Bilanzskandal: Ex-Wirecard-Chef Braun angeklagt

Wirecard-Vorstandschef Markus Braun ist über Jahre hinweg als Technologieprophet aufgetreten. Für die Staatsanwaltschaft ist Braun ein Bandenchef.

Artikel veröffentlicht am , / dpa
Ex-CEO von Wirecard, Markus Braun, vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zu dem Fall
Ex-CEO von Wirecard, Markus Braun, vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zu dem Fall (Bild: Filip Singer - Pool/Getty Images)

Im größten Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte hat die Münchner Staatsanwaltschaft Anklage gegen den früheren Wirecard-Vorstandschef Markus Braun erhoben. Die Ermittler werfen Braun und zwei weiteren ehemaligen Spitzenmanagern des einstigen Dax-Konzerns "bandenmäßiges Vorgehen" vor.

Sie sollen seit 2015 die Bilanzen gefälscht und kreditgebende Banken um insgesamt 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben, davon 1,7 Milliarden Euro an Krediten und weitere 1,4 Milliarden an Schuldverschreibungen. Über seinen Pressesprecher beteuerten Brauns Verteidiger die Unschuld ihres Mandanten und erhoben schwere Vorwürfe gegen die Ermittler.

Laut Anklage waren die Wirecard-Bilanzen von 2015 bis 2018 falsch - eine geprüfte Bilanz für 2019 kam schon nicht mehr zustande. Im Juni 2020 meldete das einst als deutsches Technologie-Vorzeigeunternehmen geltende Wirecard Insolvenz an. Auslöser waren bis heute vermisste 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhandkonten verbucht waren.

Laut Ermittlungen waren dies jedoch Scheinbuchungen großen Stils. Wirecard wickelte als Zahlungsdienstleister Kreditkartenzahlungen an Ladenkassen und im Onlinehandel ab. Die mutmaßlich nicht existenten Milliarden wurden als Erträge von Partnerfirmen verbucht, die angeblich im Wirecard-Auftrag Zahlungen abwickelten. Die erste Anklage in dem Wirecard-Komplex richtet sich gegen einen ehemaligen Geschäftspartner des untergetauchten Ex-Vertriebschefs Jan Marsalek.

Braun seit 2020 in Untersuchungshaft

Der Österreicher Braun sitzt seit dem 22. Juli 2020 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Laut Anklage erfanden Braun, der frühere Chefbuchhalter und der Leiter der Wirecard-Tochter in Dubai äußerst ertragreiche Geschäfte, vor allem in Asien. "Der Angeschuldigte Dr. B. wusste, dass mit Übernahme der unrichtigen Buchungszahlen die Konzernbilanz ebenfalls falsch wurde, und unterzeichnete als CEO gleichwohl die jeweiligen Abschlüsse", schrieben die Staatsanwälte in ihrer Mitteilung.

Brauns Verteidiger hingegen stellten Braun als Opfer dar: "Die Anklage leidet an gravierenden Mängeln und geht von einem völlig falschen Tatbild aus." Im weiteren Verfahren werde sich erweisen, dass "Dr. Braun nie Teil einer Bande war, die Millionensummen hinter seinem Rücken veruntreut hat, dass er nichts von den Machenschaften dieser Bande gewusst und schon gar nicht von diesen profitiert hat". Dies zielt auf den seit Sommer 2020 untergetauchten ehemaligen Vertriebsvorstand Jan Marsalek, gegen den die Staatsanwaltschaft gesondert ermittelt.

Bevor es zum Prozess kommt, muss im nächsten Schritt das Landgericht München entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird. Manipulationsvorwürfe gegen Wirecard gab es seit vielen Jahren, aufgedeckt wurde der Skandal von der britischen Financial Times. Braun wurde durch den Kollaps seines Unternehmens selbst ruiniert, da er nahezu sein gesamtes Vermögen in Wirecard-Aktien angelegt hatte.

Der mutmaßliche Betrugsschaden von über drei Milliarden Euro übersteigt zumindest in absoluten Zahlen und nicht inflationsbereinigt alle seit 1945 in Deutschland bekannt gewordenen Fälle. Bisheriger Rekordhalter war das badische Unternehmen Flowtex, das mit dem Verkauf nicht existenter Bohrmaschinen in den 1990er Jahren einen Betrugsschaden von zwei Milliarden Euro anrichtete. Im VW-Skandal waren die Folgekosten für den Wolfsburger Konzern mit an die 30 Milliarden Euro zwar noch ungleich höher, aber dabei ging es nicht um Finanzschwindel.

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