Carrozzeria Fissore

ehemaliger Automobilhersteller

Die Carrozzeria Fissore war ein Designstudio und Karosseriehersteller aus Savigliano bei Turin (Piemont).

Der Monteverdi Safari, ein von Fissore in Serie hergestellter Geländewagen mit amerikanischer Antriebstechnik

Geschichte

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Emblem der Carrozzeria Fissore (1966)

Das Unternehmen wurde 1920 von den Brüdern Antonio, Bernardo, Giovanni und Costanzo Fissore gegründet und beschäftigte sich in den ersten Jahren seiner Existenz zunächst mit der Herstellung von Kutschen und später mit der Reparatur von Pkw und Lkw. Ab 1936, als Bernardo Fissore die Leitung des Unternehmens übernahm, begann man Spezialaufbauten für Automobile herzustellen, insbesondere Bestattungsfahrzeuge, Postfahrzeuge und kleine Autobusse. Während des Zweiten Weltkriegs änderte sich die Produktpalette; wie in vielen anderen Betrieben wurden nun Militärfahrzeuge hergestellt.

Nach dem Krieg wandte sich Fissore wieder Zivilfahrzeugen zu. Das Unternehmen entwarf dabei das Design im eigenen Atelier und baute auch die Karosserien in den eigenen Werkstätten. 1947 entstand so ein erster Kombiwagen auf dem Serienfahrgestell des Fiat 1100, der die Bezeichnung Giardinetta erhielt. Dieser Begriff, der erstmals von Fissore verwendet wurde, ist auch heute noch in Italien für Kombiwagen gebräuchlich und fand sich sowohl bei den entsprechenden Ableitungen von Fiat (z. B. Fiat 500) als auch bei Alfa Romeo (z. B. Alfa 33). 1953 wurde das von Mario Revelli di Beaumont entworfene Coupé 1000 TV vorgestellt, das auf dem Fahrgestell des Fiat 1100 basierte und eine eigenständige Linie aufwies. Das Auto wurde der erste große Erfolg der Carrozzeria Fissore. Es folgten weitere Modelle auf verschiedenen Fiat-Fahrgestellen. Mit zunehmendem Erfolg wuchs das Unternehmen, so dass es Mitte der 1960er Jahre über nahezu 200 Angestellte verfügte. In dieser Zeit begann Fissore, auch für andere Autohersteller zu arbeiten. Hier wurden entweder Karosserieentwürfe erstellt oder ganze Fahrzeuge in Einzelproduktion oder Kleinserien hergestellt, unter ihnen DKW, TVR und de Tomaso. Auch wenn die Carrozzeria Fissore insgesamt nicht in der Liga von Pininfarina, Bertone, Michelotti oder Pietro Frua spielte, war sie in dieser Zeit doch ein veritables Designstudio und Karosseriewerk mit solidem Ruf und überregionaler Bedeutung. In den frühen 1960er-Jahren war der Designer Franco Maina für viel Fissore-Entwürfe verantwortlich, später arbeitete auch Trevor Fiore für Fissore.

1969 erhielt die Carrozzeria Fissore von Monteverdi den Auftrag, einen Großteil der Sportwagen der High-Speed-Serie herzustellen. Das sicherte die Existenz des Unternehmens für die nächsten Jahre, auch wenn die anfänglich von Monteverdi avisierten Stückzahlen von 100 Exemplaren pro Jahr wohl nie erreicht wurden. Dies änderte sich, als Monteverdi den Geländewagen Safari in großen Quantitäten zu produzieren begann. Hier zeigte sich, dass eine rein handwerkliche Produktion, wie Fissore sie bislang praktiziert hatte, die gewünschten Stückzahlen nicht sicherstellen konnte. Daher investierten Fissore und Monteverdi in eine jedenfalls teilweise industrielle Produktion mit Blechpressen u. Ä. Im Gegenzug erhielt Monteverdi größere Anteile an der Carrozzeria Fissore und übernahm das Werk in den späten 1970er Jahren letztlich vollständig. Die Herstellung von Monteverdis machte in dieser Zeit den Hauptteil der Fissore-Produktion aus. Allerdings entstanden daneben noch immer Prototypen und Einzelstücke für andere Unternehmen.

Als Monteverdi 1984 die Autoproduktion aufgab, bedeutete dies auch das Ende für die Carrozzeria Fissore. Mangels Nachfolgeaufträgen wurde das Unternehmen 1984 liquidiert.

Das 1976 gegründete Unternehmen Rayton Fissore hat keine rechtliche Beziehung zur Carrozzeria Fissore. Hierbei handelt es sich um eine selbständige Karosseriewerkstatt, die von Giulio Malvino gegründet und geführt wurde. Die Namensähnlichkeit ist auf die Ehefrau von Malvino zurückzuführen, die eine gebürtige Fissore ist und aus der Familie stammt, die die Carrozzeria Fissore betrieben hatte. Rayton Fissore stellte ab 1985 den Magnum (in den USA als Laforza verkauft) her, einen eigenständig gestalteten und luxuriös ausgestatteten Geländewagen mit einem Iveco-Chassis, der im Konzept dem Monteverdi Safari nicht unähnlich war, abgesehen davon aber mit dem schweizerisch-italienischen Auto nichts zu tun hatte.

Fahrzeuge

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Fissore und Fiat

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Insbesondere in den 1950er und 1960er Jahren stellte Fissore eine Reihe von Sonderkarosserien auf Fahrgestellen von Fiat her. Einige von ihnen wurden in kleinen Serien produziert. Hierzu gehörten:

  • Fiat 1100 TV Fissore Coupé (1953), ein Coupé mit Ponton-Karosserie auf der Basis des Fiat 1100. Es wurde in mehreren Exemplaren hergestellt und von Fissore als erster großer Erfolg bezeichnet.
  • Sabrina, ein vier- bis sechssitziges Auto auf der Basis des Fiat Multipla mit stark veränderter Karosserie.
  • 1500 Coupé, ein Zweitürer auf der Basis des Fiat 1500, vorgestellt in Turin 1959.
  • Mongho 650, ein knappes Coupé auf der Basis des Fiat Nuova 500 mit einem Design von Sessano Associates im kantigen Stil der frühen 1970er Jahre. Der Motor vom Fiat 500 war von Nardi getunt worden, so dass das Auto recht spritzige Fahrleistungen bot. Fissore baute den Prototyp, der ein Einzelstück blieb. Das Auto steht heute in Italien.
  • Fissore 127 Scout, ein offenes Spaßauto im Stil des Citroën Méhari mit der Technik des Fiat 127. Das Auto war 1971 von Franco Maina gestaltet und zunächst als Gypsy vorgestellt worden. Anfänglich wurden Karosserieteile aus glasfaserverstärktem Kunststoff verwendet, später aus Stahlblech. Der Scout war ein recht erfolgreiches Auto, das auch in Deutschland zu erhalten war. Autokinitoviomihania Ellados aus Griechenland erhielt eine Lizenz.

Fissore und OSCA

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OSCA 1600 GT 2 von 1963

1962 entwarf und baute Fissore in den frühen 1960er Jahren einige Karosserien für das den Maserati-Brüdern gehörende Unternehmen OSCA. Hierbei wurde das Fahrgestell des OSCA 1600 verwendet. Fissore entwarf zunächst ein elegantes, knapp geschnittenes Stufenheck-Coupé mit schmaler, eingezogener Frontpartie und nebeneinander liegenden Doppelscheinwerfern. Die Dachlinie war eckig mit filigranen A-, B- und C-Säulen. Das Coupé wurde insgesamt in 22 Exemplaren hergestellt. Zwei Fahrzeuge wurden als Cabriolet aufgebaut.

Fissore und DKW

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Front des DKW-Vemag Fissore (1965)
 
Heckpartie des DKW-Vemag Fissore
 
DKW 1000 Sp Fissore

In den frühen 1960er Jahren hatte die Carrozzeria Fissore geschäftlichen Kontakt zur Auto Union GmbH. Drei DKW-Modelle, die in Brasilien von Veículos e Máquinas Agrícolas (Vemag) gebaut und auf dem südamerikanischen Markt vertrieben werden sollten, wurden zunächst von Fissore überarbeitet. Dabei handelt es sich um

  • den DKW F93 (3=6). Das Fahrzeug wurde von 1958 bis 1967 in Brasilien bei Vemag gebaut und unter dem Namen DKW-Vemag Belcar (= schönes Auto) verkauft. Die Kombiversion hieß Vemaguet. Bei unveränderter Technik überarbeitete Fissore in erster Linie die Front- und Heckpartie. Die ausladenden Kotflügel wurden beibehalten, allerdings wurden die DKW-Vemags mit vorn angeschlagenen Türen und Doppelscheinwerfern ausgestattet. Insgesamt wurden etwa 51.000 Exemplare hergestellt.
  • Ein weiteres Fahrzeug war der DKW-Vemag Fissore, eine zweitürige Limousine mit glattflächiger Ponton-Karosserie, für deren Frontpartie Fissore die Züge des kurz zuvor vorgestellten OSCA-1600-Coupés übernahm. Der Korpus der Karosserie ähnelte in groben Zügen dem deutschen DKW F 102. Als Einzelstück wurde zudem ein Kombiwagen gebaut. Der DKW-Vemag Fissore war im Grunde eine neu karossierte Version des Belcar, die angesichts des aktualisierten, wesentlich eleganteren Designs zu einem etwa 25 % höheren Preis als der Belcar verkauft wurde. Mit seinem Zweitaktmotor war der Fissore allerdings keine ernst zu nehmende Konkurrenz für amerikanische oder italienische Importe. Zwischen 1964 und 1967 wurden nicht mehr als 2.500 DKW-Vemag Fissore hergestellt. Das Auto ist heute in Südamerika eine gesuchte Rarität.
  • Schließlich entwarf Fissore Coupés und Spider auf der Basis des Auto Union SP 1000. Die Fissore-Entwürfe entfernten sich von dem ursprünglich kopierten Ford Thunderbird. Lizenzproduktionen der Coupés und Spider gab es in Argentinien und Spanien.

Fissore und De Tomaso

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De Tomaso Vallelunga mit Fissore-Karosserie

Für de Tomaso entwarf Fissore das Modell Vallelunga. Zunächst entstand ein Spyder, der nicht über das Stadium eines Prototyps hinauskam. Kurz darauf entwarf Fissore eine geschlossene Version, die in etwa 50 Exemplaren bis Mitte der 1960er Jahre hergestellt wurde. Allerdings fand die Serienproduktion nicht – wie möglicherweise erhofft – bei Fissore statt, sondern bei der Carrozzeria Ghia, die seinerzeit Alejandro de Tomaso anteilig gehörte.

Fissore und Monteverdi

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Monteverdi High Speed 375/L mit einer bei Fissore hergestellten Karosserie

Von besonderer Bedeutung war die Geschäftsbeziehung zwischen Fissore und dem Schweizer Sportwagenhersteller Monteverdi. Sie sicherte der Carrozzeria Fissore in den 1970er Jahren das Überleben.

Anfänglich hatte Monteverdi sein Coupé bei Pietro Frua entwerfen und bauen lassen. Allerdings hatte sich Monteverdi 1968, nach nur einem halben Jahr, wieder von Frua getrennt, da dessen Werk in Turin nicht über die notwendigen Kapazitäten für die handwerkliche Herstellung der High-Speed-Modelle in der von Peter Monteverdi gewünschten Quantität verfügte. Zunächst beauftragte Monteverdi die Carrozzeria Fissore mit der Herstellung von Sportwagen im bisherigen Frua-Design; nachdem Pietro Frua allerdings erfolgreich Lizenzgebühren eingeklagt hatte, änderte Monteverdi das Design der Sportwagen. Ob diese Karosserie von Fissore entworfen wurde oder ob das Design tatsächlich von Peter Monteverdi selbst stammte, wie dieser wiederholt behauptete, ist unklar. Jedenfalls hat Fissore die Behauptung Monteverdis nie bestritten. Möglicherweise stammen die Basislinien des Coupés von Monteverdi, während Fissore die Umsetzung im Detail übernahm. Gleiches mag für die Ableitungen des High-Speed gelten, das heisst für die Coupés auf kurzem Radstand, die Cabriolets und die Limousine.

Der Produktionsablauf war kompliziert. In Basel wurde zunächst ein Chassis hergestellt, das sodann in Savigliano mit der Karosserie verbunden wurde. Danach wurde das Auto nach Basel zurückgebracht, wo es in der Werkstatt von Monteverdi mit Motor und Antriebskomponenten versehen und komplettiert wurde.

Sicher ist, dass Fissore viele, aber nicht alle Monteverdis der High-Speed-Serie herstellte. Außer Fissore waren jedenfalls noch die Werke von Poccardi und Embo mit der Herstellung einzelner Fahrzeuge beschäftigt. Wahrscheinlich erfolgte diese Diversifizierung aus Kapazitätsgründen.

Fissore stellte auch die Karosserien für den erfolgreichen Monteverdi Safari her. Ob auch der Monteverdi Sierra, eine Abwandlung des Dodge Aspen, bei Fissore gebaut wurde, ist nicht gesichert. Dagegen spricht, dass für dieses Modell keine vollständig eigene Karosserie gebaut werden musste; vielmehr wurden lediglich einige Anbauteile wie Kotflügel und Motorhauben ersetzt.

Weitere Entwürfe

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Alpine A310 mit einer von Fissore entworfenen Karosserie
 
Ein viertüriges Cabriolet auf der Basis des Opel Diplomat B
  • Für TVR entwarf der Fissore-Designer Trevor Fiore ein zweisitziges Coupé mit knappen Linien. Bevor es in Produktion ging, verkaufte TVR die Rechte an der Konstruktion an einen TVR-Händler, der es unter dem Namen Trident auf den Markt brachte und bis 1976 in etwa 220 Exemplaren verkaufte.
  • Für Alpine entwarf Trevor Fiore in den späten 1960er Jahren einen Nachfolger des A 110. Bevor die Entwürfe für das Auto, das später der A 310 werden sollte, in Frankreich umgesetzt werden konnten, übernahm Monteverdi die Linien für sein eigenes Mittelmotor-Coupé namens Hai. Während Peter Monteverdi behauptet, den Hai selbst entworfen zu haben, hat Monteverdi nach Aussage Fiores bei ihm den Alpine-Entwurf eingesehen und später ohne Lizenzierung für sein eigenes Auto verwendet. Die Ähnlichkeiten zwischen dem Alpine A 310 und dem Monteverdi Hai sind jedenfalls augenfällig.
  • Für Opel stellte Fissore zu Beginn der 1970er Jahre vier viertürige Cabriolet-Version des Opel Diplomat B her. Es blieb bei den vier Exemplaren. Alle existieren noch.
  • Otas, ein kleiner Sportwagen auf der Basis des Autobianchi A112.

Literatur

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  • Paolo Fissore, Carrozzeria Fissore, 1991.
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