavaströme an den Seiten ausgebrochen so z. E. der Vulkan von Martisana; allein es ist dann ungewiß ob diese Ströme Folge gehabt haben oder auf einmal [[175]/0181] erschienen sind. Auf dem Pic v. Teneriffa giebt es gar 2 Krater. Man hat lange geglaubt, daß der Krater in seinen Wänden sehr unbestimmt seÿ; allein neuerdings hat man gefunden, daß er im Gegentheil von großer Beständigkeit sei. Der Vesuv z. B. ist seit 50 Jahren fast gar nicht verändert worden. Die Tiefe des Kraters ist, nach v. Buchs Berechnungen das Maaß der wahr- scheinlichen Entfernung großer Lavaausbrüche. Nach dem Aus- bruch hat nemlich v. Buch gefunden, daß er viel tiefer geworden, so daß man sogar den Boden des Kraters sehen konnte. Die Dicke der Kraterränder ist sehr beträchtlich. Er sieht gewöhnlich wenn er nicht mit Schnee bedeckt ist schwarz und dunkel aus. So sah ich den Kotopaxi in einer Nacht seines Schnees beraubt; ein schrecklicher Anblick für die Bewohner da dann ein Ausbruch herannaht. Was die Eruptionsgesetze anlangt so führen wir sie in der Kürze auf: 1., Das Erdbeben vor der Eruption. 2., Der Lavaausbruch aus einer Seitenöffnung dem Lavaströme folgen. Dann 3., Aschenauswürfe mit großer Spannung der Electricität, Blitze, Regen, so daß man häufig gemeint hat der Vulkan speie Wasser. Dann brechen 4., die Movetten aus oder kohlensaures Gas. Die Eruptionen dieser Auswürfe beim Vesuv sind sehr beträchtlich gewesen. Der Vesuv hat aber auch lange Perioden der Ruhe gehabt, so ein- mal 300 Jahre in denen er vielleicht höchstens einmal (1500) gespieen hat; deshalb sah man die ältesten Bäume im Krater selbst. Seit 1675 ist er aber wieder häufig wirksam gewesen. [[176]/0182] Da wo Vulkane sich in die ewige Schneeregion erheben, wie unter den Tropen 2450 Toisen, bieten sie eigne Phaenomen dar. Dort brechen z. E. viele tausend todte Fische aus dem Vulkan selbst hervor. Der geschmolzene Schnee nemlich mag unterir- dische Seen bilden in die denn eine besondere Art kleiner Bartfische (sinurus pimelodes ceptapes) hineinsteigen. Ein solcher Fischausbruch fand am 20. Juni 1698 statt, wo mehre □ Meilen von Wasser mit Fischen, Tuff und Koth bedeckt wurden. Die Auswurflinge selbst sind entweder 1., Fragmente uranfänglicher Steine, Granit, Glimmerschiefer etc: so z. E. in Palma; bisweilen sind es Massen in Lava eingehüllt, wie bei Xurullo Granitstücke in Lava eingehüllt zum Vorschein kamen; oder 2., verändertes Gestein; so macht z. E. der Vesuv den Kalk- stein körnig zu parischem Marmor 3., ist es endlich selbst hervor- gebrachtes Gestein durch Lava. Die Höhe und Tiefe bewirkt Schnelligkeit und Größe. Die Obsidiamaße entsteht aus Trochÿt, und aus dem Obsidien entstehen die Bimsteine. Viele Vul- kane bleiben bei diesem Prozeß nicht stehen sondern verwan- deln den Bimstein selbst in Asche. Die größte Masse von Bim- stein findet sich bei Jacapunga am Fuß des Kotopaxi. Schon Lacondamine beschäftigte sich mit diesen Steinbrüchen und man glaubte anfangs es sei emporsteigendes Gestein; später sah man die Unrichtigkeit dieser Annahme ein und erkannte es für angeschwemmte Lavaströme, Stücke von 48–50 Fuß Länge und 7 Fuß Höhe. Die Oberfläche der Lava gleicht Eisschollen und sie bildet das „wüste Land“ wie es die Neuspanier nennen. Sobald Asche darauf fällt wird es unter 179 g r. [[177]/0183] sehr bald fruchtbar. Merkwürdig sind die Höhlen in den Lavaströmen selbst. Auch entsteht in denselben durch Sublima- tion Eisenglanz. Bis jetzt hat man schon 7 Metalle in der Lava entdeckt nemlich: Eisen, Titan, Kupfer, Mangan, Selenium, Arsenick, Spießglanz ?, von der größten Wichtigkeit für die Erztheorien. Die Masse der Lava findet ihre Stoffe nicht bloß in der Tiefe sondern auch in der Höhe. Die Masse der Lava selbst ist sehr verschieden, nicht bloß bei entfernteren sondern auch bei sehr nahen Vulkanen, so herrscht in Aetna-Lava Hornblende, nicht so im Vesuv. Bald ist es ein dichtes Gewebe, bald hat es ein porphÿrartiges Ansehn. Der Aschenausbruch besteht aus zerriebenen Schlacken und Lava. Die Asche kommt entweder aus der Luft herunter so beim Aetna 70 bis 80 Fuß hoch oder sie quillt auch hervor. So kam 1822 auf einmal die Nachricht, daß heißes Wasser aus der Seite des Aetna hervorbreche; ich eilte hinzu, fand aber heiße Asche welche sich aus der Oeffnung hervorschob. Aehnliches sind die Tuff- und Traß- (=?) steine der Eifel und bei Andernach. Verschieden von allen diesen Auswürfen sind die einzelnen Maßen welche vom Wasser be- arbeitet werden. G. Der Zustand der Solfatara. In diesem Zustand stoßen die Vulkane bei reiferem Alter Gas aus oder es bilden sich Seen in den Kratern. So in Java wo die Kraterseen freie Schwefel- und Salzsäure enthalten. In Kärnthen ist ein ähnlicher Solfatara welcher viele Schwefeldämpfe ausstößt. Früher suchte man Schwe- fel immer nur in neuen Gebirgen; ich aber fand große Massen mitten im Glimmerschiefer in Quito. [[178]/0184] 36. Vorlesung, 8. März 1828 Es bleibt uns noch übrig, einiges von der Aneinanderreihung der Vulkane zu sagen; ein Studium, welches erst in neuster Zeit seine Ausbildung erhalten. Das meiste und gediegenste darüber haben wir von v. Buch, theils in seiner Beschreibung der canari- schen Inseln, theils in einem neuen Aufsatz in Poggendorfs Journal: über Natur u. Zusammenhang der Vulkane. Man theilt die Vulkane in Zentralvulkane und in Reihenvulk: Jene bilden den Mittelpunkt einer Menge um sie her fast gleich- mäßig nach allen Seiten wirkender Ausbrüche; diese liegen in einer Reihe hintereinander, oft nur wenig von einander entfernt wie Essen auf einer Spalte. In Hinsicht ihrer Lage sind die Reihen- vulkane wieder 2erlei Art. Entweder erheben sie sich als ein- zelne Kegelinseln aus dem Grunde der See: dann läuft ge- wöhnlich ihnen zur Seite ein primitives Gebirge völlig in derselben Richtung dessen Fuß sie zu bezeichnen scheinen, oder diese Vulkane stehen auf dem höchsten Rücken solcher Gebirgsreihen und bilden die Gipfel selbst. In ihrer Zusammensetzung und in ihren Producten sind sie nicht von einander verschieden. Es sind fast im̃er Berge von Trochÿt und die festen Producte daraus lassen sich auf Trochÿt zu- rückführen. W. Zu den Zentralvulkanen gehört der Vesuv mit den phlegräi- schen Feldern und vielleicht der Insel Ischia und dem Epomeo – der Aetna mit den liparischen Inseln worunter Stromboli – der Pic v. Teneriffa mit den canarischen Inseln; – die azorischen Inseln – die capverdischen Inseln; – die Gallāpăgos etc: etc: Zu den Reihenvulkanen: die Andeskette (s. meine geogno- stischen Ansichten von Südamerika). Sehr merkwürdig ist, daß s. [[179]/0185] wenn man hier von Granit und Glimmerschiefer verlassen wird, das Vorkommen von Trachÿtglomeraten die Nähe eines Vulkans anzeigt; – die Reihe von Quatemala; – die Molucken; – die Phi- lippinen; – die Kurilischen Inseln. Mit der Erscheinung der Vulkane scheint eine Hebung der Erde verbunden bei den Cycladen u. in Mexico; äußerst selten ist das Vorkommen von uranfänglichem Gestein in der Nähe eines Vul- kans; doch giebt es auch hiervon Beispiele. Am Vesuv sieht man solche granitische Findlinge im Fosso grande, aber sehr wenig; bei Tunguragua in Mexico nahe der großen Strick-Hänge- brücke ist Gneis vom Vulkane gehoben worden. Indem wir einige allgemeine Betrachtungen über die Geognosie hinzufügen, können wir uns natürlich nicht in das Einzelne ein- lassen, da dies der Gegenstand der Geognosie selbst ist. W. Erst in neuern Zeiten hat man angefangen auch die schaffende Kraft der Vulkane hervorzuheben, da man früher nur auf ihre zerstörende gesehen hatte: es ist erwiesen, daß die Vulkane immer noch körnige Gebirgsmassen bilden. Wir sehen diesen Prozeß unter unsern Augen und man hat in Folge davon versucht die Massen welche wir durch die Vulkane erhalten, künstlich nachzumachen: um diesen Zweig der Naturkunde haben sich besonders verdient gemacht die Engländer Greenough, Warburton und Sowerbÿ (?). v. Buch hat im Flemserthal im südlichen Tÿrol eine Stelle entdeckt, wo dichter Kalkstein in körnigen verwandelt ist durch eine Spalte des hervorgedrungnen Urgebirgs; endlich haben die neusten Versuche von Mitscherlich künstliche Fossilien hervorgebracht, indem er die Materialien derselben der Hitze eines Hochofens aus- r. [[180]/0186] setzte; er fand auf diese Weise daß man künstlich darstellen könne: Glimmer, Augit, Olivin und Titan. Andere Chemiker haben die Schlacken der Hochöfen untersucht und auch schon da mehre künstliche Mineralien gefunden. Diese Versuche sind nicht bloß in chemischer Hinsicht von großer Wichtigkeit, sondern auch für die Theorie bedeutend: denn es ist klar, daß die verwan- delnde Masse jünger sein muß als die verwandelte: wenn wir also wie im Flemserthal dichten Kalkstein in körnigten umge- ändert sehen und daneben eine Spalte mit Urgebirge, so muß dieses später aus der Spalte hervorgedrungen, also in seiner Bildung auf den Kalkstein gefolgt sein. Wir lassen nun noch einige Bemerkungen über die äußere Erdrinde im Allgemeinen folgen, worüber ich ausführlich mich ausgesprochen in meinem: geognostischen Versuch über die Lage- rung der Gebirgsarten in beiden Erdhälften. W. Es ist oft die Frage aufgeworfen, wie tief wir unter der Erdrinde, vom Spiegel des Meeres an gerechnet, gekom̃en sind? Lange hielt man die Grube von Ansin bei Valenciennes für die tiefste, welche 850 Fuß unter dem Meere hat. Allein die Messungen 2er ausgezeichneter Geognosten, der Herr v. Dechen und v. Oeynhausen haben gezeigt, daß die tiefste Arbeit der Menschen unter dem Meeresspiegel bei Lüttich ist. Die Grube im Maaßthale bei Val St. Lambert hat 1500 Fuß ganze Tiefe: da der Ort ungefähr 100 Fuß über dem Meere liegt, so ist man hier 1400 Fuß unter dem Meeres-Niveau. Man hielt auch die Gruben von Whitenhoven für sehr tief allein sie erreichen nur 1000 Fuß. In Cornwallis hat man eine Grube, wo ein [[181]/0187] Stollen mehrere 1000 Fuß unter dem Meere hinläuft, und der äußerste Punkt desselben ist nur 8 Fuß von dem Wasser entfernt. In dem Gebiet von PeusenauPenswan?) ist eine noch merkwürdigere Er- scheinung: hier ist eine Grube auf einer Klippe im Meer, die gegen die Fluth durch Dämme hat geschützt werden müssen; man baute 5 Jahre lang auf Eisenerz bis endlich ein Schiff auf der Klippe scheiterte u. den Damm zerstörte, worauf die Grube ersoff; glücklicherweise war niemand unten. In Freiberg ist die tiefste Grube der Thonhofer Zug, der 1670 Fuß hat; da aber Freiberg schon 1200 Fuß über dem Meere liegt, so bleiben nur 400′ absolute Tiefe übrig. In Mexico maß ich eine Grube von 1530′, die zu den tiefsten gehört; allein die Gegend liegt 6000′ über dem Meer. Im Ganzen kann man annehmen, daß der Mensch 4 mal so tief unter dem Meerdas Meer sich gearbeitet hat, als das Maaß der höchsten menschlichen Bauwerke über der Erde beträgt, für welche es auch eine bestimmte Gränze zu geben scheint: die Pÿramide von Ghizeh der Cheops genannt, der Straßburger Münster, die Peterskirche in Rom (Dom in Antwerpen) alle schwanken zwischen 400–450′ Höhe und dies ist wiederum nur 40 mal höher als die Bauwerke der Thiere: denn die Wohnungen der weißen Ameisen erheben sich bis 10–12′. 184 W. Allein außer den Gruben haben wir andere Mittel das In- nere der Erde zu erforschen: wir bedienen uns der Hebung der Gebirge, obgleich dieß auch noch nicht viel ist. Nehmen wir an, daß die ganzen Gebirgsketten durch elastische Dämpfe aus der Tiefe hervorgehoben sind, wie es nach den neuesten Ansichten sehr wahrscheinlich ist: so ist also der unterste Fuß des höchsten [[182]/0188] Gebirges die tiefste heraufgehobene Stelle. Nun hat man auf dem Himalaja bis jetzt die Höhe von 18500′ über dem Meer erreicht, und der höchste Gipfel, der Devalagiri ist, wie wohl noch ziemlich unsicher auf 26400′ gemessen worden und der Fuß desselben ist also die aus dem tiefsten Grunde hervorgehobene Stelle die wir kennen. Bedenken wir aber, daß eine geogr: Meile 22800′ hat und daß der Erdhalbmesser 860 Meilen beträgt, so sieht man, daß wir etwas über eine Meile, also nur einen sehr geringen Theil des Erdradius kennen. Aus noch größerer Tiefe indessen wirken die Vulkane herauf und namentlich müssen wir annehmen, daß die Findlinge körnigen Gesteins wie man sie beim Vesuv am Fosso grande etc: findet, aus bedeutender Tiefe hervorgeschleudert worden sind. W. Wenn wir von oben nach unten hinabsteigen, so unter- scheiden wir 5 körnige Gebirgsarten: 1., neuste Lava mit Eisenoxÿd; 2., Aeltere Basaltformation; 3., Trachÿt mit glasigem Feldspath; 4., Porphÿr mit und ohne Quarz; 5., Sÿenit, Gneis, Granit; Die 5te Abtheilung nannte man lange Urgebirge, aber Berzelius fand in dem Sÿenit: Olivin. Nehmen wir die übrigen Fossile dazu, so haben wir von oben nach unten gehend: 1., lockere Schichten von Dam̃erde mit Thierknochen und Süßwasser- Producten. 2., dichtere Schichten von Kalkstein mit Seefischen, Bivalven, Polÿ- talamen Tellinen etc: etc: [[183]/0189] 3., Thonschiefer mit einigen Spuren von Bambus; 4., körnige, feldspatreiche Massen, Serpentin; 5., Granite, Dolorite, Basalte ohne Reste organischer Körper. Die 3te von diesen Gruppen heißt auch Uebergangsgebirge; in ihr findet sich das erste Aufkeimen des organischen Lebens; Bambus, Monokotÿlidonen oder baumartige Farrenkräuter. Die 2te Gruppe sind die Flötzgebirge mit Palmenstäm̃en etc: Darüber lagert sich die erste Gruppe als terziäre Bildung und hier finden wir Baumstämme von Dikotÿlidonen, wie aus unsern nordischen Waldungen. Dann folgt ein aufgeschwemmtes Gebirge mit Goldsand und fossilen,aus fossilen Landthieren, und dies bildet die oberste Erdschicht. Zwei große Zerstörungen der Vegetation, nachdem die Erdrinde schon erhärtet und erkaltet war, können wir in diesen Erscheinun- gen wahrnehmen;: sie bezeichnen die Gränzen der Flötzgebirge nach oben und nach unten. Die oberste ist die Steinkohlenformation, welche aus einer untergegangenen Palmenformation, also Mo- nokalÿdonen Monokotyledonen entstanden ist: darunter die bernsteinhaltige Braunkohle aus Dikotÿlidonen. Hier greift die Botanik so eng in die Geognosie ein, daß sie kaum mehr von einander zu treñen sind; daher kann es bemerkt werden, daß Monokatÿdonen solche Pflanzen sind, deren Stamm meist einfach in die Höhe steigt und aus einer schwammigen Masse besteht; Dikotÿlidonen aber einen festen, vielfach verzweigten Stamm haben, der bei einem Wachsthum Jahresringe ansetzt. Daher ist der oberste geognostische Horizont durch die Gestalten der meist oval abgeplatteten Stäm̃e ausge- zeichnet. Man muß aber nicht glauben, daß diese Formationen W. [[184]/0190] überall abgesondert sind; es finden sich Uebergänge; so enthält der Gÿps Knochen von Rhinozeros und Elephantenartigen Thieren zusammen mit Palmen und baumartigen Farrenkräutern, die man in so großer Menge antrifft, daß man annehmen muß, die Vegetation der Vorwelt habe nur daraus bestanden, während jetzt unter den Tropen die Masse der Wälder nicht aus einer Mehrzahl von Monokalÿlidonen besteht, ausgenommen jene dicht- bewachsenen Stellen von Orinoco und Rio Apure. In diesen beiden großen Ablagerungen der Steinkohlen und der Braunkohle ist es zu bemerken, daß man noch nie foßile Menschenknochen gefunden hat: dies läßt auf das hohe Alter dieser Revolutionen schließen. Die Flora und Fauna finden sich überein- ander gelagert, aber sie gehören einer frühern längst unter- gegangenen Welt an, in der noch keine Menschen existirten. Diese Verbindung der vegetativen und animalischen Welt mit den Foßilen giebt der Geognosie unserer Zeiten einen neuen Reiz. Es wird möglich, auch in ihr das Leben zu verfolgen, wie es von den ersten Anfängen aufwärts steigend, zusammen- gesetzte Formen annimmt und sich endlich bis zur höchsten ani- malischen Bildung erhebt. W. Wir geben nun kurz die Typen der Organisation, wie sich dieselben in den verschiedenen Schichten gelagert finden, an. Im Uebergangsgebirge (woraus ein Theil des Harzes besteht) findet sich zu unterst: Bambusschilf mit Korallen und baumartigen Gräsern, zugleich Triboliten, von der Art, die man sonst Käfer- muscheln nannte: also sehr ausgebildete Thiere, von denen eins mit großen gegitterten Augen dem Käfer auf Japan nicht Trilobiten ? [[185]/0191] unähnlich, der zu den größten bekannten gehört, indem er 3–4 Fuß Länge hat – ferner Sepia-artige Fische, Cephalopoden, Ortho- zeratiten p. p. Im Flötzgebirge findet sich eine zahllose Menge von Polÿ- thalamen, die sogenannten Ammonshörner und Belemniten: auch ein Thier das seine Schale in dem Leibe hat, anstatt außen und welches man lange für untergegangen hielt; aber bei der Reise des Capitain Baudin ist es dem Naturforscher Péron geglückt, ein solches Thier die Spirula lebendig zu finden. Ich habe es in Paris in Spiritus gesehen und es gelang die Schale in seinem Leibe zu erkennen und herauszunehmen. Ferner Num̃u- liten, von denen man eine große Menge in dem Gestein sieht, aus dem die Pÿramiden in Aegÿpten erbaut sind.–Sepien; Herr Bukland in Oxford hat sogar den farbigen Theil einer Sepia als eine gelbliche Maße gefunden und es ist gelungen dieselbe in hei- ßem Wasser aufzulösen; ich habe ein Bildniß dieses kleinen Fisches mit seiner eigenen Farbe gemalt gesehen, die also viele 1000 Jahr ungebraucht gelegen hatte. Endlich Fische allerlei Art. Tropenformen: krokodillartige Thiere. Im Lyas sind besonders abweichende Formen: hier findet man die ungeheuer großen Thiere; den gewaltigen Megalosaurus, eine Eidexe von 40– 50′ Länge (die größten Krokodille die ich gemessen, hatten nur 20–22′.) deren Schenkelknochen 4′ mißt. den Pleisiosaurus ein Krokodill mit Schwanenhals, von dem man sich denken kann, daß es auf dem Trocknen gelegen und seinen langen Hals in das Wasser herablassen konnte um seine Beute zu haschen. Den Ichthÿosaurus, ein Krokodill mit Fischaugen, während misst W. [[186]/0192] alle andern lange geschlitzte Augen haben; dann das wirkliche Krokodill wie es als Gaviale im Ganges vorkömmt; eine son- derbare Flügeleidexe, die einen eigenen Finger hat, der mit dem Flügel verbunden ist, Pterodactyles genannt, worüber zwischen Cuvier und Sömmering ein langer Streit geführt ward. Dann die ganze Reihe der Cetaceen, wallfischartige Thiere, warmblütige Bewohner des Meers; Seekühe, wie man sie in den antillischen Meeren findet, Lamantius Lamantins genannt. 189 Ueber der Kreide fangen die Säugethiere des Landes an; ungeheure Rhinocerosähnliche, wie das Anaplotherion, Palaiotherion ?; der kolossale Tapir, den man lange für ein bloß ame- rikanisches Thier hielt, bis man kürzlich in Malacca einen gefunden hat, den man zwar für eine neue species ansehen muß, der aber mit dem amerikanischen viel Aehnlichkeit hat. Merkwürdig genug ist nie ein Auerochsen-Fossil gefunden. Man hat in neuern Zeiten erwiesen, daß unser Rindvieh nicht vom Auerochsen abstam̃t, sondern daß der Urstamm sich in Amerika findet. Einen höheren Elephanten; ein Rhinoceros; neue Species vom Nilpferd etc: Einen solchen ungeheuren Elephanten hat man im nördlichen Asien ent- deckt. Schon 1771 fand man daselbst fossile Elephantenknochen mit Stücken Fleisch daran; aber die wichtigste Entdeckung machte Adams ein in rußischen Diensten stehender Phÿsiker auf seiner Reise in Sibirien 1799. Er fand eine große Eismasse mit einzelnen Knochen und Fleisch: es brauchte 5–6 Jahr ehe das Thier ganz vom Eise frei wurde; unterdessen zehrten Hunde und Wölfe in großer Menge davon, endlich 1804 meldeten die Jakuten an Adams, daß das Thier frei sei und nun wurden endlich die Reste nach Petersburg W. [[187]/0193] geschafft. Man fand die Augen und einen Theil des Gehirns; das Thier war mit 15″Zoll langen Haaren bedeckt und dies gab Veran- lassung zu der Vermuthung, daß es dadurch gegen die Kälte habe geschützt werden sollen und daß es also auch in der kalten Zone habe Elephanten etc: gegeben, allein die Behauptung ist nicht wahr- scheinlich, denn man findet ja auch neben den Ueberresten Ueberresten dieser Thiere und zwar gleichzeitig mit ihnen, Palmen und andere Tropen- gewächse; es ist erwiesen, daß in der kalten Zone nur Gewächse leben können, welche im Winter ihr Leben auf ihre mittlere Axe conzentriren, u. ihre appendikulären Organe (zu Deutsch: Blätter ) abwerfen können; wenn man aber eine Palme köpft so stirbt sie alsbald und dasselbe würde geschehen, wenn sie durch den Frost ihr Laub verlöre; man findet endlich das Megatherion von Dalton in Bonn sehr gut beschrieben, welches von so wunder- barer Zusammensetzung ist, daß es beinahe wie ein Aerolith aus einem andern Weltkörper herübergekommen zu sein scheint; ein Mittelding zwischen Faulthier u. Armadill. (Siehe im Allgem: Komper, Sömmering und Blumenbach; neuerdings Cuvier für Knochen, Lamark und Brogniart für Thiere selbst.) W. 37. Vorlesung, 12. März 1828 Cuvier hat 130 Skelette von Landthieren entdeckt; 60 von soge- nannten Dickhäuten als Elephanten, Rhinoceros, Tapir; 20 von wiederkäuenden als Hirschen, Rennthieren 22 von reißenden Thieren als Löwen, Bären etc:. Von Vögeln fand man nur sehr wenige Skelette, was wohl darin seinen Grund haben mag, daß sie sich leichter zu retten vermochten. Je tiefer man eindringt in die Erde desto unähnlicher werden die gefundenen organischen Formen denen welche noch jetzo sich finden. Es giebt indeß ganze [[188]/0194] Theile der Welt, wo dieses Thier- und Pflanzen-Leben fehlt, so namentlich in Scandinavien, in Nordwestamerika und in der Gegend vom Ausfluß des Orinoco bis zum Ausfluß des Amazo- nenstroms. Hier fehlen aber überhaupt die Kalkgebirge und Ter- tiärformation. Von Menschenknochen ist bisher nichts gefunden; was man dafür ausgegeben hat ist als falsch befunden. So meinte Scheuzer einen Urmenschen entdeckt zu haben über den er schrieb: homo deluvii testis, aber Cuvier zeigte, daß es ein gigantischer Salamander gewesen. Bei Guadeloupe hat man eine Menge Ske- lette gefunden, welche alle mit dem Kopf nach Westen gerichtet wa- ren: diese sind aber aus historischer Zeit (es ist ein großer Caraïbenkaribischer Kirchhoff.) denn sie finden sich in der Süßwasserschichte. Vor 3 Jahren meinte man bei Paris einen Menschen gefunden zu haben mit Pferd, Helm und Lanze, allein es ist eine Spur von Knochengewebe bei diesem Foßilen Manne; man zeigte ihn in Frankreich, England u. Nord- amerika, da die Besitzer ihn theuer erkauft haben. Ich selbst gerieth hierüber leider in einen Zeitungskrieg. Auch bei Costritz sind Menschenknochen gefunden, nebst Hühner- und Hundeknochen, aber auch sie sind aus neuerer Zeit. Wie die Knochen so gewaltiger Thiere in enge Höhlen zusammengekommen sind, in die sie lebend nicht einmal einzugehen vermochten hat Buckland in Oxford nachgewiesen; Er fand nemlich, daß sie benagt waren wie die Hiänen noch jetzt Knochen benagen; ja er fand sogar Hÿänen- Excremente Foßil dabei. Die Hÿänen schleppen gewöhnlich so Knochen in Höhlen zusammen, weshalb man in Darfur die Gräber mit großen Steinen zu bedecken pflegt. Es giebt auch ein leichtes Mittel die ältern Knochen aus der Urzeit zu unter- ? 191. [[189]/0195] scheiden von neueren. Sie sind nemlich so porös geworden, daß sie fest an der Zunge kleben, dagegen spätere Knochen aus römischen und Druidengräbern gar nicht an der Zunge haften. Die 3 wichtigsten Uebergangsarten von den verschiedenen Gebirgsarten, welche man in beiden Hemisphaeren gefunden hat, sind: Uebergang, periodische Alternanz und Präclusion genannt. Von chemischen Versuchen hat in dieser Hinsicht, nach meiner Mei- nung, die Geognosie die wichtigsten Aufklärungen zu erwarten. Man hat jetzt schon durch Versuche erkannt, wie die untersten Schich- ten auf die von ihnen oxidirten Gebirgsarten wirken können bei 1000 Atmosphaeren Druck und Glühhitze. Von dem Emporquellen der Gebirgsarten aus Spalten haben bergmännische Arbeiten in Deutschland Beweise gegeben: 1810 hat man in der Gegend von Eisenach einen Basalthügel gefunden der sich in einen bloßen Zapfen endigte. Dann 1817 ist eine ähnliche Erscheinung durch die Bemühungen Gerhards am Druidenstein auf dem Kollutschen (?) Zuge gefunden, wo man einen Zapfen von Grauwacken-Stein entdeckte und endlich die blaue Kuppe bei Eschwege einen ähnlichen bunten Sandstein, 1823 von Hoffmann untersucht. Das Flötz- und Tertiärgebirge besteht aus vielen Schichten Sandstein und durch Anschwemmen formirter Kalkformationen. Fragmentarische und unfragmentarische Bildungen machen 2 Abtheilungen aus, aber in beiden finden sich Sandstein und feste Kalksteingebilde mit Conglommeraten. Der vollständige Typus der Flötzgebirge von unten nach oben ist: [[190]/0196] 1., Steinkohlengebilde mit rothem Sandstein und 2., Zechstein etc: 3., Bunter, thonartiger Sandstein und Muschelkalk; 4., die große Juraformation nach unten dunkel gefärbt nach oben mehr Aoliten mit vielen Versteinerungen und krokodillartigen Thieren; 5., Quadersandstein mit grünem Sand und Eisensand ausgezeichnet durch Trÿphaea columba; 6., Kreide und Plänerkalk mit Anancliten etc: etc: Steinsalz, Schwer- spat, Eisenglanz etc: durchdringen in Klüften herab diese Flötzmassen. Der äußere Theil der Erdoberfläche ist mit großen Fragmenten von Felsarten bedeckt die man Blöcke nennt; zugleich auch mit den kostbarsten Producten: so Platina, Gold und Diamant. Doch von diesen kleinen Producten handeln wir hier nicht, sondern von den größern, die fremdartig dem Boden sind, wo sie sich finden. Wir sprachen: 1., von denen Maßen welche sich am östlichen Abfalle des Jura finden. Diese Geschiebe uranfänglichen Gesteins finden sich auf Höhen von 2000′ gelagert. Von diesen sind wohl zu unterscheiden 2., die Blöcke welche sich in den baltischen Ländern durch Polen nach Rußland gen Osten, bis Holland gen Westen finden. Von beiden wesentlich verschieden sind: 3., die zertrümmerten granitischen Blöcke welche sich erheben auf dem Plateau Altcastiliens z. E. in der Nähe des Escurial und im west- lichen Theil Brittaniens, woselbst ganze zertrümmerte Granitge- birge sich finden. Dort ruht der Granit auf Granit, in den baltischen Ländern aber auf Sand. [[191]/0197] ad. 1 von den Alpengeschieben. v. Buch hat 1811 Saussure’s Vermuthung, daß die Jurablöcke aus den Alpen gekommen sind bis zur Evidenz bestätigt. Sie müssen von den Alpen heruntergekollert sein, denn die welche nicht von so großer Höhe gefallen sind, sind schon bei Lau- sanne durch Hügel aufgehalten worden. Durch Eisschollen köñen sie nicht getrieben sein, denn sonst wären sie auch im innern Abhange des Jura abgesetzt, nicht bloß am äußern. Der Stoß mag durch Wasser, welche so hoch gestiegen waren, ausgegangen sein; so hat 1818 der See von Wallis gegen Martignÿ hin auf den Markusplatz dieser Stadt, in 12 Stunden Entfernung einen Block von 18′ Durch- messer hingeschafft. In dem südlichen Theile der Alpen findet man Blöcke von Granit nur hineinreichen bis in die Gegend der uranfänglichen Gebirge selbst. ad. 2 Aehnliche Beobachtungen sind in den baltischen Gegenden ange- stellt. Es ist hier aller Granit schwedischer und norwegischer. Die letzten Stücke findet man in der Gegend des Lützner Schlacht- feldes, in den Niederlanden und in Rußland bis gegen Twen hin. Sie findet sich immer in gewissen Höhen, nie in der Tiefe; so in Fürstenwalde der Markgrafenstein von 30′ Durchmesser, der jetzt zu einer Vase fürs Museum bearbeitet wird. In Mecklenburg finden sich ähnliche Geschiebe auf 700′ Höhe. Etwas ähnliches ist am Nordpol gefunden in Igulik an der Barrowstrasse und bei Pogbolen wo Parrÿ überwinterte. Auch hier fand man große Granitmaßen auf Kalkstein ge- lagert, aber auch nur auf Hügeln, nie in der Ebene. Es sind Syeniten und Porphyre, Granit mit Stokolit, dann aber, na- mentlich in Mecklenburg und Pommern, Geschiebe von Transitions- [[192]/0198] Kalk mit Käfermuscheln etc: welche identisch sind mit den Ver- steinerungen in Oeland und Gothland. Auf diesen Ursprung von Scandinavien her machte zuerst vor 30 Jahren v. Arenswald aufmerksam. Ein merkwürdiger Umstand ist, daß neben einem großen Geschiebe sich allemal ein oder mehre kleine finden, welche wenn man ihre Winkel mißt, zusammengehören. Sie mögen durch den Stoß davon abgeschlagen sein, wenn der größere sich festgesetzt hat. Dies hat Hoffmann am Johannisstein in West- phalen beobachtet, welcher 24′ im Durchmesser hat. 38. Vorlesung, 15. März 1828 Wir kommen nun zum letzten Theil der Geognosie, zur Gliederung der Continente, welche in genauer Verbindung steht mit der Vertheilung der Klimate, und dies macht dann den natür- lichsten Uebergang zur Climatologie. Es ist wahrscheinlich, daß die Hebung der Continente früher Statt fand, als die der Bergketten selbst, und überall hängt die Verschie- denheit der Temperatur von dem Verhältniß der Kontinente zu den flüßigen Theilen ab, aus denen sie emporstiegen. Wenn man dieses Verhältniß ändern könnte, so würde das Klima ganz anders werden. W. Ueber diesen Theil der phÿsikalischen Geographie haben die großartigen und geistreichen Ansichten des Prof: Ritter viel Licht verbreitet, er hat gezeigt, wie von dem Klima die Gesittung und der ganze Kulturzustand der Völker abhängt. Die Oberfläche der Erde theilt sich: 1., in das Trockne, Starre – die Continente, und 2., in das flüßige – die Meere. Der Kontact dieser beiden Elemente bestimmt die Form [[193]/0199] und den Umriß der Continente, welcher in Bezug auf die Cultur und den geselligen Zustand der Völker von der größten Wichtigkeit ist. Im Allgemeinen hat zwar das Meer fast dasselbe Niveau rings um das Sphäroid, das wir bewohnen, aber im einzelnen finden sich Abweichungen. So sind die Ansammlungen von süßem Brunnenwasser, die Seen, von verschiedener Höhe gegen das Meer. Der höchste Binnensee ist der Munusaraba auf dem Himalaja. Der See Tiliacca in Peru hat 8000′ Höhe und ist sehr reich an Fischen, die sich also in einer Region befinden, 3 mal höher als die Wolkenschichten in der jetzigen Jahreszeit. Die chemische Natur der Seen ist sehr verschieden. Man hat lange geglaubt, daß durch das Zuströmen von süßem Wasser und die Decomposition so vieler animalischer und vegetabiler Körper sich gewisse Salze bilden müssen, besonders wo kein unterir- discher Abfluß Statt findet: es hat sich hierüber noch neuerdings ein Streit wegen des Sees Tschad, im Innern von Afrika erhoben, ob er süßes oder salziges Wasser habe (bei Gelegenheit der von Denham und Clapperton gemachten Entdeckung dieses Sees). Ich habe den See von Tacarigua, zwischen den beiden Bergketten von Venezuela untersucht und darin nur salzsauren Kalk gefunden; es war kein Abfluß desselben zu bemerken. W. Außer den Seen giebt es schmale, longitudinale Wasser- becken, Flüße genannt, welche unendlich viel zur Belebung und Bevölkerung der Continente beitragen. Meist bilden sie ihr Wassersÿstem für sich; selten sind Verzweigungen oder Anastamosen derselben wie in Südamerika; als ob ein Arm des Rheins in die Donau fiele. Solche innere Insel (wenn [[194]/0200] wir nemlich jeden mit Wasser umschloßenen Raum so nennen wollen) welche durch Bifurkation zweier Ströme entstehen, ist z. E. Mesopotamien, zwischen Euphrat und Tigris, da die beiden Flüße mehrfach durch Kanäle verbunden sind. Die größte dieser Erscheinungen zeigt das spanische Guiana, von den Ausflüssen des Orinoco an, der einen Nebenarm, den Kassiqui- are in den rio negro sendet, welcher letztre in den Amazonenstrom fließend, die Insel vollendet. Die Breite der Flüße ist oft so bedeutend, daß dadurch nicht allein die Wanderungen der Völker aufgehalten werden, sondern auch an beiden Ufern des Flußes ganz verschiedene Producte sich finden. Manche Flüsse in Amerika haben 2–300 Meilen von ihrem Ausflusse eine Breite von 12–18000′, und an ihrer Mündung Süß- wassergolfe von 40 Meilen Oeffnung. Schon Francklin machte die scharfsinnige Bemerkung, daß der größte Theil dieser Golfe nicht in das Meer ausfließe, da dieses durch seine Fluthen das Wasser zurückdränge, sondern in die Luft verdunstet werde. W. Wir müssen das Wasser, welches 4 mal so viel Sauerstoff enthält als die Luft, und die Luft selbst, als die beiden Hauptbedin- gungen des organischen Lebens auf der Erde ansehn. Daher kann auf dem Monde, das, was wir organisches Leben nennen, nicht Statt finden. Es giebt daselbst keine Flüßigkeit, wie das Wasser; denn so weit man ihn untersucht hat, ist das niveau von jeden 2 Punkten seiner Oberfläche unter sich verschieden. Früher hielt man das Licht als unumgänglich nothwendig dafür: allein man hat diese Meinung aufgegeben, seit dem man unterirdische Pflanzen und Thiere kennen gelernt hat, und auf Fische aufmerksam geworden [[195]/0201] ist, welche in einer solchen Tiefe des Meeres leben, daß daselbst nach Bonguers u. a. Untersuchungen eine absolute Dunkelheit herrschen muß. Von den flüßigen Umhüllungen der Erde unterscheiden wir 2: 1., eine allgemeine: den Luftocean, 2., eine partikuläre: das Wassermeer. Den Boden des erstern bildet das Meer und die Erde, deren höchste Berggipfel nichts anderes sind, als Untiefen auf dem Grunde des Luftoceans. Das Wasser ist in den obern Schichten am meisten bewohnt, die Luft in den untern: nur wenigen Geschöpfen ist es erlaubt, sich in die höhern Regionen der Luft zu erheben, am meisten den Vögeln. Auf 18000′ Höhe am Chimborasso fand ich Geier, Kondurs und Insecten Insekten, namentlich Schmetterlinge. Auch auf dem Himalaja hat man sie bemerkt: sie erheben sich aber nicht will- kürlich dahin, durch die Kraft ihrer Muskeln (wenn man ihnen überhaupt Muskeln zuschreiben kann) sondern durch aufströmende Luftzüge. Bei Tage nemlich erhitzt sich die Erdoberfläche durch die auffallenden Sonnenstrahlen, und es erzeugen sich “courants ascendants” welche die Insecten bis zu einer Höhe heben, wo sie einige Zeit ohne Nahrung leben müssen. Boussingault der nach mir die Silla von Caracas gemessen hat – (man be- hauptete nemlich, wie es gewöhnlich bei Erdbeben zu geschehen pflegt, daß bei dem letzten Erdbeben von 1812 ein Theil der Silla eingestürzt sei: deshalb war die Messung wichtig; sie differirte von der meinigen kaum um 5–6′ und zeigte, daß die Höhe des Berges ganz dieselbe wie früher ist) – fand auf dieser Höhe von 9000′ ebenfalls Insecten und sehr merkwürdig, Halme von W. [[196]/0202] Gräsern: er bemerkte, daß leuchtende Körper aus der Atmosphae- re niederfielen, sammelte sie, und Herr Kunth in Paris be- stimmte, daß es eine neue Species von Tilingia sei, die in großer Entfernung davon wächst, wo also der Same sehr weit durch die “courants ascendants„ geführt sein muß. Der rothe Schnee am Nordpol ist ebenfalls eine vegetabilische Substanz, ein kleiner Pilz, durch den man auf die Vermuthung kam, als ob Luftvegetabilien existirten, die in den obern Schichten schwebend erhalten werden: allein wahrscheinlicher ist es wohl eine meteo- rische Flechte die sich erst nach dem Fallen des Schnees bildete. courans ? Erde, Wasser und Luft bilden ein Naturganzes, deshalb kann man die 3 Substanzen hier nicht von einander trennen: so wie die Klimatologie sich nicht auf die Luft allein beschränkt, son- dern vielmehr der Geognosie anheimgefallen ist, da das Klima durch so mannigfache Ursachen bestimmt wird. Erst in neuer Zeit ist man auf die Wirkung aufmerksam geworden, welche die Wärmestrahlung der Erde auf das Klima hat: sie ist viel stärker bei klarem Himmel als bei bedecktem: daher pflegt man zu sagen und zwar ganz richtig, daß sternenklare Nächte kälter sind; nicht als ob das Licht der Sterne Kälte hervorbrächte, sondern weil die Wärmestrahlung gegen den heitern Him̃el stärker ist; eine Wolkenschicht dagegen läßt die zurückgestrahlte Wärme nicht durch, sondern wirft sie nieder auf die Erde zurück. W. Die ganzen Continente mit ihren Bergketten sind durch Hebung über den Meeresspiegel hervorgetreten: die unterirdischen Kräfte wirkten daher mittelbar mit zur Bildung der Erdoberfläche, wie wir sie jetzt sehen. Nach der Erhärtung der äußern Rinde haben [[197]/0203] vielleicht kleine Zufälligkeiten im Unterschiede des Gleichgewichts mehr nach dem Nordpol hingewirkt, als nach dem Südpol, daher dort eine größere Ländermaße als hier. Bei der Hebung von Amerika wirkten die unterirdischen Kräfte mehr von Norden nach Süden, vielleicht auf einer großen Spalte: dagegen er- streckt sich der alte Continent mehr von Osten nach Westen. Ganz anders würde bei uns die Temperatur sein, wenn etwa das Mittelmeer nicht existirte, wenn sein Becken zu derselben Höhe wie die lombardischen Ebenen und die Flächen der Cyrenaïca sich erhoben hätte. Europa würde viel kälter sein, wenn Afrika nicht aus den Fluthen emporgestiegen wäre: nun aber liegt uns südlich in dem Meridian von Lissabon und vom Ural ein großer fester Continent, der als opaker Körper die Sonnenstrahlen besser reflectirt, als der durchsichtige Ocean: daher müssen die unter dem Aequator erwärmten Luftschichten über Europa hin- fließen und die Kälte mindern. Darum ist Asien kälter als Europa 1., weil es eine Ostküste ist und diese alle sind kälter als die West- küsten 2., weil sein Aequator sich in einem transparentern Mittel befindet und die Luftschichten über ihm nicht so erwärmt werden können, als über dem Lande. Ganz anders würde das Klima der Erde sein, wenn Amerika sich von Osten nach Westen in der Tropenzone ausdehnte, anstatt, daß jetzt nur ein kleiner Theil davon unter den Wendekreisen liegt. W. Die Quantität der Erhebung im Allgemeinen ist sehr gering, in so fern wir nemlich die Continente als Bergrücken ansehn, deren Fuß im Meer liegt. Der große Laplace hat sich vielfältig mit der Erhebung der Continente und mit der Mee- [[198]/0204] restiefe beschäftigt, und eine Menge von Berechnungen darüber angestellt. Einzelne Tiefen des Meeres entscheiden hier nichts, sondern die Sache müßte von einer andern Seite genommen werden. Laplace hatte aus der Ebbe und Fluth die Tiefe des Meeres auf 50–60000 Fuß also 3–4 Meilen berechnet (welches auszuführen uns hier zu weit führen würde,) allein dies ist viel zu tief. Er hat nachher seine Rechnungen wieder vorgenom- men und einen andern Coeffizienten erhalten: er fand nun, daß die mittlere Tiefe des Meeres gleich sei, der mittlern Höhe der Continente. Denkt man sich nemlich die ganze Masse der Gebirge gleichförmig über die Erde zerstreut, so daß kein Punkt höher ist als der andere, so wird natürlich diese Erhe- bung äußerst gering sein und die Oberfläche des Erdsphäroids läßt sich dann in gleiche Polÿgonalfiguren theilen. Eben das- selbe geschieht, wenn man die Tiefen des Meers auf diese Weise gleich vertheilt. Nach Laplace letzter Rechnung ist nun diese Convexität und Concavität über und unter der mittlern Fläche des Meeres gleich 900–1000′. Aber noch immer zu groß. Er forderte mich auf diesen Gegenstand zu bearbeiten und ich habe die Resultate in einer kleinen Ab- handlung: über die Kulminations Punkte der Erde niedergelegt. Die Pendelversuche, mit denen man sich in neuern Zeiten so viel beschäftigt hat, haben auch hierüber genaue Untersu- chungen möglich gemacht: die mittlere Höhe ist nicht mehr als 500–600′. Bei Frankreich und der Lombardei beträgt sie 4–500′; die Gegend zwischen Stettin, Dresden und Posen hat 180–200′. Rußland hat 870′, also sehr beträchtlich; man hat W. [[199]/0205] dies nach einer Masse von Barometermessungen in Moskau beobachten können. Die Schweiz hat, trotz ihrer Berge nur 1300′ Baiern zwar nur klein aber sehr hoch: 1560′; Spanien wo ich selbst bei meiner Durchreise viele Beobachtungen anstellte, in der Gegend zwischen Almanza und Astorga 2100′; die Ebene von Mÿsore in Indien 2760′; die Wüste Gobi zwischen Kiachta und Peking 3000′; die Ebene von Tibet nach ungefährer Berechnung, weil es hier an Barometerbeobachtungen sehr fehlt: 6000′. Die höchste dieser Hoch- ebenen findet sich aber nördlich vom Himalaja unter 35–36° Breite, welche Capitain Weddell untersuchte, im Thal des Soutledge bei Däna; hier hat man die wunderbare Erscheinung, daß Korn- felder sich bis auf 14000′ Höhe finden, so hoch als die Spitze des Montblanc. Auch in Amerika erheben sich die Thäler zu beinahe 12000′; das von Unanteleka hat 11600′; Mexico 6000′. Wenn auch Europa diese Höhen nicht erreicht, so haben wir doch einige bedeutend hohe Punkte; früher hielt man Dörfer auf 4000′ Höhe für die höchsten aber v. Well hat in seinen Untersuchungen über den Mont rosa gezeigt, daß das Dorf Cetta 7100′ hoch liege. W. Die Tiefe des Meeres ist nicht so leicht zu bestimmen, besonders ist es an einzelnen Stellen schwer die perpendicu- laire Tiefe zu erhalten, denn theils verliert das Senkblei einen Theil seiner Schwere durch das Schwimmen des Seiles, theils wird es durch Strömungen fortgeführt, und wenn man glaubt, daß es senkrecht hinabfalle, so macht es vielleicht einen Winkel von 40–50°; dies giebt also einen großen Unterschied und die Tiefen werden bedeutender als sie sind. Capitain Sabine hat auf alle diese Umstände genau geachtet und in den antillischen [[200]/0206] Meeren viele Sondirungen angestellt: südlich von Cuba hat er thermometrisch auf 7200′ perpendiculär sondirt, indem er ein Thermometer herabließ um die Temperatur des Meeresgrundes zu erforschen. In Südamerika ist die Andeskette ganz auf den West- rand hingedrängt, vielleicht über einer Spalte vulkanisch in die Höhe gehoben: sie hat nicht mehr als 15–20 Meilen Breite und kaum 1 Meile Höhe; dagegen beträgt der Lauf des Amazonenstroms 6–700 geogr: Meilen, ohne bedeutendes Gefälle: denkt man sich also die kleine cÿlindrische Masse der Andes auf die ganze Fläche verstreut, welche der Amazonenstrom bewässert, so sieht man leicht ein, daß dies für die ganze Fläche kaum einige Zoll Erhö- hung ausmachen würde. W. Man hat bis jetzt viel häufiger die Berge als die Ebenen gemessen, welches zum Theil nur eine Befriedigung der Neu- gierde ist; viel nützlicher wäre es, wenn man durch Barometer- beobachtungen die Höhe der cultivirten Ebenen messen wollte, um zu bestimmen, wie hoch hinauf manche geselligen Pflanzen z. E. die Cerealien leben können. 203. Der Umriß unserer Continente, welcher durch den Contact des Starren und flüßigen bestimmt wird, würde ganz verschieden sein, wenn die Höhe des Meeres nur um ein Geringes zunähme: daher ist das stabile Verhältniß dieser beiden Elemente für den geselligen Zustand von der höchsten Wichtigkeit; nur 130′ brauchte die Ostsee zu steigen und ganz Norddeutschland so wie Polen würden verschwinden. Die Ebene des Amazonenstroms liegt nicht so hoch, als man glauben sollte: ich ging ganz besonders an den östlichen Fuß der Andeskette, um die Länge von Tamapanda zu erhalten, wo La [[201]/0207] condamine seine Arbeiten über den Amazonenstrom angefangen; bei dieser Gelegenheit bestimmte ich die Höhe des Orts auf 1200′ (also niedriger als München), nicht weit vom Wasserfall von Rustega, aber noch 700 Meilen vom Ausfluße. Steigt man etwas weiter hinab als Tamapenda so ist die Höhe nur noch 400′; also brauchte das Meer nur 400′ zu steigen und ganz Südamerika würde verschwinden und die Andeskette sich wie eine lange schmale Insel von Nord nach Süd erstrecken. Sollten aber solche Erhöhungen des niveaus ein- treten, so würden sie über die ganze Erde gleichmäßig sich vertheilen müssen. So hat man fälschlich auf eine Anschwellung und Abnahme des Mittelmeers geschlossen, weil man an den Säulen des Serapistempel bei Pozzuoli 8–10′ über dem Boden ange- backne Muscheln aus Salzwasser herrührend, bemerkte. Dies müste aber in historischer Zeit geschehen sein, denn aus solcher ist der Serapistempel gewiß. Wie wäre es denn aber möglich, daß wir durchaus keine Erwähnung einer solchen Fluth hätten die hinreichend gewesen wäre die Ebenen von Valenza und Grenada; so wie ganz Aegÿpten plötzlich zu überschwem̃en und zu ersäufen? Andere meinen, die Säulen hätten lange Zeit im Wasser gelegen und da hätten sich die Muscheln angesetzt; ist auch unwahr- scheinlich, denn theils würde man nicht beschädigte Säulen für den Tempel gebraucht haben, theils hätte man sie gewiß gereinigt um sie aufzustellen. Das wahrscheinlichste ist, daß eine Dünenreihe vor dem Tempel nicht weit vom Ufer entstanden ist und daß sie eine “Mare„ oder Salzlache bildete von 10′ Höhe, worin die Muscheln lebten. Solche Erscheinungen von höhern Salzlachen am Ufer sind gar nicht selten. W. [[202]/0208] Kleine Unterschiede des niveaus finden sich aber auch bei den größten Wasserbecken der Erde: so nivellirten die Französischen Gelehrten, besonders Herr Lepire die LandMeer enge von Suez und fanden, daß das rothe Meer nach dem Stande der unbedeutenden Ebbe 25 oder 30′ höher ist als das Mittelmeer, daher ist eine Ka- nalverbindung durch Schleusen sehr möglich. Dagegen liegt das caspische Meer bedeutend tiefer als das schwarze Meer. Engel- hardt und Parrow haben eine äußerst genaue doppelte Nivelli- rung zwischen dem Ausfluß des Kuba und dem des Terek gemacht, wobei sie von 3 zu 3 Meilen ihre Barometer verglichen, und gefunden, daß das caspische Meer 280 oder 324′ niedriger liegt. Neuere Untersuchungen, welche man darüber angestellt hat, sind lange nicht so genau, denn man hat dabei nicht bestimmt ob die Kapilla- rität in den Barometern gleich gewirkt hat. Die Zweifel des Herrn Patzner ? gegen Engelhardts Messungen sind daher nicht gegründet; er fand indessen immer 200′. Durch Vergleichungen von Barometermessungen in Astrakan, Moskau und Petersburg hat man gefunden, daß auch die Ostsee um 200′ höher liegt als das caspische Meer; auch ist wahrscheinlich, daß das schwarze Meer höher liegt als die Ostsee. W. Auf die Sagen der Samothraken bauend, hatten die Alten ein ganzes Schleusensÿstem der Meere gegründet, wornach zuerst ein Durchbruch des schwarzen Meeres, dann des Mittelmeeres erfolgt seien: die beiden großen Schleusen lagen bei Bÿzanz und Kalpe. Rennell (von dem die schöne Karte von Ostindien) hat sehr geistreiche, theoretische Betrachtungen über die Höhe der beiden [[203]/0209] antillischen Meere gemacht, in denen der heftige Golfstrom allerdings einen Unterschied des niveau hervorbringen muß. Neu- ere Reisende haben den Isthmus von Panama untersucht, den ich nicht besuchen konnte, obgleich ich in Darien war; nach neueren Be- rechnungen wäre das antillische Meer höher als die Südsee: man hält aber umgekehrt die Südsee für 10–12′ höher, welches für eine Canalisirung sehr wenig ist. 39. Vorlesung, 19. März 1828 Nach den Messungen von Girard sind die Bitterseen in Aegÿpten 24 Fuß tiefer gelegen als das Mittelmeer. Auch kann man in den Strömungen einen Grund zu kleinen Niveau-Verschiedenheiten in dem Stande der Gewässer finden. Schon Franklin bemerkte, daß in den großen Seen von Nordamerika dies der Fall sei: wenn lange der Wind in einer bestimmten Richtung geweht hatte, so hatte der eine Theil des Sees eine größere Convexität, als der andere. Ein sehr merk- würdiges Factum hat sich vor wenigen Jahren im südl: Frankreich, in der Provence ereignet, wo nach heftigem Wehen eines O. N. O. Windes der Hafen von Marseille mehre Stunden lang trocken blieb. Dies muß einen Unterschied von 10–12′ im niveau aus- gemacht haben. Im Genfer See und in den mexikanischen Seen findet eine ähnliche Erscheinung des Senkens und Steigens Statt, die man sogar für eine Ebbe und Fluth gehalten hat; wohl mit Unrecht, denn die Regelmäßigkeit, welche man nach den Jahres- zeiten wahrzunehmen glaubte, beruht nur auf den wiederkeh- renden Winden. Selbst die Veränderungen des Barometer- druckes haben Einfluß auf das Niveau. W. Ich habe an einem andern Orte gezeigt, daß die Meeres- strömungen unter den Tropen eine Folge sind, von den stünd- lichen [[204]/0210] lichen Variationen des Barometers, indem diese Variationen an dem einen Orte früher eintreten, als an dem andern; so wird die Wasserfläche ungleich gedrückt und geräth ins Strömen. Von der Gliederung der Continente. Wenn wir oben gesehen haben, daß der Contact des Starren und flüßigen die Umrisse auf unserm Erdsphaeroïd bedingt, so wenden wir uns nun zu den festen Theilen selbst und bemerken zuvörderst, daß sie in 2 große Massen zerfallen, die man gewöhnlich den alten und: den neuen Continent nennt. 1., die alte Welt, hat ihre Haupterstreckung von Ost nach West und dies hat, wie wir oben gesehen haben, nicht geringen Einfluß auf die Temperatur derselben; es folgt daraus, daß sie eine größere Kälte annehmen wird, wenn ihre nördlichen Flächen mit Schnee bedeckt sind; eine größere Wärme aber, wenn die Sonnenstrahlen von derselben, als von einem opaken Gegenstand reflectirt werden. 2., Die neue Welt, hat ihre Hauptausdehnung von Nord nach Süd und daraus erklärt sich die merkwürdige geographische Verbreitung der Gewächse, daß z. E. Tropenpflanzen sich bis tief in die tem- perirte Zone hinein vorfinden; bei uns in Europa ist es ganz anders, da hindert das Mittelmeer die Wanderungen der Pflanzen und Thiere von den nord-afrikanischen Küsten. S. 229 W. Im alten Continent hat sich ein Busen gebildet, an dessen östlicher Seite Neuholland, an der westlichen Afrika liegt; dies ist der Busen der Mousone, die abwechselnd in den verschie- denen Jahreszeiten in entgegengesetzter Richtung wehen. Die nördliche können wir eine Continental-halbkugel [[205]/0211] nennen, die südliche eine pelagische. Berechnet man den Un- terschied genauer: so hat die nördliche ⅓ Areal des Continents mehr als die südliche. Die Hauptmasse macht hier Asien aus, welches den Aequator nicht erreicht und zum Theil daher unter gleichen Breiten kälter ist als Europa. Eine auffallende Erscheinung ist es, daß gegen den Nord- pol zu alle Continente unter 70–73° N. B. abgeschnitten sind und an das Meer stoßen. Die Barrowstraße liegt zwar noch viel nördlicher, aber südlich von derselben befindet sich wieder eine ganze Inselwelt. Hearne’s u. Mackenzie’s Reisen haben gezeigt, daß fast ganz Nordamerika unter 72° B. aufhört, da- gegen schließen sich eine Menge Inseln nach Norden an, und machen die Verbindung der Continente. Amerika hat eine große Menge von Inseln im Nord liegen; in Asien ist in der Länge des Nordcaps das Meer frei von Inseln, dann folgt aber die Bäreninsel und Spitzbergen; daher rührt zum Theil das milde Klima von Europa. Im Norden von Schweden friert das Meer nicht, und dies rührt hauptsächlich von der wärmeren Strömung her, die von S. O. nach N. W. an den Küsten in die Höhe zieht: so ist es zu erklären, warum die Küsten der skandinavischen Halbinsel wärmer sind, als die südlicher gelegenen Theile des innern Landes. W. Wahrscheinlich ist der Nordpol frei von Land. Barrington hat neuerdings alles zusammengestellt, was man von Reisen dahin kennt. Aus seinem Werke ergiebt sich, daß schon im Jahr 1527 Robert Torte aus Bristol die Regierung auf diese Durchfahrt aufmerksam machte, und andeutete, daß man S. 230 [[206]/0212] einen viel kürzeren Weg nach Indien, quer über den Nordpol nehmen könne. Unter Heinrich VIII wurden wirklich Versuche zu dieser Durchfahrt gemacht; indeß muß man sagen, daß es bei dem jetzigen Stande des Eises sehr schwierig ist, nur bis 80° durchzudringen. Lord Mulgrave kam auf seiner berühmten Expedition bis 80° 48′ und dies hielt man lange für die höchste nördl: Breite; neuerdings aber ist Scoresby Mai 1806 bis 81° 13′, wie er aus einer guten Mittagshöhe der Sonne abnehmen konnte und Nachmittags bis 81° 30′ gekom̃en. Er hat auch dargethan, daß die Breite von 86° die nach Barrington früher erreicht worden sein soll, gewiß übertrieben und falsch ist. Parrÿs Expedition um zu Lande nach dem Pol zu kommen, ist bekanntlich nicht geglückt. Es ereignete sich nemlich der eigne Unfall, daß die Eisschollen, auf denen seine Kähne oder Schlitten fortgezogen wurden nach Süden in Bewegung waren: er kam daher mehr rück- als vorwärts. Er that bei dieser Gelegen- heit dasselbe was schon Chr: Columbus gethan, er verbarg die wahre Breite seinen Leuten um sie nicht muthlos zu machen. Die englische Regierung hat einen Preis von 5000 ₤ für den ausge- setzt, der bis 89° vordringt, einen von 20000 ₤ für das Auf- finden einer N. W. Durchfahrt; aber beide sind noch nicht errungen. Bei der Stellung der Continente müssen wir bemerken, daß sie der Länge nach, auffallend auf eine Seite zusammengedrängt sind. Von der einen Seite nimmt das Land unter dem Aequator 250 Längengrade ein; von der andern das Wasser 110°. Denken wir uns daher, daß die Erde so gesehen würde wie der Mond, so würde die erste Seite unter dem Aequator ganz voller Con- tinent erscheinen, dagegen auf der andern Seite, wo er durch W. [[207]/0213] das Wasser geht, würden auf jeder Seite nur 35° Continent hervorstehn. Aber nicht nur in der oben erwähnten Richtung (wenn man eine Ebene durch die Pole legt) theilt sich die Erdkugel in eine Continentalmaße, sondern auch wenn man die Ebene durch den Aequator legt: denn wird die südliche eine Wasserhalbkugel, die nördliche eine Landhalbkugel sein. Es ist klar, daß dies einen großen Einfluß auf die Temperatur der verschiedenen Oerter haben muß. Man hat auch schon vorgeschlagen, die Südsee wegen ihrer bedeutenden Ausdehnung den großen Ocean zu nennen. W. Westasien und Ostamerika ist von dem Becken des atlan- tischen Oceans durchschnitten, und man hat in neuern Zeiten ange- fangen, diesen als eine wirkliche Thalbildung zwischen beiden Con- tinenten zu betrachten, um so mehr da die entgegenstehenden Theile der Continente eine gleiche Richtung haben. Für Amerika ist es merkwürdig, daß in Südamerika die französische Guiana in geognostischer Hinsicht viel Aehnlichkeit hat mit Labrador, ganz Brasilien dagegen mit den Alleghanis. Die Küste von Brasilien erstreckt sich von S. W. nach N. O. Guiana dagegen von S. O. nach N. W. u. Nordamerika wiederum von S. W. nach N. O., ebenso ist es ungefähr an der Westküste von Afrika und an der von Asien. (scil: Europa) 232 l. Im Norden der nördlichen Hemisphaere ist an den Ufern des atlantischen Beckens eine große Zertrümmerung sichtbar, die sich auf der einen Seite an der Hudsonsbaÿ auf der andern an den britischen Inseln offenbart: mehr gegen Süden findet sich auch Ue- bereinstimmung, inso fern auf der einen Seite das Becken des antil- 232 [[208]/0214] lischen Meeres, auf der andern das Mittelmeer liegt. Betrachtet man das Mittelmeer allein, so sieht man, daß es mit den Wasser- becken des rothen Meeres und des persischen Meerbusens im genauen Zusammenhange steht und daß diese 3 auf Verkehr und Kultur beson- ders in früher Zeit mächtig eingewirkt haben. Nur ⅙ des Aequatorialkreises geht durch den Continent, die übrigen ⅚ fallen in das Meer, und man sieht leicht, daß diese Ver- theilung großen Einfluß auf die Temperatur haben muß. Wenn wir einen Blick auf die Karte werfen, so kann es uns nicht ent- gehen, daß alle Continente gegen Süden eine Pÿramidalform haben. Dies zeigt sich, und zwar am auffallendsten, nicht nur in Amerika und Afrika, sondern auch in Neuholland, selbst nördlich vom Aequator in Hindostan und weniger deutlich bei Malacca. Diese Bemerkung gehört nicht dem geistvollen Reinhold Forster, sondern lange vor ihm machte sie Baco v. Verulam. Auch die Erstreckung gegen den Südpol hin ist zwar ungleich, aber doch in einem bestimmten Verhältniße; vom Cap Horn nach VanDiemens-Land geht es treppenförmig in die Höhe: Vorgebirge der guten Hoffnung 34° S. Breite van Diemensland — 43° 38′ — Cap Horn — 45° 58′ — 232 W. Ferner scheint sich die Regel auszusprechen, daß je weiter die Continente nach Nord hinaufgehen, um desto tiefer erstrecken sie sich nach Süden. Amerika hat nach beiden Polen hin die weiteste Aus- dehnung; dann folgt Europa mit Afrika von Spitzbergen bis zum Vor- gebirge der guten Hoffnung. Endlich Asien und Neuholland von Nova- sembla bis van Diemensland. Südamerika und Afrika haben [[209]/0215] überdies eine merkwürdige Uebereinstimmung in der Einbiegung ihrer Westküsten. Der Golf von Guinea entspricht der Bai von Arika und hier muß nicht übersehen werden, daß auch die Andeskette der Biegung der Bai folgt, was sehr merkwürdig ist. Freilich ist in Amerika die Einbiegung unter 14° 20′ südlicher Breite in Guinea unter 3° nördlicher Breite; allein man könnte sagen, dies hänge mit dem obenerwähnten Factum zusammen, daß Africa sich nicht so weit gegen den Südpol erstrecke als Amerika und daß deshalb auch hier die Einbiegung südlicher sein müsse. Eine ähnliche Erscheinung, wie wohl nicht so deutlich, läßt sich bei Malacca und Neuholland nachweisen. W. 233 Ungefähr vor 15 Jahren entdeckte man im südlichen Meere den Archipelagus von Neu Shetland, den Pawelsinseln und Neu- Georgien und es wurde dadurch eine Meinung wieder hervorgesucht, welche schon Cook glaubte bekämpft und vernichtet zu haben, nemlich daß diese Inseln Vorboten eines großen südl: Continents seien: allein Weddel hat vor 5 Jahren gezeigt, daß es nur ein kleiner Archipelagus Archipelagus sei, und daß weiter gegen Süd sich kein Continent finde. Bis dahin glaubte man, daß Cook mit 71° 10′ die größte südliche Breite erreicht habe; allein Weddel kam bis 74° 15′ und fand in dieser Gegend, sonderbar genug, ein eisfreies Meer. Er be- hauptete daher, es sei leichter nach dem Südpol als nach dem Nord- pol zu kommen. Ein eignes Zusammentreffen ist es, daß das nördlichste Volk, die Russen, das südlichste Land entdeckt haben, nemlich Capt: von Billinghausen fand unter 70° S. B. die beiden Inseln Peter I und Alexander I. Da man auf dem Archipelagus Archipel der Neu-Shetland-Island [[210]/0216] einige sehr große Thiere, wie Elephanten, Rhinozeros, auch reißende aus dem Katzengeschlecht antraf (während auf den übrigen Inseln der Südsee sich meist nur kleine Nager befinden) so glaubte man hieraus schließen zu dürfen, daß diese Inseln Reste eines unter- gegangenen Continents seien, wo nur die großen Thiere gleichsam durch Concentrirung zurückgeblieben wären; allein es scheint wahrscheinlich, daß die Inseln durch Hebung entstanden sind: daß, umgekehrt ein großer Continent sich hat bilden wollen, von dem aber nur die Spitzen hervorgehoben sind. Als Beispiel können wir die Centralrepublik Guatemala anführen, wo sich Vulkane von 8–9000′ Höhe finden: wäre das Meer so hoch gestiegen als der See Nicaragua, so würden alle diese Vulkane wie Inseln, etwa wie die Molucken aus dem Meer hervorsehen. Ueber die Höhe des Sees von Nicaragua über dem Meer habe ich mir eine ältere Messung zu verschaffen gewußt: er wurde 1781 von dem spanischen Ingenieur Don Galisteo(?) zu 140′ über dem Meeresspiegel bestimmt: dies würde für die Legung eines Kanals durchaus keine Schwierigkeiten machen, im Gegentheil das Reinigen der Schleusen etc: etc: erleichtern. W. Der größte Theil aller Inseln auf der Erde befindet sich in den südlichen Meeren und zwar entweder sporadisch in selbstständigen Gruppen vertheilt, oder den Continenten parallel laufend. So ist es der Fall zwischen Amerika und Asien, und da wir in Asien, zumal auf ihrer Ostküste, zum Theil auf Japan und den andern dieser Ostküste parallel laufenden Inseln, Spuren einer uralten, ja der ältesten Kultur finden, so ließe es sich wohl denken, daß durch jene Inselreiche, welche hier von O nach W sich hinzieht, eine Ver- [[211]/0217] bindung von Asien und Amerika statt gefunden habe und auf diese Weise die Kultur nach Amerika verpflanzt sei: wenigstens ist dies wahrscheinlicher als die Annahme, daß dieser Kulturgang über das feste Land Statt gehabt habe, wo die asiatischen Ein- wanderer bis auf 60° N. B. in ein abscheuliches Klima hätten hinauf steigen müssen. In Asien sehen wir, daß die Kultur von O nach W fortgeschritten ist, in Amerika von N nach S. Den größten Contrast den wir für die Gliederung der Continente finden können, bildet in der alten Welt dies vielfach durchschnit- tene südwestliche Asien sammt Europa – gegen die einförmig abgerundete Bildung Africas, worin die Bai von Guinea beinahe die einzige bedeutende Einbiegung ist. W. Von den Bergen. Die Berge sind Erhöhungen, die auf der Veste emporsteigen; (Cic: de natura deorum) wir theilen sie in 2 Sÿsteme: 1., wo eine elliptische Masse durch die elastischen Dämpfe sich ge- hoben hat: dahin gehört der Gebirgsstock zwischen den beiden un- geheuren Flüssen des neuen Continents (dem Orinoco und Ama- zonenstrom) den ich den Gebirgsstock von Parime genannt habe; dahin der von St. Martha dessen Gipfel sich 4000′ höher als der Montblanc also 18000′ erheben. 2., wo man die emporgehobene Masse gleichsam als Kette durch die Länder sich hinstrecken sieht: dahin gehört die Andeskette, welche sich 6–700 Meilen von N nach S hinzieht und mehre Knoten bildet. Ich habe diese Knoten genau untersucht und gefunden, daß sie nicht im Verhältniß zur Höhe des Gebirges stehn. Man hat dies früher behauptet, gleich wie an einer Stelle, wo 2 Flüße sich ver- [[212]/0218] einigen eine größere Wassermasse zusammenkommt. (Eine Karte der Andeskette von mir, die bald erscheinen wird, wird dies noch deutlicher zeigen.) Eine der seltenen Ausnahmen, wo 2 Knoten zusammenkommen und eine größere Höhe bilden, findet sich in Ostindien bei dem Nigel-hils oder blauem Berge, die der Dr Leÿden beschrieben hat; ihr Gipfel erhebt sich bis 8000′ während die Hochebene von Mÿsore 6000′ hat. Eine ältere und nicht gegründete Vermuthung ist es, daß alle Ketten zusammenhangen; ungefähr als ob alle Gänge in den Gebirgen, die ein gleiches Streichen haben, im Zusam̃en- hange stehn müsten. Eben so wie man auf die Höhe der Knoten, welche wie Strahlen aus einem Mittelpunkt ausgehen, zu viel Wichtigkeit gelegt hat, ebenso unrichtig hat man behauptet, daß die Zentralkette höher sein müste als die begleitenden Ketten. Dies ist durchaus nicht in der Natur der Erscheinungen begründet und läßt sich weder theoretisch noch practisch beweisen. In der Andeskette finden wir grade das Gegentheil: wo der eine von den beiden parallel laufenden Gebirgszügen aufhört in die Gränze des untern Schnees hinauf- zureichen, da ungefähr hebt sich der andere bis in die Schneegränze hinein. Noch ein anderes Vorurtheil ist es, daß die Flüße nie die Gebirgsketten durchbrechen sollen. Davon finden sich un- zählige Beispiele und das deutlichste in Amerika, wo der Ama- zonenstrom sogar die Centralkette der Andes durchbricht, die sich ihm quer in den Weg wirft und hier schöne Wasserfälle bildet. Ich habe diese Gegend besucht und die Erscheinungen genau beschrieben. Ein anderes Beispiel giebt der Indus, welcher nördlich von Pendjab [[213]/0219] aus dem Himalaja kommt und eine entgegenstehende Gebirgskette durchbricht. Eine besondere Aufmerksamkeit habe ich auf die Höhen der Flächen gerichtet, die man in der Nähe der Gebirgsketten findet, und gefunden, daß sie von doppelter Art sind: entweder erstrecken sie sich in gleichem niveau bis an den Fuß der Kette, die dann steil aus der Ebene emporsteigt, oder sie haben ein all- mähliges Anschwellen gegen das Gebirge zu. Von beiden haben wir Fälle in Amerika, die sehr auffallend sind. Der Ge- birgsstock von Parime gehört zu denen, die steil aus der Ebene emporsteigen. Hier ist es einerlei, ob man sich in größerer oder geringerer Nähe des Gebirges befindet, die Höhe der Ebene bleibt fast ganz dieselbe bis an den Fuß desselben; bei der Andeskette dagegen findet ein Anschwellen Statt und die Höhe der Ebene nimmt zu, je mehr man sich den Bergen nähert. 236 W. Eine merkwürdige Erscheinung ist es, daß die größten Höhen im alten Continent sporadisch zerstreut sind, wogegen sie in dem neuen Continent alle auf einer Linie zusammenge- drängt liegen. In Amerika findet man außer der Andeskette keine Höhen weiter, die nur 8000′ erreichten; es ist also an- zunehmen, daß hier die Andes wirklich die Zentralkette sind. Setzen wir aber in Europa die Schweiz als einen solchen Zentral- stock, weil sie die größten Höhen unsers Erdtheils hat, so zeigen sich außerdem Höhen von 6000–10000′, sehr weit davon entfernt und hieraus scheint hervorzugehen, daß die elastischen Kräfte ganz anders bei der Bildung der beiden Continente wirkten. 237 l. 40. Vorlesung, 22. März 1828 Im neuen Continent liegen alle Höhen im Westen auf der fehlt Seite [[214]/0220] AndesKette 20–25 Meilen von der Südsee entfernt. Bei 300,000 □ Meilen ist weiter kein einziger Schneeberg, sondern alle Höhen bis 8400′ sind zusammengedrängt an die schmale Zone des west- lichen Theils des Continents. Ganz anders ist es im alten Continent; außer den Alpen finden sich in Europa hohe Berge in Spanien, Scandinavien, Süditalien, also sehr vertheilt. Zwischen dem Verhältniße nach fixen Proportionen findet man große Uebereinstimmung welche sich numerisch ausdrücken läßt. Den mittleren Rücken einer Gebirgskette findet man dadurch, daß man die Höhe von 10 bis 12 Pässen nimmt. Diese sind gewöhnlich unter der Schneegränze; man kann also annehmen, daß der mittlere Rücken etwas höher ist als die Pässe, etwas niedriger als die Schnee- gränze. Den höchsten Rücken der Andes bezeichnet der mittlere des Himalaja; der höchste der Pyrenäen den mittlern Rücken der Andes. Das Verhältniß von 6 der größten Gebirge ist in Rücksicht der höchsten Punkte zu dem mittlern Rücken wie 1 : 18/10 oder wie 1:2. z. E. Alpen wie 1 : 2. Pässe 1200 Toisen; der höchste Punkt 2462 Toisen Andes 〃 1 : 2. – 1850 〃 〃 〃 〃 3350 〃 (bei den Andes giebt es übrigens einige sehr hohe Pässe welche höher sind als der Montblanc.) Himalaja wie 1 : 2 Pässe 2430 Toisen, der höchste Punkt 4400′ nemlich der Dewala Ghiri wie wenn der Gotthard auf dem Chimboraco stände. Beim Himalaja bestehn die höchsten Punkte aus uranfänglichem Gestein, bei den Andes aus vulkanischem Gestein welches castellartig sich auf dem höchsten Rücken erhebt und der Gegend ein eigenthümliches pittoreskes Ansehn giebt. Dhawalagiri ? [[215]/0221] Beide Gebirge sind gar verschiedenartigen Anblicks. Caucasus wie 1 : 2. Pässe 1326 Toisen; höchster Punkt Elleborus 2783 Toisen Alleghani 〃 1 : 2. 〃 550 〃 〃 〃 Washington . 1040 — Die brasilianischen Gebirge ganz ähnlich dem Alleghani. Venezuela- Gebirge (nordöstl: Zweig der Andes) wie 1 : 18/10 Pässe 750 Toisen; höchster Gipfel 1350. Pÿrenäen die Pässe höher als der Alpen; höchster Punkt der Mala ?detta 1790 Toisen. Zwei sehr auffallende Abweichungen von dieser Regel finden sich bei 1., den Appeninnen wie 1 : 4 Pässe 400 Toisen höchster Punkt 1490 Toisen 2., den Kiölen wie 1 : 3 Pässe 420 Toisen höchster Gipfel 11–1200 Toisen. Alle diese Gesetzmäßigkeit würde verschwinden wenn der Meeresspiegel sinkt: Die Gebirge selbst haben 5 Elemente ihrer Axe: 1., durch den Rücken selbst. 2., durch die divortia aquarum (Wasserscheide) 3., durch die maxima aller Höhen. 4., durch die Natur der Gesteinarten. 5., durch das Streichen der Schichten, welches gewöhnlich parallel ist dem Ausgehen der Gebirgsarten selbst; doch oft ist dies auch durchaus nicht der Fall. Die durch die Wasserscheide gelegte Axe ist oft zur Sprache gekommen bei den Gränzstreitigkeiten zwischen Frankreich und Spanien. Das Streichen der Schichten ist keineswe- ges so zufällig als man gewöhnlich glaubte; man findet im Ge- gentheil große Strecken sehr bestimmten Gesetzen unterworfen, einen Loxodromismus oder Parallelismus. L. v. Buch hat darauf [[216]/0222] eine Eintheilung von ganz Deutschland begründet, nemlich in 4 Theile: 1., Sÿstem von Belgien welches von N. O nach S. W streicht. 2., Nordöstliches Sÿstem, welches vom Teutahnzerwalde bis zur Donau bei Regensburg von N. W nach S. O streicht. 3., Rheinsÿstem und 4., Alpensÿstem. Im nördlichen Deutschland ist eine Uebereinstimmung zwischen der Richtung der Lüneburger Haide und mehren Flüßen. So bilden Spree und Havel eigentlich die Vereinigung der Elbe und Oder, so daß Cuxhaven eigentlich die Odermündung, Bremen die Elbmündung wäre. Auf großen Hochebenen ist die Richtung der einzelnen Gipfel sehr verschieden von der Richtung des Gebirges; so auf Amerikas und Asiens Hochebenen. Von den Ebenen. Eine absolute Verschiedenheit zwischen Ebene und Berg läßt sich eigentlich nicht angeben. Eigentliche Ebenen nennen wir die großen Tiefländer ohne irgend eine Verschiedenheit in der Oberfläche und als Typus dienen uns dazu die großen Ebenen Ame- rikas. In Europa finden wir sie wieder in Ungarn. Die Ebenen Südamerikas haben ein Areal von 1700 Meilen. Sie sind nicht alle baumlos; nur die nördlichen, die Steppen von Caraccas und die südlichen die Pampas von Buenos Ayres welche sich bis Patagonien erstrecken sind baumlos, bloß mit Gras bewachsen, weil ihnen das Wasser fehlt. Die Ebenen am Amazonenstrom aber sind mit dichter Waldung bedeckt, so daß Affen, wenn sie nicht durch die Flüsse aufgehalten würden, 700 Meilen auf den Gipfeln der Bäume wandern könnten. Von den Ebenen in Afrika hat Ehrenberg [[217]/0223] gezeigt, daß sie nicht so eben sind als man bisher geglaubt, so daß es nicht ihr characteristisches Kenntzeichen ist, daß sie Wüsten oder Grasfluren wären. In diesen Ebenen entwickeln sich die Flüße. Wenn sie durch die Längenthäler der Gebirge durchbrechen und durch ein Querthal entströmen, laufen sie der Axe der Ge- birge eine zeitlang parallel *) und erst dann entwickeln sie sich freier und unabhängiger. In den Ebenen bilden sie Anastomosen. Flüße können sich nemlich dadurch theilen, daß sie verschiedenen Flußthälern folgen, oder, was seltener ist, in einem und demselben Flußthal sich scheiden. Wenn sie in solchem Fall nicht in der Mitte, sondern nahe an der Grate des Flußthales fortrinnen und hier sich ein niedriger Punkt findet, so muß eine Bifurcation geschehen, woraus hervorgeht, daß der Fluß zweien Flußgebieten angehört. So sendet der Orinoco einen Arm in den rio negro und verbindet sich auf diese Art mit dem Amazonenstrom. Dieser Fall ist nicht so ganz einzig in seiner Art. Der Arno hatte früher einen Arm, arno Teverone genannt, der in die Tiber ging; es ist jetzt diese Anastomose versandet bei lago de Montecaçiano, wo sich eine Schnelle gebildet hat. Eine ähnliche Erscheinung findet sich noch nach v. Buch bei Torneo in der Calixtelf. Die durch Petrarcas Gesänge berühmte Vaucluse geht in die SorgeSorbe? und in die Nesse und Lauvaise. Unentwickelte Flußsÿsteme können freilich die Bifurcation hindern. Doch sind alle Delta’s ja nichts weiter als Bifurcationen. Auch Regenwasser bildet manchmal solche Vereinigungen. So sind bei starken Regengüssen der Lorenzostrom und der Ohio mit einander verknüpft. ? 219 Neste ? *) Auf dieses Gesetz hat zuerst Ritter aufmerksam gemacht. [[218]/0224] Merkwürdig ist die Kleinheit der Gefälle bei großen Strö- men. So spürt man im Amazonenstrom und Orinoco bei 100 Meilen Entfernung von der Mündung noch Fluth und Ebbe bis 13–14 Zoll. Die Fluth steigt parallel mit dem Boden auf. 41. Vorlesung, 24. März 1828 Die Größe des Flußgebietes bestimmt die Menge des Wassers. Setzt man den Rhein = 1 so ist die Donau in Rücksicht ihres Flußge- bietes = 4, der Amazonenstrom = 22. Wenn das Flußgebiet groß und der Fluß schmal ist, so entstehen nach starkem Regen etc: gefähr- liche Anschwellungen. In dem Gebiet des Rheins fällt etwa 24″ Wasser, in dem des Amazonenstromes 80–88″; daher sind denn auch die Flüße die besten Ombrometer. Seit Jahrtausenden findet sich eine große Gleichheit der Wassermassen und der Epochen der An- schwellungen. Der Nil hat an seinem Ausfluße dieselbe größte Höhe wie der Orinoco und Amazonenstrom 80 Meilen vor seinem Ausflusse; sie steigen nemlich 24′ hoch. Seit 26 Jahren ist diese größte Höhe ganz constant geblieben und die Zeit des Anschwellens hat höchstens 5 Tage geschwankt. Die Geschwindigkeit des Flußes selbst kommt hierbei mit in Anschlag. Man hat leider hierüber noch nicht viel Gewisses. Girard hat beim Nil viel gethan. Die Flüße münden sich entweder in inländischen Seen, wie dies in den Steppen der Fall ist, oder sie münden sich ins Meer, oder nach Francklins Beobachtung sie verflüchtigen sich in der Atmosphaere. Merkwürdig ist, daß einige, je weiter sie fließen, desto weniger Wassermasse haben; so hat man es gefunden beim Oranjefluss oder ich selbst beim rio Apure. Doch findet sich dies nur in Tropengegenden, wo sie ja häufig 52–54° R. auszuhalten haben, und in den Sand, wie in einem Schwamm eingesogen werden. Orangeriver [[219]/0225] Wenn die Flüsse ins Meer fließen, so findet sich bei ihnen die Erscheinung der Ebbe und Fluth. Dies sind periodische Schwingungen, veranlaßt durch die Anziehung der Sonne und des Mondes. Das Fluß- wasser wird in die Höhe gehoben und wieder niedergesenkt, durch das, darunter fließende Meerwasser, welches als das Schwerere unten bleibt. So hat man in Schottland Beobachtungen angestellt, daß das obere Wasser ganz süß war, das tiefer geschöpfte aber salzig; bei ungestümen Fluthen mischen sich auch wohl beide. Diese Oscillationen sind die unmittelbar auf der Oberfläche wahrzunehmenden Beispiele der Attraction der Himmelskörper. In frühern Zeiten konnten höchstens die Phoenizier dieses Phaenomen kennen, da sie allein über die Säulen des Herkules hinaus gekommen waren; so be- schreibt sie Nearch am Indus als ein Wunder. Pÿtheas aus Massilia hat zuerst Beobachtungen darüber angestellt. Plato, der alles aus dem Innern der Erde abzuleiten suchte, glaubte, daß sie Folge eines Hervorsprudelns aus dem Erdkern seien. Plinius aber sagt schon richtig: causa in sole lunaque. Genau auf die Ge- setze der Attraction führte sie zuerst Newton zurück 1687. Dann hat Laplace (zuerst 1772) sie genauer berechnet und Beobachtungen mit den Berechnungen verbunden in Brest wo die Fluth zu 45′ steigt. Er hat berechnet, daß die Sonne 13,000,000 mal stärker anzieht als der Mond und das Verhältniß ist wie 24/10 : 1. Das Heben und Sinken geschieht 2 mal zwischen jeder Culmination des Tages. Die größten Fluten finden Statt bei Vollmond und Neumond, wie Caesar zu seinem Schaden schon in Gallien erfuhr; dann wirkt Sonne und Mond zusammen. Laplace hat mit solchem Scharfsinn die Sache behandelt, daß er bei den Beobachtungen in Brest durch Ebbe und Fluth genau die 245 l. [[220]/0226] Masse des Mondes gefunden hat. Die Aenderung während der Sonnen- und Mondnähe ist bedeutend; bei Brest ist die Fluth während der Mondnähe um 5′ höher; auch die Nähe der Sonne äußert sich dort mit großer Deutlichkeit. Der höchste Punkt des Wasser-Ellipsoïds ist immer nach dem Mond oder der Sonne hin; beide bewirken, daß einzelne Theile des Wassers vom Mittelpunkt der Erde sich entfernen. Es geschieht dies aber nicht bloß in der Axe zwischen dem Mittelpunkt der Erde und dem altrahierenden Körper, sondern auch im entgegenge- setzten Punkt, also gleichsam im Zenith und Nadir. In eingeschlosse- nen Meeren finden andre Verhältnisse Statt, weil durch die Träg- heit der Masse, die Wirkungen später eintreten. Bei den Mit- telmeeren muß man in dieser Hinsicht ihre Richtung wohl unter- scheiden; wenn sie sich von West nach Ost strecken, so kommt die Wirkung schneller als wenn sie von Nord nach Süd sich erstrecken. So ist das Steigen und Sinken sehr verschieden im caspischen und mit- telländischen Meer; weil ersteres von Nord nach Süden liegt, letzteres von Ost nach West. Was man überhaupt von Ebbe und Fluth im caspischen Meer gefunden, ist nur Folge der Winde, denn es ist nicht tief genug. Die Tiefe ist bei diesem Phaenomen wohl zu beachten. Auch auf die Lage der Oeffnung kommt viel an. Wenn die Oeff- nung des Mittelmeers gen Osten läge, so würde es viel mehr Fluth haben. Nördlich von 64° N. B. sollte nach der Theorie keine Ebbe und Fluth mehr Statt haben. Dennoch findet sie sich dort und zwar von 15′; dies könnte ein Beweis sein für eine Nordwestpassage. Das Anschwellen des caspischen Meers und der Ostsee ist Folge von periodischen Winden; im antillischen Meer ist sie nur 6–10″; am stärksten ist sie bei der Bretagne wo sie bis 60–65′ steigt. [[221]/0227] An mehrern Flußmündungen z. E. des Amazonenstroms, der Dordogne und Garonne sieht man ungeheure Wassermassen häuserhoch anschwellen; dies ist Folge des Anstemmens 2er Fluthen, wenn sie zusammenkommen; man nennt solche Erscheinungen mascarets. Mascaretts. Verschieden von Ebbe und Fluth ist die Bewegung der Wellen. Die Höhe der Wellen ist sehr verschieden und dabei wohl zu untersuchen ob sie an einen festen Punkt anschlagen. Seevin hat unter 70° N. B. in Skandinavien die Wellen 700′ hoch schlagen sehen. Die Messungen der frei im Meere schlagenden Wellen sind sehr schwer zu machen; man hat gewöhnlich nur geschätzt und deshalb oft übertrieben. Am besten mißt man sie nach der Depression des Horizonts. Auf diesem Wege fand ich die höchsten von 42–44′; was auch durch viele Seefahrer mir bestätigt ward. Die Höhe hängt nicht allein von der Impulsion des Windes und der Interferenz der Welle ab, sondern auch zu gleicher Zeit von der Tiefe des Mee- res. Dies zeigte zuerst Brémontier. Er meint, daß bis 60 ja 80′ tief das Meer wenigstens aufgewühlt werde; doch bei starken Stürmen wird es selbst bis 160′ tief aufgewühlt wie ich an einer Bank in Neufundland beobachtet habe, welches auch bestätigt ist durch eine Beobachtung an der Agulias-Bank bei Südafrika. Die Bank war nemlich, obgleich das Meer 160′ darüber stand, doch auf- gewühlt. Die phÿsische und mathematische Lehre von der Welle hat be- deutenden Zuwachs gewonnen durch die Beobachtungen der Brüder Ernst und Wilhelm Weber. Sie machten zuerst bloß Versuche mit Quecksilber u. fanden, daß die Dichtigkeit des flüßigen Gegen- standes sehr mit in Anspruch komme. S. 248 l. ? 223 [[222]/0228] Das Meer umfaßt ⅔ der Erdoberfläche. Die Tiefe desselben kañte man mit Gewißheit nur auf 7000′, wegen der Schwierigkeit des Sondirens. Schon die Alten meinten die größte Tiefe des Meeres wäre gleich der größten Höhe der Berge. Plutarch setzt den Olÿmp 12000′ hoch und meint das Meer sei aber so tief. Mit der Dichtigkeit des Meerwassers hat man sich viel beschäftigt, ist aber nur immer unklarer geworden. Man meinte die größte Dichtigkeit finde sich unter dem Aequator; ich suchte eine andere Zone, habe aber nichts sicheres gefunden. Nach Gaÿ-Lussac macht sie 3½ Procent aus. Aus allen von Gaÿ-Lussac, John Davÿ und mir angestellten Versuchen, sieht man, daß die Breite nicht viel Einfluß auf den Unterschied der Dichtig- keit hat. Es ist nicht einmal richtig, daß in größerer Tiefe das Wasser dichter und salziger wäre. Was den Inhalt anlangt, so finden sich 4 Stoffe immer im Meerwasser: salzsaures Natrum 26/10, salzsaure Bittererde 5/10 schwefelsaures Natrum 5/10 salzsaures Kalk1/100. Ballard hat auch Brom und Jod in der Mutterlauge des mittelländischen Meeres gefunden; ferner hat man noch entdeckt: schwefelsaures und salzsaures Kali 1/2000, nie aber salpetersaure Salze. Aus der kohlensauren Kalk- erde die man ferner fand, setzen wahrscheinlich die Conchilien ihre Schalen zusammen. In den Sandebenen gehen auch wohl Reini- gungen des Meerwassers vor, denn es finden sich süße Wasser in der Ufergegend und so fern vom Gebirge, daß sie schwerlich durch hÿdrostatischen Druck hervorgebracht werden konnten. Man kann das Wasser reinigen auf 2erlei Weise: 1., durch Destillation wie Freycinet es auf seiner ganzen Reise gebrauchte. 2., durch Fil- triren durch 15′ trocknen Sand; doch ist denn nur das zuerst durchge- drungene Wasser frei vom Salz. Schon Plutarch und Aristoteles 250 l. G r. [[223]/0229] meinten wenn man es durch Wachskugeln rinnen ließe werde es süß. Außer den oben angegebenen Bestandtheilen findet sich noch ein feiner Schlamm darin. Daraus entsteht die Uebelkeit und damit hängt auch das Phaenomen des Leuchtens zusam̃en. Es giebt 2 Gründe dieses Leuchtens: 1., wird es verursacht durch vollkomnere Thiere wie Pÿrosona oder unvollkomnere, Mollusken, Zoophÿten wie Beroe, Medusa u. a. Aber dies ist nur ein sehr kleiner Theil. 2., wie Ehrenberg vom rothen Meer gezeigt, kommt es her von vegetabilischen Stoffen oder organischen Membranen. Leuchtende Infusionsthiere giebt es überhaupt gar nicht. Bei jenen leuchtenden Thieren bringt die Erschütterung und galvanischer Nervenschlag das Leuchten wieder hervor. Alle diese Erscheinungen hängen mit dem Zustand der Atmosphaere zusammen. Die Thiere werden vielleicht dadurch an die Oberfläche gelockt; wenn das Leuchten aber von der Oberfläche selbst herrührt, so ist der Einfluß der Atmosphaere darauf nicht recht zu erklären. G 42. Vorlesung, 25. März 1828 Bisweilen sieht man die Mollusken auch in der Tiefe leuchten, woraus hervorgeht, daß die Berührung der Atmosphaere nicht nöthig ist um diese Phosphoreszenz bei ihnen zu erregen. Der größte Theil des Leuchtens aber kommt von organischen Theilen her welche in dem ganzen Meere zerstreut sind und einen Schleim bilden, den ich selbst durch ein feines Tuch das Wasser seihend, entdeckte, und den außer mir auch Lichten- stein und Ehrenberg beschrieben haben. Dieser Schleim bildet auch die herrliche Erscheinung, daß aus dem Kiel der Schiffe Flam̃en zu schlagen scheinen und Corallen-Riffe, auf die das Wasser schlägt fernhin leuchten. Ehrenberg hat ihn mikroskopisch unter- sucht und ein Gewebe von membranisch-organischen Theilen gefunden. [[224]/0230] Die Farbe des Meeres ist ein schwieriger optischer Gegenstand, und eben so schwierig wie die Farbe des süßen Wassers zu bestim̃en. Wir führen nur an, daß es indigoblau unter den Tropen ist und zwar nicht als Folge des Reflexes vom Himmel; sondern es er- scheint auch so, wenn Wolken denselben decken. Im Norden ist es nach Scoresbÿ bald blau, bald grasgrün. In dem grünen ver- weilen die Wallfische gern weil sich hier eine Menge Mollusken finden, von denen sie leben. Wie tief das Licht in das Meer ein- dringt ist noch nicht genau bestimmt. Bei 30–40′ Tiefe sieht man in Taucherglocken nichts mehr, aber das kommt wohl von der Bewegung der Oberfläche. Schon früh ward dies erkannt und deshalb goßen schon die Alten an Stellen wo sie tauchen wollten Oel auf die Oberfläche, wodurch sie besänftigt wird, denn eine jede Veränderung der Haut des Meeres verändert schon die Wellenoscillation; so schlägt selbst der Regen unter den Tropen, wo er gewöhnlich in großen, einzelnen Tropfen fällt, die Wellen nieder. Eine merkwürdige Erscheinung machte Arago bekannt, daß man den Grund des Meeres wie eine Landkarte vor sich sieht, wenn man auf eine große Höhe geht; so hat er auf Iviça und Majorca von 300′ Höhe den Boden gesehn. Die Ursache hiervon ist, daß der Unterschied des Lichts welches aus der Tiefe dringt dadurch größer wird von dem Licht welches über der Oberfläche ist. 252 Wenn wir von der Temperatur des Meeres reden, so müssen wir wohl unterscheiden die der Oberfläche, der Tiefe und der Sandbänke. 253 1., Die Oberflächentemperatur der Meere hat den größten Einfluß auf die Meteorologie, denn bei dieser ist ja die Hauptsache immer die [[225]/0231] relative Lage und Areal der Flüssigkeit und des festen Landes. Hierbei ist aber wiederum wohl zu unterscheiden die Oberfläche des Meeres in Ruhe und bei Stürmen. Die Wasserfläche nimmt nur einen Theil der Temperatur an, welche die Luft modificirt. Unter den Tropen kann man hierüber am deutlichsten die Gesetze erkennen, weil hier kein so großer und schneller Wechsel der Witterung Statt findet, und überhaupt die Meteorologie von den Tropen ausgehen muß. Bei Ruhe der Luft ist der Unterschied dort von Tag und Nacht 6–7°, im Meer da- gegen ist er so geringe, daß man ihn ganz läugnete. Neuerlich haben John Davÿ und auf meine Bitte Duperreÿ und Freycinet ihre Aufmerksamkeit darauf gewandt und ½ bis ¾° R. gefunden. Merkwürdig ist die Tendenz des Meeres zur Erwärmung selbst. Wenn die Oberfläche gegen wolkenfreien Himmel Wärme ausstrahlt, so müssen die Theile selbst erkalten, sie sinken zu Boden und können nicht wieder heraufkommen. Im Ganzen ist zwischen 48–50° N. B. und S. B. das Meer allemal etwas wärmer als die Luft, was von dem größten Einfluß ist, durch die Winde welche vom Meere kommen, auf alle unsere Temperaturver- hältniße. Die monatlichen Veränderungen sind in den tempe- rirten Zonen 7 mal, unter den Tropen 6 mal kleiner als in der Luft. Sehr wichtig ist es die größte Kälte zu erfahren zu der der atlantische Ocean herabsinkt; da wir ⅔ des Jahres Westwinde haben, so ist dies schon Grund der Wärme Europas. Ich selbst habe viele Beobachtungen zu diesem Zweck gesammelt und volle Bestätigung erhalten durch Rennels Beobachtungen, der sich [[226]/0232] lange mit den Strömungen im atlantischen Ocean beschäftigt hat. Bis 50 und 52° N. B. erkaltet er sich nie mehr als 6–7° über den Ge- frierpunkt. Man kann also sagen, daß die Temperatur des atlan- tischen Oceans im Winter gleich ist der mittlern Temperatur Berlins im Mai. Zwischen 65–70° N. B. ist seine mittlere Temperatur nach Rennel u. Sabine 4½° über 0, wenn die mittlere Temperatur des Jahres in diesen Gegenden 2° unter 0 ist. Was die größte Wärme des Meeres unter den Tropen anlangt, so haben wir auch diese jetzt mit Genauigkeit kennen gelernt. Die mittlere Temperatur unter dem Aequator ist 21½–22° R. So oft die Seefahrer den Aequator durchschnitten, so haben sie nach und nach die Temperatur zunehmen sehen wenn sie die Wasser maßen. Doch findet sich ein maximum und zwar nicht unter dem Aequator selbst, sondern nach Unterschied der Declination der Sonne etwas nördlich oder südlich vom Aequator. Die Schiffer haben diesen Punkt des maximi seit 30 Jahren alle an derselben Stelle gefunden, zwischen 24–24½° R. In neuster Zeit ist in der Südsee etwas nördlich vom Cap Quassacamo das maximum aller Meereswärme zu 24¾° R. gefunden durch den Dänen Dierking (?) und zwar nicht bei Windstille, sondern bei leisem Winde. bei Panama 2., Wenn man das Meer in Bewegung beobachtet, so findet man Strömungen verschieden temporirten Wassers durchs Meer fließen. Wenn diese Ströme aus einer Meerenge hervorkom- men wie z. E. der Golfstrom, so ist die Breite anfänglich so wie die Breite der Meerenge selbst, nachher wird er aber im̃er breiter. Höchst wichtig ist ihre Richtung, ob sie von den Tropen nach den temporirten Zonen oder umgekehrt ziehen; jene bringen Boissacamo ? [[227]/0233] wärmere Wasser in die temporirte Zone, diese kälteres in die Tropenregion. Der Golfstrom ist, wie bekannt, Folge der großen Rotation und würde nicht existiren wenn Süd- und Nord- Amerika getrennt wären. Er bringt einen Strom warmen Wassers mit großer Schnelligkeit nach dem Norden bei terre-neuve vorbei, dann dreht er sich gegen Osten in 2 Strömen Europa zu, von denen der eine auf die Azoren zugeht der andere gen N. O. nach den irländischen, hebridischen und skandinavischen Küsten. Durch diese Strömungen sind viele Sämereien, ja selbst ge- scheiterte Schiffsgüter von den Tropengegenden nach der ir- ländischen und norwegischen Küste gekommen. Ja lebendige Eskimos sind 1682 und 1684 mit dieser Strömung in ihren kleinen Böten an die hebridischen Inseln verschlagen worden. Plinius schon erzählt, daß Indier an den gallischen Küsten gestrandet wären und von dem gallischen Könige an die Römer geschenkt. Auf ähnliche Weise wie im atlantischen Ocean warme Strö- mungen in den Norden kommen, habe ich in der Südsee an der Küste Perus eine kalte Strömung gefunden, welche von Südamerika heraufkommt und längs der Küste in die Tropen- gegend gelangt. Nördlich von Lima wird sie westlich geworfen und dort habe ich sie passiert, hier findet man an einem Tage in der Strömung 12½° und außerhalb der Strömung 22° R. Dierckink hat hierüber viele Beobachtungen angestellt welche mit meinen harmoniren. Von den Meeresströmungen im Allgemeinen bemerken wir, daß sie nicht etwa bloß auf der Oberfläche sich halten, sondern sehr tief gehen wie dies an der Agulhoa BankAgulias-Bank beim Cap der [[228]/0234] guten Hoffnung sich zeigt, welches 60 Brassen tief doch Spuren der Strömungen trägt siehe oben. Wenn man sich hinabsenkt ins Meer nimmt die Temperatur ab, eben so wie wenn man in die Atmos- phaere hinaufsteigt. Doch ist die Abnahme der Wärme sehr ver- schieden in Luft und Wasser; sie geschieht 6 bis 8mal schneller im Wasser. Die besten Beobachtungen dieser Art sind von Sabine. Wo die Oberfläche des Meers 22½° hatte, fand sich bei 6–7000′ Tiefe nur 44/10, das giebt 70′ für 1° R.; in der Luft muß man aber 5–600′ steigen wenn die Temperatur um 1° sinken soll. Péron hat aus dieser Erscheinung fälschlich geschlossen, daß Eis im Grunde des Meeres sei. Saussure hat gezeigt, daß es sich nur bis 4½° zusammenziehe und dann wieder ausgedehnt wird. Graf Rumfort (dem Bercelius beipflichtet) meinte freilich durch das Salz werde diese Theorie gestört, allein es ist ja nur 3½ procent Salz im Meerwasser. Scoresbÿ u. a. bestätigten sie ja auch aus der Erfahrung, denn sie fanden selbst im Norden wärmere Wasser in der Tiefe. Aehnlich fand Saussure in allen Seen die Temperatur 4½° R. In den Tropen freilich kann es nicht so kalt sein. Uebrigens ist schon die größere Kälte in den Tropen- gegenden Beweis für eine submarine Strömung von den Polen nach dem Aequator. Dies ist deshalb schon nothwendig anzunehmen, weil sich sonst nicht erklären würde wie hier Wasser von 4½° R. gefunden werden könne, da die Atmosphaere sich nie mehr als 15° erkältet. 43. Vorlesung, 26. März 1828 3., Eine verschiedene Temperatur des Meeres finden wir ferner in der Nähe der Sandbänke, so daß man diese durch Thermometer- messungen entdecken kann. Schon früh behaupteten Seefahrer, [[229]/0235] daß das Meer in der Gegend von Sandbänken kälter sei und ich machte dies zum besondern Gegenstand meiner Untersuchungen. Die Bänke wo schnelle Strömungen sind erkälten das Meerwasser nur wenig. Auf den übrigen aber findet man, eben der Kälte wegen, gewöhnlich Nebelschichten gelagert, wodurch denn auch na- türlich die Witterung sehr verändert wird. Auf neuen Seereisen machte man vielfach Gebrauch von dieser Erfahrung, so daß man zur Sicherheit von 2 zu 2 Stunden die Temperatur des Meeres untersuchte. Auf der großen Bank bei térre neuve habe ich im August die Temperatur des Golfstroms zu 17° R. gefunden, die des Meers außerhalb des Stroms 15–16°; auf der Sandbank selbst nur 12°, also beträgt die durch die Bank verursachte Erkältung 4–5°. Dasselbe Verhältniß findet sich bei der Bank von Jamaica. Was die Ursache anlangt so meint Davÿ, daß es daher komme, weil die kalten Partikeln, welche von der Oberfläche niedersinken der- selben näher bleiben als im freien Meer. Doch wahrscheinlicher rührt es daher weil hier die verschiedenen temperirten Wasser mit einander verbunden werden, durch welche Bewegung des Wassers Kälte entsteht. Dies hängt auch damit zusammen, daß man bei heftigen Stürmen schon in der Ferne eine Erkältung auf der Oberfläche des Meers spürt, eine Bemerkung welche wir Péron verdanken. Ganz falsch meinten die Alten, daß das Meer durch die Bewegung sich erwärme. Betrachtung des Meers als Starres oder von dem Meereis. Als solches macht das Meer einen Theil des festen Erdkörpers aus, gleichsam eine Gebirgsart. Das Eis zeigt sich entweder als Eisberge oder als Eisfelder. Erstere sind Gletscher, am Lande gebildet; sie [[230]/0236] sind weniger durchsichtig und mit Schnee durchdrungen. Sie finden sich am Nordpol häufiger als am Südpol, am meisten bei der Baffinsbaÿ und der Barrowstraße. Man hat ihre Dicke zu 400′ gemessen und manchmal 700 solcher Berge beisammen gefunden. Merkwürdig ist, daß große Granitblöcke auf den Eisbergen sich finden; Beweis, daß sie am hohen Ufer sich bilden. Kotzebue hat auf seiner Reise selbst Vegetation mit Erde auf ihnen entdeckt, welches später von englischen Seefahrern bestätigt ist. Die Eisfelder ragen nur 4–5′ über dem Wasser hervor; unter dem Wasser aber sind sie häufig noch 24–25′ tief. Diese Eisfelder sind häufig so groß, daß man sie mit Provinzen vergleichen kann; man hat sie 22 Meilen lang und 10 Meilen breit gesehen. Sie haben oft eine rotirende Bewegung und hierdurch werden sie den Schiffern gefährlich; wenn 2 solcher Felder zusammenstoßen, zertrümmern sie mit ungeheurem Lärm. Eine andere Eintheilung des Meereises ist auch in Süßwassereis und Salzwassereis. Dies ist aber immer nur graduell zu nehmen. Das flach sich bildende ist natürlich salziger als die Eisberge welche viel Schnee in sich haben und dadurch süßer werden. Durch die Strömungen dringen die Berge bis in südlichen Breiten vor; man hat sie in der Breite der Azoren, 40° N. B. gefunden. An die Küsten der Hebriden und Schottlands kommen sie nie, obgleich doch auch dorthin Strömungen gehen. Scoresbÿ hat dies sehr scharfsinnig erklärt; er meint nemlich, daß nicht immer der obere Strom sie leitet, sondern vielmehr ein unterer Strom, in den sie bei ihrer Größe hinabragen müssen. Der Theorie der specifischen Schwere nach, würde auch nur ⅑ der ganzen Masse über dem Wasser 8/9 unter dem Wasser sich befinden. Ein herrlicher [[231]/0237] Anblick an diesen Eisbergen ist der sogenannte Eisblick (cf: Ritter). Die Wirkungen der Eismassen auf die Atmosphaere sind verschieden nach ihren Volumen. Die großen Berge reinigen die Luft bald von aller Feuchtigkeit, daher der heitere Himmel dessen sich die arktischen Regionen erfreuen; die kleinen Massen sind im̃er mit Nebel bedeckt. Den Wind machen sie still, ein Phaenomen das schwer zu erklären ist, besonders da ich bei den Andesgletschern das Gegentheil gefun- den habe. Die Dicke des Eises hat Parrÿ bei 73° N. B. im December zu 38½ engl. Zoll gefunden und im Februar zu 55″ im Mai zu 86½″, also etwas über 6 französische Fuß. Die Gränzen welche das Eis im Sommer und Winter hat, sind sehr verschieden, aber besonders glücklich gestaltet für Europa. Im Winter geht die Eisgränze vom Cap Farewell durch die Mitte Islands bis gegen den südl: Theil Spitzbergens (so daß das Nordcap frei bleibt von Eis) dann senkt sie sich gegen nova-Zembla in südlichern Breiten. Die Sommergränze läßt Island frei, läuft dann nördlich von Spitzbergen gen Osten nach nova Zembla. Die Ursache dieser großen Bucht welche das Eis im Sommer macht liegt in der Existenz des atlantischen Oceans. Es ist dort der einzige Ort wo der Nordpol diese arktischen Regionen durch einen Canal mit den südlichen Regionen communicirt. Die Temperatur würde ganz anders sein, wenn die Behringsstraße breiter wäre; so kann aber das Eis nicht südlicher getrieben werden als Spitzbergen, weil hier das Meerthal des atlantischen Oceans entgegensteht. Bei Skandinavien trägt zu dem Freisein von Eis auch der Golfstrom bei. Das Wasser desselben steigt nemlich an der westlichen Küste von Norwegen gen N. O. auf. Diese wohlthätigen Verhältniße finden nowaja semlja [[232]/0238] nicht weiter gegen Osten Statt. Dort kommt es also immer viel näher gegen das Land zu bei den Ausflüssen der Lena und dem Archipel von Neusibirien. Der Pol der Kälte fällt also nicht mit dem magnetischen Pol zusammen, sondern er ist zwischen , Neusibirien und der Behringsstraße. Von dem Luftmeer oder der elastischen Flüßigkeit welche den Erdkörper umgiebt. Diese ist sehr verschieden nach der Beschaffenheit ihres Bodens; wo es einen tropfbaren Boden hat, hat es andre elastische Spannung als wo der Boden fester Continent ist. Wie hoch das Luftmeer sei ist nicht genau zu bestimmen; vielleicht 30–32 Meilen hoch, weil hier die Sternschnuppen noch leuchten; doch möchte der Barometer-Druk dort keine halbe Linie sein und die Luft selbst so dünn wie unter unserer Luftpumpe. Wir betrachten: 1.,die Farbe 2., die chemische Beschaffenheit 3., die Feuchtigkeit 4., die Temperatur 5., die electrische Spannung. ? 232 1., Farbe und Licht. In dem Luftmeer ist, es leidet keinen Zweifel, eine lichtschwächende Kraft vorhanden, welche indeß sehr verschieden ist unter den Tropen und in den temperirten Zonen. Unter den Tropen ist die Luft viel blauer, ja schwärzer und es finden sich dort wenige Dunstbläschen welche in unseren Breiten ein weißes, milchiges Licht zurückstrahlen. Die lichtschwächende Kraft in der Luft rührt nicht davon her, daß die Luftschichten einander drücken und verdicken, denn sonst würde in den tiefern Regionen weniger Wärme erzeugt werden können, wenn der Strahl diese gedrückten Massen durch- streicht. Unsere Beobachtungen auf dem Meere zeigen, daß, wenn das Meer kälter ist als die Luft, sich letztere doch um Mittagszeit [[233]/0239] erwärmt, so daß der Unterschied häufig ¾ bis 1° R. beträgt. Man hat freilich nur auf unbequeme Art, die Farbe des Himmels zu messen versucht. Saussure hat das Instrument, den Cyanometer gemacht. Es ist ein Bogen welcher verschiedene Tafeln mit allen einzelnen blauen Nuancen enthält, mit denen man alsdann das Himmelblau vergleicht. Nach diesem Instrumente haben wir 14° die Tropengegenden 21° Bläue. Die Luftperspective wird durch diese Beschaffenheit der Luft modificirt. Die südlichen Länder sind daher mit einem wunderbaren Duft umgeben welcher die Um- riße sonst begränzt. Er beginnt schon in Italien, wird aber immer schöner je südlicher man reist. Kyano- meter 2., die chemischen Bestandtheile sind erst seit 1804 genau bekannt geworden. Früher meinte man, und selbst Lavoisier theilte diese Meinung, daß der Sauerstoff 27/100 ausmache. Der Spanier Demartÿ zeigte 1804 zuerst, daß nur 21/100 Sauerstoff darin sind. 1805 habe ich mit Gay-Lussac bestimmt, daß die Quantität des Sauerstoffs bis 3/1000 bestimmt werden kann und daß sie immer, unter allen Verhält- nißen der Atmosphaere dieselbe ist und daß die Insalubrität der Luft keinesweges aus einem Mangel an Sauerstoff zu erklären ist. Wenn man in Hospitälern wo Epidemien herrschen Schwämme mit destillirtem Wasser aufhängt, so bildet sich auf diesem Wasser eine organische Haut, also müssen wohl besondere Theile die Luft schwän- gern, aber die Quantität des Sauerstoffs bleibt dieselbe. Jene Be- obachtungen hat Thénard gemacht. Eben so falsch ist, was man früher meinte, daß die Luft da gesunder sei, wo viele Pflanzen wachsen. Prévost hat gezeigt, daß in 7000 Jahren das Oxÿgen des Sauerstoffs nicht um 1/100 abnehmen würde. Die chemischen Bestandtheile der Luft sind: [[234]/0240] Sauerstoff – 21 Theile Stickstoff – 79 – Kohlensäure – 1/1000 – Die Kohlensäure ist im Winter etwas geringer als im Sommer. Lange hat man gefragt ob nicht Wasserstoff in der Atmosphaere wäre. Wahrscheinlich steigt in jedem Augenblick Wasserstoff in die Atmosphaere auf, allein wenn es nur 1/300 wäre, so könnten wir es wohl durch unsre Mittel entdecken, aber wenn es weniger ist, so können wir es nicht mehr finden. Sollte es sich, wie einige meinten, in größere Höhen gelagert haben, so fragt es sich, warum wir es hier nicht finden. Der Mensch gewöhnt sich an sehr verschiedenen Druck der Luft. Auf den Bergen verträgt er 13 Zoll in der Taucherglocke 64″, also eine ungeheure Verschiedenheit. Das Bluten der Lippen, Fingerspitzen, Ohren, welches man auf hohen Bergen empfindet, ist nicht Mangel an Oxÿgen sondern Mangel an äußerm Druck. 44. Vorlesung, 28. März 1828 Das Hauptübel auf hohen Bergen ist eine große Geneigtheit zum Speien wie auf dem Meere; es wird von den Spaniern Südamerikas mal de montaña genannt. Die Frauen welche zu Pferde von Guadamaga über die Cordilleren reiten und einen Paß übersteigen der 600′ höher liegt als der Montblanc, spüren außer diesem Uebel zugleich eine große Mattigkeit als Folge der geringeren Menge Sauerstoffs welches beim jedesmaligen Einathmen der Luft in die Lunge kommt, da die Luft überhaupt und also auch alle einzelnen Elemente derselben verdünnter ist, als auf der Ebene. Dacosta hat schon früh hierauf aufmerksam gemacht und ausdrücklich gesagt, daß Bluten und Uebelkeit es wären was man auf den Cordilleren spüre. [[235]/0241] Zumstein ? hat auf dem Montrosa dasselbe gefunden. Auf dem Himalaja wird dieselbe Erscheinung gefunden; die Hindus halten deshalb die Luft auf hohen Bergen für giftig, für welchen Zustand es in der Sanscritsprache sogar ein eigenes Wort giebt und die Engländer behaupten, daß man ihn schon bei 15000′ Höhe finde. Auch Feuer breñt auf hohen Bergen nur schwer. Die Flamme hält hier nicht zusammen sondern läuft auf der Erde fort. Marco Polo machte diese Bemerkung zuerst auf der Höhe welche er Pamer nennt und welche auf dem Abfall des asiatischen Hochlands zum caspischen Meer hin liegt. Aehnliches findet man in einem luftleeren oder luftdünnen Raum. Diese Verschiedenheit des Luftdruckes bringt auch die Strömun- gen hervor. Die regelmäßigen könnte man Ebbe und Fluth der At- mosphaere nennen. Es giebt täglich gewiße Wendepunkte unter den Tropen wo der Barometer aufhört zu steigen und wieder anfängt zu sinken. (cf. oben) Die großen Stürme und Donnerwetter etc: haben hier keinen Einfluß auf den Barometer. Die Stunden sind übri- gens beinahe dieselben auch nördlich und südlich von den Tropenzonen. Die ersten Beobachtungen dieser Art wurden 1682 von Varrin und Claud an der Küste von Afrika gemacht, später in Caÿenne und den Antillen und sie sind jetzt in allen Tropenländern bestätigt worden; sie finden sich vom Meeresspiegel an bis 14000′ Höhe. Nur in Ostindien sind Abweichungen hiervon bemerkt, während der Regenzeit. Allein Roxburgh bemerkt, daß wenn man sich hier nur 6 Meilen von der Küste entfernt, so findet man wieder die- selbe Regelmäßigkeit. In Europa findet man sie nur durch mittlere Zahlen. Unter den Tropen braucht man nur einen Tag zu beobachten um das Resultat zu erhalten, in Frankreich muß man aber schon ? 234 [[236]/0242] 12–14 Tage beobachten um eine Regelmäßigkeit in Mittelzahlen zu finden, und weiter gegen Norden müssen noch mehr Beobachtungen angestellt werden; man hat dies gethan bis Petersburg. Die Quantität der Abweichungen ist sehr geringe und nimmt ab vom Aequator zum Pol hin, während umgekehrt die unregelmäßigen stärker werden nach Norden hin. Da wo die Tropenzone aufhört und schon Nordwinde entstehen, wird, so lange diese wehen, das Spiel der regelmäßigen Ebbe und Fluthen unterbrochen, was von der größten Wichtigkeit für die Seefahrer ist; weil durch den Barometer also der Nordwind vorher verkündigt wird; Ochta in Hewaña hat zuerst diese Therorie practisch angewandt. Nur ungern bediente ich mich des Ausdrucks: Ebbe und Fluth der Atmosphaere, weil man dadurch in Versuchung kommt 2 ver- schiedene Erscheinungen zu verwechseln. Man könnte nemlich meinen, daß die Erscheinungen der regelmäßigen Variationen des Barometers an jedem Tage durch die Attraction der Sonne und des Mondes herrühren könne. Dies ist aber keinesweges der Fall, sondern sie hängt zusammen mit: 3., der Feuchtigkeit und Temperatur des Luftmeers. Der Barometer steht nemlich am niedrigsten 4 Uhr Nachmittags beim maximum der Wärme und vor Sonnenaufgang beim maximum der Kälte; also drückt wahrscheinlich die Sonne durch ihre Erwärmung und Er- kältung, nicht wie bei Ebbe und Fluth durch Attraction. Doch ist alles dies noch nicht genau erklärt. Daniel hat eine Therorie der Luftströme aufgestellt und damit den ersten Schritt zu besserer Erklärung gethan. Man hat versucht zu beobachten ob der Mond Einfluß darauf habe. Mumius meinte diesen Einfluß gefunden zu [[237]/0243] haben allein ich und Bousingaut entdeckten, trotz unserer sorgfältigen Forschungen nichts. Außer dieser regelmäßigen Oscillation, giebt es noch eine andere sehr regelmäßige Bewegung der Atmosphaere und unter den Tropen; nemlich den Passatwind oder einen fortwährenden Ostwind. Man schob seine Ursache der Sonne zu und ihrer Bewegung von Ost nach West. Allein schon d’Alembert erklärte diese Erscheinung besser. Er sagte nemlich: wenn die Lufttheile unter dem Aequator erwärmt werden so entstehe ein Strom von Süd gen Nord; wo Wirkung ist, ist aber immer Gegenwirkung, also wird auch ein Strom von Nord nach Süd gehen. Da nun die Rotationsgeschwindigkeit gegen den Pol hin kleiner ist als am Aequator, so müssen die Erdtheile nörd- licher vom Aequator berührt werden von den Luftpartikeln welche träge zurückbleiben und welche nicht schnell genug mitkom- men können. Da die Bewegung aber von Ost nach West geht so muß sie gegen die zurückbleibenden Luftpartikeln schlagen und diese Erscheinung ist der Passatwind. Vom Aequator nördlich gehen diese Winde nach Südost, südlich vom Aequator nach Südwest. Im atlan- tischen Ocean gehen diese Südostwinde weiter nördlich hin als sie es in der Südsee thun. Beweis, daß sie durch die Continente modificirt werden. Die merkwürdige Beschaffenheit der Gränze der Nord- und Süd-Passatwinde ist schon 1666 beobachtet und 30 Jahr später schrieb Halleÿ hierüber. Auf ähnliche Weise wird das Gleichgewicht scheinbar gestört durch die sogenannten Land- und Seewinde. Bei Tage entsteht auf dem Continent durch die Wärme eine aufsteigende Luftsäule und die Luft vom Meer muß dafür einströmen. Da bei Nacht nun [[238]/0244] dies ganz anders ist als bei Tage, so sind tägliche Verschiedenheiten hierin sehr natürlich. Es scheint als wenn die Höhe unserer Berge über diese Winde hinausgehe; auf ihnen wehen immer mehr Westwinde, selbst in der Passatregion. Die unregelmäßigen Bewegungen der Atmosphaere neñt man Stürme. Ein beträchtlicher Sturm macht 60′ in einer Secunde. Die größte Geschwindigkeit die man beobachtet hat ist 132′ in einer Secunde. (Der Schall macht 1038′, die Kanonenkugel im Anfang 1500′ in einer Secunde.) Was die Feuchtigkeit des Luftmeers anlangt, so ist sie sehr verschieden über dem Meer und über dem Continent. Ueber dem Meer sollte sie eigentlich ganz mit Feuchtigkeit gesättigt sein, doch findet man selten über 90° des Saussureschen Hÿgrometer. Beweis, daß die Landwinde hierauf großen Einfluß haben. Das Salz kann wohl, der geringen Quantität wegen, hierauf keinen Einfluß äußern. Die Feuchtigkeit über dem Continent ist verschieden nach den Jahreszeiten, (z. E.im Winter ist die Luft trocken,) und nach den Zonen. In den südlichen Zonen muß viel Wasser unsichtbar in der Luft enthalten sein, denn man findet an Orten wo es sehr selten regnet, wie auf der Insel Margarita nördlich von Columbia wo es in 3 Jahren nicht geregnet hat, üppige Vegetation. In den Tropengegenden ist ⅒ mehr Feuchtigkeit und Wärme als in den temperirten Zonen. Die Trockenheit auf den Bergen ist beträchtlich, was man besonders bei aerostatischen Reisen bemerkt hat. Saussure fand, als in Genf sein Hÿgrometer 76° zeigte auf dem Montblanc nur 51°. Ich fand bei 11000′ häufig nur 58°. Der beste Hÿgrometer ist von Daniel wo man durch Beschlagen eines Glases mißt. [[239]/0245] Der Schall ist verschieden nach der Beschaffenheit der Luftschichten selbst. Zu allen Tageszeiten ist die Fortsetzung desselben nicht gleich. Schon Aristoteles meinte man höre bei Nacht besser als bei Tage. Man wollte dies durch die Ruhe erklären welche bei Nacht in der Natur hersche. Allein am Orinoco fand ich, daß, obgleich bei Tage alles viel ruhiger ist, bei Nacht hingegen die Affen und Insecten einen furchtbaren, un- erträglichen Lärm machen, man doch bei Nacht die Cataracten des Flußes weiter und deutlicher hört als bei Tage. Die Ursache liegt in der Gleichmäßigkeit der Luftschichten. Die Schallwellen werden gebrochen bei den verschiedenen aufsteigenden Luftsäulen und dadurch wird ein Theil der Schallwelle vernichtet oder gebrochen und nur ein anderer wird fortgepflanzt. Parrÿ hat während der langen Nacht die er am Nordpol zubrachte dort um so viel besser gehört als man hier bei Nacht besser hört wie bei Tage. 6700 pariser Fuß oder ⅓ Meile kann man dort deutlich hören; zu erklären ist dies aus dem langen Mangel der Sonne und dem Fehlen des Wassergases bei den Eisflächen. Bei den neuen Versuchen achtete man leider nicht genug auf die Translation der Luft. Bei 8° R. ist die Geschwindigkeit des Schalles 1038′. Wenn das Wassergas in die höhern Theile der Luft steigt, gerinnt es in kleine Bläschen aus denen dann die Wolken ent- stehen. Das Steigen der Wolken muß man sich wie das Steigen der Luftbälle vorstellen; es hängt ab von der Dichtigkeit der Luft, welche wiederum von der Sonne modificirt wird. Fresnel hat eine schöne Abhandlung hierüber geschrieben. 45. Vorlesung, 29. März 1828 Addita zu den bisher abgehandelten Theilen der Lehre vom Luftmeer. Die Meteorologie hat ein num̃erisches Element wie die phÿsikalische [[240]/0246] Geographie. Die neuen hÿgronometrischen Messungen haben schon viel aufgeklärt. Größere Schwierigkeiten bietet die Electricität dar; die Bestimmungen in dieser Hinsicht sind viel ungewisser als die der Wärme und Hygronometrie. Es würde ein großes wissenschaftliches Interesse erregen, wenn große wissenschaftliche Institute mit den genausten Instrumenten diejenigen Beschaffenheiten des Luftkreises zu bestimmen suchten, welche sich auf Druck und Temperatur beziehen. Dann würde man auch die Frage genügend beantworten können ob im Laufe der Zeiten der Druck der Luft sich ändert. Denn zu allen diesen Bestimmungen ist eine große Maße von Beobachtungen u. Zahlen nothwendig. Laplace hat hierzu Vorschläge gethan und die sogenannte Linnéeische Gesellschaft in Frankreich hat sich das Ge- setz aufgelegt immer an dem Geburtstage Linnee’s Thermometer und Barometer zu messen; es kann durch solche Vergleichungen schon etwas bewirkt werden. Was das Bluten auf hohen Bergen anlangt, so findet sich die- selbe Erscheinung in der Tiefe des Meeres wenn man schnell in der Taucherglocke wieder hinauf gezogen wird. Merkwürdig ist, daß die Vögel, bei denen, von allen warmblütigen Thieren die Respiration am vollkommensten ist, doch die Abwechselung eines ganz verschiedenen Luftdrucks nur wenige Minuten vertragen köñen. In neuern Zeiten sind Beobachtungen angestellt um den Unter- schied zwischen dem mittlern Luftdruck unter dem Aequator und dem in der gemäßigten Zone zu finden. Ich glaubte schon lange bemerkt zu haben, daß er unter der temperirten Zone geringer sei. Houssin hat folgendes genau gefunden: der mittlere Barometerdruck auf 0 reducirt ist in den temperirten Zonen: [[241]/0247] 37725/100 Linie in den Tropenzonen aber: 33694/100 〃 ; also bei nahe 3/10 Linie Differenz, welche dem aufsteigenden Luftstrome zugeschrieben werden muß. Die Mittelzahlen von 21 Jahren während welcher man regelmäßig in Paris beobachtete gaben, daß der Luftdruck in Paris bei Südwind 3½ Linie weniger beträgt als bei Nordwind. L. v. Buch hat bemerkt, daß der Barometerdruck an der norwegischen Küste noch viel geringer ist, was seinen Grund in der Frequenz der Westwinde haben muß; auf den canarischen Inseln dagegen ist Anhäufung der Luft, so daß der mittlere Barometerdruck 23 Zoll 3′ ist. Wenn der Barometerdruck größere Verminderung erleidet in den nördlichen als in den südlichen Regionen, so sind die Oscilla- tionen doch stärker in den südl: als in den nördlichen. Die Mittelzahl der Quantität der Barometerveränderungen am Aequator ist: 1½ Linie; in Montpellier ½ Linie; in Paris 3/10 Linie; in Königs- berg ⅒ Linie. Große Barometerveränderungen von 6–8 Linien finden fast gleichzeitig in großen Strecken Statt und Brandes namentlich hat die Schnelligkeit dieser Verbreitungen in großen Erdräumen beobachtet. Wenn, wie man glaubte, die Cultur Einfluß haben könnte auf die Winde, so würde der ganze Culturzustand einzelner Provinzen sich verändern; denn die Winde modificiren gar sehr die Tem- peratur der verschiedenen Küsten und Länder. In Paris ist die Quantität der Ostwinde zu der der Westwinde wie 1 : 3 oder genauer wie 21 : 70, also durch das Vorherrschen der Westwinde wurde die Temperatur Europas sehr modificirt. Wenn die Quantität der [[242]/0248] Ostwinde zunähme würde es viel kälter sein. So sind die Winde vom größten Einfluß auf Ackerbau und Menschheit. Allein wir glau- ben nicht, daß die Kultur Einfluß auf diese Luftbewegungen haben kann; wenn er sich findet, so ist er nur local für kleine Strecken. In Nordamerika hat man gesehn, daß durch die Cultur die Tempe- ratur keineswegs verändert ist. Sehr auffallend sind die sonderbaren Perioden gewisser starker Luftbewegungen z. E. beim Aequinoctium. Man hat bisher keine Ursache hiervon angeben können. Man glaubte sie könne in dem Weltraume selbst liegen und sprach von gewissen Linien im Weltraum wo 2 große magnetische Pole sich gegenüber ständen. Doch dies ist durchaus auf nichts begründet. Wahrscheinlicher ist es ein Effect des Gleichgewichts der Erwärmungen in der nördlichen und südlichen Hemisphaere. Zum Schall. die leichtere Fortpflanzung der Schallwelle hängt zusammen mit der leichtern Fortpflanzung der Lichtwelle. So fürchtet man auf den Alpen wie auf den Andes eine Veränderung des Wetters wenn die Intensität des Schalles und des Lichts zunim̃t. Wir fahren fort von den Wolken. Wenn man sich einen Berg eingesenkt denkt in die obere Schicht der Wolkenregion gleichsam als Untiefe im Luftmeer, so wird dieser Körper viel weniger wärmestrahlend sein als die Luftschichten umher und daher entsteht denn eine kleine Wolke oder das Phaenomen des Hutes der Berge. Eine Anziehung der Wolken ist sehr verschieden nach der Gestalt der Erdoberfläche. Man hat den Wolken in neuerer Zeit besondere Namen nach ihrer Gestalt gegeben; so zuerst Howard. Die höchsten Wolken sind die sogenannten Schäfchen; diese habe ich [[243]/0249] bei 18000′ Höhe noch immer einige tausend Fuß hoch gefunden. Ich vermuthe, daß sie in den Tropen bis 27000′ Höhe steigen. In Island hat Capt: Franklin sie bei Nacht leuchten gesehen und dort scheinen sie mit dem Nordlichte einen innigen Zusammenhang zu haben. Die Höhe der übrigen Wolken kann, wie Dalton es machte, an Abhängen von Höhen gemessen werden; allein besser doch durch aerostatische Reisen. Im Sommer ist die Höhe derselben gewöhnlich zwischen 2800 bis 3000′; in den Tropen 4–5000′. Auf dem Meere liegen die Wolken überall da wo flache Inseln sind, weil hier wahrscheinlich die Electricitatsspannung und die Temperatur eine andere ist. Sehr wichtig ist dies für die Schiffer, denn vermöge dieser Wolken erscheinen die flachen Inseln wie 5000′ hohe Gebirge. Ja, auch auf den Sandbänken findet sich dies, so daß dadurch Un- tiefen 30 bis 32 Meilen weit sichtbar sind. Die Wolken wirken auf die Atmosphäre 1., erkältend, indem sie die Intensität des Lichts und die Wirkung der Sonne vermindern. 2., wärmeerregend, dadurch, daß sie die Strahlung des Erdkörpers selbst hindern; dies ist so stark, daß ein Thermometer gewöhnlich mehre Grade steigt, wenn eine Wolke vorbeigeht. Man hat diese Bemerkung schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts gemacht, und Wells hat namentlich viel Licht hierüber verbreitet. Er ward durch den Volksausspruch hierauf geleitet: “es wird frieren, denn es ist sternklarer Him̃el.„ Er fand, daß Körper von ziemlicher Dünnigkeit, wie Papier, Wolle sich gegen einen wolkenleeren Himmel 6–7° R. erkälten, weniger wenn man sie mit Pappe bedeckt und Metallscheiben er- kälten sich nur 2° R. Die Blätter z. E. sind Wärme ausstrahlend, indem sich ihre Oberfläche leicht erkältet. Der Wind hindert eine See [[244]/0250] solche Erkältung,weil er wärmere Luftschichten wieder herbeiführt. Mit dieser Erscheinung hängt auch die Theorie der Ackerleute zu- sammen, daß der rothe Mond im Mai sehr schädlich sei. 46. Vorlesung, 31. März 1828 Die Meteorologie hat ihren geographischen Theil und in diesem ist nicht die Rede von den einzelnen Phaenomen, sondern ein jedes einzelne Phaenomen wird betrachtet in seiner Beziehung zu den verschiedenen Zonen. Der Thau entsteht durch Ausstrahlung des Wärmestoffs wie Wells seit 15 Jahren bewiesen. Auf dem Meer thaut es sehr wenig, besonders unter den Tropen sehr selten, wo es als Zeichen der Nähe von Küsten angesehen wird von den Schiffern. Allein die Masse des Thaus unter den Tropen auf dem Continent ist größer als in den temperirten Zonen. Die Bildung des Regens rührt besonders her von dem Umstand, daß die Expansivkraft der Dämpfe nicht in derselben Reihe erscheint als die Zahlen der Temperatur. Wenn also gleiche Massen Luft von verschiedner Temperatur gemengt werden, so entsteht eine Tem- peratur welche das Mittel von beiden ist und denn muß sich Feuchtig- keit ergießen. Der chemischen Beschaffenheit nach ist der Regen unter den Tropen und in den temperirten Zonen nicht verschieden. Nach Berzelius findet sich kein salzsaurer Kalk darin, wohl aber salpetersaurer. Brandes hat vielerlei darin finden wollen, doch könnte er wohl getäuscht sein durch Staub etc: der leicht damit gemischt sein konnte. In den Tropen wechselt die Regenzeit, dort Winter genannt, mit der trocknen Zeit, die man Sommer nennt und welche im Januar und Februar fällt. Mit dem Aufhören der Passatwinde fängt der Regen an. Wenn es 6–8 Monate nicht geregnet hat [[245]/0251] und der Himmel ganz wolkenfrei gewesen ist, so sieht man die Bläue des Himmels sich verändern, blasser werden, das Hÿgrometer deutet etwas mehr Feuchtigkeit an und die Sterne fangen an zu funkeln. Man sieht dann gegen N.O tief am Horizont Wolken erscheinen; der Paßatwind ist, weniger stark und hört dann und wann ganz auf; die Electricität schwindet und kehrt plötzlich stärker wieder, stoßweise, welches ein Gewitter ohne Wolken andeutet. Nach und nach sieht man aus dem Gewölk Wetterleuchten, bis sich der ganze Himmel be- deckt und die Regenzeit eintritt, gewöhnlich April oder Mai. So lange die warmen Luftschichten unter dem Aequator aufgestiegen sind, so ist die große Menge Wassergas von den, von den Polen kommenden Winden wieder verjagt; um diese Zeit aber wird es in den temperirten Zonen selbst sehr warm, ja so warm wie unter den Tropen selbst; dann wird also das Wassergas, das nicht mehr weggetrieben wird, angehäuft und daraus entstehen die Regengüße. Die Quantität des Regens ist nach den Zonen ver- schieden. Bei uns beträgt sie 18–24 Zoll, unter den Tropen 108 bis 120″. Aber auch in den temperirten Zonen ist es ver- schieden z. E. an der Westküste Englands, welche von den feuchten Winden getroffen wird fallen 45″, an der östlichen nur 20– 22″. Bei Bergen in Norwegen fand L. v. Buch 70–92″, während im Innern Skandinaviens nur 14–19″ fallen. An einem Tage fällt unter den Tropen 4–5 mal mehr Regen als bei uns, weil die Wolken höher und daher die Regentropfen größer sind. Dazu kommt die Temperatur der Tropen selbst. Der Regentropfe ist 1¼° kälter als die Luft durch die er herabfällt 1., wegen des Falles, während dessen er verdünstet; 2., weil [[246]/0252] er so hoch in den Wolken sich bildet. Auch in Frankreich fand ich sie 1½° kälter als die Luft und nur selten fand ich hiervon Ausnahmen z. E. wenn die Wolken sehr dicht waren, denn als dann verschlucken sie mehr Hitze. In neuerer Zeit sind dann und wann in den temperirten Zonen große Quantitäten Regen gefallen; so nach Tardi de la fosse fielen im mittlern Frankreich in 22 Stunden 2′ 5″ Regen; und in Cayenne hat Houssein in 24 Tagen 12′ 7″ Wasser fallen sehen. Während des Falles wird der Tropfen größer. Dies beweisen die Beobachtungen die seit 10 Jahren in Paris angestellt wurden; man maß hier zugleich auf dem Observatorium 90′ hoch und unten, und fand, daß unten ¼ mehr Regen gefallen sei als oben. Vom Schnee. Man ist noch nicht genau davon unterrichtet ob die Krÿstallisation des Eises unter den Tropen anders sei als in den temperirten Zonen. Winkel von 60 und 120 Grad bildet das Eis, doch finden nach Mitscherlich hierin viele Verschieden- heiten Statt. Jedesmal wenn Eis gefriert wird Luft ausge- stoßen, doch ½ mal mehr wenn es sich im Wasser bildet, als wenn es in der Luft sich bildet. Gaÿ-Lussac und ich fanden nemlich im Schnee ½ mal mehr Luft als im Eis. Alle Sprachen der wilden Völker und auch der Creolen unter den Tropen sind angefüllt mit Wörtern für die verschiedenen Anhäufungen der Crÿstalle, welche weder Schnee noch Eis genannt werden können und die als kleine Eisscheiben die Gesichter der Reisenden schmerzlich treffen. Gewöhnlich ist die Temperatur der Luft wenn es schneiet 2½° über dem Gefrierpunkt; allein Schnee kommt auch vor, namentlich am Nordpol bis 12° unter dem Gefrierpunkt. Unter dem [[247]/0253] Aequator schneiet es nur bei 12000′ Höhe; bei 20° N. B. bei 9300′. In Mexico welches 9000′ hoch liegt, ist der Schnee etwas höchst seltenes; merkwürdiger Weise stellte er sich hier ein als die Jesuiten vertrieben und neuerlich als sie wieder eingeführt wurden. Der Schnee giebt, wenn er sehr zusammengepreßt ist ⅓ seiner Quan- tität, Feuchtigkeit, sonst aber nur 1/12 seiner Quantität. Auch von leuchtendem Schnee spricht man: er soll einmal in Argylshire gefallen sein. Ich habe ihn nie gesehen, auch soll er leuchtend geblie- ben sein, wenn man ihn in die Hand nahm; dann kann also dies Leuchten nicht Folge von Electricität sein. Vielleicht hängt diese Er- scheinung mit dem rothen Polarschnee zusammen. Der Hagel kommt fast gar nicht vor am Pol; mehr im südlichen Europa als im nördlichen, wieder gar nicht in der Tropenzone. Da es nur im mittlern Europa häufig eben so warm ist als unter den Tropen, so kann der Hagel hier nicht deshalb frieren, weil das Eis schmelzen würde. Im südl: Europa hagelt es am meisten und zwar in den Ausgängen der Alpenthäler; so sind die lombardischen Thäler deshalb berühmt. Hier hagelt es wenig auf großer Höhe und unter den Tropen aber nur auf unbedeutenden Höhen. Bei Tage hagelt es mehr als bei Nacht; doch hat man im westlichen Europa auch bei Nacht Hagel erlebt; deshalb mag die Sonne durch ihre wärmende Kraft wohl mehr Einfluß darauf haben, als durch ihre leuchtende Kraft. Die Größe des Hagels ist auf den Cordilleren in der Tropenzone viel beträchtlicher als in nördlicheren Gegenden. Dort sind Hagelkörner von ½ ℔ Gewicht nichts seltenes. Heine erzählt von einem Hagelkorn das in Ostindien sollte ge- fallen sein, von der Größe eines Elephanten, welches beim zer- [[248]/0254] schmelzen Gestank gemacht habe. Im Gouvernement Orenburg soll Hagel welcher krÿstallisirten Schwefelkies enthalten hat, gefallen sein; der Schwefelkies ist analÿsirt, aber den Hagel hat man nicht dabei gehabt. Die Form der Hagelkörner ist sehr verschieden. Man erkennt daran, daß sie rotiren und concentrisch einzelne Lagen sich um den Kern ansetzen. Ich sah sogar einmal in Europa und manchmal in Amerika, kleine Saturnringe um die Hagelkörner, die, wenn man dieselben zerdrückte, sich davon ablösten. Seltenheit unter den Andes ist der rothe Hagel. Ich habe dort durch die Indier nie Nachricht erhalten können von rothem Schnee, aber wohl von rothem Hagel; doch habe ich selbst ihn nie gesehn. Das Phaenomen des Rasselns in den Wolken ist mehr der temperirten Zone eigen. Was die Entstehung des Hagels anlangt, so sind wir darüber sehr im Dunkeln. Volta meint der Hagel sei Folge der Aus- dünstung. Von der Luftwärme. Die mittlere Temperatur eines Orts hängt von der Höhe der Sonne ab in die sie zu den verschiedenen Zeiten tritt. Die mittlere Temperatur unter dem Aequator ist daher dieselbe als bei 18–15° N. B. Die Quantität der Wärme hängt von der Quantität des zurückgeworfenen Lichtes ab. Der Einfallswinkel des Lichtstrahls kann verändert werden dadurch, daß die Sonne eine andere Stelle einnimmt oder dadurch, daß die Fläche eine andere geworden ist. Nun ist der Unterschied des absorbirten Lichts von dem reflectirten fast derselbe, wenn es senkrecht einfällt, oder wenn es unter einem Winkel von 18–20° fällt. 47. Vorlesung, 1. April 1828 Die Er- scheinungen der Wärme sind dasjenige wodurch der Zustand des Menschengeschlechts in allen Zonen modificirt wird, also das [[249]/0255] wichtigste von allen Verhältnißen des Luftmeeres. Daher gab man schon früh dem Wort Klima eine doppelte Bedeutung, sowohl für die Erdräume selbst als auch für die Verhältniße der Wärme und Kälte auf der Erdoberfläche. Wenn wir das Abendland be- trachten; so finden wir, daß die gemäßigten Klimate der Cultur des Menschengeschlechts am nützlichsten waren. Aber man ver- gesse nicht, wie weit das Wort ist: gemäßigtes Klima. Von 30 bis 45° und noch nördlicher finden wir die Kultur am meisten aus- gebildet. Wie weit und groß aber sind nicht diese Räume. Die Mei- nung, daß die gemäßigte Zone der Bildung der Menschen am zu- träglichsten sei ist früh schon, nach Photus Schüler des Pÿthagoras im pÿthagoräischen Bunde ausgesprochen worden. Die südlichen Gegenden Aegÿptens und Südindiens kann man aber nur in so fern gemäßigt nennen, als sie außerhalb der Wendekreise liegen; der Wärme nach gehören sie schon den Tropen an. Aber auch unter den Tropen selbst finden wir auffallende Zentralpunkte der Kultur z. E. Meroe, Südindien, nemlich den Theil welchen Alexander nicht eroberte, südlich von Cambaja und Carnatik, Südarabien u. a. m. Ja hier fand sich die frühste Kultur, nicht etwa auf Bergebenen, wie in den nördlichen Gegenden, sondern in Ebenen wo die Tem- peratur bis 27° R. steigt, während sie in anderen Monaten bis 6° R. herabfällt. Dennoch war ein solches ungemäßigtes Klima der Kultur nicht schädlich. Zwischen 11 bis 22°, also in der Zone wo die Kultur der Oelbäume bis zu der des Weinbaues sowohl, als auch der des Zuckerrohrs sich ausdehnt, war viele Cultur und es ist durchaus nicht ausgemacht, daß sie hierhin (wie in Meroe und Südindien) von Norden gekommen sei. Wäre aber dies auch 245 [[250]/0256] der Fall, so steht jener Behauptung doch immer die Kultur von Thebae, Memphis, Babÿlon entgegen. Anders ist es mit dem Einfluß einer übermäßig niedern Temperatur. Da wo die mittlere Temperatur der Sommer- monate noch nicht 7° R. erreicht, in der bei uns die Birken kaum ausschlagen, wo die Sommer nie so warm werden, daß die Cerealien, die dem Menschen am weitesten gegen Norden folgen, nicht einmal gedeihen, da gedeiht auch nicht die Kultur. So ganz Nordasien von 60° d. B. und Amerika schon von 53° B. an. In Europa ist Skandinavien und der andere westliche Theil so zertheilt und gemildert durch die Winde vom atlantischen Ocean, daß Gerste noch bis 69½° in . . . . . . gebaut werden kann, nach L. v. Buch. Der Theil von Nordasien wo Samojeden etc: von jeher gehaust haben, ist der sittlichen Bildung der Menschen so schädlich gewesen, daß wenn man diese Menschen mit den südlich anwohnenden, die den hohen kalten Bergrücken des Zen- tralasiens bewohnen vergleicht, man sie doch noch Barbaren nennen muß; denn auf diesem Zentralrücken findet sich doch im̃er einige Cultur wie die mongolische Herrschaft des 15ten Jahrhunderts beweist. Wo nun in nördlichen Regionen Kultur herrscht ist sie eingeführt vom Süden her und denn kann sie auch dort fortkommen, wie ja Skandi- navische Dichtkunst z. E. in Island blühte. 246 Kein phÿsikalisches Instrument hat wohl den Horizont der Men- schen mehr erweitert als der Thermometer. Er ward 1600 durch den Holländer Grabbel erfunden; doch ward damals noch wenig Ge- brauch davon gemacht. Die Bestimmungen damit begonnen erst als Reaumur Vergleichungen damit anstellte; er gab ihn Reisenden [[251]/0257] mit nach Asien und lange wurden die Thermometer hier des Tru- ges angeklagt, weil man die Wärme Indiens für so groß hielt, daß man nicht begreifen konnte, wie sie in nördlichen Gegenden manch- mal noch höher sein sollte, wie es doch wirklich der Fall ist. Wir wollen zuerst die einzelnen Modificationen der Erdoberfläche betrachten und wie sie auf die Temperaturverschiedenheiten wirken können. 1., Von den Unebenheiten der Erdoberfläche in der Nähe der Berge. Da wo die Bergthäler ausgehen, wirken die Berge wärmend als Polÿgonal-Flächen, schützend, aber nur dort wo sie kältere Luft ab- halten; so der Haemus und die Alpen. Die Berge können auch dadurch wirken, daß sie dichte Erdmassen sind, welche in die Luft treten und dort als Untiefen des Luftoceans erkältend wirken, wenn sie als kleine Masse oder Spitze erscheinen, aber wärmend als größere Masse. Kälte erregend wirken die Berge durch die kalten, von ihnen herabfallenden Luftströme. Auf dieselbe Weise wie bei Tage Luftströme an den Bergen hinaufsteigen, gleiten auch welche herab bei Nacht. Doch muß man diesem Einfluß nicht zuviel zu- schreiben. Sie wirken ferner kälteerregend, indem sie Schatten geben. Nicht allein aber die Nähe einer Gebirgskette wirkt auf die Temperatur einer Ebene, sondern noch mehr die Oberfläche der Ebene selbst, in wie fern sie dunkle oder lichtere Farbe hat, und je nachdem sie rauher oder glatter ist. Banks hat an einem schwarzen Erdreiche bemerkt, daß seine Wärme in einer Stunde von 15 bis 25° R. steigt, während sie bei weißlichem Mergelboden in derselben Stunde nur von 15 bis 16½ R. steigt, dasselbe Ver- hältniß ist aber auch bei der nächtlichen Erkältung, da die Körper die [[252]/0258] die Wärme schnell annehmen, sie auch schnell wieder von sich geben; so hatte das schwarze Erdreich in ½ Stunde schon 7° weggegeben, während das weiße nur 2° weggab. Moräste und Seen, wo sie nicht gefrieren, wirken wärmend im Winter und mildern die Sonnenhitze wie die Nähe des Weltmeers. Wo sie aber gefrieren bilden sie kleine Gletscher in der Ebene und wirken also erkältend auf den Boden. Die Wälder wirken erkältend, nicht weil sie Schat- ten geben, sondern besonders als strahlende Körper. Ich habe oben schon angegeben wie dünne Körper, die den Himmelräumen aus- gesetzt sind als Wärme strahlend, größere Temperaturverringe- rung bewirken als dichte. In den Tropen und bei uns auf den Bergen, wo die Atmosphaere von einer geringeren Masse Luft gedrückt wird, ist die Strahlung des Erdkörpers viel stärker als in der Ebene, wo die Luft dichter und feuchter ist. Die merkwürdigste dieser Erscheinungen giebt der südliche Theil von Peru, wo es fast niemals regnet, aber man während 6–8 Monaten die Nebelflecke mit bloßen Augen sehen kann. Hier, wo es nie regnet, nie donnert, ist die Atmosphaere so rein und durchsichtig, daß der Thermometer bis 10 und 14° her- absinkt wegen der Strahlung der Erde. Für den Ackerbau ist diese Strahlung der Erde sehr gefährlich. In Katamailka ist die mittlere Temperatur noch 14° R. hier gefriert im heiße- sten Sommer fast alle Monate das Getreide. Bei Tage fand ich die Temperatur hier 18° R. und sah sie bei Nacht, durch die Strahlung gegen den Himmelskreis herabsinken bis 3 und 4° R. und denn gefror das Körnchen im Getreide. 48. Vorlesung, 2. April 1828 Die Winde können als auf die Temperatur wirkend betrachtet [[253]/0259] werden entweder als bloße Bewegung der Atmosphaere, ohne auf die Richtung zu sehen, dann sind sie erkältend, indem sie wärmere Schichten der Luft wegnehmen und die Ausdünstung be- fördern. Parrÿ machte bei der ungeheuren Kälte von 37° unter 0 die Bemerkung, daß man wohl verhüllt es mehre Stunden im freien aushalten könne, sobald kein Wind weht; bei Wind indeß wird die Kälte von 25° schon unerträglich. In Bezug auf seine Richtung ist der Wind bald erwärmend bald erkältend je nach der Gegend woher er kommt, ob er Landwind ist oder Seewind. Das wichtigste sind die Cardinalpunkte selbst, von denen die Winde blasen. Beim Aequator sind besonders die südlichen Winde die kalten, bei uns die Nordwinde, denn ein jeder Wind von einem heteronÿmen Punkte wehend ist Kälte bringend. Sehr wichtig ist es hierbei die Schnelligkeit des Windes zu bestimmen. Nach den ältern Beobachtungen von Kraft und Woltmann in Cuxhaven macht ein Nordwind 4 Meilen in einer Stunde, also von nova Zem- bla braucht ein solcher Wind volle 4 Tage um Lufttheile dahin zu bringen und kann sich also unterwegs nach und nach erwärmen. Die Südwinde gehen schneller, denn von der afrikanischen Küste kann ein solcher in 2 Tagen nach Berlin gelangen. Die Monsunen wehen in dem großen Busen des alten Continents zwischen Afri- ka und Indien; sie bestehen aus einem merkwürdigen Wechsel von Südost- und Nordwestwinden. In den nördlichen Breiten sind die Südwestwinde von einem heteronÿmen Pole, trüben die Luft und bringen ungeheure Menge Regen mit. Moussons sollte man sie nennen da das Wort herkommt von dem malayischen Moussin Jahreszeit. Schon Arrian vergleicht sie mit den Elasischen 250 [[254]/0260] Winden welche in Aegÿpten von Norden wehen. Außer den uns bekannten und fühlbaren Winden, giebt es wahrscheinlich noch andere Luftbewegungen von oben herab. Man sieht häufig das Gewölk in obern Regionen sich ganz anders bewegen als das niedere. Es be- darf wahrscheinlich nicht immer des Abhanges eines Gebirges, daß die obern Luftschichten herabkommen, sondern häufig mögen die obern Winde dasselbe bewirken. Solches fand L. v. Buch auf den cana- rischen Inseln und im innern Africa findet sich wahrscheinlich etwas Aehnliches, denn hier ist mitten unter den Tropen oft eine solche Kälte, daß die Wasserschläuche hartgefrieren, ja daß Menschen selbst erfrieren. So erfror Clappertons Gefährte der Dr Oudrez in der Wüste bei einer Höhe nur von 600′. Ehrenberg hat in der Wüste von Dongola 19° Breite, das Thermometer im December und bei Nordwinden bis 2½° R. herabfallen sehen. In Jamaica dagegen welches unter derselben Breite von 19° liegt, sinkt es nie unter 15° R. herab. Dies ist wahrscheinlich nicht alleinige Folge der Nordwinde sondern vielleicht Folge eines Contrastes in den obern Windregio- nen, oder der plötzlich bewirkten Ausdünstung der Dämpfe. Die Nähe des Oceans giebt den großen Contrast zwischen Küsten- klima und dem Klima des Innern. Den größten Contrast in dieser Hinsicht zeigt die skandinavische Halbinsel. Im 70ten° d. B. ist die Schneegränze bei 7300′ Höhe und bei 71½° d. B. findet man sie schon bei 2200′ Höhe. Einen eben so auffallenden Unterschied finden wir in Gallien. In der Bretagne wachsen dieselben Pflanzen, welche sonst nur in Italien gedeihen z. E. der Erd- beerbaum; diese Wärme ist auch hier Folge des Küstenkli- mas. Betrachtet man das Meer bloß als eine Masse von [[255]/0261] Flüssigkeit, so verändert sich die Temperatur langsamer hier als auf dem Continente. Da das Meer nicht gefriert, kein Schnee und Eis sich darauf lagern kann wie auf dem Continente, so muß es hierdurch natürlich sehr auf das Klima wirken. Es wirkt tempe- rirend, wärmemäßigend im Sommer, kältemäßigend im Winter. Das Continentalklima unterscheidet sich davon durch sehr heißen Sommer, weil das Starre nicht so leicht sich abkühlen kann als das Flüßige, und durch sehr kalten Winter, weil Schnee und Eis sich darauf lagern können und ungeheuer viel Kälte her- vorbringen. Daher nennt Buffon das Continentalklima clima excessif. Für die Vegetation ist etwas anderes die Temperatur welche unsere Thermometer geben und die Wärme welche sich in den Pflanzenhäuten bildet. Unsre Thermometer können bei bedecktem und lichtem Himmel dasselbe Quantum von Wärme angeben, aber bei lichtem Himmel wird in der Pflanze plötzlich eine unge- heure Menge von Wärme hervorgebracht, die wir gar nicht messen können. Gaÿ-Lussac hat auf chemischem Wege dies entdeckt. Die Unterschiede welche sich zwischen den Ost- und Westküsten finden, beruhen darauf, daß die westliche Küste Winde empfängt, die übers Meer gehen, die östliche Küste aber durch Westwinde Continen- talluft, welche erkältet ist durch Eis und Schnee, welche auf dem Con- tinent sich halten, nicht auf dem Meere. An der nordwestlichen Küste von Amerika findet man in denselben Breiten dieselbe Tempe- ratur wie in Europa, hingegen an den Ostküsten ist es viel kälter. In Kalifornien gehen die Oelbäume bis 37° also wie in Italien, [[256]/0262] während man in den vereinigten Staaten sie nicht bei Baltimore pflanzen kann, welches auch unter 37° liegt; ja man kann sie noch nicht einmal in Südkarolina bauen. Die mittlere Wärme von Paris findet sich in Nordamerika in Philadelphia welches in der Breite von Neapel liegt. Eben so hat Peking bei 40° Breite, also noch südlicher als Neapel dieselbe mittlere Temperatur von Paris. Der Unterschied gegen Norden ist sehr bedeutend. So sind Berlin, Kamt- schatka, Paulipeterhafen und Labrador unter derselben Breite und wie verschieden sind diese Klimate. Hiernach zieht man nun die isotherme Linien, indem man Punkte sucht, die dieselbe mittlere Jahreswär- me haben. Halley hat zuerst diese Linie gezogen, wie die mag- netischen. Um aber auf deutliche Weise sich ausdrücken zu können über die Verschiedenheit der Temperatur selbst, so muß man eine einfache Zahl finden, um die gleiche Quantität Wärme auszudrücken. Man hat früher, wie Morailles und Celsius geglaubt, die mittlere Temperatur des Jahres zu finden, wenn man 2 Tage zur Beobach- tung nimmt. So hat der letztgenannte 1780 mit 1709 und 1740 verglichen obgleich es ganz verschieden temperirte Jahre waren, auch verglich man December mit August und zog daraus die mitt- lere Temperatur. Reaumur hatte bemerkt, daß die mittlere Temperatur wie dem maximum und minimum an jedem Tage einer Progression folge, daß man also nur die äußern Glieder zu beobachten, die Masse zu addiren und durch die Zahl der Beobachtungen zu dividiren brauche. Doch habe ich nur ⅒ Unterschied gefunden zwischen dieser Methode und der einfachen früher befolgten. Man nehme nur das maximum und minimum, addire und dividire sie mit 2. Man hat in neuerer Zeit vorgeschlagen zu diesem Behufe [[257]/0263] eine Uhr ohne Compensation zu beobachten; so hat Grassmann aus dem Abweichen von dem mittlern Gang, durch den Thermometer influencirt, auf die Temperatur zurückschließen wollen; doch würde dies sehr unbestimmt sein. Um 9 Uhr 13 Min: Morgens oder 8 Uhr 23 Min: Abends fand man in Edinburg regelmäßig die mittlere Temperatur des Tages. Ebenso ist es mit den Monaten selbst. In Ofen fällt die mittlere Temperatur des Jahres zwischen den 15–24 April und 15–20 Oct: und in Paris den 22 April und 22 Oct: 49. Vorlesung, 9. April 1828 Wir haben uns bisher mit der Atmosphaere nach ihren Analo- gien und Contrasten beschäftigt. Das minimum davon finden wir beim Monde, das maximum bei den Cometen. Der Bielasche Comet z. E. hat nach Olbers Messung 15–24 Meilen Durchmesser; man konnte durchaus keinen Schweif an ihm entdecken; er enthält vielleicht nicht mehr bewegbare Materie als ein großer Meteorstein: dennoch beträgt seine Dunsthülle 4⅔ Erdhalbmesser. Unsre Atmosphaere würde nach der Dämmerung 10 Meilen, nach den Sternschnuppen aber und den Entzündungen der Meteorsteine mag sie wohl bis 30 Meilen hinaufreichen. Eine Skala für die mittlere Temperatur eines Orts giebt uns die Kultur der Gewächse. Von Süden nach Norden folgen sich: die Cokuspalme, die Musaceen, die Dattelpalme, das Zuckerrohr, der Oelbaum, der Weinstock, die mehlreichen Gräser, die Kar- toffel. Der Wein erstreckt sich höher an den Bergen hinauf, als er im Verhältniß der mittleren Temperatur nördlich in den Ebenen fortkommt, denn auf den Bergen ist dünnere und trocknere Luft, daher größere Intensität der Wärme. Von der großen Wärme, die das Eindringen der reinen Sonnenstrahlen [[258]/0264] in das Parenchyma und Zellgewebe der Pflanzen momentan erregt, können wir uns nur nach den Versuchen von Gaÿ-Lussac (der ein Gemenge von Chlor und Hydrogen durch den reinen Strahl entzünden ließ) einen ungefähren Begriff machen, denn unsere Thermometer geben nichts davon an. Wenn trockne Luftschichten sich in feuchte ergießen, so ent- steht Verdünstung und Kälte. Gaÿ-Lussac umwickelte die Kugel eines Thermometers mit dünnem naßen Papier und bließ dar- auf einen Strom sehr trockner Luft von +25° R; er konnte das Thermometer dadurch bis auf +10° herabdrücken, eine Erkältung, die viel bedeutender ist, als die, welche Wells durch Radiation ein- treten sah. Ueber die sonderbare Einwirkung des veränderten Ausdehnungszustandes berichtet Sabine: als er sich in Goree an der Westküste von Africa befand, drückte der sonst so heiße Wüsten- wind Harmatten das Thermometer bis +15° R. herab, ohne Zweifel, weil sich trockne Luftschichten aus dem Innern von Africa in die feuchteren Küstenlüfte ergoßen. Wir haben von den isothermen Linien gesprochen und bemerkt, daß sie weder mit den Parallelen noch auch mit dem Aequator in Verbindung stehen, sondern nach Norden zu divergiren. Paris und Berlin sind nicht sehr verschieden in der mittlern Temperatur; von hier aus aber wird es kälter, wenn man sich nach Osten ent- fernt, weil man mehr in ein Continentalklima hineinkömmt, und ist auch kälter an der gegenüberstehenden Küste von Amerika, weil dies eine Westküste ist. Peking liegt südlicher als Neapel und doch frieren alle Jahre die Kanäle dort mehre Monate. Neu-York liegt auch südlicher als Neapel, hat eine mittlere Sommertempe- [[259]/0265] ratur von +21° R. und dennoch friert der Strom dort alle Jahre. Dagegen ist es am Ausfluße der Columbia milder im Winter, als in Europa. Peking, Berlin, New York bilden eine isotherme Linie mit convexem Scheitel. Bei uns ist das maximum der Temperatur um 2½ Uhr Nach- mittags, das minimum kurz vor Sonnenaufgang: das Mittel aus 2 solchen Beobachtungen gezogen, giebt die mittlere Tempe- ratur des Tages: wollte man eine 3te Beobachtung etwa am Mittage hinzufügen, so würde man ein zu großes Resultat be- kommen. Da man aber doch, bei der größten Vereinfachung des Verfahrens noch 800 Beobachtungen anstellen muß, um die mittlere Temperatur des Jahres zu finden, so hat man für Reisende mittlere Beobachtungen vorgeschlagen z. E. aus der Quellenwärme läßt sich sehr genau auf die mittlere Temperatur eines Orts schließen: durch Bohrlöcher von 32′ Tiefe erhält man sie vielleicht um ½° zu hoch, weil hier schon die Zentralwärme des Erdkörpers einwirkt; auch die Temperatur des Meers ist dazu an- zuwenden. Unter 52½° N. B. entspricht die Temperatur des atlantischen Oceans der mittleren Temperatur von Berlin; auch nach der Cultur der Pflanzen läßt sie sich bestimmen, worüber schon Strabo sehr richtige Begriffe hatte. Um Vergleichungen anstellen zu können, bemerken wir, daß die mittlere Temperatur von Berlin für das ganze Jahr +7° R. ist; dasselbe ist die mittlere Temperatur unseres Octobers und Aprils. Die mittlere Temperatur unsers wärmsten Monats des August ist zwischen +14 und 15 R. In der Tropenzone ist zum Fruchttragen der Dattelpalme [[260]/0266] (phoenix dactylifera) eine mittlere Temperatur von +18° R. nöthig; weniger zum bloßen Wachsthum. Starke Zitronen in freier Luft gezogen (nicht in unsern Gewächshäusern, die man mit Hos- pitälern vergleichen könnte) können sehr gut eine Kälte von 6° R. ertragen, wie Rissot dies in der riviera di Genova er- wiesen hat; sie brauchen eine mittlere Temp: von +13½° R. Der Oelbaum, welcher zwischen 30–44° N. B. fortkommt, braucht +11,5 bis 15° R. Guter, alkoholreicher Wein braucht +7–8° R. auch muß die mittlere Temp: der Wintermonate nicht unter den Gefrierpunkt sinken: am Rhein haben diese eine mittlere Tem- peratur von +1° R. bei uns +¾° R: die Sommerwärme ist am Rhein +15° R. In Europa wächst Wein bis 50° N. B. in Amerika nur bis 40° N. B. Die Cerealien gedeihen wo die Wintertemperatur −1½° ist, die des Sommers +7–8°, bei welcher Temp: grade die Birken ausschlagen, also die Natur zu erwachen anfängt. *) Die Gerste wächst da wo nur 90 Tage eine mittlere Temperatur von +7° haben. Die Kartoffel braucht noch weniger, da derjenige ihrer Theile den wir zur Nahrung nehmen, ein unterirdischer ist, und vor der Kälte geschützt steht. Noch anschaulicher werden diese Temperaturverhältnisse, wenn man die mittlere Temp: 2er aufeinanderfolgender Monate vergleicht *) Ueber diese Erscheinung habe ich viele Untersuchungen angestellt und bemerkt, daß die Wärme schnell steigen muß, wenn das Erwachen der Pflanzen sich zeigen soll. Meistens muß die mittlere Temperatur sich auf +5° bis 6° er- heben, doch blühen die Pfirsiche schon bei +4½°. Die Birken schlagen aus wenn die mittlere Temp: des Monats +8¾° R. ist, in Rom im März, in Berlin im Mai, in Upsala im Juli. Im südlichen Frankreich haben 270 aufeinander fol- gende Tage eine mittlere Temp: von +9° in Petersburg nur 120. [[261]/0267] und das maximum davon aufsucht. Der größte Unterschied fällt bei uns zwischen März und April; er beträgt 4½° R. der zwischen April und Mai nur 3,2°. Mehr gegen Norden wird das Verhältniß ganz anders; in Petersburg beträgt der Unterschied zwischen April und Mai 7¼° und doch ist die mittlere Wärme dieser beiden Monate nur +3°. Daraus läßt sich auch der Unterschied der Empfindung von Wärme und Kälte erklären, die man im Sommer oder im Winter beim Uebergang aus dem Schatten in die Sonne und umgekehrt hat. *) Bei +3° im Schatten wird die Temperatur durch 3° die man hinzufügt verdoppelt; bei +18° im Schatten wird sie durch 3° mehr, nur wenig erhöht: es sind denn 3° ein aliquoter Theil der sehr wenig wirken kann. Von der geographischen Vertheilung der Temperatur. Das allgemeinste ist, daß sie vom Aequator nach den Polen zu abnimmt. Die Eintheilung in Zonen ist hier nicht ganz befrie- digend; man muß Zwischenpunkte annehmen. Petersburg und Madeira liegen beide in der gemäßigten Zone und wie verschieden sind sie im Klima. Ueber die Temperatur unter dem Aequator hat man viele Untersuchungen angestellt. Atkinson in einer Abhand- lung über die Refraction behauptet, sie müsse +24° R. sein; allein nach meinen Beobachtungen kann man sie nur zu +22,4° annehmen: Ceylon giebt +21° Batavia 22,2°. Sie ist also 1½° höher, als die mittlere Temperatur des wärmsten Monats in Rom und 7° höher 〃 〃 〃 〃 〃 〃 August in Berlin. Zwischen 18 und 23° nördl: und südl: vom Aequator ist sie +19 oder 20° R. *) In Potosi welches 12000′ hoch liegt, fürchtet man Erkältung beim Uebergang aus der Sonne in den Schatten. [[262]/0268] Wir haben hier viele große Städte, welche ungefähr unter den Tropen liegen; in Macao +19°, in Kanton +19°, in der Havanna +20°, in Rio Janeiro +19°. Dennoch friert es in Macao im Winter, wegen der starken Wärmestrahlung in der Nacht. Durch v. Buch kennen wir das Klima der canarischen Inseln sehr genau. Unter 28° N. B. beträgt es +18,2° R. also 4° mehr als der Sommer Berlins. Nach Nouets Beobachtungen, die ich berechnen ließ, ist das Klima von Kairo (30° N. B.) +18° R. mittl: Temperatur. Von 45 bis 52° N. B. ist das Klima zwischen +7 bis +10° Mai- land +8, Paris +7, Berlin beinahe +7° *). In Stockholm +4,5° R. in Abo +4, in Petersburg +2,7°. Nahe am Pole fehlt es freilich an längern Beobachtungen, doch konnte Scoresbÿ unter 78° N. B. die mittlere Temp: auf −5,5° R. bestimmen. In Lapland unter 67° N. B. in Labrador und in Königsberg ist sie ∓0° R. In dem Fort Entreprise, dem kältesten Punkte wo Menschen wohnen, nemlich Kupferindianer, an der Hudsonbay unter 64° N. B. ist die mittlere Temperatur −7,5° R. Auf den Melville Islands unter 74° N. B. fand Parrÿ die mittl: Temp: der 6 Wintermonate −25° R., die mittl: T: des ganzen Jahres mag −14,8° R. betragen. Die mittl: Temperatur des Pols kann man nur nach Analogie finden: Arago nim̃t sie auf −20° R. an. Doch ist es schon bemerkt, daß der Pol der Kälte nicht mit dem Erdpol zusammenfällt, sondern östlich von der Lena, westlich vom Eiscap bei der Bäreninsel in Neusibirien unter 84° N. B. Noch Tobias Meÿer ist in dem großen Irthum, daß er die Polar- kälte = 0° R. annimmt. Im Allgemeinen ist die mittlere Tem- *) In Berlin wird die mittlere Temp: von Paris durch den Monat Mai dargestellt. [[263]/0269] peratur des Pols so tief unter als die des Aequators über 0. 50. Vorlesung, 10. April 1828 Die Temperaturabnahme ist verschieden in den verschiedenen Sÿstemen der isothermen Linien, dem trans- und cis-atlantischen. Wenn man von Mexico nach der Hudsonbay fortgeht, so nimmt die Temperatur schneller ab, als in Europa unter derselben Breite. Wenn man, wie es auf meiner Karte von den isothermen Linien geschehen ist, die Breitengrade in Zonen von 10 zu 10° abtheilt, so findet sich vom Aequator bis zum Pol die schnellste Abnahme der Wärme zwischen 40 und 45°, und dies stimmt mit der Theorie voll- kommen: denn die Variation des Quadrates des Cosinus, wo- durch die Wärmeabnahme ausgedrückt wird, ist die größtmöglichste bei 45°. In jenen Gegenden, wo die nördliche Kultur des Oel- baums mit der des Weines zusammenfällt, da treffen alle Umstände für die Entwilderung des Menschengeschlechts zusam- men, wo die verschiedensten Produkte nebeneinander stehen, da bildet sich Austausch und Handel und die Kultur muß ihre größte Höhe erreichen. 258. In der mittlern Temperatur ist ein Jahr von dem andern verschieden: dies beträgt in der temperirten Zone oft 2° R., also fast ⅕ der ganzen Quantität der Jahreswärme. Man muß daher wenigstens das Mittel aus 10 Jahren nehmen, um die Temperatur bis auf 1° genau zu bestimmen: also gehören hierzu, das Jahr zu 400 Tagen und an jedem Tage 4 Beobachtungen gerechnet, an 8000 Beobachtungen. Unter den Tropen ist dieser Unterschied viel geringer: er beträgt nur 1/20 der ganzen Menge: bei 22° nur 1 oder 1½° Abweichung. In den einzelnen Monaten ist der Unterschied wieder bedeudender. In Paris hat [[264]/0270] man Beobachtungen seit 27 Jahren; hier beträgt er in der mittlern Temperatur der Wintermonate oft 5–6° R. für den Januar wechselt die Temperatur von +3 oder 4° bis zu −0,5°; für den August schwankt sie zwischen +14 und 17°. Vom maximum der Wärme. Man macht sich davon oft unrichtige Begriffe nach den unsichern Beobachtungen die ohne Unterschied im Schatten, in der Sonne, oder bei starker Reverberation vorgenommen sind. Nach den viel- fachen Untersuchungen, die ich mit Herrn Arago angestellt, scheint es ein sicheres Resultat zu sein, daß kein Reisender bei reiner Atmosphaere (in der keine Sandtheilchen schwam̃en) 9′ über der Erde, im Schatten das Thermometer über +37° R. hat steigen sehen. Barter machte in Allahabad mit trefflichen von Cavendish gefertigten Instrumenten Beobachtungen und fand die Tage von +36° R. die Nächte von +29,7° bis 30°. Tuckey der auf der unglücklichen Expedition nach Kongo mit dem Botaniker Smith umkam, fand die Tage von +36° die Nächte +28° R. Capt: Beaufort der am Senegal ein Opfer des Klimas wurde, will das Thermometer auf +38,5° beobachtet haben, doch ist dies zwei- felhaft. Ritchÿ der in der Oase von Murzuk starb, beob- achtete das Thermometer zwischen +38° und 43° R. um 2 Uhr Nachmittags und zwar Monate lang: doch war als dann die Atmosphaere mit feinem Staub erfüllt. Die Sandkörner, welche an die Thermometerkugel und an die Menschen etc: anschlagen, erwär- men sich mehr als die Luft und bilden Wärme-Centra die noth- wendig die Temperatur sehr erhitzen müssen: dennoch ertragen die 3000 Bewohner von Murzuk diese Hitze ohne Beschwerde. [[265]/0271] Auffallend könnte es sein, daß in den temperirten Zonen weit häufiger als unter den Tropen eine momentane große Hitze eintritt. In Berlin haben wir Beobachtungen von 20 Jahren und nur alle 10 Jahre einmal steigt das Thermometer bis +26°. Dies kommt daher weil in den langen Nächten der Tropen mehr Wärme ausgestrahlt wird als in unseren kurzen Sommer- nächten. In Paris stieg in 20 Jahren das Therm: nur einmal bis +29,5° R. und 1793 auf +30,7° R; nur 8 mal auf +28°. Es ist ein verbreitetes Vorurtheil, daß man keine größere Hitze als die des Blutes ertragen könne. Schon in den Dampf- bädern steigt sie viel höher: eben so falsch ist die Angabe der mei- sten phÿsikalischen Handbücher, daß die Blutwärme +32° sei: sie beträgt beim Menschen noch nicht +30° nach John Davÿ. Bei den Vögeln findet man es von +32 bis 35° R. Blaeton, Banks u. a. haben Versuche in einem stark geheitzten Zimmer gemacht. Sie konnten 8 Minuten bei +102° R. aushalten. Neben ihnen sott das Wasser; Eier wurden gekocht, Beafstaks gar, ihre Uhrketten glühend; dennoch schadete ihnen diese Hitze nicht, weil sich eine Hülle um den menschlichen Körper durch die kältere Espiration der Poren bildet, die ihn schützt. Der Sand unter den Tropen erreicht eine hohe Temperatur. Am Orinoko fand ich ihn bis 54° R. Die schwarzen Steine in den Schellalos oder Kataracten haben oft 42–44° R. selbst des Nachts bei 18° Luft- temperatur. Dies ist um so wunderbarer, da die schwarzen Körper wohl viel Hitze einziehen, aber auch wieder ausstrahlen. Das maximum der Kälte maß Parrÿ mit eignen, von Wollaston angefertigten Weingeistthermometern; weil Quecksilber bald frieren würde und fand sie von −40° R. Die Eskimos, die in [[266]/0272] dieser Temperatur leben, gehören dennoch zu den fröhlichsten Men- schen: sie wohnen in Hütten mit Eisscheiben. Parrÿ bemerkt, daß man in ruhiger Atmosphaere bei −40° R. mehre Stunden spat- zieren kann, ohne sehr warm gekleidet zu sein; aber Beklem- mung fühlt wenn man zu −5° zurückkommt; die Officiere machten die Fenster auf weil sie diese Hitze nicht ertragen koñten. Als Gegenstück bemerkte ich in Guajaquil daß bei +18° R. die Leute die Mäntel umnehmen um sich nicht zu erkälten. Maximum und minimum der Temperatur ist 40° über und unter 0, die mittlere Temperatur des Aequators ist +20° R. Es giebt noch eine zufällige Temperatur die nicht mit den Breitengraden zusammenhängt. In Petersburg wo man seit 1772 genaue Beobach- tungen hat, sank das Thermometer einmal bis −39,2° R, in Berlin bis −21,5°. Mögler, der sich viel mit der mittlern Temperatur Berlin beschäftigt hat, fand in 27 Jahren nur 3 mal das Thermometer unter −20°, nemlich am 24 Jan: 1823, 1820 u. 1809; nur 4 mal unter −17° R. In Paris fiel es 1794 auf −18,8°; in Marseille (mittlere Temperatur +11,5), auf −13,5° im Jahre 1789. Die mittlere Kälte für Paris ist 8,5° R. für Berlin 〃 12,5. — für Petersburg 〃 24,5. — Eine sehr merkwürdige zufällige Kälte findet sich in der Geschichte der Araber. Als der Patriarch von Nicaea den Kalifen Al Mamum 829 p. C. nach Aegÿpten begleitete, fanden sie den Nil bei Kairo gefroren, welches Abdollatif genau berichtet. Es ist vorgekommen, daß es in Lissabon, Cadix, Algier und Kairo geschneit hat. Das schöne Klima, wo man dieser unangeneh- [[267]/0273] men Empfindung auch nicht einmal auf ein Paar Stunden mehr ausgesetzt ist, fängt erst unter 29° N. B. an, wo es auch nicht mehr friert. Wo die isothermen Linien einen convexen Scheitel bilden, da herrscht wenig Verschiedenheit in der mittlern Temperatur des Sommers u. Winters. Dies ist das cisatlantische Sÿstem; wo sie einen concaven bilden, da herrscht sehr große Verschiedenheit. Dies ist das transatlantische Sÿstem, welches Buffon clima excessif nennt. New York unter 40¾° N. B. hat einen Som̃er wie Rom, einen Winter wie Copenhagen. In Quebek ist ein Sommer wie in Paris, ein Winter wie in Petersburg. Hierin mag auch die Tendenz dieser Gegenden zum gelben Fieber liegen. Vom Unterschied zwischen der nördlichen und südlichen Hemisphaere. Durch Cooks Reise ist das Vorurtheil verbreitet, daß die südliche Hemisphaere kälter sei, als die nördliche, weil der Südpol mehr mit Eis belegt sei als der Nordpol. Allein Capt. Weddel, der kürzlich Neushetland genauer untersuchte, fand im Süden davon ein eisfreies Meer und behauptet es sei leichter den Süd- als den Nordpol zu erreichen. Vergleicht man Spanien und Cala- brien mit Chili und Buenos-Aÿres, so ist es in Chili nicht kälter als in Cadix, welche beide unter 36° B. liegen. Am Cap der guten Hoffnung ist die mittlere Temperatur +15,5° R; in Port Jackson +15,4° in Buenos-Aÿres +15,8° R: Die größte Kälte der südlichen Hemisphaere fängt erst in der Breite von Berlin unter 51° am Cap Horn und im Feuerlande an. Man hat viele Ur- sachen des Phaenomens aufgesucht. Lambert in seiner Pÿ- rometrie giebt an, daß die Irradiation beider Hemisphaeren 261 [[268]/0274] zwar gleich sei, aber der Verlust in der südlichen größer, weil dort der Winter 8 Tage länger ist. Die Sonne verweilt nemlich 8 Tage länger in dem nördlichen Zeichen. Allein dies ist zu unbedeutend als daß es Einfluß haben könnte. Der Hauptgrund ist der Mangel an Continenten in der südlichen Hemisphaere. Der Unterschied würde noch größer sein, wenn nicht unter dem Aequator eine Compensation statt fände, welcher in Amerika und Afrika einen großen Landstrich durchschneidet. Vom Luftkreise im Verhältniß zu den Bergen. Vor Erfindung der Aerostaten im August 1782 war und die Kenntniß der obern Luftschichten nur durch Aufsteigen an den Bergen bekannt. Sonderbarer Weise glaubte Daniel Bernouilli die Temperatur nehme nach oben zu; er sagt dies ausdrücklich in seiner Hÿdrodÿnamik, verleitet durch Beobachtungen des Pater Fuillet. So glauben auch die Indier in Südamerika, daß es auf den Bergen wärmer sei und der Schnee nur Folge salpe- triger Salze. Daß es aber obenzu kälter werde, zeigt schon Gaÿ-Lussacs Luftfahrt, wo unten in Paris +23° R. dagegen höher als der Chimborazo −5 bis 6° R. war. Aristoteles nimmt es auch oben für kälter an, doch meint er, daß denn eine wärmere Aetherschicht folge; wie die Alten überhaupt in Extre- men sich gefielen. Daher auf der Spitze der Berge der olÿm- pische Sitz der Götter. 262 Die Kenntniß der obern Luftschichten ist besonders wichtig für die Bildung des Regens, Hagels und Thaues. In Europa haben wir wenig Hochebenen; die von Spanien hat 2000′ Höhe, die von Baÿern nur 1500. Unter den Tropen findet man sie von [[269]/0275] 10000′. Zwar fand Graf Felden in dem Val di Belta ein Dorf auf 7100′, doch ist dies nur Ausnahme. Ueber 40° N. B. können die Menschen auf einer Hochebene von 6000′ nicht mehr leben. Ueber die Centralebene von Asien waltet gewöhnlich ein Miß- verständniß. Freilich bestätigt es Gérard auf seiner Reise 1821 und 22, daß zwischen Ladak und Manes auf 14000′ Höhe Acker- bau getrieben wird, wo schon unter dem Aequator ewiger Schnee liegt. Es ist dies eine Folge der Wärmestrahlung auf der weiten Ebene, die es möglich macht, daß viele Millionen Men- schen in dieser Höhe leben können. Ueber die Ursachen, warum es kälter auf den Bergen, als in den Ebenen sei, hat zwischen den Phÿsikern ein großer Streit Statt gefunden. Das Licht durchstreift die Luftschichten, ohne sie zu erwärmen; sie werden nur dann erwärmt, wenn das Licht durch einen festen Körper absorbirt wird. Ich gehe daher mit Wollaston, davon aus, daß die Oberfläche der Erde als die Quelle der Wärme zu betrachten sei, und daß mithin die Wär- me abnehme, jemehr man sich nach oben von ihrer Quelle ent- ferne. Wenn man in eine Eisenbarre nach einer logistischen Reihe Thermometer einsteckt und an dem einen Ende eine Quelle der Wärme anbringt, so werden nach dem andern Ende zu die Therm: immer weniger zeigen und zwar nach einem bestim̃ten Verhältniße. Ebenso wird es ein Verhältniß geben, in dem die Wärme der Erdoberfläche nach oben hin abnimmt. Die Quantität des Wassergases, welches in den untern Luftregionen schwimmt, trägt auch viel zur Absorbzion der Wärmestrahlen bei. Laplace erinnert sehr richtig, daß wenn keine Atmosphaere [[270]/0276] da wäre, so würde es in 24000′ über dem Meere nicht kälter sein, als am Meere selbst, weil denn nur die Dilatation der Wärmestrahlen in Betracht käme, die man als Radien eines auf der Erdoberfläche aufstehenden Gewölbes betrachten kann: ein radius von 24000′ würde sich zum Halbmesser der Erde verhalten wie 0,001 : 1. Leslie glaubt, daß die Kälte in den obern Schichten von der Ausdehnung der Luft herrühre: da man gefunden hat, daß die Wärmecapacität der Luft mit der Dichtigkeit zunimmt. Eben daher erklärte er die wärmere Temperatur in den Berg- werken: allein er bedachte nicht, daß jeder aufsteigende Luft- strom einen niedersteigenden voraussetzt, daß daher für Kälte und Wärme eine Compensation, wenn gleich nicht eine ganz vollständige Statt finde. 51. Vorlesung, 11. April 1828 Der Mÿthos vom Phaëton erweckte bei den Alten die falschen Begriffe, als ob es nach den obern Luftschichten zu wärmer wäre. Doch haben wir eine Stelle von Seneca über die relative Kleinheit der Berge im Verhältniß zur ganzen Erde, worin er deutlich ausspricht, daß die obere Luft kälter sei. Plutarch in der kleinen Schrift über die Ursachen der Kälte und Theophrast über die Winde, sahen sehr wohl die Wirkung des Luftkreises auf die Temperatur ein. Strabo erkannte den Einfluß, den die Höhe des Bodens auf die Kultur hat; er bemerkt, daß auf der Hochebene zwischen dem Taurus und Argaeus in Kleinasien kein Oel wächst, obgleich es 4° nördlicher bei Sinope wieder gedeiht. Rumford war der irrigen Meinung, daß die Wärme im Wasser durch Bewegung seiner Theile von unten entstehe. Dagegen sprachen Pislet’s und Leslie’s Versuche. Sie erwärmten [[271]/0277] Wasser, indem sie eine heiße Metallplatte darüber hielten: hier fand also eine Bewegung von oben nach unten Statt. Die Temperatur der obern Schichten hängt von der darunter- liegenden Erdoberfläche ab: daher wird man in einer Höhe von 7000′ eine andere Temp: finden, je nachdem man sich über dem Meere, über einem hohen Gebirge, oder dem Innern von Afrika befindet. Wenn das Meer plötzlich um 4000′ sänke, so würden alle Länder an demselben kälter werden, weil sie nun zu Bergen oder Hochebenen geworden wären: doch würde sich dies mehr an den Küsten als im Innern äußern. Bei den Bergen müssen wir 2 Umstände beachten: 1., sie sind die Ursach von Wärme, weil sie bei Tage mehr Wär- mestrahlen absorbiren; 2., auch von Kälte, indem sie bei Nacht mehr Wärme ausstrahlen: daher sind sie bei Tage wärmer und bei Nacht kälter u. haben an ihrer Spitze oft, hängende Wolken von niedergeschlagenen Wasserdünsten. Die Wärmeabnahme von der Erdoberfläche nach oben ist nicht allein wichtig für die Astronomie, sondern auch für die Barome- terformeln: selbst die besten und neusten setzen bei dieser Abnahme eine arithmetische Progreßion voraus, die eigentlich nicht Statt findet. Um diese Abnahme zu prüfen hat man: 1., die Reisen auf hohe Berge, welche aber allein keine große Sicherheit geben würden. 2., die mittlere Temperatur von Orten die am Gebirge liegen, welches bei uns meist nur elende Dörfer sind, unter den Tropen aber Städte von 60000 Einwohnern auf 10000′ Höhe. Ich habe zuerst am westlichen Abhange der Andes die Temp: auf- [[272]/0278] steigend von 500 zu 500 Toisen eruirt. 3., Die aerostatischen Reisen. Die von Biot und Gaÿ-Lussac geben ein Resultat, das mit dem meinigen übereinstimmte; doch ist man auch hier nicht ganz sicher, weil zufällige Winde in diesen Höhen die Temperatur verändern können. Sehr gut wäre es, wenn man Stationen in der Luft haben könnte u. wirklich hat Parrÿ am Pol durch klei- ne Drachen die Temp: erforscht: auch könnte man kleine Luft- bälle an Schnüren bis 3000′ in die Höhe gehen lassen, welche grade ein maximum- und minimum-Thermometer tragen könnten. 4., Durch die Wärme der Quellen auf hohen Bergen; doch auch unsicher da die Quellen sehr tief heraufkommen können. 5., Man hat auch die Temperatur der Höhlen auf Bergen vor- geschlagen; dies ist aber trüglich, weil aus dem Innern eine kalte Luft herausströmt. Fourier zeigte überdies, daß die iso- thermen Schichten nach dem Innern der Erde zu nicht in Bezug auf das niveau des Meeres stehen, sondern auf den Bergen höher, in den Flächen tiefer liegen, nach ihrem Abstande von der Erdoberfläche. Ich habe in Mexico Bergwerke untersucht welche auf 12000′ Höhe lagen und dieselbe hohe Temperatur gefunden als in andern auf der Ebene. Die Beobachtungen an den Abhängen der Berge sind siche- rer als man glauben sollte. Trotz der localen Perturbationen wird der ganze Abhang des Gebirges von dem ganzen Luftmeer gebadet. Wenn man 700′ für 1° R. annimmt, so fand ich 32 Punkte am Abhange der Andes, deren mittlere Temperatur der, der entsprechenden Ebene bis auf 1° R. gleich ist. Nur bei 6 Punkten war der Unterschied 1,5° R. Die Wärmeabnahme [[273]/0279] an den Cordilleras ist nicht gleich. Zwischen 3000 und 7000′ ist sie sehr gering, denn hier liegt grade die erste Wolkenschicht, welche vom Meere aufsteigt, am Gebirge und bringt, da sie wie ein Aerostat sich hebt, eine wärmere Luftschicht von unten mit. Spricht man die Resultate in Zahlen aus: so muß man unter den Tropen 700′ steigen, damit das Thermometer um 1° falle. Saussure, Ramond, Daubuisson bestimmen diese Höhe zwi- schen den 45 und 47° N. B. im Sommer auf 520′ im Winter auf 700′. Laplace fand es sonderbar, daß die Wärmeabnahme unter den Tropen geringer sei, als bei uns, weil man bis dahin annahm, auch die Refraction sei unter den Tropen geringer. Nach meinen und Maskeline’s Beobachtungen welche Oltmanns in Rechnung brachte, fand ich, daß die Refraction unter 10° ganz gleich mit der gemäßigten Zone und Laplace gab nun eine Formel, um aus der Strahlenbrechung die Wärmeabnahme zu berechnen. Unter den Tropen, wo von Jahreszeiten fast gar nicht die Rede ist, scheint es am besten die Temperatur des ganzen Jahres mit der von einzelnen Monaten an andern Orten zu vergleichen. So ist es vollkommen anschaulich, wenn man sagt: am Orinoco ist die mittlere Temperatur gleich der des Monats August in Rom. In dem schönen Klima der Chinarinde bei Loxa, Popayan etc: bei 6000′ Höhe ist die mittlere Temperatur die des August in Berlin; in Quito 9000′ die von Anfang Mai in Berlin. Noch nördlicher, wo die Bäume schon aufhören zu wachsen und nur Gestrüppe sich findet ist die mittlere Temperatur bei 11000′ Höhe, dieselbe wie die von Berlin, 7° R. Bei 6000′ Höhe unter 45° B. herrscht die [[274]/0280] mittlere Temperatur von Lappland. Sonst meinte man die Schneegränze bezeichne eine Fläche wo die Temperatur = 0 sei. Das ist falsch. Unter dem Aequator ist sie +1½° unter 45° B. −6° R. unter 60° B. −9° R. Es kommt also hierbei auf die Vergleichung der Höhe und Breitengrade an. Wenn man die ersten 3000′ am Abhange der Alpen ver- gleicht mit den Breitengraden von 50° an, so correspondiren jede 600′ 15° N. B., es ist also egal ob man 600′ steigt oder 15° B. nördlicher geht. (Im Sommer aber nur 10 Meilen?) Die Kultur der Pflanzen indeß geht höher auf den Bergen, als sie gegen Norden sich erstrecken kann, weil sie auf den Bergen sich in einer dünnern Luft befinden wo sie eine Intensität des Lichts genießen. Bei 2400′ Höhe wird im südl: Frankreich noch Wein gebaut, dagegen man 4° nördlich keinen Weinbau mehr findet. Die Schnee- gränze ist ein sinnlicher Beweis für die kältere Region über unserm Kopfe. Sie hat den Menschen schon früh belehrt, welche von den Bergen die höheren sind, denn schon früh sahen sie, daß diese Schneegränze wie ein Niveau des Meers immer dieselbe Höhe hält. So wußten die Indianer schon ehe Condamine den Chimborazo gemessen, daß er der höchste Berg sei. Die Verschiedenheit der Schneegränze unter den Tropen beträgt nur 80′. Hingegen in den gemäßigten Klimaten sind die Berge hierin mehren Perturbationen durch Schluchten etc: unterworfen. Man muß mit dem Phaenomen der Schneegränze nicht die Gletscher und Eisgrotten verwechseln. Mit der Höhe derselben hängen die Gletscher nur in Hinsicht ihres Ursprunges zusam̃en. In Chamounÿ finden sich bei 3000′ schon Gletscher und sie könnten bis zur Ebene kommen, wenn sie nur Schnee- und Wasser-Zufuhr [[275]/0281] hätten, da sie versinken und sich zurückziehen. Escher hat gezeigt, daß dies Versinken im Sommer Statt hat und daher kommt, weil sie in ihren untern Theilen einen Bogen bilden, wegen der Wärme des Erdkörpers. In ihrer Oberfläche findet man kleine Brunnen die sich immer tiefer bohren. Schöne Gletscher giebt es von 30° N. B. bis zum Norden. In Peru und Chili habe ich nie dies Phaenomen erblickt. Am westl: Theil des Chimborazo giebt es unterirdisches Eis und zwar 70 bis 80′ unter der Schneegränze. Es erscheint wie Hagelkörner unter einer Sandschicht, die sich schon lange erhalten zu haben scheinen. Die Schneelinie ist nicht eine isotherme Linie; die Höhe derselben hängt ab von der Zahl der Tage, deren mittlere Temperatur −5–6° ist. 52. Vorlesung, 14. April 1828 Die Wärmestrahlung tiefer und hoher Ebenen verändert ebenfalls die Schneelinie. Sie liegt im innern Continente höher, daher in Asien viel höher als in den andern Welttheilen. So ist die Schneelinie an dem nördl: Theil des Himalaja erst bei 15200′, wegen der großen Landebene der Tartarei und Chinas welche bis 7000′ hoch an dem nördl: Rücken des Himalaja hinzieht. Schon im östlichen Europa zeigt sich dies höhere Hinaufsteigen der Schneelinie; sie liegt nach Balenberg auf den Karpaten höher als auf den Pÿrenäen und Alpen. Ueber die Aequatorialhöhe der Schneelinie ist viel ge- stritten worden. Vor meiner Reise hielt man sie für 18000′ hoch. Richtiger ist 14660′. Vom Aequator bis 40° B. hat es früher gar keine Messungen gegeben. Ich habe durch vielerlei Mes- sungen gefunden, daß die Schneelinie bis zum 20° N. B. um 1000′ abnimmt. Von hier an merkt man denn eine bedeutende Oscillation. Sie geht herab von 13800′ bis auf 2200′. Am südlichen (Isotherme, Isothere (von gleicher Sonnenwärme wie Moskau u. der Ausfluß der Loire) = isochaimone Linien sind wohl zu unter- scheiden.) [[276]/0282] Himalaja ist sie 12000, am nördlichen 15600′, welche beträchtliche Oscillation wie oben gesagt, Folge ist von Localverhältnißen. In unserer Breite würde sie auf 7000′ sich finden, also 2000′ höher als die Schneekoppe. In Skandinavien ist gewiß ein Un- terschied im innern und äußern Theil. Im Innern bei 70° N. B. hat v. Buch sie auf 3300′ berechnet, aber am Littorale bei 71½° N. B. hat er sie bei 2200′ gefunden und zugleich die Bemer- kung gemacht, daß man nach den Fichten- und Birken-Arten, die an den Abhängen stehen, genau die Schneelinie berechnen kann, wenn sie auch nicht sichtbar wird aus Mangel an hohen Bergen. Von der Seeluft. Da ⅔ unserer Erdoberfläche mit Wasser bedeckt ist, so hat die Temperatur der Meeresluft großen Ein- fluß auf die Klimatologie. Ihre Erwärmung hängt auch von der Richtung der Lichtstrahlen ab und von der Beschaffenheit der Ober- fläche selbst, dann aber auch von den Meeresströmungen und Winden. Der Boden der Meeresfläche ist verschieden je nachdem er starr ist oder flüßig. Auf dem flüßigen kann die Luft erkältet werden durch die Ausdünstung und wird weniger warm weil er durchsichtig ist; erwärmt kann sie werden, weil die kalten Par- tikeln immer zu Grunde gehen. Kälter ist das Klima über den Untiefen, wie ich es namentlich fand an der Bank von Jamaïca. Die Meeresströmungen wirken hier auch bedeutend, so ist es wärmer im Golfstrom als außerhalb desselben und kälter in dem Strom der an der Küste von Peru nach Norden zieht. Ganz anders ist es wo der Boden der Meeresfläche starr ist, [[277]/0283] in den arctischen Regionen. Hier hat Scoresbÿ die besten Beob- achtungen gemacht. Die Eisberge wirken indem sie die Dünste niederschlagen und die Luft undurchsichtig machen und also der Sonne wehren; später wirken sie dann trocknend. Es fragt sich in welchen Klimaten das Wasser wärmer sei als die Seeluft. Durch Du Fressynoy’s und Duperre’s Beobachtungen hat man gefunden, daß in der Gegend des Aequators das Wasser etwas wärmer ist als die Luft. Die Temperatur der Tropengegend auf dem Meere ist nie höher als +23–24° R. oft nur +20– 21° R. also 12–13° weniger als die Landluft dort. Wenn die Meere eingeschlossen sind ist es freilich etwas anders; das rothe Meer z. E. hat Tuckeÿ nie unter +36° R und bei Nacht nie unter +29° R. gefunden. Dies scheint das wärmste Meer zu sein. Aus alle dem was wir von der Klimatologie gesagt haben folgt, daß die Kultur Europas 3 Gründe hat: 1., Weil Europa eine Westküste ist; 2., Weil es in seinen Längengraden südlich nicht vom Meere begränzt wird, sondern von Afrika das gleichsam ein unter- gelegter warmer Stein für Europa ist; 3., Weil es unter allen Continenten derjenige ist, der am wenigsten Masse gegen Norden hat und sich am wenigsten gegen Norden erstreckt, also ein im̃er freies Meer nördlich vor sich hat. 53. Vorlesung, 15. April 1828 Von den verschiedenen electrischen Erscheinungen welche die verschiedenen Zonen characterisiren. Die Electricität kann erregt werden durch verschiedene Mittel: durch Reibung, durch den veränderten Zustand der [[278]/0284] Ausdehnung oder die Dampfbildung, durch chemische Veränderungen (wie Beckerell gezeigt), durch Contacte verschiedenartiger Stoffe. Das letzte Mittel findet sich in den organischen Wesen auf uner- klärliche Weise, wie die electrischen Fische als electrische Wolken unter dem Wasser erscheinen. Die electrischen Erscheinungen die wir hier geographisch gleichsam betrachten, hangen mit der Erzeugung der Dünste genau zusammen, und hängen besonders von der Quan- tität der Dämpfe und der Art ihrer Lagerung ab. Die Quantität entsteht wahrscheinlich daher, weil, wenn jedes Bläschen auf der Oberfläche electrische Spannung hatte, nun die Zusammensetzung aller Bläschen auf die Oberfläche der Wolke angehäuft wird; denn die Electricität bleibt auf der Oberfläche. Mangel an Gewitter zu allen Zeiten ist in den arctischen Regionen und zu gewissen Zeiten in den Tropengegenden. In Grönland blitzt es wohl, donnert aber nie. Scoresby fand in Spitzbergen auch nie Blitz. Schon in Skandinavien sind sie selten. Die Luft ist freilich dort von vielen Dämpfen gesättigt, aber es schlägt das Wasser sich wieder auf die Eisberge nieder. In den Tropen sehen wir eine Zone wo vom Decbr: bis Mai nie Gewitter und Wolken sind. In dieser Zeit fand ich immer positive Electri- cität in der Luft. Von Mai bis Octoberist die Regenzeit; dann fand man, wenn sie sich nahte, keine Electricität in den untern Luft- schichten von 8 Uhr Morgens bis 2 Uhr Nachmittags; dann aber trat sehr starke Spannung der Electrictät ein und blieb so lange das Gewitter dauerte, bis bei Sonnenuntergang die Electri- cität wieder schwand und auch die Nacht weg blieb. Die übrigen Erscheinungen sind wie bei uns. [[279]/0285] Das Gewitter fängt an mit dem sonderbaren Phaenomen des Wetterleuchtens mit dessen Erklärung man sich noch nicht genug beschäftigt hat. Daß es ein fernes Gewitter sei ist nicht gut anzunehmen, da es phosphorisches Licht hat und nie höher als 10° vom Horizont gesehen wird. Producte der Blitze sind die Blitzröhren. Man fand sie zuerst in Westphalen; sie sind dem Reaumurschen Porzellan ähnlich und be- stehen aus einer Verglasung des Sandes. Man kennt sie bis 30′ Länge. Auch unter den Tropen z. E. in Brasilien sind sie gefunden und Clapperton fand sie in Afrika. Auf der Insel Amrum bei Schleswig hat man es deutlich gesehen, daß sie entstanden wenn der Blitz einschlug. Aehnliche Verglasungen hat man auf den Spitzen der Berge gefunden. Mit diesen Erscheinungen darf man nicht verwechseln: die Aërolithen von denen ich schon bei dem Zodiakallichte hätte reden sollen. Man hat lange an der Existenz der Steine welche vom Him- mel fallen gezweifelt, obgleich in chinesischen, griechischen und römischen Annalen davon gesprochen wurde und mongolische Fürsten sich Dolche und Schwerdter hatten machen lassen. Erst 1794 hat Chladnÿ die Sache deutlicher gemacht. Als bei Agram Steinmassen niedergefallen waren, nahm das bischöfliche Consistorium mit juristischer Genauigkeit eine Urkunde von der Begebenheit auf und sandte sie hiemit nach Wien. Dennoch hielt man es für eine Fabel. Als Pictet in der Pariser Academie von Steinfällen in Indien berichtete, welche dort am 26 April 1803 viele tausend an der Zahl mit Knall und Feuer aus einer Wolke gefallen waren, wurde er noch von der ganzen Ver- sammlung ausgelacht. Diogenes v. Apollonia indeß sagt schon, 272. [[280]/0286] daß solche nicht leuchtende Steine aus dem Weltgebäude fielen; Diogenes Laertius meint, daß sie aus der Sonne kämen. Einige Alte meinten sie kämen bei Mondfinsternißen herunter, und dies ist auch Volksglaube in Sÿrien. Ein solcher Meteorstein ist die Cabbala in Medina, wohl von fälschlich angegebenen Basalt. Eine Masse von 2700 ℔ fiel bei Ensisheim anno 1413. Die soge- nannte Pallassche Masse ist seit 1749 den Kosacken bekannt; 1774 sah sie Pallas und hörte die mongolische Tradition, daß sie vom Himmel gefallen. Der Stein bei Notunka und Chakto wiegt 300 Centner, ist 7′ lang und 1½′ hoch. Einen ähnlichen fand Morneÿ in Brasilien und hat ihn beschrieben. An den Quellen des gelben Flußes findet sich ein Fels von 40′ Höhe, der nach der Tradition aus einer leuchtenden Wolke gefallen sein soll. Früher meinte man ihren chemischen Verhältnißen nach seien sie alle ganz ähnlich. Allein sie zerfallen in 2 Klassen: 1., sind sie gediegen von Eisen und Nickel; 2., steinartig, von erdigen Substanzen in die metallische Körper eingesenkt sind. In neuster Zeit sind ganze Steinarten vom Himmel gefallen, wie die Aerolithen von Chugelas (?) Auch zerreibliche hat man gefunden. Das specifische Gewicht ist eben so verschieden. Sie sind 2 bis 3 mal dichter als das Wasser, wie die planetarischen Körper diesseits der kleinen Planeten; daraus könnte man schließen, daß sie uns näher angehören. Es sind auch zuweilen Massen staubartig herunter gekommen; allein diese Beobachtungen sind sehr unsicher. Die Bestandtheile sind 4 oder 5: Eisen, Nikkel, Cobold und Chrom finden sich am häufigsten. Auch Kupfer, Schwe- fel, Kohlen, Natron und Kali in kleinen Theilen. Merkwürdig [[281]/0287] ist es, daß auch Salzsäure, Kieselerde und Kalkerde, ja selbst Wasser einige Male deutlich gesehen ist. Von einzelnen Gebirgsarten weiß man noch wenig. Gustav Rose hat Olivin und gefunden. Die Massen können in 2 Abtheilungen gebracht werden: in solche welche Nikkel enthalten mit viel Schwefel und Kalkerde, aber ohne Kalk, und solche welche keinen Nikkel haben mit wenig Schwefel und Kalkerde, aber viel Kalk und Thonerde. Beim Herabstürzen hat man die Steine in Wölkchen einge- hüllt gesehen aus denen dann und wann Lichtstrahlen hervorschossen. Man sieht auch Dampf u. schwarzen Rauch daraus hervorkommen. Die Höhe des Falls hat mehrmals paralactisch gemessen werden können zu 10–12–15 geograph. Meilen. Am merkwürdigsten ist ihre Richtung. Die meisten Massen gehen horizontal in kleinen Winkeln; ihre Geschwindigkeit ist der der Weltkörper gleich; alle Rechnungen geben 5–6 Meilen in einer Secunde. Bisweilen sind seltene Ablenkungen beobachtet. Es wird allemal im Gewölke Getöse gehört welches 15 bis 18 Meilen weit gehört ist, wie Kanonen oder kleines Gewehrfeuer. Die Massen fallen heiß, verbrennen aber nicht; Beweis, daß die innere Masse nicht von der Verglasung die das Aeußere deckt, gelitten hat. Daß die heißen Aerolithen nicht einmal Holz schwärzen weiß man von einem amerikanischen Schiff auf das im Jahre 1810. ein Stein fiel, der durch das Verdeck durchschlug aber das Holz nicht geschwärzt hat, obgleich er heiß war als man ihn anfaßte. Mit den Jahreszeiten hängen sie gar nicht zusammen und etwas Periodisches findet sich auch gar nicht, also Beweis, daß sie nicht mit Erdphaenomen zusammenhängen. [[282]/0288] Für ihre Entstehung hat man folgende Hÿpothesen aufgestellt: 1., daß sie sich in der Atmosphäre bilden könnten, in Folge einer Auf- lösung und electrischer Explosionen. Dagegen sprechen viele Gründe. 2., daß sie aus den Mondvulkanen kämen, welche Meinung man fälschlich Laplace und Olbers zugeschrieben. Wenn es Vulkane im Monde gäbe, so würden solche Steine in 2½ Tagen auf unsre Erde kommen; aber die größere Menge würde Erdsatelliten werden, wegen der Umdrehung der Erde. Schon 1660 als in Mailand ein Franziskaner Mönch von einem solchen Stein getödtet war, hat Paulo Maria Turzago, ein dortiger Phÿsiker, diese Meinung aufge- stellt. 3., daß sie aus dem Weltraum kommen was Chladnÿ zuerst behauptet. Relative Größe giebt es ja im Weltraum gar nicht. Vielleicht mögen auch aus dem Zerplatzen größerer Planeten kleinere Planeten und Meteorsteine entstanden sein wie Le Grange meint. 54. Vorlesung, 16. April 1828 Organische Rinde unserer Erde oder Geographie des Organismus. Im Starren und Flüssigen, in der Ebene und im Weltmeer ist die Masse das auffallende und überwiegende. Anders ist es mit dem Organischen; hier ist die Masse besiegt von der Form. Bei Ocean und Continent ist Ordnung kaum aufzufinden; im Organischen ist überall Gesetzmäßigkeit, allmählige Entwickelung des Ganzen. Der Geognost der die Wirkung vulkanischer Kräfte erkennt, der Phÿsiker der im Sturm die Höhe der Meereswellen mißt, wird von dem plötzlich Eintretenden überrascht; in der Pflanzenwelt aber wird alles allmählig bedingt. Wir reden hier nicht von den Pflanzen und Thieren, sondern von der mit Pflanzen und Thieren bedeckten Erdrinde. Organische Stoffe [[283]/0289] unterscheiden wir dadurch am besten von dem unorganischen, daß wir sagen, sie enthalten nicht dieselbe chemische Mischung wenn sie aufhören Theil des Ganzen zu sein; das Unorganische kann nach allen Richtungen von einander getrennt werden, das Organische nur nach bestimmten Richtungen. Was das Wort Leben anlangt, so hat man auch wohl die einzelnen Kräfte, die zu einem Prozeß gehören, als die electrische, magnetische Kraft, Lebensthätigkeit genannt, oder aber würden wir es nur bei den Körpern an- nehmen, die den Grund ihrer Existenz in sich selbst haben. In dem Organischen ist eine succeßive Entwickelung der Theile entweder aus sich selbst oder eine Abstammung von einem andern; auch sehen wir am Organischen eine Periodicität. In den organischen Körpern scheinen gewisse Elemente ausgestoßen zu sein, so, daß gewiße Elemente z. E. Kobold sich nie in organischen Stof- fen finden. Aller Organismus, der thierische sowohl als der Pflanzenorganismus folgt einigen Hauptwegen von denen er stimulirt wird, so reizt Chlor auf dieselbe Weise den Samen der Pflanzen als die Geschlechtsthätigkeit der Thiere; mit Opium, Arsenick und anderen Giften hat man dieselbe Er- fahrung gemacht. Das Licht ist nicht unbedingt nothwendig für die Existenz der Pflanzen; man findet sie in der Tiefe der Erde und in der Tiefe des Meers, selbst in solcher Tiefe wo gewiß keine Lichtstrahlen mehr hinkommen. Ich brachte aus 600′ Tiefe Pflanzen herauf welche noch vollkommen grün waren. Von Thieren haben wir die merkwürdige Erscheinung der Eingeweidewürmer, deren Rudolphi 1100 beschrieben hat; auch sie [[284]/0290] leben in immerwährender Finsterniß; man hat dieselben species dieser Thiere gefunden in Säugethieren welche nicht einmal in derselben Zone leben als in Hirschen, Gazellen u. Kängurus. Es ist lange gestritten was die Pristleÿsche Materie sei. Neu- erdings hat man gefunden, daß es mehre Stoffe sind welche unter diesem Namen begriffen werden, eine große Menge Infußions- thiere und allerlei fadenartige Pflanzen. Es ist der Streit entstanden ob verschiedene Entwickelungsstuffen der Infusionsthiere anzunehmen, welche endlich, nach Ruhe sich sehnend in ein Gewebe fadenartiger Pflanzen sich sammeln. Man ist so darauf gekommen, daß das Entstehen der Pflanzen nur eine Zusammensetzung thierischer Stoffe sei, doch meint Turpin und Ehrenberg, daß es noch nicht genug Grün- de giebt um zu diesem sonderbaren Resultat zu gelangen. Der erste Keim des organischen Lebens, etwas blasenartiges, kann für sich existiren und einen Theil aus machen eines zusam- mengesetzten Körpers. So hat man die navicula gefunden und eine Conferve die nicht concammarirt ist; in beiden sind einzelne Stoffe die sich in der erstern bewegen, in der 2ten unbeweglich sind. Also kann es 2erlei Anfänge des Organismus geben, er kann eine Composition aus machen oder einzeln existiren. Mit dieser Beobachtung hängt folgendes zusammen: man findet in der chora flexilis eine Wasserpflanze, durch schwache Vergrößerung beständige Bewegung welche bei Sonnenlicht und überhaupt bei erhöhter Lebensthätigkeit sich besonders zeigt. Wenn man sie unterbindet so schneidet sich die Längenbewegung ab und es zeigt sich in dem neuen Compartimente neue Bewegung. 1774 schon hat Corti diese Bemerkung gemacht, dann zeigte Amici in 276 [[285]/0291] Modena darauf hin. Meÿer in Bonn meint die Bemerkung gemacht zu haben, daß diese Körper eine besondere Bewegung haben wenn sie sich von der Chora trennen und dasselbe will er auch an den Blutkügelchen mehrer Thiere gesehen haben. Schulz in Berlin hat in mehrern milchgebenden Pflanzen ebenfalls Bewegung in abgesonderten Kanälen entdeckt. Man sieht wie bei den Libellen eine doppelte Bewegung, ein- mal wie in einer Barometerröhre auf und ab, dann in einer Röhre hinauf, in der andern hinab. Diese Kügelchen die man Demisphaeren genannt hat, sind von Respaille sehr genau beobachtet sowohl in Pflanzen- als Thiersäften; ja er hat gezeigt wie man nach diesen Kügelchen selbst bestimmen könne von welchem Thier das Blut sei. Alle diese Bemerkungen zeigen, daß es nur künstliche Bemühungen sind das Animalische von dem Vegetabilischen so strenge scheiden zu wollen. Wenn man auf die erste Entwickelung zurückgehen will, so werden alle Defini- tionen durch solche Ausnahme widerlegt, daß man keine für die rechte halten kann. Willkürliche Bewegung war das älteste was man angab, aber dies ist sehr unbestimmt. Andere meinten der Unterschied liege in den Genitalien, die bei den Pflanzen abfallen, während sie bei den Thieren permanent seien. Aber bei vielen Thieren kann man diesen Unterschied gar nicht machen, und bei den Bäumen kann man mit parti- culären Blüthen finden, die nicht untergehen ehe das ganze Gewächs untergeht. Die Nahrung paßt als Unterscheidungs- zeichen gar nicht. Ein merkwürdiger Unterschied ist bei den höhern Pflanzen und Thieren der, daß bei den Pflanzen Kohle zer- [[286]/0292] setzt wird, während sie bei den Thieren hervorgebracht wird. Die Masse des Organischen. Es giebt eine viel größere vegetabilische Masse als ani- malische, auf dem Continent, doch umgekehrt ist es im Meer. Hier ist die Pflanzenmasse geringer; man kennt bis jetzt nur 300 bis 350 species; auch die Masse der Individuen ist geringer: das animalische herrscht bedeutend vor. 55. Vorlesung, 17. April 1828 Geographie der Pflanzen. Diese Wissenschaft verbindet die Klimatologie mit den orga- nischen Erscheinungen selbst und ist die Beschreibung der dermaligen Vertheilung der Vegetabilien auf der Erdoberfläche. Fälschlich hat man oft Geographie und Geschichte der Pflanzen mit einander ver- wechselt; selbst Stomeÿer überschrieb noch seine Dissertationen über diesen Gegenstand: historia vegetabilium. Die Geogra- phie der Pflanzen ist eine noch neuere Wissenschaft als die Geog- nosie. Freilich unterschied man schon früh: Wasserpflanzen, Al- penpflanzen und Wiesenpflanzen; dies drückt aber nur die Sta- tionen der Pflanzen aus, nicht ihre habitationen. In der persi- schen Sprache werden sehr gut unterschieden: Pflanzen des warmen Landes (germe sire) und des kalten Landes (cher sire). Was der Cardinal Bembo schon im 16ten saec. sehr poetisch beschrieben hat in seinen: Aetna dialogus, das hat in neueren Zeiten Tour- nefort beschäftigt, der am Abhange des Gebirges die Vegeta- tionsschichten übereinander liegen sah, wie wenn er nach dem Norden zu gereist wäre. Linnée hat in 2 Abtheilungen das- selbe Thema behandelt und aus orientalischen Mÿthen erklärt. Dann haben Menins (?) Pallas, Cooks Reisen, ohne es zu wissen 278 [[287]/0293] viel zu Pflanzengeographie beigetragen. Schon Adamson am Senegal that einen Schritt weiter. Er fühlte, daß die verschie- denen Gruppen von Pflanzen nicht allen Regionen zugehören; er erkannte, daß Dollen-Gewächse z. E. den Tropen fast ganz fehlen. Linnée freilich, mit seinem künstlichen, willkürlichen Name existirte lange vorher; ehe die Wissenschaft selbst von einiger Bedeutung war, wie es mit vielen Wissenschaften geht. Dr Menzel, im 17ten Jahrhdt:, brauchte ihn zuerst. Später wurde er von Bernardin de St: Pierre gebraucht in seinen: études de la nature, dann von Girard Saulabie in seiner geographie phÿsicale de vegetation etc: Allein letzterer spricht nur von cultivirten Pflanzen. Doch giebt er schon einige Linien an unter denen bestimmte Pflanzen gefunden worden. Drei Dinge müssen zusammen kommen um die Wissen- schaft weiter auszubilden: Messungen der Höhen, Messungen der Temperatur und Vereinigung zwischen Botanikern und Phÿsikern. Hiernach strebte ich und Bonplant. Wir sammelten über 6000 Pflanzen, deren Vaterland wir durch Höhe und Wärme- messungen bestimmten. Jetzt hat sich die Zahl auf 11 bis 12000 vermehrt, doch bleibt noch viel zu thun übrig, da unsere Herbarien über 60000 Pflanzen nennen. Die Pflanzen der canarischen Inseln hat v. Buch, die des Caucasus Parrot, die von Lapland Baremberg, andere Scot und Geraudole etc: bestimmt. Doch hat man häufig dieser Pflanzengeographie vieles beigemischt, was mehr dem allgemeinen Naturbilde angehört und der Mineralogie. Gern würde ich die Pflanzengeographie mit der der Thiere [[288]/0294] vereinigen, doch haben wir noch für die letztere gar zu wenig Thatsachen, namentlich gar keine Barometerbestimmungen. Die Thatsachen der Pflanzengeographie zerfallen in 6 Abtheilungen: 1., Wie weit geht die Pflanzendecke auf dem Erdkörper? 2., Wie viel Pflanzenarten sind auf dem Erdkreise? 3., Geogr: Verschiedenheit der Größe in der isolirten und geselligen Bildung der Pflanzen und Mannichfaltigkeit des Naturanblicks. 4., Verbreitung nach Identität der Pflanzenarten. 5., Verbreitung nach Zahl der Arten, welche gewisse Familien unter sich begreifen. 6., Störungen welche gegenwärtig noch die Verbreitung der Pflanzen ändern z. E. Wirkungen der Menschen, Strömungen, Erdbegebenheiten. 1., Was die Ausbreitung der Pflanzendecke auf dem Erdkörper an- langt, so wird sie verschieden sein. a., nach den phÿsikalischen Standorten oder Stationen. b., nach der geographischen Beschaffenheit. Wir bemerkten schon früher, daß sich Pflanzen finden auch unter der Erde in dem Meer, ohne Einwirkung des Lichts. Die unterir- dischen Pflanzen sind entweder von Luft umgeben, wie in den Bergschachten oder wie krÿptogamische Gewächse in Baumstämmen, oder sie werden selbst von der Erde berührt, so ist es bei Trüffeln u. a. m. Die letztere Art der unterirdischen Pflanzen umfaßt die größten Species die man von krÿptogamischen Gewächsen kennt. Man hat Trüffeln von 6–8 ℔ in einer Tiefe von 5–6′ gefunden. Ebenso sind ja alle Wurzeln im Winterschlafe unterirdische Gewächse, auch der Same bleibt manchmal auf diese Weise jahrlang in der Erde. Von den Seepflanzen sagte ich schon früher: daß [[289]/0295] ihre species nur wenige sind, ihre Größe aber ist bedeutend, ich fand welche von 300′ Höhe. Auch nahe am Pol finden sich noch viele Pflanzen. Parrÿ hat von der Melville Insel 70 species mitgebracht. (Ich rede hier immer nur von Pflanzen höherer Organisation) Auf dieser Insel welche unter 75° N. B. liegt, findet sich sogar noch ein kleiner Baum salix arctica. Spitzbergen scheint ärmer an Pflanzen zu sein. Man glaubte, daß auf der Südhemisphaere die Pflanzen- decke nicht so weit nach Süden reiche; Förster behauptete, daß im Sandwichland gar keine Pflanzen wachsen, doch in Neushetland sind welche gefunden und Bellinghausen brachte welche mit aus den Alexander und Pauls Inseln. Auf den Andes habe ich noch bei 17500′ umilicaria gefunden, eine Krÿptogame. Bei 15000′ giebt es noch schöne Phanerogamen. Die Kälte ist es wahrscheinlich nicht, die die Pflanzen hindert noch höher zu kommen, sondern vielmehr der Schnee und dasselbe gilt auch wohl von der Polarregion. Die Alpenpflanzen sind merkwürdig wegen ihrer Dürre, Harzigkeit und den vielen Haaren, die sie umhüllen. Die Ursache davon liegt wahrscheinlich im Barometerdruck. Die höchstmöglichste Respiration findet sich bei diesen Alpenpflanzen, wozu sie geneigt werden durch die Dünne der Luft u. durch das Licht. Dadurch entstehen auch wohl die Haare, denn diese sind nichts weiter als Werk- zeuge der Ausdünstung der Oberhaut der Pflanzen. Aus dem- selben Grunde sind sie so schwer auf der Ebene zu cultiviren, denn das Licht und den Luftdruck kann man ihnen künstlich nicht geben. Die chemische Beschaffenheit des Bodens habe ich nicht mit- genannt, weil nach Theodor v. Saussure nur wenig hierauf [[290]/0296] ankommt, daher es nicht richtig ist die Pflanzen zu unterscheiden, welche auf Granit, Kalk oder Thonschiefer wachsen. Man meinte früher, daß der Buxbaum nur auf Kalk wachse und doch hat man ihn auch auf Granit und vulkanischem Gestein gefunden. Es ist aber nicht hinlänglich zu wissen wie weit sich die Pflan- zendecke auf den Bergen und nach dem Pol zu erstreckt; man muß auch die Verschiedenheit derselben Pflanzenspecies an den verschiedenen Stationen beobachten. 2., Wie viel species der Pflanzen sind bekannt, wie viel sind be- schrieben? Ueber diese Frage hat man in neusten Zeiten Un- tersuchungen angestellt. So 1817 ich und Brown; wir meinten, daß es 44000 species gäbe, von denen 13000 aus dem tropischen Theil Amerikas nur 4500 aus den Aequatorial-Asien. In Perceau’s Enchiridion waren nur 21000 beschrieben, doch glaubt Lacandolle, daß an 56000 beschrieben wären. Der Zuwachs in neuerer Zeit ist ungeheuer groß. 3700 species sind aus Neuholland, 3000 neue aus Amerika gebracht. In Brasilien sind in 27 Jahren 13500 Pflanzen neu entdeckt. Herr Bortschel hat aus dem Cap. der guten Hoffnung 7000 mitgebracht. Die größte Masse aus einem Lande brachte Dr Pole aus Brasilien auf einmal, nem- lich 8000 species. 56. Vorlesung, 19. April 1828 Beschrieben sind 60–65000 Phanerogamen und somit kommt nur 1 species auf 42 □ Meilen. In allen Gärten Englands sind zusammen 16000 species cultivirt. Hier giebt es die größten Herbarien von Lambert (?) was 35000 species, worunter 32000 Phanerogamen, enthält. Merkwürdig ist, daß bis jetzt fast eben so viel Thierspecies als Pflanzenspezies beschrieben sind, nemlich 66000, von denen 44000 Insecten. [[291]/0297] Bei den Thieren sind die niedern Organisationen die zahlreichern, sie machen ⅚ der ganzen Masse; bei den Pflanzen ist es umge- kehrt und Krÿptogamen machen nur ⅐ der bis jetzt beschriebenen. Europa hat etwa 7000 species von den beschriebenen Pflanzen, also 1 species auf 22 □ Meilen. Doch rechnet man die ab welche Nordame- rika mit Europa gemeinschaftlich besitzt und die welche auch in Nordasien sich finden, so hat es nur 1800–2000 eigne species. Lecandolle meint, daß nur überhaupt 120,000 Phanerogamen existiren; doch scheint dies viel zu wenig. Doch merkwürdiger Weise stimmt diese Zahl mit der Zend-a-vesta überein, in der man dieselbe Anzahl Pflanzengestalten aus dem Stierblute entstehen sieht. Eine andere hierhergehörige Frage ist noch ob die Zahl der species zu- oder abnimmt. Von den Thieren wissen wir, daß Gattungen untergegangen sind, so die Dronte, ein mausartiger Vogel auf den westindischen Inseln. Von den Pflanzen ist es wahrscheinlich daß niedere Organisation untergehen und entstehen; aber daß Pflan- zen höherer Organisation entstehen sollten, ist eine Hÿpothese welche außerhalb der historischen Gränze liegt. Unter unsern Augen entstehen gewiß noch sehr viele Pflanzen aus Vereinigung verschiedener Geschlechter, welche sich auch wohl, doch selten, fortpflanzen durch den Samen. Wenn wir die Zone betrachten, so finden wir, daß die Pflanzendecke immer dichter und dichter gewebt ist, je mehr wir uns vom Pol ent- fernen. Brown meinte der größte Reichthum fände sich in 28–30°S. B. doch hat er diese Meinung aufgegeben, da sie sich bloß auf ein Localphaenomen gründete. Unter den Tropen selbst ist der größte Reichthum, was meine, Bonplants und Poles Entdeckungen beweisen. Wir nehmen für die Tropen 7500 [[292]/0298] species an. In der gemäßigten Zone hat z. E. Frankreich eben so viel wie Deutschland wenn wir die Schweiz zu letzterm rechnen. Frankreich hat 3800 Phanerogamen. Deutschland 3400, ohne die Schweiz 2300. Wirtemberg 1231 Phanerogamen, Berlins Umgegend 1000, mit den Krÿptogamen 2200. In Lappland sind nur Phanerogamen u. Krÿptogame 1000 spec: Island nach Cooper: 374 Phanerogamen, (74° N. B.) 67. Auf einigen vulkanischen Inseln des atlant: Oceans finden sich noch weniger, so eine der canarischen Inseln nur 55 spec: Aegÿpten hat 1000 Phanerogamen; bei Dongola hat Ehrenberg nur 300 Phanerog_: gesammelt und er meint, daß höchstens noch 100 zu finden sein würden. Hier sieht man recht den Contrast Afrikas gegen die andern Tropenregionen. 3., Geographische Verschiedenheit in Rücksicht auf die phÿsische Beschaffenheit. Die größten Contraste geben, um von dem kleinsten anzufangen, die microskopischen Pflanzen. Dem bloßen Auge sichtbar ist die meteorische Vegetabilie welche man in dem rothen Schnee ge- funden hat. Bauer hat ihn lange für ugneda und temella gehalten, welche kleine Sphaeren sind aus denen dann und wann neue Sphaeren entstehen, die sich von den alten trennen. Sie kön- nen bei einer Temperatur von 15 und 16° sich fortpflanzen, wie sie in Paris, London und Genf 1½ Jahre fortgedauert haben. Im furchtbarsten Contraste hiermit stehen die majestätischen Formen der Palmen, namentlich auf den Andes. Die höchste Palmenfamilie ist die Bergpalme, welche auf 4–6000′ Höhe anfangen und bis 8000′ Höhe hinaufgehen; hinzu gehört die Wachspalme, von denen ich eine maß von 180 Pariser Fuß Länge. In neuster Zeit sind noch größere entdeckt unter den [[293]/0299] Zapfenbäumen; so auf den Norfolkinseln von 240′ Länge. Die längsten Bäume also gehören der temperirten Zone an. Douglas u. Francklin haben 1826 am Columbia-Fluß und in Canada unter 48 u. 50° B. die pinus canadensis entdeckt welche 18′ Durchmesser und 260′ Höhe hat und Zapfen trägt von 1½′ Länge. Gegen Norden schrumpfen die Bäume so ein, daß sich auf Melville-Island Bäume von 2″ Höhe finden. Was den Umfang anlangt, so findet sich dieser am größten in den Tropengegenden. So fand man eine amazonia von 60′ Höhe und 34′ Dicke am Senegal. Der Drachenbaum auf den canarisch: Inseln hat 15′ Durchmesser und ganz gewöhnliche Bäu- me dieses Geschlechts 6–7 Fuß. Horsfel hat Blumen von der Peziza nach England geschickt welche 15 ℔ wiegen und so groß sind, daß ein Kind im Kelche liegen kann, nemlich 3′ Durchmesser. Früher hielt man für die größte, eine Blume von 16–17″ Durch- messer, welche ich als Mütze bei den Indiern am Amazonenstrom fand. Bäume finden sich 70 spec: in Deutschland und Frankreich; in Lappland nur 11, also nimmt die Baumartigkeit gegen den Pol zu ab. Wie die Baumartigkeit vom Klima begünstigt wird, hängt auch ab von der Form des Continents. Giebt es bei uns nur 2 Quercus-Arten, so finden sich dagegen im neuern Continent unter derselben Breite 42 spec: zu denen noch in der temperirten Zone auf Mexicos Höhe 25 hinzukommen. Wenn die Tropen sich auszeichnen durch die Höhe der Gewächse, ihre Baumartigkeit, Ausdehnung und Größe der Blätter, so zeigen sie auch das größte Zusammenziehn des Parenthyma’s, so daß die Blätter zusammenschrumpfen zu Nadeln, wie unsre Fichte. [[294]/0300] In der niedern Region aber zeigen die Tropen, selbst wo es feucht ist, kein so schönes Grün des Teppichs wie bei uns. Das kommt weil die Zahl der annualen und semiañualen Pflanzen sowohl nach dem Aequator zu als nach dem Pol zu abnimmt. Der auffallendste Unterschied ist die Größe der Blüthen. In der tem- perirten Zone sind fast alle Blüthen vom Geschlecht der Amet- tazien u. arten, also nicht farbig; in den Tropen findet man dagegen die schönsten, brennendsten Farben. Wenn bei uns Moos die Bäume umhüllt, so finden sich auf den Stämmen der Tropenbäume eine Menge blüthenreiche Pflanzen. Der letzte Unterschied ist, daß in der temperirten Zone die Social- pflanzen häufiger sind, dagegen unter den Tropen die Singular- pflanzen; daher die vielen Haiden und Wälder in nördlichen Gegenden. Die erica vulgaris hört schon auf im mittlern Frankreich und dann beginnt, erst einzeln, später wieder ge- sellig erica arborea. Unter den Tropen ist geselliges Pflan- zenleben etwas sehr seltenes und die Frage: woraus ein Wald bestehe? hat dort fast gar keinen Sinn und ich könnte sie, von den großen Wäldern am Orinoco nicht beantworten. Doch giebt es auch Ausnahmen z. E. cactus finden sich in ziem- lichen Haufen; andre gesellige Tropenpflanzen sind Bambu- sazien oder Gräser von 15–16′ Höhe und von 2 bis 2½′ Dicke. Für die Phÿsiognomie einer Gegend, wie für die Schicksale der Menschen ist diese Gewohnheit der Pflanzen, entweder einzeln oder gesellig zu leben, sehr wichtig geworden. Die Waldungen legen den acker- bauenden Völkern große Hinderniße entgegen und die Anhäufung von Grasarten oder monocotÿlidonen welche von China bis ans caspische Meer sich finden, gaben dem alten Hirtenleben die [[295]/0301] Möglichkeit und nur aus diesen Gegenden konnten Völker her- anziehen da sie den Proviant als Heerden mit sich zu führen vermochten. 57. Vorlesung, 21. April 1828 Zahl der genera die es unter den species selbst giebt. Diese ist so verschieden von der Zahl der species, daß je weiter man nach dem Pol zu kommt je mannichfaltiger in dieser Hinsicht der An- blick der Natur wird. In Lappland finden sich 1½ species für 1 genus, in Frankreich schon 5–6 spec: für 1 genus, unter den Tro- pen oft 300 spec: für 1 genus. In Berlin finden wir bei 2 bis 3 spec: 1 genus in Folge des dürren Sandbodens, nemlich 420 genera auf 1000 Phanerogamen; in Frankreich 683 genera auf 3600 Pha- nerogamen. Die ersetzenden Formen haben solche Aehnlichkeit mit den einzelnen species, daß man sie fast für dieselben hält. Daher kam es, daß man in Nordamerika so viele, wie man sie nannte, europäische Pflanzen fand. Noch sonderbarer wird dieser Gegenstand wenn man an solche genera denkt, die nur aus 2 species bestehen. So giebt es nur 2 platanusarten von denen die eine dem alten, die andere dem neuen Continent eigen ist. Einige ersetzende species sind sich so ähnlich, daß sie fast gar nicht unterschieden werden können, so die Brennessel des südlichen und östlichen Europa und die des nördlichen. 4., Verbreitung nach Identität der Pflanzenarten: Die species sind eigentlich nicht Producte der Klimate; sondern hierdurch entstehen wohl nur dieselben veränderten Formen, so haben wir die grasartigen Monoretÿledonen, welche in den Tropen Palmen werden. Von europäischen Formen sollte man eigentlich nicht sprechen, da die- [[296]/0302] selben Formen sich ja auch in anderen Erdtheilen u. unter dem Aequa- tor fanden. Dagegen giebt es endemische genera so z. E. am Laÿ genera hermanea antoliza, so in Amerika cactus welcher nur diesem Lande zugehört, in Neuholland Bankszia etc: Sehr aufmerksam war ich auf die Formen die sich ausschließen. So ist keine Rose und keine pinusart in der Südhemisphaere gefunden; dagegen geht calceolarea in Peru kaum bis an den Aequator hinan und nicht über ihn hinaus in die Nordhemisphaere. So giebt es in ganz Amerika keine erica. Die Arten der Verbreitung sind sehr verschieden. Eigentliche Verbreitung geht nur in den untern Formen vor. So hat Ehrenberg den hiesigen Schimmel wiedergefunden in der Oase des Jupiter Ammon. Man meinte daß die Krÿptogamen unter den Tropen selten wären, doch zeigen neuere Untersuchungen, daß sie da eben so häufig sind. Nur von diesen Pflanzen kann man sagen, daß sie kosmopolitische sind. Doch auch unter ihnen kommen Ausnahmen vor. So finden sich 2 krÿptogamische Gewächse an der Küste von Bretagne, welche sich nur in Jamaica wiederfinden. Von der Gemeinschaft der Pflanzen welche beiden Con- tinenten eigen sind. Von 1000 Farrenkräutern kenne ich nur 2 species welche in beiden Continenten sich finden. Von Monokotÿledonen sind 22 Gräser species bekannt welche in beiden Continenten wachsen. Bei den Dÿkotÿledonen zeigt sich das Gesetz welches Buffon von den Thieren nachgewiesen hat, daß sie auf beiden Continenten ganz verschieden sind. Nur einige Littoralpflanzen möchten sich finden welche von dieser Regel eine Ausnahme machen, da sie vielleicht wie die Malaÿische Menschenrace [[297]/0303] den Strömungen ihre Fortpflanzung verdanken; auch sind 1827 in Brasilien einige spec: gefunden von denen man glaubt, daß sie unsern ganz gleich sind; doch können es auch ersetzende Formen sein. Was nun dieselbe Hemisphaere anlangt, so finden sich in Nordamerika etwa 400 species wie in Nordeuropa, doch glaube ich, daß diese Zahl viel zu groß ist. Farrenkräuter finden sich nur 8 welche in beiden Erdtheilen gleich wären. Manche genera fehlen uns ganz als die mit folia pennata u. a. m. Was die Identität der temperirten südl: und temperirten nördl: Zone anlangt, so finden sich nur wenige Beispiele z. E. das Farrenkraut aspi- deum aculeatum findet sich in England und am Cap der guten Hoffnung, aber nicht in der mittlern Zone; capillus veneris findet sich in allen temperirten Zonen beider Hemisphaeren. Einwandern können Pflanzen freilich sehr leicht; so wurde eine peruanische Pflanze wild im botanischen Garten bei Berlin und wächst jetzt zwischen diesem und dem Thore der Stadt. Bei Montpel- lier wo Baumwolle getrocknet wird hat man viele Pflanzen aus der südl: Hemisphaere gefunden, welche mit der Baumwolle mit- gebracht wurden. Auch durch Strömungen sind viele Pflanzen ausgebreitet und namentlich durch die Kultur da es den Menschen eigen ist, namentlich Monokotÿledonen allgemein herrschend zu machen. vide Link Urwelt 4 Thl: 2 Abschnitt. 5., Verbreitung der Zahl der Arten nach den verschiedenen Gruppen. Man hat diese kennen gelernt durch die Bestimmung der Zahl der Formen. Wenn man z. E. die Quantität der Grasarten kennt, so kann man darnach bestimmen wie viel juncusarten es dort giebt. Brown hat hierfür sehr viel gethan. Er hat die [[298]/0304] Gesetze gefunden welche der Bestimmung der Formen solche Sicherheit geben, daß man sich über das Resultat der Rechnungen wundern muß. Von der Betrachtung der Zahl der species ist durchaus verschieden die Zahl der Individuen. So sind bei uns nur 2 bis 3 genus pinus, aber doch haben wir so ungeheuer große Nadelwälder. Die Maße der Pflanzen ist also verschieden nach Vergleichung der absoluten Zahl und nach Vergleichung der Quotienten. In Frankreich sind 1600 Phanerogamen mehr als Krÿptogamen; In Deutschland umgekehrt 4300 sp. Krÿptogamen 3400 spec. Phanerogamen. Dasselbe Verhältniß findet sich auch in Lappland. Unter den Tropen giebt es noch weniger Krÿptogamen als in Frankreich. Sicherer noch ist die Bestimmung der Monokotÿledonen und Dikotÿledonen. Der Anblick der alten Welt muß sehr ver- schieden sein von dem der Tropen, denn die Zahl der Monoko- tÿledonen zu den Dÿkotÿledonen ist unter den Tropen ⅙ in Lappland ⅓. In unserer Zone machen die Gräser ⅛ aller Phanerogamen aus die Schmetterlingsblume 1/18 〃 〃 〃 〃 Malven 1/200 〃 〃 〃 Die auffallendsten Contraste sind, daß gewiße Pflanzen gleichmäßig zunehmen von den Tropen gegen den Pol zu, so die Dolden-Gewächse, Eichenarten etc: Andere umgekehrt nehmen von den Polen nach den Tropen hin zu; so finden sich gar keine Euphorbien in Lappland etc: Es giebt aber auch eine 3te Gruppe welche ihr maximum in den temperirten Zonen findet und abnimmt nach dem Aequator hin und nach dem Pol hin, so die lippenförmigen [[299]/0305] Pflanzen. Aehnliches findet man unter den Thieren. 58. Vorlesung, 22. April 1828 Geographie der Thiere. Hauptcharacter des thierischen Lebens ist der Schmerz. Die Existenz des thierischen Lebens setzt die Existenz des Pflanzenlebens voraus; das erste Aufkeimen des organischen Wesens zeigt sich in der Urwelt bei den Pflanzen, denn wir finden Ueberbleibsel von Pflanzen in den tiefsten Schichten die wir für viel älter erkennen als die Gebirgsarten in denen wir thierische Ueber- bleibsel entdecken. Die beweglichen Thiere: Vögel und Fische finden wir am weitesten verbreitet, denn sie finden in den ver- schiedenen Höhen die Verschiedenheit des Klimas, so daß sie das aufsuchen können, was ihnen am zuträglichsten ist. So findet sich die seriola cosmopolita an den Küsten von New York, Brasilien, Cap der guten Hoffnung, Ostindien und der Sandwichin- seln. Die Süßwasserfische theilen nicht diese Eigenschaft der Meer- fische. In hohen Seen auf der Andeskette giebt es einige genera die sich sonst nirgend wiederfinden, so auch in den Pÿrenäen auf 7000′ Höhe wo die mittlere Temperatur kaum +1° ist und die Seen 4 Monate lang gefroren sind. S. 366 l. Die Wissenschaft der Geographie der Thiere ist älter als die der Pflanzen, etwa 40 Jahr alt. Zuerst schrieb: Zim̃ermann geographiae animalium specimen. Doch damals wurde noch alles phÿsische, meteorologische ausgeschloßen. Neuerdings finden wir alles hieher Gehörige zerstreut in Reisebeschreibungen. Ueber die Insecten schrieb Latraille. Wie weit ist das thierische Leben verbreitet? Gelangt es so weit wie das Pflanzenleben? Wir beantworten diese Fragen [[300]/0306] bejahend, doch es ist in geringerer Menge verbreitet als die Pflanzen. Man findet in Bergwerken Thiere; ja Ehrenberg fand in unsern verdeckten Brunnen Infusionsthiere, die also unterirdischen Ursprungs sind. Andere Thiere finden sich zu- fällig dort. So sind manche Fische in Stollen gekommen u. haben sich dort fortgepflanzt. In der Tiefe des Meers, wohin kein Licht- strahl dringt, finden sich dennoch großäugige Fische (doch freilich wenige) die nur dort leben. Laroche hat diejenigen Fische unter- sucht welche 5000′ tief im Mittelmeer leben und hat gefunden, daß ihre Schwimmblase fast reines Sauerstoffgas enthält. Auf die Berge steigt das thierische Leben nicht in dem Maaß wie das vegetabilische. Es hört übrigens schon 2000′ vor der Schneegränze auf. Höher findet man höchstens noch fliegende Insecten welche wohl durch den Luftstrom hinaufgehoben werden. Gaÿ-Lussac sagt, daß, als er 3000′ in seinem Ballon gestiegen war, er sich in einer völligen Einöde befunden habe. Quantität der species welche in dieser Masse des thierischen Lebens erkannt werden kann. Diese Zahl ist in neuerer Zeit sehr vermehrt. Fabricius kannte nur noch 11000 Insekten, jetzt sind schon an 44000 beschrieben von denen sich 30,000 im Berliner Museum finden. Von den höhern Organisationen, sind beschrieben: Säugethiere 900 (in Europa 100) Vögel 5000 Amphibien 700 Fische 5000 Also Rückenwirbelthiere 11,600 Arten wovon 10/11 den flüßigen Umhüllungen des Erdballs angehören. Die Vögel zeigen [[301]/0307] das maximum die Fische das minimum der Luftinspiration; ein Huhn hat 33½° R. Blutwärme und 136 Pulsschläge; ein Pferd dagegen nur 29½° und 56 oder 58 Pulsschläge. Wenn man das Wasser von Luft trennt durch Quecksilber, so kann man auch Fische ersäufen; wie mir selbst dies gelungen ist. Allen Katastrophen der Erde sind Vögel und Fische am glücklichsten entgangen. Die größte Masse aller Thierformen bieten die Insekten dar; nemlich 44000. Von Schaalthieren sind 5000 von Pflanzenthieren und Zoophyten 6000 beschrieben. Alles zusammen genommen macht 66,600 species. Die Insecten machen also ⅔ aller bekannten Thiere aus, doch giebt es gewiß noch viel mehr, als bis jetzt beschrieben sind. Dies läßt sich beweisen aus der Analogie von Berlin. Hier kommen auf 2000 sp: Phanerogame 5000 Insekten, nun giebt es aber 60,000 Phanerogame, müßte also auch 120,000 Insekten wenigstens geben. Verbreitung der Thiere. Der Reichthum an Thieren nimmt zu mit der Temperatur, also von den Polen zu der Tropenwelt. Am mannichfachsten ist das Thierleben wo der Character der Landschaft am meisten individualisiert ist. Daß die großen Pachodermen dem neuen Continent fremd geblieben, scheint nur zufällig, denn alle übrigen Thierarten z. E. der Bisonbüffel, finden sich ungeheuer groß in Amerika. Diese größern Formen sind grasfressend und dasselbe scheint nach Cuvier auch in der frühern Zeit so gewesen zu sein; so war das größte Krokodill wovon uns Knochen übrig- geblieben sind, woraus wir schließen, daß es 80′ lang und so hoch wie ein Elephant war, nach seinen Zähnen zu urtheilen, gras- freßend. Die Größe der Thiere scheint mit gewissen Bedingnissen [[302]/0308] ihrer innern Organisation zusammenzuhängen. Es giebt keine microskopischen Fische und Säugethiere. Der kleinste Fisch des alten Continents ist der Stickling 1½″ groß. Später fand Ehrenberg im rothen Meer noch kleinere welche zum bovius und metodon Geschlecht gehören, bunte und gold gefleckt und nur 8–9 Linien groß sind. Der Haifisch dagegen ist 30′ lang, also im Verhältniß wie 1 : 700. So weite Gränzen finden sich nicht bei den Vögeln. Was die Säugethiere anlangt so meint Lacepede es gäbe welche von 200′ doch Scoresbÿ der 392 Wall- fische tödtete fand nie einen größer als 60′. Der Caschelot-Potfisch erreicht einzeln die Länge von 100′. Vergleicht man hiermit die kleinsten Nagethiere so kommt ein Verhältniß heraus von 1 : 700. Vergleicht man den Caschelotfisch mit dem kleinsten Thier überhaupt, so giebt dies ein Verhältniß von 1 : 23 Millionen. 59. Vorlesung, 23. April 1828 Die Zahl der Individuen ist in den untern Klassen ohne Maaß groß. In der Milch eines großen Karpfen hat Blumenbach 250,000 Millionen lekarien gefunden. Was die Masse der Thiere höherer Organisation anlangt, so könnte man der ungeheuren Menge Ueberbleibsel wegen glauben, daß die Masse der Urbestien noch größer ge- wesen sei als der jetzt lebenden. Doch finden sich auch noch Elephan- ten in Heerden von 300 Stück und Bisonochsen von 10000 Stück. Die columbae peregrinatoriae bilden ganzen Wolken welche Nordamerika durchziehen. *) Das merkwürdigste Beispiel der Ausbreitung der Vögel zeigt die Südsee; hier sah ich manchmal 5 Stunden lang eine Wolke von Seevögeln über einen Punkt fortziehen; ihre Excremente bilden Schichten von 25 bis 30″. Wenn man aber die Thiermasse mit der Pflanzenmasse vergleicht, *) Die Bäume brechen zusammen, lassen sie sich auf einem nieder; denn schlagen die Bauern sie todt, und diese Tauben dienen zur Nahrung – den Schweinen. [[303]/0309] so ist freilich die letztere immer größer. Eine wichtige Frage ist: ob es irgend ein Thier gäbe, welches über den ganzen Erdkörper verbreitet ist. Ehrenberg nennt 15 Infusionsthiere, welche dieselben sind in Europa und allen übrigen Erdtheilen. Weit verbreitet, doch nicht überall finden sich gewiße Insekten: so papilio cardio in Amerika, Europa, Ostindien. sphinx atropos u. a. m. Von den Sumpfvögeln findet sich tringa pugnax u. einige andere in allen temperirten und der Tropen-Zone, aber nicht in den arctischen Regionen. Von trix argula meinte Cuvier dasselbe, doch ist die amerikanische wohl eine andere Species als die der alten Welt. Von den höhern Organisationen finden sich, diese Sumpfvögel ausgenommen, keine zugleich in den Tropen der neuen und alten Welt. In der temperirten Zone finden sich ver- schiedene welche man für gleich hielt; doch ist in neuerer Zeit gefunden, daß sie verschiedene species sind, nur Rennthiere und Elenthiere machen eine Ausnahme. Früher meinte man der amerikanische Bisonochse sei unser Auerochse; doch ist dies ganz falsch. Die Sumpfotter scheint wirklich dieselbe zu sein. Ob die nördliche und südliche Hemisphaere dieselben species von Thieren hat? Der Lämmergeier, merops oleaster u. a. m. finden sich in unserer temperirten Zone und in der temperirten Zone Afrikas; von einigen Taubenarten soll dasselbe gelten. Die tropischen Formen verbreiten sich mehr nach der südlichen als nach der nördlichen Hemisphaere. Wie die temperirte Zone Nordamerikas durch herrliche Pflanzen ver- schönt ist, so sind auch hier noch tropische Thierformen zerstreut z. E. Kolibri und manche Schmetterlinge. Mackenzie fand Kolibri 44° N. B. also in der Breite von Königsberg und Danzig; 45° S. B. hat King 54° [[304]/0310] sie wieder gefunden in der magellanischen Meerenge. Auch ersetzende Formen giebt es unter den Thieren. Ich erinnere nur an den asiatischen und afrikanischen Elephanten; den erstern hat man selbst dem genus nach von letztern zu unterscheiden gesucht; er hat eine andere Krone der Zähne und Höhe der Stirn. So auch mit Rhinozerosarten: rhinoceros unicorne und am Cap und in Sumatra 2 hörnige; so Tapir die nicht bloß in Amerika sondern auch in Malacca und Sumatra gefunden sind. Auch mit Vögeln z. E. Strauße in Amerika und in Afrika, und mit den Amphÿbien ist es nicht anders, so Boa und Python im Schlangengeschlecht. Ebenso ist es mit den Insekten; pullex penetrans hat in Amerika eine bestim̃te Höhe; sie fangen an bei 900′ Höhe und kom̃en nicht mehr vor höher als 4000′. Zahlenverhältniße. Vögel 5 mal mehr als Säugethiere; in der Vorwelt gab es 128 Säugthiere mehr als jetzt. Vögel- und Amphibien-Zahl nimmt gegen die Tropen hin schneller zu als die der Säugthiere. Gegenwärtig verhalten sich die wiederkäuenden zu den reißenden Thieren wie 3 : 1. Pachidermen jetzt 16 bis 18 species in der Vorwelt 55 spec: mehr. Auch Insekten sind untergegangen, solche findet man im Bernstein. Die Form der Kenguru und andere neuholländische Formen sind nicht so einzeln dastehend als man meinte; so finden sich auf der Insel Aroe nahe bei Benda Kengurus. Am indischen Archipel ist es merkwürdig, daß er so große unter seinen einheimischen Thieren zählt; statt daß andere sporadische Inseln nur kleine haben; gewöhnlich Nagethiere oder Affen. Im indischen Archipel finden sich die größten Thiere: Elephanten, Rhinozeros, Tapirs und dadurch kündigt es sich als ein [[305]/0311] abgerißenes Continent an. Der Mensch. Am weitesten verbreitet von allen höhern Organisationen ist der Mensch, nicht wegen seiner verschiedenen Organisation, sondern seiner Intelligenz wegen. Unter den hellern Racen findet sich freilich eine größere Flexibilität; nur wenige Negerarten machen eine Ausnahme. Doch diese Flexibilität die sich bei rohen Völkern nicht findet, ist gewiß Folge einer höhern Willenskraft nicht der phÿsischen Anlagen des Menschen selbst. Die phÿsische Natur des Menschen ist fast nicht unterschieden von den anderen Säugthier- formen. Seine Blutwärme ist nach John Davÿ eher kälter als wärmer denn die anderer Thiere. Wunderbar ist, daß man in der Blutwärme der Menschen die nur vegetabilische Stoffe ge- nießen und der, die nur Fleischspeisen essen keinen Unterschied findet. (Man mißt die Blutwärme, indem man das Thermometer unter der Zunge hält.) Vögel, namentlich Hühner und Tauben haben das wärmste Blut. Die kaltblütigen Thiere haben immer noch einige Temperatur gewöhnlich +3 oder 4° über die Temp: des me- diums in dem sie sich aufhalten. Auch die Insekten haben eine gewiße Wärme. Die kleinen Unterschiede welche man bei den verschiedenen Menschenracen in Rücksicht auf die Blutwärme findet, scheinen bloß Folge der Zone zu sein. Auch die Puls- schläge sind dieselben bei den verschiedenen Racen und in den ver- schiedenen Höhen. Die Flexibilität des Menschen zeigt sich recht bei den Dampfbädern. Schon 1764 hat Tillet ein Mädchen 10 Min: in einem Ofen bei +105° R. eingesperrt, wo die Kartoffeln siedeten, und es nahm keinen Schaden. Auch Capt: Fips ist aus [[306]/0312] −30° R. in Schweißbäder von +102½° R. gegangen und hat es dort ausgehalten. Seine thierische Wärme stieg um nichts obwohl die Pulsschläge zunahmen. Vermöge dieser Beugsamkeit der Organe vermag der Mensch auch ganz verschiedene Luftdrücke auszuhalten. Menschen leben von −40° bis +105°R. 60. Vorlesung, 24. April 1828 Die neuern historischen Entdeckungen haben ein unerwartetes Licht verbreitet namentlich über die Bewohner Europas. Man hat früher verwechselt was bloß vorgeschichtlich ist mit dem was die wirklliche Beobachtung der Erscheinungen giebt. Beides wollen wir hier trennen: das was zum Causalzusammenhang gehört und das was Geschichte und phÿsische Betrachtung der Menschenracen darbietet. Daß es die Intelligenz ist welche dem Menschen die unge- heure Flexibilität giebt, beweisen die wilden Völker. So ist es gefährlich die Indier von den Andes in die Ebene und die Ebenenbewohner auf die Andes zu bringen; sie werden sicher sterben. Ganze Völker leben von −40° bis +35° jene in Grön- land diese in Mosul. Lange glaubte man, daß den Menschen allein Stimm- werkzeuge gegeben wären welche zu artikulirten Sprachen führen und wollte hierin einen organischen Unterschied von den Thieren finden; so meinte Campe, daß die Affen eine ganz andere larinx hätten als wir. Doch ist dies nicht der Fall. Die Ursache warum sie nicht reden ist wohl, weil sie nichts zu reden haben. Die Thiere haben Gefühl, die Menschen artikulirte Töne und der Unterschied liegt nicht in den Sprach- werkzeugen, sondern in der Anlage der Seele zur Sprache, wie Rudolphi dies gezeigt. Eigentlich characterisirt wird der Mensch [[307]/0313] nur durch seine Intelligenz. Sonst ist noch auffallend das Ueber- gewicht des Gehirns und die Stimmung zum aufrechten Gange; das Uebergewicht des Schädels gegen die Ausbildung der Kau- u. Riech- Organe kommt noch hinzu. Der Unterschied der Gesichtslinie ist sehr groß: bei der kaukasischen Race 80–85° bei den Negern fällt sie bis 70° bei den Neuseeländern nach Lecon und Garriot bis 65°. Doch hat kein Affe nach Sommering über 58°, bei dem Men- schenähnlichen Jocko 50°. Man meinte dem Menschen allein fehle ein Knochen in dem die Schneidezähne liegen und dieses sollte ein unterscheidendes Zeichen sein, doch fehlt er auch bei einigen Affen. Was das Verhältniß des Gehirns zu den Nerven anlangt, so hat Meckel gezeigt, daß bei den Negern die Nerven des 5ten Paares dicker sind zum Verhältniß gegen das Gehirn, als bei uns und das wäre wohl eine Annäherung zum thierischen Character. Andre Abweichungen sind: großes Hervorragen des Unterkiefers; regelmäßige An- wesenheit des Hirnsandes, doch letzteres findet sich auch bei dem Dammhirsche; schiefe Lage des Herzens, große Ausbildung der Nase doch diese hat auch Simia rostrata. Von der Nase meinte Delam̃etrie alle Affen würden sie haben, wenn sie sich nur schnäuzten. Etwas liebloses nicht nur, sondern auch etwas ganz unwah- res und falsches ist die Hÿpothese von dem Aufsteigen der Men- schenracen womit besonders Meiners sich beschäftigt hat, der vom Jocko anfängt, die Verwandschaft desselben mit dem Waldneger, Buschmann etc: zu den Patas in Neuguinea nachzuweisen sucht und denn aufsteigt durch die unvollkommenen Racen, wie er sie nennt, bis zu der kaukasischen. Was die große Menschenähnlichkeit der Affen anlangt, so war man lange [[308]/0314] ungewiß wegen des Thieres den man Ourangutang nennt; jetzt ist erwiesen, daß es nur das Junge eines schlimmen, häßlichen Affen ist. (Orang heißt verständig utang waldisch, vom Walde, in der malaÿischen Sprache.) In neuerer Zeit haben wir sie mehr- mals lebendig gehabt; man meint, daß sie 3–4′ im Vaterlande erreichen; Tilesius, Cuvier, Rudolphi haben ihn untersucht und fast zur Evidenz erwiesen, daß dies liebliche Thier in seinen alten Jahren ein sehr häßlicher, ungestalter Affe wird; die hohe Stirn tritt zurück und er ist der schreckliche Pongo. Ein anderer menschenähnlicher Affe ist der Jocko: Simia troglodytes diesen hat man so weit abgerichtet, daß er bei Tische aufwartet, Caffe und Thee trinkt etc: doch hat er in seiner Figur weniger men- schenartiges als der Urangutang. Die Geschichten von der Klug- heit der Affen hören immer mehr auf je mehr man sich den Ländern nähert wo sie häufig sind. Alles dieß zeigt hinläng- lich, daß man keine Skala von diesen Thieren zu den Wald- negern machen kann. Ob es bei dem Menschengeschlecht nur eine species gäbe, ist eine Untersuchung mit der man sich seit 80 Jahren viel beschäftigt hat. In früherer Zeit ward sie verwechselt mit der Untersuchung über die Verwandschaft der Sprachen. Die letztere ist ein sehr trügliches Zeichen für die Abstammung der Völker. Wenn Leibnitz schon diese Untersuchungen verwechselt, so ist dies in neuern Zeiten noch mehr geschehen z. E. in Vaters Mithridates u. a. m. Die Griechen und Römer unterscheiden nur Eingebohrne und Eingewanderte. In Afrika gab es vor der Ein- wandrung der Saracenen saec 7. schon zu 3 oder 4 malen Einwan- [[309]/0315] derungen von weißen Menschenracen; die frühste die Perser und Meder; dann die Hÿksos, später die Vandalen von denen sich im westl: Theil des Atlas noch Reste finden. Die Idee von der Einheit des Menschengeschlechts ist erst durch das Christenthum herr- schend geworden und überhaupt ist durch dasselbe erst der Begriff: Menschengeschlecht entstanden. Als Amerika entdeckt wurde, entstand zuerst die Frage ob die hier entdeckten Menschen, welche Waldmenschen waren die nicht einmal Viehzucht kannten aus Man- gel an wiederkäuenden Thieren, für Menschen zu halten wären, oder ob man sie nicht als Thiere gebrauchen dürfe. Jetzt sprachen einige Bullen der Päbste wiederum die Einheit des Menschen- geschlechts aus. Wenn die Sklaverei nun wohl zunahm und die Guauchen und Karaïben, später Neger auf die Märkte gebracht wurden, so muß man dies nur als Folge des Bedürfnißes der plötzlich erwachenden Industrie betrachten und der Ausartung des Christenthums bei großem Reichthum. In Rücksicht auf den Causalzusammenhang giebt es 2 Möglichkeiten der Entstehung des Menschengeschlechts: 1., Entweder giebt es einen Urtÿpus, der durch Degeneration und Ein- wirkung des Klimas Varietäten gebildet hat oder 2., es sind mehr wahre Tÿpen der Bildung gleichzeitig gewesen. Im ersten Fall ist von Pallas u. a. angenommen, daß die schwarze Farbe die ursprüngliche sei. Diese legten ihrer Behauptung die Bemerkung zum Grunde, daß wilde Thiere, wenn sie gezähmt werden von der dunkeln zur lichten Farbe übergehen. Diese Behauptung würde wohl wenig Beifall finden bei uns, wie die entgegengesetzte bei den Bewohnern von Sudan und Bornu, [[310]/0316] wurden doch die schwarzen Damen in Bornu übel als sie Herrn Denham erblickten, sowohl über seine Hautfarbe als die Größe seiner Nase. Die Ideen von Häßlichkeit und Schönheit sind Gewohn- heitsideen und durch Volkseigenschaften vielfach modificirt. Aber es giebt doch Begriffe von Schönheit welche von dem Eindruck auf diesen oder jenen Volksstamm unabhängig sind. Den Schwarzen wird ein zarter Reiz entstehen, nemlich das Erröthen; bei den Frauen von Kongo findet sich wohl eine leise Spur hiervon, doch bei den meisten ist die tiefe Schwärze ein rechtes Zeichen des Blühens und der Gesundheit. Die Geschichte reicht nicht so weit hinauf und der Streit kann also nicht geschlichtet werden, so wenig als der, ob alle Sprachen von einer Ursprache abstammen, oder alle Schrift von einem Uralphabeth. Es giebt übrigens keinen absoluten Grund, warum man die Abstammung aller Menschen von einem Paar läugnen sollte. 61. Vorlesung, 25. April 1828 Die Zeit der Pubertät ist verschieden zwar bei den ver- schiedenen Racen, wohl in Folge des Einflußes des Klimas, die Zeit der Gestation indeß ist bei allen Menschen, in allen Zonen gleich. Wenn die Alten gleichwohl nur Autochthonen u. Eingewanderte unterschieden, so unterscheiden sie doch auch die Verschiedenheiten eines Stamms von dem andern, die in Folge des Klimas hertortraten; so sagt Tacitus in seinem Agricola von den Galliern: durans origenis vis. Dem Studium der Menschen überhaupt stellte sich bei ihnen entgegen die Verachtung der Barbaren, welche sich auch darin zeigt, daß sie sich um die Sprachen gar nicht kümmerten. 299 Daß die jetzigen Tÿpen feststehend sind, zeigt die Bemerkung, [[311]/0317] daß die Neger sich in nördlichen Gegenden vollkom̃en erhalten mit allen ihren Eigenheiten; eben so ist es falsch, daß die Portu- giesen in Afrika allmählig schwarz geworden wären. So findet sich in Patagonien, neben den schönen großen Patagoniern die 5′ 8″ messen, ein kleiner Menschenstamm der kaum 4′ mißt; so in Südafrika kleine Hottentotten neben den großen Kaffern. In Schottland derselbe Unterschied zwischen den blonden Pikten und den schwarzen galischen Hochländern. Man hat mit Recht gesagt, daß man wohl gar nicht auf die Idee der verschiedenen Racen gekommen wäre, wenn es keine Neger gäbe; aus den Extremen gehen zuerst solche Bemer- kungen hervor. Man hat die Menschen geschieden: 1., nach der Haut. a, nach der Hautfarbe b, nach der Farbe der Haare, 2., nach der Richtung der Gesichtslinie. 3., nach der Sprachenverschiedenheit. Nach der Hautfarbe zerfielen sie, in die 1., weiße oder kaukasische 2, gelbe – mogolisch-tartarisch. 3, rothe – amerikanische. 4, schwarze – Neger 5., olivenfarbige – malayische. An die Einwirkung des Klimas auf die Hautfarbe mußte man sehr früh denken, weil man von Norden ins Innere Afrikas hin- einkam und je südlicher man kam, desto dunklere Menschen fand. So sagte Plinius: der Mensch werde von der Sonne gefärbt und [[312]/0318] Buffon: der Mensch trage das Kleid des Klimas dem er angehört. Was das Haar anlangt, so theilt man ab in Menschen mit schlichten Haaren, wie die Amerikaner, die dadurch von der mongolischen Race sich unterscheiden, mit lockigen Haaren, wie die kaukasische Race, mit wolligen wie die Neger; doch nicht alle Neger haben wolliges Haar; in Sudan giebt es viele mit schlichten. Die Bemerkung der faciallinie hat auf die Affenartigkeit der Menschen geführt. Kampe hat diese Gesichtslinie bestimmt; zwischen 85 bis 70° die weißen Menschen; nur 65° bei dem Neuseeländer, die, außer dieser zurückgebogenen Stirn, sonst schöne Leute sind. Was die Analogie und Verschiedenheit der Sprachen an- langt, so berufe ich mich auf das Werk meines Bruders: über Bau und Verschiedenheit der Sprachen in allen Welttheilen. Blumenbach macht obige 5 Abtheilungen Cuvier nur 3: weiß, gelb, schwarz; dieser Abtheilung will ich hier folgen: 1., Die weiße Menschenrace ist characterisirt durch höchste Civi- lisation des Abendlandes; in ihren Zweigen, nemlich dem aramäischen und semitischen sind die 3 verbreitetsten Religionen entstanden. Die schönsten Menschen dieser Race finden sich in Geor- gien und Tschirkassien, früher in Hellas. Der Name kauka- sisch ist nicht gut gewählt, denn die Osseten ausgenommen, sind alle Völkerstämme des Kaukasus finnischen Ursprungs. Freilich sind im obern Gebirge des Kaukasus einige Ueber- bleibsel vieler Völkerschaften sitzen geblieben, daher sich dort so verschiedene Sprachen finden. Zu dieser weißen Race ge- hören alle jetzigen Bewohner Europas, auch die Lappen und [[313]/0319] Tschudischen Stämme, welche man fälschlich mongolischen Ur- sprungs hielt. Man kann kaum alle Stämme Europas auf 5 oder 6 bringen. Fangen wir im Westen an, so folgen sie so: 1., Die Basken oder Iberier 2, 〃 Kelten 3, 〃 Germanen 4, 〃 Finnen, Tschuden zu denen die Matscharen in Un- garn gehören. 5, 〃 hellenisch-thÿrhenischen in Italien. 6, 〃 Slaven und Letten Zu den Finnen oder Tschuden gehörten auch die Hunnen, welche man fälschlich mit den Hiong-hus verwechselt hat. Diese Hunnen geben uns freilich keine glänzende Idee von den zuerst aus Asien hervorgekommenen tschudischen Stämmen. Sidonius v. Apollonia Bischof von Clermont beschrieb sie saec. 6: oculis absentibus, andere sagten: oculi sicut puncti. Die Nasenlosigkeit war Folge eines frühern Eindrucks der Nase. Zu dem finnischen Stamm gehören auch gewiß die Mat- scharen in Ungarn, ein sehr schöner Menschenschlag, wahrscheinlich hervorgegangen aus einer Mischung mit den Türken, welche viele andere Stämme auch verschönert haben wovon ein Beispiel die schöne Familie des Groß-Moguls in Indien war. Zu dieser kaukasischen Race sollen auch noch gehören: die Araber, Perser, Indier, Abÿssinier. Wie schwer es ist, diese alle hier unterzubringen, sieht jeder leicht ein. 62. Vorlesung, 26. April 1828 Die Zahl der ganzen Race giebt man an auf 440 Millionen von denen ¼ indischen Ur- sprungs sind. Ihre Sprache besteht in Europa aus 3 Stämmen: der [[314]/0320] baskischen, Sanscrit und finnischen. Unter Sanscrit verstehen wir denn sowohl die indogermanischen als auch die pelasgo- germanischen, slavischen und keltischen Sprachen. Wollen wir mehre Stämme annehmen, so würden wir haben: 1., die baskische Sprache; sie wird jetzt etwa von 700,000 Menschen geredet da die Mehrzahl der Basken ausgewandert ist z. E. nach Mexico. Früher haben sie wohl das ganze Mittelmeer umwohnt. Zu diesem Stamm gehörten auch wahrscheinlich die Turdetaner eine alte, kultivirte iberische Völkerschaft. 2., die keltische oder gälische Sprache, verbunden mit der kim̃rischen welche sich jetzt noch finden: in Schottland, Irland, Wales und der Bretagne. 3., die germanischen Sprachstämme umfassen 60 Millionen Menschen 4., die slavischen 72 Millionen in ganz Osteuropa; künstlich verbreitet durch Herschaft von Tÿrol bis in das nördlichste Asien und russische Amerika. 5., die lettischen Sprachen, fälschlich germanisch-slavisch genannt. Ihre Wurzeln sind völlig verschieden von den germanischen sowohl als den slavischen, nach v. Bohlen, meinem Bruder u. a. m. 6., die finnischen Sprachen oder tschudischen, in Finnland, Lappland wenigen Theilen Rußlands und in Ungarn. 7., die romanischen Sprachen im sogenannten lateinischen Europa; 75 Mill: Menschen. 8., die hellenische Sprache. Denn kommt 9., noch in Malta ein semitischer Sprachstamm vor, wo Reste des punischen sich finden. Neuere Entdeckungen in chinesischen Geschichtsbüchern [[315]/0321] haben gelehrt, daß 200 v. C. germanische Stämme, mit blauen Augen und gelbem Haar, die Usius an der chinesischen Mauer die Völkerwanderung angefangen haben. Ebenso auffallend ist es, daß die Kirgisen im innern Asien, welche im Osten mit den Usius vorkamen, zu den germanischen Stämmen gehören. Von ihnen rühren die Inschriften zwischen dem Jenisey und der Lena her, welche viel Aehnlichkeit mit der Runenschrift haben, auch sind sie blond und blauäugig, reden indeß jetzt türkisch; doch die Sprache beweiset nichts, denn z. E. die Bucharen welche gewiß nicht germanischen Ursprungs sind, reden persisch, also germano-indisch. 2., Die gelbe Menschenrace. Sie umfaßt: die Mongolen, Chinesen, Japanesen, Malaÿen oder alle nicht negerartige Bewohner der Südsee, wenigstens 400 Millionen Menschen. In ihr sind die größten Weltreiche entstanden, so Attilas, Tamerlans, das der Chinesen. Mongolen und Tartaren sind sich gleich. Meiners hielt sie für ganz verschieden. Doch ist gewiß, daß die Mon- golen, welche 1141 bei Wahlstatt vom Herzog Heinrich dem Frommen geschlagen wurden Tartaren genannt wurden. Ihr Name ist richtiger Tataren u. das r kam nur hinein als Ludwig der Fromme schrieb, es werde nicht eher Heil zu finden sein, als bis dieser Stamm: ad tartares suas sedes zurück- getrieben sei. Die Verwechselung der Tartaren mit den Türken rührte daher, weil in Dschingis Kan Heer sehr viele Türken mitfochten; so besetzten ihnen unterworfene Türken einen Theil des südl: Rußlands. 3., Die schwarze Race, Aethiopes. Eine Kette schwarzer Völker [[316]/0322] zieht sich östlich von Ceylon anfangend durch Malacca, Neugui- nea (doch hier sind sie nur im Littoralbesitz und heißen Pampus; die Bewohner des innern Theils, Eudamenen sind ähnlich den Neuholländern), Van Diemensland, Neu Irland, Neubrit- tanien finden sich nicht immer beisammen, nemlich Hautfarbe, Wollhaar und plattgedrückte Nase; nicht einmal im innern Afrika ist es so. Hier giebt es pechschwarze Menschen mit europäischer Gesichts- bildung; dagegen sind die Fellas bloß wie Araber, haben aber Woll- haar und Negerbildung. Die Kaffern haben Wollhaar und schöne Ge- sichtsbildung. Die Bewohner Neubrittaniens sind blasser, haben sehr zurückliegende Stirn, Wollhaar und europäische Nasen. Neu-Guinea ist die letzte von Negern bewohnte Insel, die übrigen Inseln Polynesiens sind von einem hellen schönen Menschenschlag besetzt, welcher malaÿischen Ursprungs zu sein scheint. Schon Forster wunderte sich darüber, daß man mitten unter diesen sanften, schönen, so schwarze bösartige Menschen finde. Das war La Payrouse’s Unglück, daß er gerade bei diesen scheiterte; 20 Meilen weiterhin wäre er gewiß sehr gut aufgenommen worden. Die schönsten Menschen der Südsee sind die von Neu-Carolina; ihr Schädel soll nach Cuvier viel Aehnlichkeit mit dem mongolischen haben. Also in Polÿnesien finden wir 3 Racen: nördlich vom Aequator: mongolische Anklänge; westlich von Neuguinea schwarze, häßliche, grausame Menschen; dann östlich die malaÿische, hübsche Menschen- race. Trennt man von den Mongolen die Amerikaner und Malaÿen, so kommt man auf die ältere Eintheilung in 5 Stämmen. Die Amerikaner sind merkwürdig, weil sie so abgeschlossen in einem [[317]/0323] Welttheile sich befinden, von 58° N. B. bis 60° S. B. mit großer Aehnlichkeit der Körperform und der Agglutination der Worte. Doch von ihnen verschieden sind die Bewohner des nördlichen Theiles von Amerika; diese sind kaukasischen Stammes. Die Eskimos und Grönländer sind tschudischen Ursprungs. Blumenbach meinte es gäbe einen eigenen polarischen Stamm und rechnete hinzu die Samojeden, Lappen und Eskimos. Doch jedes dieser Völker gehörte einem besondern Stamm an; die Lappen dem finnischen; die Samojeden von denen viele weiß und schlank andere klein und häßlich sind, den Mongolen; Eskimos dem ächtkaukasischen Stam̃. Unter den Ureinwohnern Amerikas ist in Hinsicht der Farbe der Unterschied, daß die welche in temp: Zone oder großer Höhe leben, nicht wie man meinen sollte weißer sind als die in der heißen Ebene, sondern umgekehrt; so sind die nördl: Mexikaner welche bei 7000′ in sehr wildem Klima wohnen dunkler als die Bewohner der glühenden Orinocowälder die Guaynas blancas. Was den Schädel anlangt, so hat man in neurer Zeit entdeckt, daß der thierähnliche Schädel der Caraiben nur Werk der Kunst ist, da die Kinderköpfe zwischen 2 Brettern gepreßt werden. An der Westküste von Nordamerika z. E. in Norfolksund findet sich ein blauäugiger Stamm, welchen Marchand zuerst beobachtet hat. Hängt er vielleicht mit dem indo-germanischen Stamm der Usius zusammen? Eine andere sonderbare Form der Ameri- kaner findet man an ihren Monumenten, besonders in den Paleuge’s Ruinen in Guatimala, nemlich die ungeheure Größe der Nase. Man sollte glauben, daß dies nicht bloß phantastische Grille ist, sondern daß es wirklich solche Menschen gegeben habe. [[318]/0324] Gehen wir in die Geschichte zurück, so sehen wir, daß die größte Kultur nicht immer diesen Stämmen zugehörte. Bei den (mongolischen) Chinesen und den (kaukasischen) Aegÿptern ent- standen ja zu gleicher Zeit die Wissenschaften und technischen Künste. Zu gleicher Zeit leuchteten Kulturblitze auf in Indien, am Euphrat, in Iran, in China, Abÿssinien, Etrurien. Bei der Verschiedenheit der Kultur sehen wir zugleich, daß es nicht die Abstammung ist, sondern vielmehr die Verhältnisse welche sie hervorbrachten. Bei den Völkern wo Kastenwesen und Despotismus herrscht, sehen wir mehr eine Massencultur; die schönste Kultur, die der Individuen findet sich nur bei Freiheit der Individuen. [Abbildung] [[III]/0325] [Abbildung] [[IV]/0326] [[V]/0327] [[VI]/0328] [[VII]/0329] [Abbildung] [[VIII]/0330] [[IX]/0331] [[X]/0332] [0333] [0334] [0335] [0336] [0337] [0338] [0339] [0340] [0341]








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