„Drude-Theorie“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Electrona in crystallo fluentia.svg|mini|Schematische Darstellung<br />der Bewegung von Elektronen&nbsp;(blau)<br />in einem [[Kristallgitter]]&nbsp;(rot)<br />nach der Drude-Theorie,<br />mit (Erläuterungen im Text):<br />v<sub>d</sub>: Driftgeschwindigkeit der Elektronen<br />E: Richtung des elektrischen Feldes<br />I: Richtung des elektrischen Stroms]]
Die '''Drude-Theorie''' (auch '''Drude-Modell''') ist eine [[Klassische Physik|klassische]] Beschreibung des [[Elektrischer Strom|Ladungstransports]] in [[Metalle]]n oder verallgemeinert durch freie Elektronen in [[Festkörper]]n.


Sie wurde 1900 von [[Paul Karl Ludwig Drude|Paul Drude]] vorgestellt,<ref name="AdP">{{Literatur|Autor=Paul Drude|Titel=Zur Elektronentheorie der Metalle|Sammelwerk=Annalen der Physik|Band=306|Jahr=1900|Nummer=3|Seiten=566–613|DOI=10.1002/andp.19003060312}}</ref><ref name="PZ">Paul Drude: ''Zur Ionentheorie der Metalle.'' In: ''Physikalische Zeitschrift.'' 1, 1900, S. 161–165.</ref> 1905 von [[Hendrik Antoon Lorentz]] erweitert und 1933 von [[Arnold Sommerfeld]] und [[Hans Bethe]] um die Ergebnisse der [[Quantentheorie]] ergänzt.<ref name="HdP">A. Sommerfeld, H. Bethe: ''Elektronentheorie der Metalle.'' In: ''Handbuch der Physik.'' Vol. 24-2, Springer Verlag, Heidelberg 1933, S. 333–622.</ref>
Die '''Drude-Theorie''' (auch '''Drude-Modell''', nach [[Paul Drude]]<ref name="AdP">{{Literatur |Autor=Paul Drude |Titel=Zur Elektronentheorie der Metalle |Sammelwerk=Annalen der Physik |Band=306 |Nummer=3 |Datum=1900 |Seiten=566–613 |Online=[https://archive.org/stream/annalenderphysi71unkngoog#page/n585/mode/2up Volltext in Internet Archive BookReader] |DOI=10.1002/andp.19003060312}}</ref><ref name="PZ">Paul Drude: ''Zur Ionentheorie der Metalle.'' In: ''Physikalische Zeitschrift.'' Jg. 1, Nr. 14, 1900, {{ZDB|200089-1}} ([https://archive.org/stream/bub_gb_QFRMAAAAMAAJ#page/n177/mode/2up Volltext in Internet Archive BookReader]).</ref>, veröffentlicht um 1900) ist eine [[Klassische Physik|klassische]] Beschreibung des [[Elektrischer Strom|Ladungstransports]] durch ein externes [[elektrisches Feld]] in [[Metalle]]n oder verallgemeinert durch freie [[Elektron]]en in [[Festkörper]]n.<ref>{{Literatur |Autor=[[Neil W. Ashcroft]], [[N. David Mermin]] |Titel=Festkörperphysik |Auflage=4., verbesserte Auflage |Verlag=Oldenbourg, R |Ort=München |Datum=2012 |ISBN=978-3-486-71301-5 |Seiten=1-35}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=John N. Lalena |Titel=Principles of inorganic materials design |Auflage=Third edition |Ort=Hoboken, NJ, USA |Datum=2020 |ISBN=978-1-119-48676-3 |Seiten=111, 179}}</ref> Bei Betrachtung von elektrischen [[Wechselfeld]]ern (damit auch [[Licht]]) wird auch die Bezeichnung '''Drude-Zener-Theorie''' bzw. '''-Modell''' (nach [[Clarence Melvin Zener]]) verwendet.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.orc.soton.ac.uk/publications/theses/1420T_pdf/1420T_pdf_2.pdf |text=''Absorption processes in semiconductors'' (Section 2.1.3) |wayback=20170328222046}}</ref>


Mit dem Drude-Modell konnte erstmals das [[Ohmsches Gesetz|ohmsche Gesetz]] erklärt werden, wenn auch der mit diesem Modell berechnete [[Elektrischer Widerstand|Widerstands]]<nowiki />wert etwa sechsmal größer ist als der wahre (gemessene) Widerstandswert des jeweiligen Materials. Grund dafür ist, dass tatsächlich aufgrund quantenstatistischer Vorgänge mehr Elektronen zur Verfügung stehen, da die [[Fermi-Energie]] erreicht wird.
== Modellbeschreibung ==
In dem Modell wird ein elektrischer Leiter als Ionenkristall betrachtet, in dem sich die Elektronen frei bewegen können.


Die Drude-Theorie wurde 1905 von [[Hendrik Antoon Lorentz]] erweitert und 1933 von [[Arnold Sommerfeld]] und [[Hans Bethe]] um die Ergebnisse der [[Quantenmechanik]] ergänzt.<ref name="HdP">Arnold Sommerfeld, Hans Bethe: ''Elektronentheorie der Metalle.'' In: ''Handbuch der Physik.'' Band 24, Teil 2: ''Aufbau der zusammenhängenden Materie.'' 2. Auflage. Springer, Berlin 1933, S. 333–622.</ref>
Verantwortlich für die Stromleitung sind demnach [[Elektron|Elektronen]], die ein [[Elektronengas]] bilden.<br>
Der Begriff [[Elektronengas]] rührt von der Ähnlichkeit dieser Theorie zur [[Kinetische_Gastheorie|kinetischen Gastheorie]]: Herrscht im Inneren des Leiters nämlich kein elektrisches Feld, verhalten sich die Elektronen genauso wie Gasteilchen in einem Behälter. Dieses Verhalten wird durch die kinetische Gastheorie beschrieben.


== Beschreibung ==
Durch ein äußeres [[elektrisches Feld]] <math>E</math> erfahren die freien Elektronen im Leiter eine Kraftwirkung <math>F_{el} = eE</math> und werden beschleunigt.
Im Drude-Modell wird ein [[elektrischer Leiter]] als [[Ionenkristall]] betrachtet, in dem sich die Elektronen frei bewegen können, ein [[Elektronengas]] bilden und so verantwortlich für die Stromleitung sind. Der Begriff Elektronengas rührt von der Ähnlichkeit dieser Theorie zur [[Kinetische Gastheorie|kinetischen Gastheorie]] her: Herrscht im Inneren des Leiters nämlich ''kein'' elektrisches Feld, so verhalten sich die Elektronen wie [[Gas]]<nowiki />teilchen in einem Behälter.
Die Elektronen werden im Leitermaterial bei angelegter Spannung jedoch nicht kontinuierlich beschleunigt. Wäre dieses so, dürften der Widerstand und die Stromstärke nicht konstant sein und das [[Ohmsches Gesetz|Ohmsche Gesetz]] würde somit nicht gelten.
Es stellt sich nach kurzer Zeit ein Gleichgewicht ein, bei dem die mittlere Geschwindigkeit des Elektrons zur Feldstärke proportional ist.


=== Gleichstromleitfähigkeit ===
Das Drude-Modell erklärt diese Tatsache so: Das Elektron stößt mit einem Gitterion oder anderen Elektron zusammen und wird abgebremst.
Durch ein äußeres [[elektrisches Feld]] <math>\vec E</math> erfahren die freien Elektronen im Leiter eine [[Kraft]]<nowiki />wirkung <math>F_\mathrm{el} = q \cdot E</math> und werden [[Beschleunigung|beschleunigt]], jedoch nicht kontinuierlich. Wäre dies so, dann dürften der Widerstand und die [[Stromstärke]] nicht konstant sein und das ohmsche Gesetz würde somit nicht gelten. Nach kurzer Zeit stellt sich jedoch ein Gleichgewicht ein, bei dem die mittlere Geschwindigkeit des Elektrons und damit der elektrische Strom [[proportional]] zur [[Feldstärke]] ist.
Dieser Vorgang wird phänomenologisch durch eine mittlere Stoßzeit (Relaxationszeit) ''<math>{\tau}</math>'' zwischen zwei Kollisionen beschrieben. Mit steigender Temperatur sinkt die mittlere Stoßzeit und erklärt damit die sinkende Leitfähigkeit der Metalle.

Dies wird vom Drude-Modell dadurch erklärt, dass das Elektron mit einem Gitterion zusammenstößt und abgebremst wird. Dieser Vorgang wird [[phänomenologisch]] durch eine mittlere [[Mittlere freie Flugzeit|Stoßzeit <math>\tau</math>]] zwischen zwei [[Kollision]]en beschrieben. Mit steigender Temperatur ''sinkt'' die mittlere Stoßzeit und damit auch die [[elektrische Leitfähigkeit]] der Metalle.


Die [[Bewegungsgleichung]] hierfür lautet:
Die [[Bewegungsgleichung]] hierfür lautet:
:<math>
m \dot v + \frac{m}{\tau} v_D = -e E \,
</math> mit


:<math>m \dot{v} + \frac{m}{\tau} v_\mathrm{D} = -e E</math>
m: Elektronenmasse, v: Elektronengeschwindigkeit, <math> v_D </math>:Driftgeschwindigkeit (e-Geschwindigkeit abzüglich der thermischen Geschwindigkeit),
<math>\tau</math>: Stoßzeit


mit
Für den stationären Zustand (<math>\dot v=0</math>) gilt:
* <math>m</math> der Elektronenmasse
:<math>
* <math>v</math> der Elektronengeschwindigkeit
v_D = - \frac{e \tau}{m} E \,
* <math>v_\mathrm{D} </math> der [[Driftgeschwindigkeit]] (e-Geschwindigkeit abzüglich der thermischen Geschwindigkeit) und
</math>
* <math>\tau</math> der Stoßzeit
* <math>e</math> der [[Elementarladung]].


Für den stationären Zustand (<math>\dot v = 0</math>) gilt:
Mit der [[Ladungsträgerdichte]] <math> n </math> ergibt sich die [[Stromdichte]] <math>j</math> damit zu
: <math>j= -e n v_D = \frac{e^2 \tau n}{m} E \,</math>


:<math>\Rightarrow v_\mathrm{D} = - \frac{e \cdot \tau}{m} E</math>
Die Leitfähigkeit <math>\sigma</math> ist daher

:<math>
Mit der [[Ladungsträgerdichte]] <math>n</math> ergibt sich die [[Elektrische Stromdichte|Stromdichte]] <math>j</math> damit zu:
\sigma = \frac{j}{E} = \frac{e^2 \tau n}{m} \,</math>

:<math>j = -e \cdot n \cdot v_\mathrm{D} = \frac{e^2 \cdot \tau \cdot n}{m} E</math>

Die Gleichstromleitfähigkeit <math>\sigma</math> ist daher:

:<math style="border: 1px black; border-style: solid; padding: 1em;">\sigma = \frac{j}{E} = \frac{e^2 \cdot \tau \cdot n}{m}</math>


Diese Gleichung wird auch als '''''Drude-Formel''''' oder '''''Drude-Leitfähigkeit''''' bezeichnet.
Diese Gleichung wird auch als '''''Drude-Formel''''' oder '''''Drude-Leitfähigkeit''''' bezeichnet.


=== Frequenzabhängige elektrische Leitfähigkeit ===
== Anwendungsgebiete ==
Ein elektrisches Feld, das sich periodisch mit der [[Kreisfrequenz]] <math>\omega</math> ändert, beschreibt man mit
Mit diesem Modell konnte erstmals das ohmsche Gesetz erklärt werden, wenn auch der mit diesem Modell berechnete Widerstandswert etwa sechs mal größer als der wahre (gemessene) Widerstandswert des jeweiligen Materials ist. Es hat aber auch noch weitere deutliche Schwächen:


:<math>E(t) = \hat{E}(\omega) \cdot \exp(-\mathrm{i} \omega t)</math>
Das Drude-Modell steht mit seiner Annahme, alle Elektronen würden zum Strom beitragen, im Widerspruch zu den Aussagen des [[Pauli-Prinzip|Pauli-Prinzips]]. Aber auch klassisch gesehen erzeugt diese Annahme einen Widerspruch: Aus der [[Statistische Mechanik|statistischen Thermodynamik]] folgt, dass alle [[Freiheitsgrad|Freiheitsgrade]] eines System (hier: [[Festkörper]]) im Mittel <math>\tfrac{k_B T}{2}</math> zu seiner [[Innere Energie|inneren Energie]] beitragen.
Jedes Elektron müsste also <math>3 \tfrac{k_B T}{2}</math> liefern.
Messungen haben aber gezeigt, dass der elektronische Beitrag zur Gesamtenergie etwa tausendmal kleiner ist.


Sofern die Kreisfrequenz genügend hoch ist (<math> \omega \tau \gg 1</math>) und die elektrische Feldstärke begrenzt bleibt, so dass eine lineare Stromantwort vorliegt, stellt sich keine konstante Driftgeschwindigkeit ein. Es ist dann die Einteilchengleichung
== Grenzen des Modells ==
Das Modell sagt eine Proportionalität von Widerstand und Elektronengeschwindigkeit zur Wurzel aus der Temperatur voraus. Dieses ist in Wirklichkeit nicht gegeben. Des Weiteren kann überhaupt keine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Material ein [[Leiter (Physik)|Leiter]], [[Halbleiter]] oder ein [[Isolator]] ist. Letzteres kann insofern als Vorteil gewertet werden, als man die Theorie auch auf die freien Elektronen im Leitungsband eines Halbleiters anwenden kann.


:<math>m \dot{v}(t) + \frac{m}{\tau} v(t) = -e E(t)</math>
Abhilfe schafft die quantenmechanische Beschreibung des [[Sommerfeld-Theorie|sommerfeldschen Modells]]<ref name="HdP"/> bzw. weiterführend das [[Bändermodell]], in dem die Bandlücken richtig vorausgesagt werden.


zu lösen. Diese Gleichung gilt für [[Isotropie|isotrope]] Materialien, bei denen die elektrische [[Stromdichte]] <math> j(\omega)</math> mit dem elektrischen Feld über eine skalare Proportionalitätskonstante, die [[elektrische Leitfähigkeit]] <math> \sigma(\omega) </math>, verknüpft ist: <math> j(\omega) = \sigma(\omega) \cdot \hat{E}(\omega) </math>.
Eine Verallgemeinerung des Drude-Modells stellt das [[Lorentzoszillator|Lorentz-Oszillator-Modell]] (auch Drude-Lorentz-Modell) dar. Dabei werden zusätzliche Absorptionsmaxima beschrieben, die beispielsweise durch Bandübergänge verursacht werden. Mit dem Lorentz-Oszillator-Modell ist es möglich, die dielektrische Funktion einer Vielzahl von Materialien (auch Halbleiter und Isolatoren) zu beschreiben.<ref>{{Literatur|Autor=Harland G. Tomkins, Eugene A. Irene|Titel=Handbook of Ellipsometry|Verlag=Springer|Ort=Berlin|ISBN=3540222936|Jahr=2005}}</ref>
Bei anisotropen Materialien erweitert man die elektrische Stromdichte und das elektrische Feld zu [[Vektor|Vektoren]] und die Leitfähigkeit zu einem [[Tensor]].

Im isotropen Fall berücksichtigt man die Phasenverschiebung zwischen <math>v(t)</math> und <math>E(t)</math> mit einem komplexen <math>v(t)</math>. Mit dem Ansatz <math> v(t) = \hat{v} (\omega) \cdot \exp(- \mathrm{i} \omega t) </math> erhält man die Lösung

:<math> \hat{v} (\omega)= - \frac{e \tau}{m} \cdot \frac{1}{1 - \mathrm{i} \omega \tau} \cdot \hat{E} (\omega) </math>.

Mit <math> j(\omega) = - n e \hat{v}(\omega) </math> und der Beziehung <math> j(\omega) = \sigma(\omega) \cdot \hat{E}(\omega) </math>
erhält man für ein Material mit der Ladungsträgerdichte <math>n</math> seine frequenzabhängige Leitfähigkeit <math> \sigma(\omega)</math>: <ref name="SAM">Stefan Alexander Maier: ''Plasmonics: Fundamentals and applications''. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-0-387-37825-1, Kap. 1.2.</ref>

:<math> \sigma(\omega) = \frac{n e^2 \tau}{m} \cdot \frac{1}{1 - \mathrm{i} \omega \tau} = \frac{\sigma_{\mathrm{DC}}}{1 - \mathrm{i} \omega \tau} </math>.

<math> \sigma_{\mathrm{DC}} </math> ist die im vorherigen Abschnitt angegebene Gleichstromleitfähigkeit. Diese lässt sich auch über die [[Plasmafrequenz]] ausdrücken als
<math> \sigma_{\mathrm{DC}} = \epsilon_0 \cdot \omega_p^2 \cdot \tau </math>, wobei <math> \omega_p^2 = n e^2 / (\epsilon_0 m) </math> ist.

In der [[Optik]] stellt man den Bezug zur [[Dielektrische Funktion|dielektrischen Funktion]] über die Beziehung
:<math> \epsilon (\omega) = \epsilon_{\infty} + \frac{\mathrm{i} \sigma (\omega)}{\epsilon_0 \omega} </math>
her und erhält<ref name="SAM" />
:<math> \epsilon (\omega) = \epsilon_{\infty} - \frac{\omega_p^2}{\omega^2 + \mathrm{i} \omega/\tau} </math>.
<math> \epsilon_{\infty} </math> ist der dielektrische Hintergrund im Material ohne den Beitrag der freien Ladungsträger.

== Grenzen ==
Das Drude-Modell steht mit seiner Annahme, ''alle'' Elektronen würden zum Strom beitragen, im Widerspruch zu den Aussagen des [[Pauli-Prinzip]]s, und auch klassisch gesehen erzeugt diese Annahme einen Widerspruch: aus der [[Statistische Mechanik|statistischen Thermodynamik]] folgt, dass alle [[Freiheitsgrad]]e eines Systems (hier: [[Festkörper]]) im Mittel <math>\tfrac{1}{2}k_{\text{B}} T</math> zu seiner [[Innere Energie|inneren Energie]] beitragen. Jedes Elektron müsste also <math>3\cdot\tfrac{1}{2} k_{\text{B}} T</math> liefern. Messungen haben aber gezeigt, dass der elektronische Beitrag zur Gesamtenergie etwa tausendmal kleiner ist. Es können also ''nicht alle'' Elektronen Teil des Elektronengases sein, und mehr noch: die Bewegung des Elektronengases ist weniger frei als es die kinetische Gastheorie beschreibt.

Abgesehen von der falsch vorhergesagten Größe der Leitfähigkeit bzw. des Widerstandes hat das Drude-Modell weitere deutliche Schwächen:

Es sagt eine Proportionalität von Widerstand und Elektronengeschwindigkeit zur Wurzel aus der Temperatur voraus, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist.

Des Weiteren kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Material ein [[Leiter (Physik)|Leiter]], [[Halbleiter]] oder ein [[Nichtleiter|Isolator]] ist. Letzteres kann als Vorteil gewertet werden, indem man die Theorie auch auf die freien Elektronen im [[Leitungsband]] eines Halbleiters anwenden kann. Abhilfe schafft die quantenmechanische Beschreibung durch das [[Sommerfeld-Theorie|sommerfeldsche Modell]]<ref name="HdP" /> bzw. weiterführend das [[Bändermodell]], in dem die [[Bandlücke]]n richtig vorausgesagt werden.

Eine Verallgemeinerung des Drude-Modells stellt das [[Lorentzoszillator|Lorentz-Oszillator-Modell]] (auch Drude-Lorentz-Modell) dar. Dabei werden zusätzliche [[Absorption (Physik)|Absorptions]]<nowiki />maxima beschrieben, die beispielsweise durch [[Bandübergang|Bandübergänge]] verursacht werden. Mit dem Lorentz-Oszillator-Modell ist es möglich, die [[dielektrische Funktion]] einer Vielzahl von Materialien (auch Halbleitern und Isolatoren) zu beschreiben.<ref>{{Literatur |Hrsg=Harland G. Tomkins, Eugene A. Irene |Titel=Handbook of Ellipsometry |Verlag=Springer u. a. |Ort=Heidelberg u. a. |Datum=2005 |ISBN=3-540-22293-6}}</ref>


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references />


== Weblinks ==
*[http://www.pi1.physik.uni-stuttgart.de/glossar/Drude_d.php Drude im Glossar der Uni Stuttgart]


[[Kategorie:Festkörperphysik]]
[[Kategorie:Festkörperphysik]]

[[en:Drude model]]
[[es:Modelo de Drude]]
[[fr:Modèle de Drude]]
[[he:מודל דרודה]]
[[it:Modello di Drude]]
[[pl:Model Drudego]]
[[pt:Modelo de Drude]]
[[ru:Теория Друде]]
[[uk:Модель Друде]]
[[zh:德鲁德模型]]

Aktuelle Version vom 9. August 2023, 09:49 Uhr

Schematische Darstellung
der Bewegung von Elektronen (blau)
in einem Kristallgitter (rot)
nach der Drude-Theorie,
mit (Erläuterungen im Text):
vd: Driftgeschwindigkeit der Elektronen
E: Richtung des elektrischen Feldes
I: Richtung des elektrischen Stroms

Die Drude-Theorie (auch Drude-Modell, nach Paul Drude[1][2], veröffentlicht um 1900) ist eine klassische Beschreibung des Ladungstransports durch ein externes elektrisches Feld in Metallen oder verallgemeinert durch freie Elektronen in Festkörpern.[3][4] Bei Betrachtung von elektrischen Wechselfeldern (damit auch Licht) wird auch die Bezeichnung Drude-Zener-Theorie bzw. -Modell (nach Clarence Melvin Zener) verwendet.[5]

Mit dem Drude-Modell konnte erstmals das ohmsche Gesetz erklärt werden, wenn auch der mit diesem Modell berechnete Widerstandswert etwa sechsmal größer ist als der wahre (gemessene) Widerstandswert des jeweiligen Materials. Grund dafür ist, dass tatsächlich aufgrund quantenstatistischer Vorgänge mehr Elektronen zur Verfügung stehen, da die Fermi-Energie erreicht wird.

Die Drude-Theorie wurde 1905 von Hendrik Antoon Lorentz erweitert und 1933 von Arnold Sommerfeld und Hans Bethe um die Ergebnisse der Quantenmechanik ergänzt.[6]

Im Drude-Modell wird ein elektrischer Leiter als Ionenkristall betrachtet, in dem sich die Elektronen frei bewegen können, ein Elektronengas bilden und so verantwortlich für die Stromleitung sind. Der Begriff Elektronengas rührt von der Ähnlichkeit dieser Theorie zur kinetischen Gastheorie her: Herrscht im Inneren des Leiters nämlich kein elektrisches Feld, so verhalten sich die Elektronen wie Gasteilchen in einem Behälter.

Gleichstromleitfähigkeit

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Durch ein äußeres elektrisches Feld erfahren die freien Elektronen im Leiter eine Kraftwirkung und werden beschleunigt, jedoch nicht kontinuierlich. Wäre dies so, dann dürften der Widerstand und die Stromstärke nicht konstant sein und das ohmsche Gesetz würde somit nicht gelten. Nach kurzer Zeit stellt sich jedoch ein Gleichgewicht ein, bei dem die mittlere Geschwindigkeit des Elektrons und damit der elektrische Strom proportional zur Feldstärke ist.

Dies wird vom Drude-Modell dadurch erklärt, dass das Elektron mit einem Gitterion zusammenstößt und abgebremst wird. Dieser Vorgang wird phänomenologisch durch eine mittlere Stoßzeit zwischen zwei Kollisionen beschrieben. Mit steigender Temperatur sinkt die mittlere Stoßzeit und damit auch die elektrische Leitfähigkeit der Metalle.

Die Bewegungsgleichung hierfür lautet:

mit

  • der Elektronenmasse
  • der Elektronengeschwindigkeit
  • der Driftgeschwindigkeit (e-Geschwindigkeit abzüglich der thermischen Geschwindigkeit) und
  • der Stoßzeit
  • der Elementarladung.

Für den stationären Zustand () gilt:

Mit der Ladungsträgerdichte ergibt sich die Stromdichte damit zu:

Die Gleichstromleitfähigkeit ist daher:

Diese Gleichung wird auch als Drude-Formel oder Drude-Leitfähigkeit bezeichnet.

Frequenzabhängige elektrische Leitfähigkeit

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Ein elektrisches Feld, das sich periodisch mit der Kreisfrequenz ändert, beschreibt man mit

Sofern die Kreisfrequenz genügend hoch ist () und die elektrische Feldstärke begrenzt bleibt, so dass eine lineare Stromantwort vorliegt, stellt sich keine konstante Driftgeschwindigkeit ein. Es ist dann die Einteilchengleichung

zu lösen. Diese Gleichung gilt für isotrope Materialien, bei denen die elektrische Stromdichte mit dem elektrischen Feld über eine skalare Proportionalitätskonstante, die elektrische Leitfähigkeit , verknüpft ist: . Bei anisotropen Materialien erweitert man die elektrische Stromdichte und das elektrische Feld zu Vektoren und die Leitfähigkeit zu einem Tensor.

Im isotropen Fall berücksichtigt man die Phasenverschiebung zwischen und mit einem komplexen . Mit dem Ansatz erhält man die Lösung

.

Mit und der Beziehung erhält man für ein Material mit der Ladungsträgerdichte seine frequenzabhängige Leitfähigkeit : [7]

.

ist die im vorherigen Abschnitt angegebene Gleichstromleitfähigkeit. Diese lässt sich auch über die Plasmafrequenz ausdrücken als , wobei ist.

In der Optik stellt man den Bezug zur dielektrischen Funktion über die Beziehung

her und erhält[7]

.

ist der dielektrische Hintergrund im Material ohne den Beitrag der freien Ladungsträger.

Das Drude-Modell steht mit seiner Annahme, alle Elektronen würden zum Strom beitragen, im Widerspruch zu den Aussagen des Pauli-Prinzips, und auch klassisch gesehen erzeugt diese Annahme einen Widerspruch: aus der statistischen Thermodynamik folgt, dass alle Freiheitsgrade eines Systems (hier: Festkörper) im Mittel zu seiner inneren Energie beitragen. Jedes Elektron müsste also liefern. Messungen haben aber gezeigt, dass der elektronische Beitrag zur Gesamtenergie etwa tausendmal kleiner ist. Es können also nicht alle Elektronen Teil des Elektronengases sein, und mehr noch: die Bewegung des Elektronengases ist weniger frei als es die kinetische Gastheorie beschreibt.

Abgesehen von der falsch vorhergesagten Größe der Leitfähigkeit bzw. des Widerstandes hat das Drude-Modell weitere deutliche Schwächen:

Es sagt eine Proportionalität von Widerstand und Elektronengeschwindigkeit zur Wurzel aus der Temperatur voraus, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist.

Des Weiteren kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Material ein Leiter, Halbleiter oder ein Isolator ist. Letzteres kann als Vorteil gewertet werden, indem man die Theorie auch auf die freien Elektronen im Leitungsband eines Halbleiters anwenden kann. Abhilfe schafft die quantenmechanische Beschreibung durch das sommerfeldsche Modell[6] bzw. weiterführend das Bändermodell, in dem die Bandlücken richtig vorausgesagt werden.

Eine Verallgemeinerung des Drude-Modells stellt das Lorentz-Oszillator-Modell (auch Drude-Lorentz-Modell) dar. Dabei werden zusätzliche Absorptionsmaxima beschrieben, die beispielsweise durch Bandübergänge verursacht werden. Mit dem Lorentz-Oszillator-Modell ist es möglich, die dielektrische Funktion einer Vielzahl von Materialien (auch Halbleitern und Isolatoren) zu beschreiben.[8]

Einzelnachweise

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  1. Paul Drude: Zur Elektronentheorie der Metalle. In: Annalen der Physik. Band 306, Nr. 3, 1900, S. 566–613, doi:10.1002/andp.19003060312 (Volltext in Internet Archive BookReader).
  2. Paul Drude: Zur Ionentheorie der Metalle. In: Physikalische Zeitschrift. Jg. 1, Nr. 14, 1900, ZDB-ID 200089-1 (Volltext in Internet Archive BookReader).
  3. Neil W. Ashcroft, N. David Mermin: Festkörperphysik. 4., verbesserte Auflage. Oldenbourg, R, München 2012, ISBN 978-3-486-71301-5, S. 1–35.
  4. John N. Lalena: Principles of inorganic materials design. Third edition Auflage. Hoboken, NJ, USA 2020, ISBN 978-1-119-48676-3, S. 111, 179.
  5. Absorption processes in semiconductors (Section 2.1.3) (Memento vom 28. März 2017 im Internet Archive)
  6. a b Arnold Sommerfeld, Hans Bethe: Elektronentheorie der Metalle. In: Handbuch der Physik. Band 24, Teil 2: Aufbau der zusammenhängenden Materie. 2. Auflage. Springer, Berlin 1933, S. 333–622.
  7. a b Stefan Alexander Maier: Plasmonics: Fundamentals and applications. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-0-387-37825-1, Kap. 1.2.
  8. Harland G. Tomkins, Eugene A. Irene (Hrsg.): Handbook of Ellipsometry. Springer u. a., Heidelberg u. a. 2005, ISBN 3-540-22293-6.