PODCAST BESSER WISSEN: Als Terminals aus Glas waren
Das Terminal war jahrzehntelang die einfachste Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Wir blicken zurück in die Zeit vor dem Personal Computer.
Kein Bildschirm, keine Tastatur – die ersten Computer ließen sich nur über Umwege programmieren und gaben ihre Ergebnisse nur Eingeweihten preis: auf Lochstreifen und mit blinkenden Lampen. Dabei hatte bereits Konrad Zuses Z3 im Jahr 1941 (link) eine Tastatur. Sie diente aber nicht zur Programmierung, sondern wie bei Rechenmaschinen zur Eingabe von numerischen Werten.
1955 bekam der US-Supercomputer Whirlwind eine Kombination aus Drucker und Tastatur in Form des Friden Flexowriter. Diese elektromechanische Schreibmaschine ließ sich ansteuern und konnte somit zur Dateneingabe und -ausgabe genutzt werden. Sie blieb bis in die 1960er Jahre ein Vorbild für komfortable Computerbedienung und wurde an vielen Rechnern zum Standard. So diente sie unter anderem am röhrenbasierten LGP 30 als Terminal.
Die Grundlage für diese Technologie waren Fernschreiber, die zu diesem Zeitpunkt als veraltet ausgemustert wurden und so einen neuen Einsatzzweck bekamen. Die heute in einigen Betriebssystemen noch übliche Abkürzung TTY steht für Teletypewriter und ist ein Verweis auf die Ursprünge der Technik.
Einen bedeutenden Nachteil hatten die Geräte jedoch: Sie waren wesentlich langsamer als eine Ein- und Ausgabe per Lochstreifen.
1964 erschienen mit dem Univac Uniscope 300 und dem IBM 2260 die ersten vollelektronischen Terminals mit einer Bildschirmausgabe. Sie zeigten Text seitenweise an und konnten ihn nicht editieren. Es gab weder Kommandos für die Bewegung des Cursors noch zum Löschen des Bildschirms, keine Groß- und Kleinschreibung und natürlich auch keine anderen Schriftarten als den Standard. Weil ihr Schirm aus Glas bestand, bekamen sie den Namen Glass-TTY. Sie hatten zunächst keine Vorteile bei der Eingabe von Text, im Gegenteil – der flimmernde Röhrenschirm war schlechter lesbar als ein Blatt Papier.
Eine schräge Weiterentwicklung der Glass-TTYs bildete Raytheons Symbolray. Diese Röhre hatte winzige Ausstanzungen in der Form von Zahlen und Buchstaben. Der Elektronenstrahl wurde gezielt auf das jeweilige Zeichen gelenkt und dieses wurde auf den Schirm projiziert. 13 Zeilen mit je 40 Zeichen ließen sich darstellen. Das Unternehmen hoffte auf einen Einsatz bei digitalen Anzeigen und verkaufte die Röhre nicht in einem kompletten Produkt, sondern vermarktete es an Hersteller solcher Systeme.
Kein Speicher, keine Bearbeitung
Der Grund für die eingeschränkte Funktionalität der ersten Terminals – und auch der Grund für die Idee der Symbolray – war einfach. Speicher war damals extrem teuer. 8 KByte Kernspeicher kosteten noch Anfang der 1970er Jahre fast 5.000 US-Dollar. So musste man für die Terminals auf andere Arten der Datenhaltung zurückgreifen. Die bereits erwähnten IBM 2260 funktionierten beispielsweise mit Schallverzögerungsleitungen.
Einzelne Bits wurden als Schallimpuls in einen Nickeldraht gesendet und kamen einige Millisekunden später auf der anderen Seite wieder heraus. Mit mehreren solcher Drähte konnte ein Puffer für 480 Zeichen aufgebaut werden. Die Nachteile dieses Verfahrens erklären auch, warum sich der Bildschirminhalt nicht editieren ließ. Weil die Daten nur in der gleichen Reihenfolge ausgelesen werden konnten, wie sie in den Draht wanderten, war eine Bearbeitung unmöglich.
Zudem durfte man natürlich neben dem Terminal nicht allzu stark auftreten, denn Vibrationen störten den Datenfluss, außerdem waren die exakt ausgemessenen Drähte anfällig gegenüber Temperaturschwankungen.
1970 erschien mit dem DEC VT05 ein Terminal, das auf Shift-Register setzte und zumindest ein paar dieser Probleme beseitigte. Trotzdem konnten Daten auch hier nur sequenziell bearbeitet werden.
Alle bislang genannten Geräte waren für die private Anwenderschaft natürlich unerschwinglich. Andererseits gab es niemanden mit privatem Zugang zu einem Computer, so dass dieser Aspekt zunächst nicht ins Gewicht fiel.
Mit dem Altair 8800 und weiteren als Bausatz angebotenen Rechnern entwickelte sich ab Mitte der 1970er Jahre jedoch eine kleine Heimanwender-Gemeinde. Diese stand vor dem Problem, dass sie ihre Computer nicht so komfortabel bedienen konnte, wie es in Büros inzwischen möglich war. Zudem fielen die Preise für integrierte Schaltkreise und damit auch Speicher.
Eine Schreibmaschine für Fernseher
Das US-Magazin Radio Electronics veröffentlichte im September 1973 eine Anleitung für eine zunächst scheinbar sinnlose Erfindung: die TV-Schreibmaschine. Schnell sprach sich aber herum, dass dieses Gerät auch als Terminal für die ersten Heimcomputer dienen konnte. So verkaufte die Zeitschrift statt der geplanten 20 Exemplare der ausführlichen Anleitung rund 10.000 Kopien. Passenderweise hatte der Autor auch eine handgemachte Tastatur entworfen, die ebenfalls als Bausatz im Angebot war.
Welche Rolle Terminals noch bis in die 1980er Jahre spielten, kann daran ermessen werden, dass die deutsche Fachzeitschrift C´t in ihrer ersten Ausgabe 1983 ebenfalls eine Anleitung für ein Terminal zum Selbstbauen enthielt. Zitat: "Trotz der im Umgang mit Superlativen gebotenen Zurückhaltung darf man dieses C't-Projekt gewiss als optimale Lösung für den anspruchsvollen Anwender bezeichnen."
Mit dem Aufkommen der preiswerten Heimcomputer und dem stetigen Preisverfall für Speicher sank auch die private Nachfrage nach Terminals. In Unternehmen mit großen Zentralrechnern blieben sie jedoch bis in die 1990er Jahre ein gewohnter Anblick. Diese Terminals hatten mit den ersten Geräten außer ihrem Anwendungszweck wenig gemein. Sie besaßen eigene Prozessoren sowie Speicher und konnten auch als sehr eingeschränkte Computer durchgehen.
Heute bleibt von den alten Terminals neben der Abkürzung TTY noch ein Standard für die Übermittlung von Zeichen und Steuersignalen, den jeder Computer beherrscht. Das Layout heutiger Tastaturen spiegelt ebenfalls die vergangen Zeiten, denn IBMs PC-Keyboard orientierte sich am VT220 von DEC und beeinflusste die meisten folgenden Modelle.
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