Fiehler, Karl
- Lebensdaten
- 1895 – 1969
- Geburtsort
- Braunschweig
- Sterbeort
- Dießen am Ammersee
- Beruf/Funktion
- NS-Politiker ; Oberbürgermeister von München ; Politiker ; Nationalsozialist ; Oberbürgermeister
- Konfession
- baptistisch, seit 1930 evangelisch-reformiert
- Normdaten
- GND: 116500115 | OGND | VIAF: 110120123
- Namensvarianten
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- Fiehler, Karl
- Fiehler
- Fiehler, Carl
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Fiehler, Karl
1895 – 1969
NS-Politiker, Oberbürgermeister von München
Als Münchner Oberbürgermeister hatte Karl Fiehler von 1933 bis 1945 maßgeblichen Anteil an der Verankerung der NS-Ideologie auf allen Ebenen der Stadtverwaltung und Stadtgesellschaft. In Personalunion führte er die beiden zentralen kommunalpolitischen Institutionen des „Dritten Reichs“, das NS-Hauptamt für Kommunalpolitik und den Deutschen Gemeindetag.
Lebensdaten
Geboren am 31. August 1895 in Braunschweig Gestorben am 8. Dezember 1969 in Dießen am Ammersee Grabstätte in Konfession baptistisch, seit 1930 evangelisch-reformiert -
Autor/in
→Andreas Heusler (München)
-
Zitierweise
Heusler, Andreas, „Fiehler, Karl“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/116500115.html#dbocontent
1902 kam Fiehler nach München, wo sein Vater den Aufbau einer Baptistengemeinde unterstützte, und begann nach Abschluss der Volks- und Realschule 1912 eine kaufmännische Lehre. 1914 aufgrund seiner schwachen Konstitution noch als Kriegsfreiwilliger zurückgewiesen, wurde er im September 1915 einberufen und diente bis Kriegsende als Frontsoldat im Westen. Im Dezember 1918 schied er aus dem Militärdienst aus.
Seit 1919 fester Mitarbeiter der Stadt München, lernte Fiehler in mehreren Dienststellen die Strukturen einer großen Kommunalverwaltung kennen. Neben seinem Status als „Alter Kämpfer“ – Fiehler war seit 1923 Mitglied der NSDAP – wurde dies entscheidend für seine politische Karriere im „Dritten Reich“. Als Angehöriger des „Stoßtrupps Hitler“, einer Vororganisation der SS, beteiligte er sich im November 1923 am gescheiterten NS-Putschversuch und wurde im April 1924 vom Volksgericht München I wegen Beihilfe zum Hochverrat zu 15 Monaten Haft verurteilt.
Während der gemeinsamen Festungshaft in Landsberg am Lech wurde Fiehler einer der engsten Gefolgsleute Adolf Hitlers (1889–1945). Am 29. November 1924 vorzeitig aus der Haft entlassen, wurde er noch im selben Jahr als Kandidat der NS-Tarnorganisation „Nationalsozialistische Freiheitsbewegung Großdeutschlands“ in den Münchner Stadtrat gewählt. 1925 trat er der wiedergegründeten NSDAP mit der prestigeträchtig niedrigen Mitgliedsnummer 37 erneut bei, übernahm bis 1929 die Führung der Parteifraktion im Stadtrat und leitete seit 1926 die Ortsgruppe Schwabing. Innerhalb der Reichsleitung der NSDAP verantwortete er seit 1929 die Kommunalpolitische Fachabteilung, seit 1932 das Hauptamt für Kommunalpolitik.
Als Karl Scharnagl (1881–1963) im März 1933 auf nationalsozialistischen Druck zurücktreten musste, wurde Fiehler von Gauleiter Adolf Wagner (1890–1944) zum Oberbürgermeister von München ernannt. In diesem Amt ließ er den Stadtrat „gleichschalten“ und wurde zu einem Vorreiter der Ausgrenzung und Diskriminierung der Münchner Juden, indem er kommunalpolitisch wiederholt antisemitische Reichsgesetze und -verordnungen vorwegnahm. Direkt nach seinem Amtsantritt verfügte Fiehler den Ausschluss von Juden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und verbot ihnen den Zugang zu städtischen Bädern (letztere Bestimmung musste wieder zurückgenommen werden, ehe sie seit 1935 dann reichsweit galt). Jüdische Ärzte in städtischen Krankenanstalten durften künftig nur noch jüdische Patienten behandeln, jüdische Pathologen nur die Leichen von Juden sezieren. Im Januar 1941 gab Fiehler seine Absicht zur „Evakuierung“ aller Münchner Juden bekannt und verantwortete mit Gauleiter Wagner die kurz darauf begonnene Einrichtung zweier „Judenlager“ in Berg am Laim und Milbertshofen, die v. a. als Durchgangslager für die spätere Deportation dienten.
Von 1933 bis 1945 war Fiehler Vorsitzender des Deutschen Gemeindetags, unter dessen Dach die kommunalen Spitzenverbände der Weimarer Zeit vereint und „gleichgeschaltet“ wurden. Nach außen vermittelte er den Eindruck eines kommunalpolitisch kompetenten und bescheidenen Sachwalters städtischer Interessen, dessen Ambitionen weniger von persönlichen Eitelkeiten, sondern von sachlichen Zielsetzungen geprägt waren. Gleichwohl agierte er v. a. als linientreuer Gewährsmann der NS-Ideologie und -Herrschaftspraxis, für den die enge Bindung an Hitler, dem er bis zuletzt bedingungslos loyal gegenüberstand, handlungsleitend war. Über ein konzises kommunalpolitisches Programm verfügte er nicht. Fiehlers erstmals 1929 erschienene Schrift „Nationalsozialistische Gemeindepolitik“ hatte den Charakter einer ideologischen Polemik, die sich bei den Sachaussagen am NS-Parteiprogramm orientierte und allenfalls im Postulat von der Bewahrung der kommunalen Selbstverwaltung eine eigenständige Position formulierte. In der politischen Praxis des Nationalsozialismus nach 1933 wurde die kommunale Selbstverwaltung jedoch endgültig abgeschafft.
Nach dem Ende des „Dritten Reichs“ verteidigte Fiehler in mehreren Eingaben an Gerichte und an die Stadt München das NS-Regime und sein eigenes Handeln als Oberbürgermeister. Im Januar 1949 wurde er von der Hauptspruchkammer München in Kategorie II der „Belasteten (Aktivisten)“ eingestuft und mit Politikverbot, Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts sowie zwei Jahren Arbeitslager bestraft, die allerdings als abgebüßt galten. Fiehler zog sich anschließend an den Ammersee zurück, wo er seinen Lebensunterhalt als Buchhalter verdiente.
1918 | Eisernes Kreuz II. Klasse |
1933 | Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP |
1933–1942 | Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Lufthansa AG (als Vertreter kommunaler Anteilseigner) |
1934 | Ehrenzeichen vom 9. November 1923 („Blutorden“) |
1934 | Frontkämpfer Ehrenkreuz |
1937 | Orden eines Großoffiziers der Krone von Italien |
1943 | Großkreuz des Ordens der Krone von Rumänien |
1943 | Goldenes Abzeichen der Hitler-Jugend |
Nachlass:
nicht bekannt.
Weitere Archivmaterialien:
Stadtarchiv München, PA-12011/1-2. (Personalakte)
Staatsarchiv München, K 407. (Spruchkammerakte)
Fünf Jahre nationalsozialistische Gemeindepolitik in München, 1929.
Nationalsozialistische Gemeindepolitik, 1929, 71933.
Handbuch der Gemeindeverwaltung. Alphabetisches Nachschlagewerk für die Praxis, 2 Bde., 1934–1939. (Bearb.)
Die deutsche Gemeindeordnung. Mit Durchführungsverordnung und Ausführungsanweisung nebst der bayerischen Überleitungs- und Angleichsverordnung, einschließlich des bayerischen Fürsorgegesetzes und ergänzenden Bestimmungen, 1935, 31941. (Hg.)
München baut auf. Ein Tatsachen- und Bildbericht über den nationalsozialistischen Aufbau in der Hauptstadt der Bewegung, 1937.
Aufgaben der Kommunalpolitik, in: Völkischer Beobachter v. 15.12.1942.
Monografien:
Peter Steinborn, Grundlagen und Grundzüge Münchener Kommunalpolitik in den Jahren der Weimarer Republik. Zur Geschichte der bayerischen Landeshauptstadt im 20. Jahrhundert, 1968.
Horst Matzerath, Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970.
Wolf Gruner, Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung. Wechselwirkungen lokaler und zentraler Politik im NS-Staat (1933–1942), 2002. (Onlineressource)
Andreas Heusler, Das Braune Haus. Wie München zur „Hauptstadt der Bewegung“ wurde, 2008.
Ulrike Haerendel, Kommunale Wohnungspolitik im Dritten Reich. Siedlungsideologie, Kleinhausbau und „Wohnraumarisierung“ am Beispiel Münchens, 2009. (Onlineressource)
Florian Wimmer, Die völkische Ordnung von Armut. Kommunale Sozialpolitik im nationalsozialistischen München, 2014.
Aufsätze und Artikel:
Helmut M. Hanko, Kommunalpolitik in der „Hauptstadt der Bewegung“ 1933–1935. Zwischen „revolutionärer“ Umgestaltung und Verwaltungskontinuität, in: Martin Broszat/Elke Fröhlich/Anton Grossmann (Hg.), Bayern in der NS-Zeit. Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, Bd. 3, 1981, S. 329–356.
Wolf Gruner, Die NS-Judenverfolgung und die Kommunen. Zur wechselseitigen Dynamisierung von zentraler und lokaler Politik 1933–1941, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 48 (2000), H. 1, S. 75–126. (Onlineressource)
Doris Seidel, Die Jüdische Gemeinde Münchens 1933–1945, in: Angelika Baumann/Andreas Heusler (Hg.), München „arisiert“. Entrechtung und Enteignung der Juden in der NS-Zeit, 2004, S. 31–53.
Joachim Lilla (Bearb.), Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch, 2004, S. 138 f.
Andreas Heusler, Karl Fiehler (1933–1945), in: Friedrich H. Hettler/Achim Sing (Hg.), Die Münchner Oberbürgermeister. 200 Jahre gelebte Stadtgeschichte, 2008, S. 117–134.
Wolfram Selig, Art. „Fiehler, Karl“, in: Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 2, 2009, S. 231 f.
Mathias Rösch, Art. „Fiehler, Karl“, in: Hermann Weiß (Hg.), Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, überarb. Neuausg., 22011, S. 121 f.
zahlreiche Fotografien in: Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sammlung Heinrich Hoffmann.
Fotografie v. Wilhelm Nortz (geb. 1902), 9.11.1933, in: Stadtarchiv München, FS-NS-01270.
Fotografie v. Kurt Huhle, 1936, in: Stadtarchiv München, FS-PER-F-0103-03.
Fotografie, ca. 1933, Abbildung in: Reichstags-Handbuch. IX. Wahlperiode 1933, hg. v. Büro des Reichstags, 1934, S. 399. (Onlineressource)
Fotografie, ca. 1938, Abbildung in: Der Großdeutsche Reichstag 1938, IV. Wahlperiode (nach dem 30. Januar 1933). Mit Zustimmung des Herrn Reichstagspräsidenten hg. v. E. Kienast, 1938, S. 483. (Onlineressource)