KZ Kauen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ghetto Kauen – Juden in der Sattler­werkstatt (Fotograf: George Kadish, geb. Zvi Kadushin, Überlebender des KZ Kauen, 1943)
KZ Kauen (Europa)
KZ Kauen (Europa)
KZ Kauen
Litauen
KZ Kauen in Litauen

Das Konzentrationslager (KZ) Kauen wurde aus dem Ghetto Kauen gebildet. Kauen ist die historische deutsche Bezeichnung für die litauische Stadt Kaunas (jiddisch קאָוונע Karl Jäger: „Gesamtaufstellung der im Bereich des EK.3 bis zum 1.Dez.1941 durchgeführten Exekutionen.“ vom 1. Dezember 1941[5]

Gedenkstein Ghetto Kauen am Ort der früheren Ghettotore des Süd-Eingangs, an der A. Kriščiukaičio gatvė, Kreuzung Linkuvos gatvė in Kaunas (Foto 2007).
Gedenkstein für das Ghetto, aufgestellt in Cholon, Israel

Das Stadtkommissariat Kauen stand ab Mitte 1941 unter der Leitung von SA-Führer Hans Cramer, dem ehemaligen Bürgermeister von Dachau. Zusammen mit Jägers Dienststelle kontrollierte er das Ghetto Kauen und beutete es aus.[6]

Bis zum 15. August 1941 mussten die 30.000 Juden in Kauen, die die erste Mordwelle überlebten, in das Ghetto Kauen im Stadtteil Vilijampolė (jiddisch Slobodka) umziehen.[1] Es war unterteilt in das „kleine“ und „große“ Ghetto , getrennt durch die Paneriu Straße (litauisch Panerių gatvė), nur verbunden über eine schmale hohe Holzbrücke für Fußgänger . Es war von einem Stacheldrahtzaun und litauischen Wachposten umgeben, die Tore wurden zusätzlich von deutschen Polizisten bewacht.

Nur zunächst wurden den „Arbeitsjuden“ ihre Angehörigen belassen, um ihre „Arbeitsfreudigkeit“ zu erhöhen.[1] In mehreren „Aktionen“ bis Ende Oktober 1941 wurden etwa 13.000 Ghettobewohner ausgesondert und im Fort IX erschossen, vor allem diejenigen, die nicht zur Zwangsarbeit einsetzbar waren.[6] Bei der größten Mordaktion am 29. und 30. Oktober mit 9000 Opfern mussten die Ghettobewohner an einem Untergebenen von Karl Jäger vorbeigehen. Dieser entschied bei dieser Selektion spontan per Handbewegung, wer leben durfte und wer ermordet werden sollte: „Die Arbeitsfähigen nach links und die anderen nach rechts.“[6]

Es gab zahlreiche Deportationen in das Ghetto, vor allem aus Österreich. Viele Einwohner waren Erwachsene, die zur Zwangsarbeit, in der Regel in Militäreinrichtungen außerhalb des Ghettos, herangezogen wurden. Statt Bezahlung erhielten sie Lebensmittelrationen, die ein Überleben aller Einwohner aber nicht sichern konnte, sodass sie gezwungen waren, den ihnen noch verbliebenen Besitz zu veräußern und das Risiko des Lebensmittelschmuggels einzugehen.

Im Februar 1942 wurden die Ghetto-Bewohner aufgefordert, sämtliches geschriebene und gedruckte Material, alle Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Manuskripte und persönliche Aufzeichnungen abzugeben. Im August des gleichen Jahres wurden die Synagogen geschlossen und öffentliche Gottesdienste verboten. Die Schulen, mit Ausnahme der Berufsschulen, wurden geschlossen und die Maßnahmen, die den Besitz von Bargeld und das Einbringen von Lebensmitteln in das Ghetto verhindern sollten, drastisch verstärkt. Immer wieder wurden hunderte von Einwohnern nach Riga oder andere Arbeitslager in Litauen deportiert.

Das Leben innerhalb des Ghettos wurde durch den Ältestenrat der Jüdischen Ghetto-Gemeinde Kauen organisiert, dem Elkhanan Elkes vorstand[6][7]. Dieser Ältestenrat war einer der wenigen, der direkt von den Ghettobewohnern gewählt wurde. Er war allerdings in allem von den deutschen Behörden abhängig. Nachdem der Unterricht für Kinder verboten und die Schulen geschlossen worden waren, sorgte der Ältestenrat unter dem Deckmantel des Berufsschulunterrichts für die weitere Ausbildung der wenigen Kinder und Jugendlichen, die das Ghetto bis dahin überlebt hatten.

Auch in der danach im Ghetto etwas „ruhigeren“ Zeit bis Frühjahr 1943 blieben die Insassen dennoch nicht vor den Übergriffen ihrer Bewacher verschont, die raubten, vergewaltigten und plünderten.[6] Ende März 1943 lebten noch etwa 16.000 Juden im Ghetto.[8]

Konzentrationslager Kauen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Reichsführer SS“ Heinrich Himmler befahl am 21. Juni 1943, das Ghetto Kauen in ein Konzentrationslager umzuwandeln. Sein Ziel war, der SS die Kontrolle über das Ghetto und den Arbeitseinsatz zu übergeben. Bis zum 1. August sollten die arbeitsfähigen Juden der Ghettos innerhalb des Reichskommissariat Ostland in Konzentrationslager gebracht werden, alle anderen ermordet.[8] Im Ghetto Kaunas lebten zu diesem Zeitpunkt etwa 17.000 Menschen, weitere rund 20.000 in den Ghettos Wilna und Schaulen.[2]

Im August 1943 baute die SS den nordöstlichen Teil des Ghettos, das „große“ Ghetto, in das Konzentrationslager Kauen um („KL Kauen“), das „kleine“ Ghetto wurde nicht mehr benötigt. Am 15. September wurde die Verwaltung des Ghettos von der deutschen Zivilverwaltung offiziell an die SS übergeben.[8] Der Lagerkommandant war SS-Obersturmbannführer Wilhelm Göcke, der zuvor die KZ Mauthausen und Warschau geleitet hatte. Die Bewachung des nun in ein Konzentrationslager umgewandelten Ghettos übernahm ab Herbst 1943 eine überwiegend aus Banatdeutschen bestehende Kompanie der Waffen-SS.[8] 1944 bestand die Wachmannschaft aus 700 Männern.[9]

Im zweiten Halbjahr 1943 wurden acht KZ-Außenlager errichtet, um die Inhaftierten für Rüstungszwecke und auf Torffeldern Zwangsarbeit verrichten zu lassen. Krankheiten wie Typhus waren in diesen Lagern verbreitet, verursacht durch die beengten Lebensverhältnisse, mangelhafte Ernährung und Folgen der völligen Erschöpfung. Auch dort gab es Selektionen, willkürliche Erschießungen, Totschlag sowie körperliche Misshandlungen mit Lederpeitschen, Stahlstangen, Knüppeln und Äxten.[10]

Als Ende Oktober 1943 nach Vorlage einer Liste mit 3000 Insassen für ein neues Außenlager nicht alle wie gefordert zum Transport erschienen, wurden etwa 2700 Juden zusammengetrieben, 2000 nach Estland in Arbeitslager im Schieferölgebiet deportiert, vorher 758 Kinder und Alte selektiert, die wohl in Auschwitz ermordet wurden. Im KZ Kauen lebten nun noch etwa 8000 Menschen.[10] Ende 1943 mussten 60 KZ-Häftlinge im Fort IX bei der Aktion 1005 drei Monate lang die bestatteten Leichen der Massenmorde wieder ausgraben und verbrennen. Nach ihrer Flucht Weihnachten 1943 berichteten sie den Häftlingen im KZ Kauen von 15 Massengräbern mit etwa 45.000 Opfern.[9]

Bei der „Kinder- und Alten-Aktion“ am 27. und 28. März 1944 transportierten die deutsche SS und Ukrainer der Wlassow-Armee insgesamt 1000 Kinder und 300 alte Menschen wohl nach Auschwitz oder Majdanek. Jehoshua Rosenfeld, Mitglied des jüdischen Ordnungsdienstes, sagte später aus, die meisten Opfer seien schon am ersten Tag ins Vernichtungslager Lublin-Majdanek transportiert worden, die restlichen am zweiten Tag zur Erschießung ins Fort IX.[11]

Ab 8. Juli 1944 wurde das KZ Kauen aufgelöst. Über mehrere Tage hinweg wurden die KZ-Häftlinge per Schiff und Bahn zunächst ins KZ Stutthof gebracht und dort selektiert. Die einen wurden unter anderem am 26. Juli ins KZ Auschwitz transportiert, die anderen unter anderem am 15. Juli, 29. Juli und 18. August 1944 ins KZ Dachau, viele weiter in den todbringenden KZ-Außenlagerkomplex Kaufering.[11] Dort starb auch Elkhanan Elkes am 17. Oktober 1944 im KZ-Außenlager Kaufering I – Landsberg.[4]

Viele Juden versuchten, dieser gefürchteten Deportation zu entgehen, indem sie sich in geheimen Räumen versteckten, den „Malines“. Die SS durchkämmte das KZ auf der Suche nach ihnen, zerstörte es und brannte es nieder. Etwa 2000 Menschen starben dabei, viele verbrannten. Als die Rote Armee am 1. August in Kaunas eintraf, fand sie in den Trümmern des ehemaligen Ghettos und Konzentrationslagers nur noch 90 Juden lebend vor.[4]

KZ-Außenlager

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Jüdischer Friedhof Kedahnen (Foto 2011)
Ghetto Schaulen – Verbliebene Tore des zerstörten Ghettos (Foto: Stasys Iwanauskas,[12] 1944)
Vilnius nach der Befreiung durch die Rote Armee 1944

Ab 1943 errichtete die SS 17 KZ-Außenlager[3] des Konzentrationslagers Kauen.[13] Mit dem Vordringen der Roten Armee wurden ab Juli 1944 die ersten Kauener Außenlager aufgelöst.[10]

sowie die weiteren KZ-Außenlager:[3]

Nachnutzung Fort IX

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Krieg nutzte die Sowjetunion das Fort IX als Gefängnis. Von 1948 bis 1958 war dort eine landwirtschaftliche Einrichtung untergebracht.

Gedenkstein Ghetto Kauen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Erinnerung an das Ghetto Kauen befindet sich ein schlichter Gedenkstein am früheren Süd-Eingang an der A. Kriščiukaičio gatvė in Kaunas (s. Foto oben). Er trägt auf Englisch die Aufschrift:

“This is the place of Kaunas Ghetto Gates in 1941–1943”

„Dies ist der Ort der Ghettotore von Kaunas in den Jahren 1941–1943“

Gedenktafel, mit 32-Meter-Mahnmal von A. Ambraziūnas im Hintergrund (Foto: 2014)

Museum und Mahnmal – Fort IX

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 1958 wurde im Fort IX in Kauen ein Museum eingerichtet und am 30. Mai 1959 eröffnet.[14] Die Erforschung der Massengräber begann 1960.

Als Mahnmal für die Opfer des Holocaust wurde eine vom Bildhauer Alfonsas Vincentas Ambraziūnas konzipierte 32 Meter hohe Skulptur errichtet.[15] Diese wurde im Rahmen des Gedenkkomplexes des Forts IX zusammen mit dem Museum am 15. Juni 1984 der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese Gedenkstätte wurde zu einer der größten Europas.[14]

Die 5000 im November 1941 aus dem Reich nach Kauen deportierten Juden wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft im Fort IX erschossen.[16] Vor dem Mahnmal befinden sich dazu Gedenktafeln der Städte Berlin, München und Frankfurt am Main:

Zeichnung 1943 im Museum von jüdischem Häftling Anatoli Garnik-Gran, der in der Nazi-Aktion 1005 im Fort IX deren unzählige Mordopfer wieder ausgraben und einäschern musste.
Gedenktafel der Stadt Frankfurt am Main
Gedenktafel der Stadt Frankfurt am Main
Gedenktafel der Stadt Berlin
Gedenktafel der Stadt Berlin

„Die Bürgerinnen und Bürger Berlins gedenken der über 1.000 jüdischen
Kinder, Frauen und Männer, die am 17. November 1941 aus ihrer
Heimatstadt nach Kowno verschleppt und am 25. November
1941 in diesem Fort von Nationalsozialisten ermordet wurden.“

Der regierende Bürgermeister von Berlin / Die jüdische Gemeinde zu Berlin / Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas

„In Trauer und Scham – und entsetzt über das
Schweigen der Mitwissenden – gedenkt die
Landeshauptstadt München der 1000 jüdischen
Männer und Frauen, die am 20. November 1941
von München nach Kowno deportiert und
fünf Tage später an diesem Ort brutal ermordet wurden.“

Landeshauptstadt München

„Am 25. November 1941 starben an diesem Ort
992 jüdische Männer, Frauen und Kinder,
verschleppt aus Frankfurt am Main, heimtückisch ermordet
von der SS, deutscher Sicherheitspolizei und ihren willigen Helfern.

Wir wissen, dass wir mehr tun müssen, als nur zu gedenken.“

Die Stadt Frankfurt am Main sowie zahlreiche weitere Städte und Gemeinden, die einst Heimatorte der hier ermordeten Menschen waren.

Eine Gedenktafel trägt in fünf Sprachen die Erinnerung an die weiteren Massenmorde im Fort IX:

“This is the place where the Nazis and their assistants killed more than
30000 Jews from Lithuania and other European countries”

„Dies ist der Ort, an dem die Nazis und ihre Helfer mehr als
30000 Juden aus Litauen und anderen europäischen Ländern getötet haben“

Das Massengrab trägt eine Gedenktafel in drei Sprachen:

“Here the remains of 50 000 people – Russians, Jews, Lithuanians ans others killed by the Nazis – are burried”

„Hier sind die sterblichen Überreste von 50 000 Menschen – Russen, Juden, Litauer und andere, die von den Nazis getötet wurden – begraben“

Virginia Holocaust Museum

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Virginia Holocaust Museum in Richmond (Virginia) in den USA, das von Jay M. Ipson – einem Überlebenden des KZ Kauen – geleitet wird, widmet seinen Schwerpunkt dem Holocaust in Litauen.

Autobiografisch

Enzyklopädien

Historiker

vor 2000

Bibliographie

Commons: KZ Kauen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 54° 54′ 50,9″ N, 23° 53′ 59,4″ O