Saalkirche

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St. Mauritius in Wolkenburg/Mulde, Lkr. Zwickau, klassizistische Saalkirche mit Empore auf Emporenpfeilern
Georgenkirche in Schwarzen­berg Erzgeb., barocke Saal­kirche mit Emporen ohne Emporenpfeiler
Kathedrale von Angers, Spätromanik und Angevinische Gotik
Kathedrale von Girona, Gewölbe­schlüsse 1450–1606, 23 m breites Schiff zwischen Abseiten

Eine Saalkirche ist eine in der Regel (aber nicht notwendigerweise) kleinere Kirche oder Kapelle, „deren Innenraum ein (...) nicht durch Stützen unterteilter Saal ist.“[1]

Definitorische Probleme

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Die Begriffsdefinition einer Saalkirche nach Hans Koepf und Günther Binding[1] durch ihre Stützenfreiheit wird ausdrücklich durch die Ausnahme von Emporenpfeilern eingeschränkt. Die Anwendung dieser Definition hängt von der Interpretation des Begriffs ‚Emporenpfeiler‘ ab. Viele Emporenkirchen, auch solche mit mehreren Emporen über einander, haben trotzdem eine freitragende Deckenkonstruktion von einer Seitenwand zu anderen, weil die Emporenpfeiler unter der (obersten) Empore enden. Daher sind sie Saalkirchen in der Sonderform der Emporensäle. Bei anderen Kirchen (oft mit durchaus gleichartiger Emporengestaltung) reichen die Stützen über die oberste Empore hinaus und stützen die Raumdecke. Solche Kirchen sind als Emporenhalle zu bezeichnen. Auch Wilfried Koch beschreibt die Emporenhalle, u. a. anhand von romanischen Beispielen.[2]

Mittelstützen bilden weder bei Wilfried Koch noch in den zitierten Werken von Hans Koepf und Günther Binding[3] eine Ausnahme, die der Bezeichnung ‚Saalkirche‘ nicht entgegenstehe. Vielmehr verweist Binding auf profane Holzbauten als Vorbilder gewölbter zweischiffiger Hallen.[4]

Das Verständnis der wissenschaftlichen Definition ist dadurch erschwert, dass umgangssprachlich eine Halle größer ist als ein Saal: Gleishalle und Empfangshalle eines Bahnhofs können freitragende Decken haben, also wissenschaftlich betrachtet Säle sein. Der Wartesaal eines Bahnhofs kann eine von Pfeilern getragene Decke haben, wissenschaftlich betrachtet also eine Halle sein.

Der Grundriss einer Saalkirche kann, muss aber nicht rechteckig sein, auch ein Querschiff ist möglich. Bei einem großen Teil der heutigen wie auch der archäologisch nachgewiesenen Saalkirchen ist der Altarraum leicht eingezogen, also etwas schmaler als der Gemeindesaal. Auch ein polygonaler, ein kreisrunder und ein ovaler Kirchenraum ohne freistehende Stützen ist eine Saalkirche. Je schmaler und länger der Innenraum ist, desto eher spricht man von einer einschiffigen Kirche. Kirchen ohne Säulen und Pfeiler, aber mit kreuzförmigem Grundriss werden sowohl als „kreuzförmige Saalkirchen“ wie auch als „einschiffige Kreuzkirchen“ bezeichnet.

Für den Fall der mittelalterlichen Dorfkirchen hat der Kunsthistoriker Erich Bachmann eine Saalkirchen-Typologie mit vier verschiedenen Grundrissen entwickelt, unter denen die rechteckige Saalkirche ohne ausgeschiedenes Altarhaus (Rechtecksaal) der einfachste und der dem Profanbau ähnlichste ist.[5] An der Ostseite erweiterte Grundrisstypen hat Bachmann Apsissaal, Chorquadratkirche und Vollständige Anlage genannt.[5]

Saalkirchen können eine Holzdecke oder einen zum Kirchenraum hin offenen Dachstuhl haben. Sie können auch gewölbt sein, wobei Tonnengewölbe und Kreuzgewölbe zum Einsatz kommen können. Das Rippengewölbe der gotischen Kathedrale von Girona ist mit 23 m das weitest gespannte Saalkirchengewölbe der Welt.

Vielerorts waren die ersten, heute oft nur noch archäologisch nachweisbaren, Kirchen Saalkirchen (siehe z. B. die karolingischen Dreiapsidenkirchen). Für lange Zeit waren dem Bau von Kirchen mit Raumbreiten, die ohne Stützen überdacht werden konnten, enge Grenzen gesetzt. Daher wurden viele ältere Saalkirchen bei Zunahme der Bevölkerung im Kirchspiel durch mehrschiffige Kirchen ersetzt, oder zu solchen Kirchen ausgebaut. In manchen Orten ersetzte man dann einfach eine Außenwand durch eine Arkade und baute ein zusätzliches neues Kirchenschiff. Damit entstand dann als neue Kirche eine zweischiffige Kirche.

Mit der Entwicklung neuer Techniken und besserer Baustoffe konnten nach der Spätgotik aber auch größere Räume überspannt werden. Außerdem wurde im Verlauf der Reformation die christliche Bescheidenheit wiederentdeckt. Daher wurden etliche im Dreißigjährigen Krieg oder z. B. im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstörten Hallenkirchen und Pseudobasiliken als Saalkirchen neu wiederaufgebaut. Dabei wurde die äußere Erscheinung des Kirchenschiffs oft kaum verändert. Hinzu kam, dass Säulen in der Kirche unbeliebt wurden, weil sie die Sicht auf den Altar verstellten und außerdem wollte man sich in der beginnenden neuen Zeit von der bisher vorherrschenden Gotik absetzen. Daher hatte ein sehr großer Anteil der in dieser Zeit entstehenden Kirchen-Neubauten die Form einer Saalkirche.

Im Historismus wurden wieder einige Hallenkirchen und Basiliken gebaut. Von den zahlreichen im Zweiten Weltkrieg zerstörten mehrschiffigen Kirchen wurden wiederum einige beim Wiederaufbau zu Saalkirchen umgebaut.

Besondere Formen

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Abteikirche Moissac, spätes 11. Jh. romanisch, spätes 12. Jh. abgebrannt, 13.–15. Jh. gotischer Wiederaufbau mit zwei­geschossigen Abseiten

Wandpfeilerkirche und Abseitensaal

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Um die seitlichen Kräfte abzufangen, die bei der Überwölbung breiter Räume auftreten, verwendete man in der Renaissance und im Barock vorzugsweise Wandverstärkungen auf der Innenseite der Außenmauern. Stehen diese Wandverstärkungen nur wenig vor, so spricht man von einer Wandpfeilerkirche. Auch einige Hallenkirchen sind Wandpfeilerkirchen, so die Frauenkirche in München. Stehen die Mauerrippen weiter vor, so entstehen Nischen, die man als Abseiten bezeichnet. Bei katholischen Bauten waren diese Abseiten zur Einrichtung von Kapellen beliebt. Daher wurden Abseitensäle vor allem in katholischen Kirchen errichtet. Diese Nischen können bis zur Saaldecke reichen, aber auch so niedrig enden, dass sich darüber auf die Vorderenden der Trennwände ein Obergaden mit Fenstern stützt. So ähnelt der Raumeindruck dem einer Basilika, obwohl es keine Seitenschiffe gibt.

Querschiffige Kirchen

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Grote Kerk in Leeuwarden: Hallenkirche als Querkirche

Wie die meisten anderen Kirchen sind auch die meisten Saalkirchen der Länge nach ausgerichtet, Altar und Chor befinden sich an einer der schmaleren Seiten und sind im Mittelalter üblicherweise nach Osten ausgerichtet (geostet). Seit der Reformation gibt es unter den Predigtkirchen auch querschiffige Kirchen, kurz Querkirchen, deren Kanzel und vermehrt dann auch der Altarbereich die Längsseite einnimmt. Mehrere aber durchaus nicht alle Querkirchen haben freitragende Decken und sind somit Saalkirchen.

Saalkirchen (Auswahl)

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Da viele berühmte Kirchen mehrschiffig sind, geht in der kunstgeschichtlichen Wahrnehmung leicht unter, dass die einschiffigen Kirchen, also Saalkirchen, mit Abstand zahlreicher sind als jede mehrschiffige Bauform.

Baden-Württemberg

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Dreieinigkeitskirche in Regensburg
Christuskirche Walsdorf, Idstein: Tonnengewölbe über Emporen hinweg

Mecklenburg-Vorpommern

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Dorfkirche Garz, Insel Usedom
Pfarrkirche St. Vitus in Löningen

Friesische Gebiete:

Nordrhein-Westfalen

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Klosterkirche Vinnenberg, Langhaus ein­schiffig, Unter­bau der Nonnenempore dreischiffig

Nordrhein:

Münsterland:

Siegerland:

Ostwestfalen:

Rheinland-Pfalz

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Saalkirche in Ingelheim, Vierung
Stadtkirche Bad Düben, Kanzelaltar
Sainte-Chapelle in Paris, Ober­kirche. Die Unter­kirche ist eine Hallenkirche.

Der Osten Spaniens, d. h. Katalonien und das Land Valencia, weisen eine Häufung von Abseitensälen auf, zumeist mit basilikalem Querschnitt, also Obergaden oberhalb der Arkaden, mit denen die Kapellen anschließen.

Vereinigtes Königreich

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Merton College Chapel, Oxford

Berühmte und oft ziemlich große einschiffige Kirchen sind die College Chapels der Universitäten in Oxford und Cambridge:

Osloer Dom, kreuzförmige Saalkirche

Eleonoran kirkko · Eleonora kyrka (Commons Category) in Kristinestad, Beispiel einer Stützpfeilerkirche

Commons: Saalkirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Saalkirche – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Saalkirche. In: Archipendium.

Einzelnachweise

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  1. a b Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 8. Februar 2024), S. 399.
  2. Baustilkunde. Europäische Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart. Mosaik-Verlag, München 1982, ISBN 3-570-06234-1 (35. Auflage: Prestel, München/London/New York 2018, ISBN 978-3-7913-4997-8), S. 121, 155 und 408.
  3. Günther Binding: Architektonische Formenlehre. wbg Academic, Darmstadt 2019, 8. Auflage, ISBN 978-3-534-27143-6, S. 7.
  4. Günther Binding: Architektonische Formenlehre. wbg Academic, Darmstadt 2019, 8. Auflage, ISBN 978-3-534-27143-6, S. 13.
  5. a b Erich Bachmann: Dorfkirche. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Band IV, Stuttgart 1955, Sp. 245–274. (Abschrift auf rdklabor.de, abgerufen am 23. Juni 2024)
  6. Dehio Nordwestdeutschland (1912), S. 208 mii St. Jakobi ((Hildesheim))
  7. a b Ulrich Lamm: Früher Backstein in den friesischen Seelanden. in Ernst Badstübner, Dirk Schumann u. Tilo Schöfbeck (Hg.): Früher Backsteinbau zwischen Ostsee und Alpen (Studien ur Backsteinarchitektur, Bd. 8), Lukas Verlag, 2024, ISBN 978-3-936872-75-0, S. 166–196
  8. Axel Bürgener, Klaus Siewert: Saalkirchen im Wangerland, Verlag "Auf der Warft", MünsterHamburgWiarden 2015, ISBN 978-3-939211-97-6.
  9. https://panoviewer.toolforge.org/#2019-08-30_Dreifaltigkeitskirche_ohne_Verglasung.jpg