Retinal

Chromophor von Opsinen, organische Verbindung

Retinal gehört zu den Apocarotinoiden und wird aus Vitamin A gebildet. Es ist der Aldehyd des Retinols, wird daher auch Vitamin-A-Aldehyd genannt.

Strukturformel
Strukturformel von 11-cis-Retinal

Strukturformel von 11-cis-Retinal
oben: 11-cis-Retinal (Retinal 1), unten: all-trans-Retinal
Allgemeines
Name Retinal
Andere Namen
  • Retinaldehyd
  • 11-cis-Retinal [Synonym: (11Z)-Retinal]
  • all-trans-Retinal [Synonym: all-(E)-Retinal]
  • 3,7-Dimethyl-9-(2,6,6-trimethylcyclohex-1-en-1-yl)nona-2,4,6,8-tetraenal (IUPAC), ohne Stereochemie
  • RETINAL (INCI)[1]
Summenformel C20H28O
Kurzbeschreibung

orangerote Kristalle[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer 204-135-8
ECHA-InfoCard 100.003.760
PubChem 1070
ChemSpider 1041
Wikidata Q422001
Eigenschaften
Molare Masse 284,44 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt
  • 61–64 °C (all-trans)[2]
  • 63,5–64,5 (11-cis)[2]
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

all-trans

Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302​‐​315
P: 264​‐​270​‐​280​‐​301+312​‐​302+352​‐​332+313[3]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Retinal als Teil der Vitamin-A-Synthese

Biologische Funktion

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Probe von all-trans-Retinal

Retinal ist das Chromophor zahlreicher lichtempfindlicher Proteine, der Opsine. Es ist kovalent als Imin an einen Lysinrest gebunden und bildet dann Rhodopsin. In bakteriellen und tierischen Rhodopsinen liegt diese Bindestelle an der siebten Transmembranhelix.[4]

In den Stäbchen der Netzhaut ist Retinal im Rhodopsin oder Sehpurpur gebunden und liegt in der Konfiguration als 11-cis-Retinal vor. Von den Stäbchen absorbiertes Licht führt zu einer Streckung des Retinalmoleküls (11-cis-Retinal wird zu all-trans-Retinal), wodurch eine signalverstärkende Signalkaskade ausgelöst wird, die über eine Hyperpolarisation der Rezeptorzelle, bei ausreichendem Lichteinfall, zur Anregung des Sehnervs führt.

Eine geringfügige Hypovitaminose äußert sich in verminderter Nachtsicht. Stärkerer Mangel führt zu einem schnelleren Ermüden der Augen, Nachtblindheit sowie einer Verhornung der Sehzellen des Auges.

Sehvorgang

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Zwei isomere Formen des Retinals sind beim Sehvorgang wichtig: das 11-cis-Retinal (Retinal 1, Vitamin A1-Aldehyd) sowie das all-trans-Retinal. 11-cis-Retinal ist der lichtempfindliche Bestandteil des Rhodopsin-Moleküls, das in den Stäbchen des Auges (siehe Retina) der für das farbneutrale Sehen entscheidende lichtempfindliche Chromophor ist. Durch Absorption von Licht wird das 11-cis-Retinal in die all-trans-Konfiguration überführt,[5] in der es sich von der Proteinkomponente des Rhodopsins, dem Skotopsin, trennt.

 
11-cis-Retinal (Retinal 1) nimmt ein Lichtquant auf und lagert sich zum all-trans-Isomer um

Dies löst eine Signaltransduktionskaskade aus, durch die das Lichtsignal auf dem Umweg über die Aufnahme durch das Retinal und den Zerfall des Rhodopsins in ein elektrochemisches Signal umgewandelt wird, das Rezeptorpotential der Stäbchenzelle. Das entstandene all-trans-Retinal dagegen wird anschließend, sofern kein weiteres Licht einfällt, durch ein Enzym, die sogen. Retinal-Isomerase, wieder in die cis-Form überführt,[5] in der es sich mit der verbliebenen Proteinkomponente zu einem neuen, „empfangsbereiten“ Rhodopsin-Molekül vereinigen kann.

Die Bedeutung des Retinals für das Sehvermögen ist auch der Grund, warum im Volksmund die Aussage verbreitet ist, Karotten seien gut für die Augen.[6] Das β-Carotin in vielen gelb und rötlich gefärbten Gemüsearten wird für die Bildung von Retinal benötigt. all-trans-Retinal ist der Aldehyd des Vitamin A1 (Retinol) und steht somit mit ihm in enger struktureller Beziehung. Dennoch führt der Konsum von Karotten ohne Vitamin A-Mangel nicht zu einer Verbesserung der Sehleistung.[7]

 
A: Retinal 1, B: Retinal 2

Bei Süßwasserfischen und Amphibien tritt das 11-cis-3,4-Dehydro-Retinal (Retinal 2, Vitamin A2-Aldehyd) an die Stelle von 11-cis-Retinal (Retinal 1, Vitamin A1-Aldehyd) der Landwirbeltiere. Eine genaue Übersicht über die tierischen Retinale ist in Opsin §Übersichtstabelle gegeben.

Mikrobielle Retinale und Opsine

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13-cis-Retinal

Das Isomer all-trans-Retinal ist ein wesentlicher Bestandteil mikrobieller Opsine wie Channelrhodopsin (bei einzelligen Algen), sowie Bacteriorhodopsin und Halorhodopsin[8] (beide bei Archaeen). Sie sind wichtig für die anoxygene Photosynthese von Bakterien und Archaeen. Bei diesen Molekülen verwandelt sich das all-trans-Retinal durch Licht in 13-cis-Retinal, das sich im Dunkeln wieder in all-trans-Retinal umwandelt. Solche Opsine nennt man Typ-1-Opsine. Diese Proteine sind evolutionär nicht verwandt mit den tierischen Opsinen (Typ-2-Opsine), die im Gegensatz zu den Typ1-Opsinen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) sind. Die Tatsache, dass sie beide Opsin-Typen ein Retinal verwenden ist das Ergebnis einer konvergenten Evolution.[9]

Bei Pilzen wie Blastocladiella emersonii (Blastocladiales[10]), einem begeißelten, früh (im Stammbaum) divergierenden Pilz, werden Opsine vom Typ 1 für die Phototaxis verwendet.[11]

 
9-cis-Retinal

Das Opsin des Chytridpilzes Spizellomyces punctatus bindet bevorzugt an 9-cis-Retinal.bei diesem Opsin handelt es sich möglicherweise um ein Typ-2-Opsin. Die biologische Funktion des Opsins von S. punctatus ist noch unbekannt (Stand 2017).[12] Es ist auch noch nicht klar, ob es sich tatsächlich um ein Opsin vom Typ 2 handelt, da es in der umfassenden Opsin-Phylogenie von Gühmann et al. (2022) fehlt.[13] Wenn es sich tatsächlich um einen Photorezeptor handeln sollte, dann könnte sich die Lichtempfindlichkeit bei diesem Pilz im Prinzip unabhängig von der anderer Pilze entwickelt haben.

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Einzelnachweise

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  1. Eintrag zu RETINAL in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 20. Mai 2021.
  2. a b c Eintrag zu Retinal. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 22. Dezember 2014.
  3. a b Datenblatt all trans-Retinal bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 22. April 2011 (PDF).
  4. O. P. Ernst, D. T. Lodowski, M. Elstner, P. Hegemann, L. S. Brown, H. Kandori: Microbial and animal rhodopsins: structures, functions, and molecular mechanisms. In: Chemical Reviews. Band 114, Nummer 1, Januar 2014, S. 126–163, doi:10.1021/cr4003769, PMID 24364740, PMC 3979449 (freier Volltext) (Review).
  5. a b Siegfried Hauptmann: Organische Chemie. 2. Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1988, ISBN 3-342-00280-8, S. 774–775.
  6. Julia Merlot: Stärken Karotten das Sehvermögen? In: Der Spiegel (online). 26. August 2013, abgerufen am 2. März 2023.
  7. Dina Fine Maron: Verbessern Karotten die Sehkraft? In: Spektrum.de. 6. Juli 2017, abgerufen am 2. März 2023.
  8. Halorhodopsin. Lexikon der Biologie, spektrum.de.
  9. De-Liang Chen, Guang-yu Wang, Bing Xu, Kun-Sheng Hu: All-trans to 13-cis retinal isomerization in light-adapted bacteriorhodopsin at acidic pH. In: Journal of Photochemistry and Photobiology B: Biology. 66. Jahrgang, Nr. 3, April 2002, S. 188–194, doi:10.1016/S1011-1344(02)00245-2, PMID 11960728 (englisch).
  10. NCBI Taxonomy Browser: Blastocladiella emersonii, Details: Blastocladiella emersonii Cantino & Hyatt, 1953 (species).
  11. Gabriela Mól Avelar, Talita Glaser, Guy Leonard, Thomas A. Richards, Henning Ulrich, Suely L. Gomes: A Cyclic GMP-Dependent K+ Channel in the Blastocladiomycete Fungus Blastocladiella emersonii. In: Eukaryotic Cell, Band 14, Nr. 9, September 2015, S. 958–963; doi:10.1128/EC.00087-15, PMID 26150416, PMC 4551585 (freier Volltext) (englisch).
  12. Steven R. Ahrendt, Edgar Mauricio Medina, Chia-en A. Chang, Jason E. Stajich: Exploring the binding properties and structural stability of an opsin in the chytrid Spizellomyces punctatus using comparative and molecular modeling. In: PeerJ, Band 5, 27. April 2017, S. e3206; doi:10.7717/peerj.3206, PMID 28462022, PMC 5410147 (freier Volltext) (englisch).
  13. Martin Gühmann, Megan L. Porter, Michael J. Bok: The Gluopsins: Opsins without the Retinal Binding Lysine. In: Cells. 11. Jahrgang, Nr. 15, 6. August 2022, S. 2441, doi:10.3390/cells11152441, PMID 35954284, PMC 9368030 (freier Volltext) – (englisch).
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