Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau EU-Öko-Verordnung 2018/848
Seit dem 1. Januar 2022 gilt in der gesamten Europäischen Union die Verordnung (EU) 2018/848 als Rechtsvorschrift für den ökologischen Landbau. Sie wurde am 30. Mai 2018 als Revision der Bio-BasisVerordnung veröffentlicht. Zusätzlich zur BasisVerordnung gelten über 20 nachgelagerte Rechtsakte. Diese komplettieren das Bio-Recht und bringen Rechtssicherheit für die Unternehmen. Leider gibt es keine konsolidierte Fassung mit allen Durchführungsrechtsakten, sodass es schwierig ist, den Überblick über die relevanten Verordnungen zu behalten. Wir haben Ihnen deshalb in der linken Spalte eine Übersicht der für Sie relevanten Durchführungsrechtsakten zusammengestellt.
Im Folgenden finden Sie einige grundlegende Erweiterungen, die die Verordnung (EU) 2018/848 mit sich bringt.
Erweiterter Geltungsbereich
Die EU-Öko-Verordnung gilt auch für „eng mit der Landwirtschaft verbundene Erzeugnisse“. Dazu zählen Hefen, Mate, Zuckermais, Weinblätter, Palmherzen, Hopfentriebe und andere ähnliche genießbare Pflanzenteile und daraus hergestellte Erzeugnisse, Meersalz und andere Salze für Lebens- und Futtermittel, Seidenraupenkokons, natürliche Gummis und Harze, Bienenwachs, ätherische Öle, Korkstopfen aus Naturkork, Baumwolle, Wolle, rohe Häute und unbehandelte Felle sowie traditionelle pflanzliche Zubereitungen auf pflanzlicher Basis. Diese Liste ist nicht abschließend, weitere neue Produkte können durch weitere Rechtsakte ergänzt werden.
Aromen
Die Verwendung bestimmter Aromakategorien ist nicht erlaubt. Natürliche Aromen und Aromaextrakte müssen den Kategorien 16.2, 16.3 und 16.4 der Aromenverordnung (EG) 1334/2008 entsprechen (Anhang II Teil IV Nr. 2.2.2b der Öko-VO 2018/848). Das bedeutet, dass die natürlichen Aromen zu mind. 95% aus der namensgebenden Frucht (sogenannte FTNF-Aromen) stammen müssen. Damit fallen alle Aromen weg, die teilweise (16.5) oder gar nicht (16.6) aus dem namensgebenden Rohstoff stammen. Weiterhin müssen Aromen zu den Zutaten landwirtschaftlichen Ursprungs gezählt werden und sind damit mengenmäßig beschränkt (max. 5%). Hersteller, die Aromen für Ihre Bio-Produkte verwenden, müssen sich bestätigen lassen, dass diese unter die genannten Kategorien fallen (insbesondere 16.4) und die entsprechende Kennzeichnung gemäß Aromenverordnung wählen.
Ziel dieser Regelung ist eine verstärkte Verwendung von ökologisch erzeugten Aromen, für deren Herstellung die VO (EU) 2018/848 erstmalig Regeln einführt (Art. 30.5 a) ii)): Das Öko-Aroma muss mind. 95% ökologische Zutaten enthalten und die aromatisierenden Bestandteile und Aromaträgerbestandteile müssen aus biologischer Produktion stammen.
Reinigung und Desinfektion
Die EU-Öko-Verordnung sieht nicht nur für Stallungen und Anlagen für die Tierproduktion eine Positivliste für Reinigungs- und Desinfektionsmittel vor, sondern auch für Verarbeitungs- und Lagerstätten (Art. 24.1 g)). Die Erstellung einer solchen Liste liegt bei der Kommission, bis zum 01.01.2026 soll die Liste verabschiedet sein. Eine Positivliste ist sehr problematisch aufgrund der vielen verschiedenen Gewerke mit unterschiedlichen Hygieneansprüchen. Daher wird branchenintern und beim FiBL eine Kriterienliste bevorzugt.
Kennzeichnung
Bei der Herkunftsangabe darf nicht nur das Herkunftsland (anstelle EU-Landwirtschaft) angegeben werden, sondern gegebenenfalls die Region, sofern alle landwirtschaftlichen Ausgangsstoffe dort erzeugt wurden (Art. 32.2). Bei den Angaben „EU-Landwirtschaft“ oder „Nicht-EU-Landwirtschaft“ beträgt die Toleranz der nicht berücksichtigten Zutaten fünf Gewichtsprozent.
Vorhandensein von nicht zugelassenen Erzeugnissen und Stoffen und Kontaminationen
Nicht zugelassene Erzeugnisse, Stoffe und Verfahren stehen im Fokus der EU-Öko-Verordnung. Auch wenn ein spezieller Biogrenzwert für Rückstände nicht eingeführt wurde, soll doch mit unterschiedlichen Maßnahmen sicher gestellt werden, dass die Lauterkeit der biologisch erzeugten Produkte erhalten bleibt. Die Verordnung benutzt zwei Begrifflichkeiten: Vorhandensein und Kontamination. Von einem Vorhandensein ist auszugehen, wenn Erzeugnisse oder Stoffe oder unzulässige Verfahren sicher nachgewiesen werden (z. B. durch Ergebnisse der Kontrolle oder durch Analysen). Ein Vorhandensein alleine ist jedoch noch kein Verdacht, dass diese Stoffe oder Verfahren auch verwendet werden. Und deshalb führt die Verordnung den zweiten Begriff der Kontamination ein, die in der Definition der Kontaminantenverordnung immer zufällig und nicht beabsichtigt als Folge der Produktion in das Produkt gelangt ist. Noch so geringe Reste einer Anwendung unerlaubter Mittel können also keine Kontamination sein, da eine Anwendung beabsichtigt ist. Allerdings gibt es auch zahlreiche unbeabsichtigte und zufällige Eintragswege für nicht zugelassene Stoffe, von der Abdrift auf dem Feld bis zu allgemeinen Umweltkontaminationen, die sich heute selbst in alpinen Hochlagen nachweisen lassen. Es ist eine dauerhafte und anspruchsvolle Aufgabe, bei einem Vorhandensein von solchen Stoffen zu unterscheiden, ob es sich um eine Kontamination handelt oder ob ein Verdacht auf die Verwendung der Stoffe oder Verfahren begründet ist. Deshalb schreibt die Verordnung die Vorsorgemaßnahmen verpflichtend vor.
Vorsorgemaßnahmen
Was Vorsorgemaßnahmen sind und wo sie eingeführt werden müssen, findet sich in der EU-Öko-Verordnung in der Begriffsbestimmung Artikel 3 Nr. 5 sowie im Artikel 28 Absatz 1.
Die Verordnung fordert vom Unternehmer, dass er Vorsorgemaßnahmen ergreift, die angemessen und verhältnismäßig sein sollen und die seinem Einfluss unterliegen, um Kontaminationen zu vermeiden. Es geht somit um den unmittelbaren Einflussbereich des Unternehmers. Es kann also weder verlangt werden, dass Biolandbau nur unter einem Schutzzelt stattfinden darf, noch dass Zäune oder Mauern zum Nachbarn gebaut werden müssen. Innerhalb des Einflussbereiches des Unternehmens jedoch muss regelmäßig überprüft werden, ob es Eintragsmöglichkeiten gibt. Der Unternehmer muss fachkundig überprüfen, wie er in seinem Einflussbereich vermeiden kann, dass konventionelle Produkte, Lagerschutzmittel, GVO und Pestizide oder auch Betrugsware vermischt oder eingebracht werden. Es ist nicht die Aufgabe der Kontrollstelle, beim Unternehmen nachträglich Schwachstellen zu finden, sondern der Unternehmer selbst ist für diese Vorsorge verantwortlich. Die Kontrollstelle prüft regelmäßig die Vorsorgemaßnahmen auf Eignung und Wirksamkeit. Wer keine Vorsorgemaßnahmen eingeführt hat, ist nicht zertifizierbar. So verstanden werden die Vorsorgemaßnahmen zur Lebensversicherung für ein Unternehmen.
Pflichten der Unternehmer bei Vorhandensein von nicht zugelassenen Erzeugnissen und Stoffen
Artikel 28 Abs. 2 legt dem Unternehmer eine große Verantwortung im Falle des Vorhandenseins von nicht zugelassenen Erzeugnissen und Stoffen auf. Denn der Unternehmer muss selbst prüfen, ob sich aufgrund des Vorhandenseins ein Verdacht ergibt, dass das Produkt nicht die Vorschriften der Verordnung erfüllt. Damit der Unternehmer überhaupt diese Entscheidung treffen kann, muss er einerseits seine Vorsorgemaßnahmen eingeführt haben, kennen und anwenden (das ergibt sich aus den Folgen für einen Verdacht in Art. 29) und er muss für diese Frage kompetent sein. Kompetenz kann sich der Unternehmer auch über fachliche Beratung von Verbänden, Laboren oder Sachverständigen holen, oder er informiert seine Kontrollstelle. In diesem Fall greifen dann jedoch die amtlichen Maßnahmen nach Artikel 29 und die Kontrollstelle kann eine Warensperrung und langdauernde Untersuchungen für erforderlich halten. Damit sich die Regelungen aus Artikel 28 Abs. 2 nicht zu einem Automatismus entwickeln, die bei Rückständen immer eine amtliche Untersuchung auslösen, müssen die Unternehmer mit der gesamten Verfahrenskette aus Probenahme, Analyse, Bewertung und Verdacht außerordentlich gewissenhaft und kompetent umgehen. Hinweise dafür finden Sie im Manual Rückstände.
Einzelhandel
Einzelhändler, die vorverpackte Produkte an Endverbraucher abgeben, sind von der Kontrollpflicht ausgenommen, sofern sie nicht selbst erzeugen, aufbereiten, an einem anderen Ort lagern, importieren oder Tätigkeiten an Subunternehmer vergeben. Einzelhändler, die unverpackte Produkte an Endkunden verkaufen, können von den Mitgliedsstaaten von der Zertifikatspflicht ausgenommen werden (Art. 35.8), sofern definierte Obergrenzen nicht überschritten werden. Auf deutscher Ebene wurde mit dem Ökolandbaugesetz vom 27. Juli 2021 festgelegt, dass eine Ausnahme von der Kontrollpflicht dann vorliegt, wenn die Verkäufe nicht mehr wie 5000 kg pro Jahr überschreiten oder der Jahresumsatz mit unverpackten Bio-Produkten unter 20.000 Euro liegt.
Gastronomie/Außer-Haus-Verpflegung
Die „Arbeitsgänge in gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen“ fallen nicht unter die EU-Öko-Verordnung, hier kommt seit dem 05.10.2023 die nationale Bio-Außer-Haus-Verpflegung-Verordnung (Bio-AHVV) zur Anwendung. Die Bio-AHVV gilt für alle gemeinschaftlichen Verpflegungseinrichtungen, die gewerblich tätig sind und Lebensmittel für den unmittelbaren Verzehr durch den Endverbraucher zubereiten. Die Verordnung sieht im Vergleich zur EU-Öko-Verordnung ein vereinfachtes Kontrollverfahren vor und soll die Verwendung und Auslobung von Bio-Rohstoffen in der Gastronomie/AHV erleichtern. Das EU-Bio-Logo darf in der Kennzeichnung und Werbung explizit nicht verwendet werden (Art. 2 (3) der EU-VO 2018/848). In Verbindung mit dem Bio-Zutaten ist jedoch die Angabe des deutschen Bio-Siegels möglich.
Import
Nachdem die EU-Kommission in Drittländern über mehrere Jahre durch Überwachungen erhebliche Schwachstellen im Kontrollverfahren festgestellt hat, werden die Vorschriften für die Einfuhr weiter verschärft und gleiche Ausgangsbedingungen der Überwachung der Kontrollstellen durch die Kommission geschaffen. Die Vielzahl der Standards in den Drittländern erschwert die Überwachung weshalb das System der Gleichwertigkeitsanerkennung abgeschafft wird. Das neue Importverfahren sieht daher nur noch zwei Möglichkeiten vor: Entweder entsprechen die Produkte, die importiert werden sollen, vollständig den Vorgaben der EU-Öko-Verordnung (Konformität) oder das Produkt stammt aus einem Drittland mit einem Handelsabkommen (Gleichwertigkeit) (Art.45 i) und ii)). Die Verfahren für Importe, die aktuell nach der Drittlandliste gem. Art. 33 Abs.2 und nach der Kontrollstellenliste gem. Art. 33 Abs. 3 durchgeführt werden, sollen auslaufen: Für die Drittlandliste ist eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2026 vorgesehen, die Kontrollstellenliste läuft am 31.12.2024 aus. Die Einfuhren müssen weiterhin mit Kontrollbescheinigung (COI) und der Verwendung von TRACES vorgenommen werden. Die zuständige Behörde am Ort der Überlassung in den zollrechtlich freien Warenverkehr ist für die Bio-Verzollung und den Eintrag in TRACES verantwortlich.
Ionentauscher
Diese sind nur zur Herstellung von Babynahrung zugelassen (siehe Durchführungsrechtsakt 2020/464).
Nutzung von Umstellungsfutter in Mischfuttermittel
Umstellungsfutter darf laut der EU-Öko-Verordnung in Mischfuttermittel zum Einsatz kommen.
Kontrolle
Die Verordnung (EU) 2017/625 über amtliche Kontrollen (‚KontrollVerordnung‘) regelt unter anderem spezifische Inhalte zum Öko-Kontrollverfahren. Die abschließende Bewertung der Bio-BasisVerordnung kann nur unter Berücksichtigung der KontrollVerordnung geschehen.