Das Eisenwerk Königshütte in Schlesien
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Während das alte Wort: „Gold regiert die Welt,“ aufhört, buchstäbliche Wahrheit zu seyn und nur in symbolischer Bedeutung noch Sinn behält, hat das Eisen sich zur eigentlichen Weltherrschaft erhoben. Anfangs langsam und allmählig, endlich schnell und stürmisch ist ihm diese Herrschaft erwachsen und eine unerschöpfliche Fundgrube innerer Kraft hat sie befestigt. So weit ist es gekommen, daß ohne Eisen ein Kulturfortschreiten der Menschheit gar nicht mehr denkbar ist. In Barbarei sänken wir zurück, würde uns das Eisen genommen, und was in unsern Zeiten der Menschengeist Großes schafft, das könnte nicht gedacht, geschweige vollbracht werden ohne das Metall, welches die alte Zeit auf die unterste Stufe gereiht hatte. „Eisern ist die Grundmauer der Civilisation,“ bemerkte schon vorlängst ein großer Geist. Aber nicht als roher Stoff ist es solche, sondern in seiner Verbindung mit Erfindung und Betriebsamkeit, mit Wissenschaft und Erfahrung, mit Kunst und Geschicklichkeit und allen den Thätigkeiten, die, auf den Erwerb irdischer Güter gerichtet, in der Gesellschaft hin und her pulsiren von Jahr zu Jahr mit immer rascherm Schlage. In diesem Verstande ist das Eisen im Kreislauf der menschlichen Thätigkeit Mittelpunkt und Herz. Was die Adern eingesogen, das sendet es vervollkommnet wieder aus in die fernsten Theile und ziehet dafür rohere Säfte ein, um sie von Neuem zu veredeln: und in diesem ewigen Wechselspiel ist das Geld nur der Rechenpfennig, der dem Spieler Gewinn oder Verlust anzeigt. Alle Tage verbreitet sich auch mehr des Eisens Herrschaft; alle Tage verdrängt es bald den einen, bald den andern Stoff aus der Anwendung und tritt an seine Stelle. Hier ist nicht der Ort, die Frage ausführlich zu behandeln, wo die Grenze sey; aber daß fern sie sey, ist leicht abzusehen, wenn wir die Erfahrungen der letzten Zeiten betrachten. Man darf ja nur den Blick auf England werfen, auf jenes Land, daß der Weltherrschaft des Eisens vorzugsweise huldigt, und dem daraus der unermeßliche Besitzstand hauptsächlich erwachsen ist, der es befähigt, weite Länderstriche an den äußersten Erdenden, ja halbe Welttheile mit vielen Völkern, als hörige Hintersassen an sein kleines Eiland zu knüpfen, das auf der Karte unsers Gestirns sich kaum bemerkbar macht. Ja, in England, wo ein eisernes Netz (als Eisenbahnen) buchstäblich über das ganze Land gezogen ist, in seinen Docks für die Construktion eiserner Schiffe, in den Riesenwerkstätten der Architekten für den Bau eiserner Kirchen, Schlösser und Wohnungen: da wird einem die Rolle erst klar, die dem Eisen beschieden ist, und nur dort kann man die Nützlichkeit und
[91] Wichtigkeit dieses edelsten aller Metalle ganz würdigen lernen, indem man bei jedem Schritt auf Gußeisen, Stabeisen, Eisenblech und Stahl unter immer neuen Gestalten und tausend Verwandlungen stößt, an die man auf dem Continente noch wenig gedacht hat. Eiserne Carossen sieht man da über eiserne Straßenpflaster rollen, man wandelt über eiserne Trottoirs an eisernen Wegsäulen vorüber und unter eisernen Colonnaden hin, sieht die Brunnen, Bauornamente, Denksäulen, die Wasserleitungen und Laternenpfähle, die Gasleitungen und Kloakenrinnen, die Wachthäuser und die Einfriedigungen der Wohnungen, Höfe, Gärten und Felder, die Grenzpfähle und Meilenzeiger, die Bänke, Kiosks und Geländer der Parks und öffentlichen Anlagen, die Schuppen, Bedachungen, Fußböden, Tragbalken, Portiken; die Kay- und Hafeneinfassungen und in den Bergwerken die Erzgefäße, die Fahrten, die Tragbalken in Stollen und Schächten, die Pumpen und Röhren, die Taue und Seile sogar (letztere aus Draht geflochten) Alles aus Eisen. Jene luftigen, lichten, dem Anscheine nach so leichten Gebäude von colossalem Umfange, die Waarenspeicher für den Weltverkehr, welche, trotz ihrer scheinbaren Zerbrechlichkeit, Lasten von hunderttausenden von Centnern tragen (z. B. die sechsstöckigen Katharinendocks in London) – sie wären, ohne Anwendung von Gußeisen, plumpe, finstere Bauwerke von häßlichem Ansehen, wie es z. B. die alten dortigen Speicher der ostindischen Compagnie noch sind. Jene im Fremden zugleich Bewunderung und Wohlgefallen erweckenden schlanken Brücken, die zierlichen Fußstege über Canäle, Flüsse und Bäche, die leichten, die Fluthen bevölkernden Boote, Dampf- und Yachtschiffe sind jetzt meist von Eisen, eisern sind die Geräthe der Spitaler, der Waisen- und Zuchthäuser, eisern so häufig die Möbel in der Hütte der Armuth, wie in den Palästen des Reichthums. In den Fabriken und Manufakturen, in den großen Werkstätten der britischen Industrie, von der Dampfmaschine an, die Alles bewegt, bis zum Sessel des Arbeiters, ist alles von Eisen; eisern sind die Bänke im Gotteshause und die Sitze im Theater. Wäre aber Jemand, dem das Alles noch nicht genügte, um zur vollen Ueberzeugung zu gelangen, daß Eisen und Steinkohlen für die menschliche Industrie das sind, was für die physische Existenz des Menschen die Nahrung ist, der gehe hin und besuche die großen Werkstätten für die Gewinnung des Eisens selbst. In einem einzigen Thale von South-Wales in England, das noch vor fünfzig Jahren eine Einöde war, flammen jetzt 21 Hochöfen, Feuerbergen gleich, welche wöchentlich 30,000 Centner Roheisen aus den Erzen erzeugen. Die Werke von Merthyr-Tydvill und Cyfartha fabriziren jährlich zwölfmalhunderttausend Centner Eisen aus vierthalb Millionen Centner Erz und 4 Millionen Centner Steinkohlen, und geben, mit Hinzurechnung der Bergarbeiter, über 14,000 Menschen Arbeit und Brod. Kein Gewerbe kann sich in Bezug auf die Nützlichkeit und die Menge der Arbeiter, die es, im Verhältniß zum Werthe seiner Production, ernährt, der Eisenbereitung an die Seite stellen; denn durch alle Staffeln der Bearbeitung, von den rohen Erzen und der Kohle an bis zur höchsten Veredlung, geht der Werth der Erzeugnisse zumeist als Arbeitslohn
[92] durch unzählige Hände. Schon die Roheisenerzeugung beschäftigt durchschnittlich für je 3000 Centner, die gemacht werden, theils als Bergleute in den Kohlen- und Eisengruben, theils als Hüttenarbeiter, Fuhrleute etc. etc., an 130 Personen. Alle Gold- und Silberbergwerke der Erde ernähren in der That nicht halb so viel Menschen, als die britischen Eisengruben allein.
Deshalb war die Pflege des Eisenhüttengewerbs von jeher bei erleuchteten Staatsregierungen ein Hauptgegenstand ihrer Sorgfalt; nicht selten wurde sie das Objekt von Staatsverträgen und der Punkt, um den sich internationale Verhältnisse drehten. Wir sehen in unserer Zeit die Eisenproduction mit Recht in der Rennbahn für den industriellen Wetteifer der Nationen die hervorragendste Rolle spielen und die klügsten Regierungen der Erde, die Englands, Frankreichs, Belgiens, Oesterreichs und Nordamerika’s, in der Sorgfalt mit einander rivalisiren, durch alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel diesen großen Industriezweig höher auszubilden und zu kräftigen. Darum ist auch in diesen Ländern vor ihm der Schild des Schutzolls erhoben, welcher die fremde Concurrenz oder Uebermacht hindert, den Entwicklungsgang der inländischen Eisenerzeugung zu hemmen, und indem er dem Gewerbe Sicherheit gewährt, ihm die Capitale zuführt, durch welche allein ein großartiger und vollkommener Betrieb hervorgebracht werden kann; der Betrieb, welcher, indem er die Produktion vermehrt, die Preise auch allmählig auf das Verhältniß stellt, welches für Erzeuger und Consumenten das Billige ist. Oesterreich ausgenommen entbehrt Deutschland seltsamer Weise für seine Eisenerzeugung dieses Schutzes entweder noch ganz, oder er ist doch noch so mangelhaft, daß er seinem Zwecke nicht entsprechen kann. Die Wirkung dieses Mangels in der Zollgesetzgebung und in der Einsicht deutscher Fürsten und Staatsmänner, welche die Faktoren der Tarife sind, ist die schmähliche Thatsache, daß Deutschland, unser an Intelligenz, Händen, Erzen und Brennstoffen so reiches Deutschland, seine Eisenbahnen noch mit fremdem Eisen bauen muß, und jährlich viele Millionen des Capitals, das mit ihrem Fleiß und Schweiß die Nation erworben hat, fortgeht an die Briten und Belgier für Etwas, was das Vaterland eben so gut selbst machen kann und alsbald machen würde, wenn ein verständiger Schutz zur Benutzung der mit Füßen getretenen Schätze der deutschen Erde aufmunterte und die Capitalisten zur Anlage ihres Geldes in dem Eisenhüttengewerbe spornte. Treibhauspflanzen pflegt man; deutsche Könige und Fürsten rufen zu Maulbeer-Plantagen und Seidenbau (unterm 52. Breitengrade!) auf, andere setzen Prämien aus auf die Zucht tibetanischer Ziegen: aber die Elemente einer großen Industrie, die des Herrn Hand in den heimischen Boden niedergelegt hat, finden so wenig Beachtung und Schutz, als kennten sie solche nicht. Inzwischen ist das Verhältniß so schreiend, daß allein schon darin die Gewährschaft baldiger Abhülfe und Besserung liegt. Offizielle Quellen weisen nur allein in den Staaten des deutschen Mauthvereins eine Vermehrung der Einfuhr fremden Eisens von 1831 bis 1841 um das Einundzwanzigfache nach; noch während der letzten fünf Jahre ist die Roheisen-Einfuhr um mehr [93] als tausend Procent (von 95,000 Centner auf fast 1 Million Centner) und von Stabeisen um vierhundert Procent (von 112,000 auf 456,000 Centner) gestiegen; 1842 gingen mindestens neun Millionen Gulden für Eisen in’s Ausland, während die Eisenhüttengewerke in den Vereinsstaaten selbst unter dem Drucke fremder Concurrenz krankten und eine große Anzahl entweder zu Grunde gingen, oder zum Einstellen ihrer Arbeit gezwungen wurden. Von solchen Thatsachen müssen doch endlich auch die Blinden Notiz nehmen, denn sie sind handgreiflich geworden. –
Daß unser deutsches Eisenhüttengewerbe, weil es bei der zollfreien Einfuhr des fremden Roheisens keinen wirksamen Schutz genießt, unter diesen Verhältnissen nichts so Großartiges aufweisen kann, als England, Belgien und Nordamerika, ist nicht zu verwundern und gereicht ihm nicht zur Unehre. Doch wenn ihm auch jene Riesenwerke abgehen, auf welche die Fremde stolz ist, so besitzt es doch eine Anzahl von Etablissements, in welchen sich die Eisenerzeugung würdig repräsentirt. Besonders zeichnen sich die preußischen Rheinprovinzen und Oberschlesien, begünstigt von dem glücklichen Verhältniß, zugleich im Besitz eines großen Reichthums von Steinkohlen und von Erzen zu seyn, durch ihre Eisenproduction aus. Oberschlesien allein bringt so viel hervor, als ganz Sachsen, Bayern, Würtemberg und Baden zusammengenommen.
Das oberschlesische Eisenhüttengewerbe führt seinen Ursprung auf die älteste historische Zeit zurück. Seine erste Verbesserung datirt sich von der Einführung der Luppenfeuer aus Böhmen im Jahre 1365, und diese Schmelzweise war bis zum Jahre 1721 allgemein, wo der erste Hochofen erbaut wurde. Doch beschränkte sich die Erzeugung noch lange nachher, bis gegen Ende der Regierung Friedrichs des Großen, auf die Befriedigung des Bedarfs der Provinz, und noch 1777 kömmt schwedisches Eisen als ein bedeutender Einfuhrartikel Niederschlesiens vor. Der große nachherige Aufschwung des Gewerbes begann erst 1780, als der König dem Grafen von Reden die Oberaufsicht des Berg- und Hüttenwesens der Provinz übertrug.
Der Monarch hatte keine glücklichere Wahl treffen können, und von Reden war nicht minder glücklich, einen solchen Gebieter zu haben, welcher die Einsicht und den Muth besaß, einem genialen Mann von rastlosem Wirkungsstreben carte blanche zu geben, – die Vollmacht, zu schalten in seinem Berufskreise, wie er wolle. Was Reden anordnete, mußte geschehen, und der Graf wollte immer nur das Rechte und Große, mit rechten, großartigen Mitteln. Das ganze oberschlesische Hütten- und Bergwesen erhielt unter seiner Leitung in wenigen Jahren eine Umgestaltung. Neuen Ideen zugänglich brachte er alle Verbesserungen und Erfindungen schnell in Anwendung und gemeinlich auf eine kühne Weise. Selten mißlang ihm ein Versuch, denn er hatte den Muth, Hindernisse zu überwinden, und Schwierigkeiten schärften nur seine Beharrlichkeit. Was ihm auf den königlichen Werken gelang, das theilte er bereitwillig den Privatwerken mit, und wo er zur Nachahmung Unterstützung nöthig fand, war er immer [94] bereit, sie zu geben. Als Resultat von Reden’s Verwaltung hatte sich nach dreißig Jahren die Erzeugung der Montanprodukte Oberschlesiens mehr als vervierzigfacht. Die Einführung der Dampfmaschinen war schon in den achtziger Jahren geschehen, die Benutzung der Steinkohlenkoaks im Hochofen schon Ende des vorigen Jahrhunderts mit Erfolg versucht worden. 1816 hatte Oberschlesien 40 Hochöfen und über 160 Hammerwerke in Betrieb, die zusammen 5400 Berg- und Hüttenleute beschäftigten; es wurden 180,000 Centner Roheisen, 110,000 Centner Stabeisen und Bleche erzeugt, welche einen Werth von 1 Million Thaler hatten.
Bis auf die neueste Zeit ist das großartige Gewerbe fortgewachsen. 1841 lieferte Oberschlesien über zwei Fünftel der ganzen Eisenproduktion der preußischen Monarchie, fast 1 Million Centner. Aber zu Ende jenes Jahres fing der Druck der englisch-belgischen Concurrenz, über die schon früher allgemein geklagt worden war, seine zerstörenden Wirkungen an; mehre Hüttenbesitzer gaben, da sie den gehofften Schutz von den Regierungen des Zollvereins nicht erhielten, entmuthigt den Kampf auf, und von dieser Zeit an bis zur Gegenwart hat ein Drittel der schlesischen Werke die Produktion entweder reduzirt, oder die Arbeiten ganz eingestellt. Nur diejenigen, welche unter den allergünstigsten Localverhältnissen produzirten, haben den Wettkampf mit Briten und Belgiern bisher glücklich, wenn auch nicht ohne Opfer bestanden, und durch vermehrte Produktion die Schmälerung des Gewinns zu ersetzen getrachtet.
Unter den schönsten Werken Oberschlesiens und des deutschen Eisenhüttenwesens überhaupt steht die Königshütte oben an. Sie liegt eine Meile südlich vom Städtchen Beuthen und ist ebenfalls eine Schöpfung des Grafen Reden, welcher 1798 hier den ersten Hochofen errichtete. Sie ist ganz auf den Betrieb mit Steinkohlen basirt, deren Gruben so nahe sind, daß die Kohlenwagen von den Schächten auf Eisenbahnen unmittelbar an die Oefen laufen, wo sie verkoakst werden. Dampfmaschinen heben die Wasser in den Kohlenwerken, sie fördern die Kohlen, ziehen die Wagen, treiben die Gebläse, führen Erze und Kohlen den Gichten der Hochöfen zu, bewegen Walzwerke und Hämmer. Man benutzt zu ihrer Feuerung das Kohlenklein und Abfälle, welche man sonst als werthlos wegwerfen müßte. Die drei Hochöfen haben jeder eine Höhe von 50 Fuß und sie können, bei gutem Gang, zusammen wöchentlich 2400 Centner Roheisen produziren, für deren Verarbeitung zu Eisenbahnschienen, Stabeisen, Blechen etc. etc. die Walzeinrichtungen dienen. Alle neuesten Verbesserungen des Eisenhüttenwesens sind auf diesem schönen Werke vereinigt.
Die Beamten und viele von den 280 Arbeitern haben im Etablissement selbst Wohnung; es ist daher eine sehr weitläufige Anlage. Alle Gebäude sind massiv, und im mittelalterlichen Baustyl aufgeführt, der dem Gewerbe und den schwarzen Gesellen, die hier ihr Wesen treiben, sich gut anpaßt. Eine kürzlich erbaute Eisenbahn verbindet das Werk mit dem Klodnitz-Kanal, auf welchem die Hüttenprodukte größtentheils verfahren werden.