ÄRZTESTELLEN
Nächtlicher Bereitschaftsdienst: Anspruch auf Zusatzurlaub
Auch Bereitschaftsstunden, die in der Zeit zwischen 21 Uhr und sechs Uhr geleistet werden, lösen einen Anspruch auf Zusatzurlaub aus.
Beschäftigte in Krankenhäusern erfahren eine besondere Belastung durch die häufige Ableistung von Nachtarbeitsstunden. Das Arbeitszeitgesetz sieht in § 6 Abs. 5 vor, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm zustehende Entgelt gewähren muss. Entsprechend befindet sich in arztspezifischen Tarifverträgen die Regelung, dass Ärztinnen und Ärzte für eine Leistung von jeweils 150 Nachtarbeitsstunden einen Arbeitstag Zusatzurlaub erhalten.
Unklar war allerdings in der Vergangenheit, ob auch Bereitschaftsdienste zwischen 21 Uhr und sechs Uhr als „Nachtarbeit“ gelten und damit ebenfalls einen Anspruch auf tariflichen Zusatzurlaub auslösen. Der Wortlaut der tarifvertraglichen Regelungen war diesbezüglich nicht eindeutig. So waren Arbeitgeber und auch einige Stimmen in Literatur und Rechtsprechung der Ansicht, dass nur tatsächlich geleistete Nachtarbeit einen Zusatzurlaubsanspruch auslösen könne.
Zwischenzeitlich hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts in mehreren Urteilen entschieden, dass Bereitschaftsstunden, die in der Zeit zwischen 21 Uhr und sechs Uhr geleistet werden, Nachtarbeitsstunden sind, die einen Anspruch auf Zusatzurlaub auslösen. So in dem Urteil vom 23. Februar 2011 (Az.: 10 AZR 579/09) für den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA) und in den am 23. März 2011 ergangenen Urteilen (Az.: 10 AZR 661/09 und Az.: 10 AZR 662/09) für den Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an den hessischen Universitätskliniken (TV-Ärzte/Hessen). Im Urteil vom 14. September 2011 (Az.: 10 AZR 208/10) sodann für den arztspezifischen Tarifvertrag in den Helios-Kliniken und zuletzt im Urteil vom 12. Dezember 2012 (Az.: AZR 192/11, Parallelentscheidungen Az.: AZR 193/11 und Az.: AZR 194/11) für den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, Dienstleistungsbereich Krankenhäuser (TVöD-K).
Grund für diese Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen sei, so das Bundesarbeitsgericht, dass der arbeitsschutzrechtliche Arbeitsbegriff zugrunde zu legen sei. Bereitschaftsdienst, den ein Arbeitnehmer in Form persönlicher Anwesenheit im Betrieb des Arbeitgebers leistet, sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und nach der hieran anknüpfenden Neufassung des Arbeitszeitgesetzes in vollem Umfang als Arbeitszeit im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen, ohne Rücksicht darauf, welche Arbeitsleistung der Betroffene während dieses Bereitschaftsdienstes tatsächlich erbringe.
Die in Tarifverträgen für die Nachtarbeitsstunden getroffene Regelung, wonach Ärztinnen und Ärzte für eine Leistung von jeweils 150 Nachtarbeitsstunden einen Arbeitstag Zusatzurlaub erhalten, entspreche einem Zuschlag von etwa fünf Prozent und sei für Bereitschaftsdienstzeiten nicht unangemessen, so das Bundesarbeitsgericht. So wurde den jeweiligen Klägern für die geleisteten Bereitschaftsdienststunden entsprechend der Regelung für die Nachtarbeitsstunden Zusatzurlaub beziehungsweise eine finanzielle Entschädigung zugesprochen.
Mittlerweile ist es zu Anpassungen in Tarifverträgen gekommen, so im TV-Ärzte/VKA, Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Besonderer Teil Krankenhäuser (TVöD-BT-K), TV-Ärzte/Hessen, TV-Ärzte Helios und TVöD-K. Dort ist nunmehr geregelt, dass Beschäftigte für die Zeit der Bereitschaftsdienste in den Nachtstunden einen Zusatzurlaub in Höhe von zwei Arbeitstagen pro Kalenderjahr erhalten, sofern mindestens 288 Stunden der Bereitschaftsdienste kalenderjährlich in die Zeit zwischen 21 Uhr und sechs Uhr fallen.
Um zu vermeiden, dass Fristen ablaufen oder Verjährung eintritt, müssen Ansprüche auf Zusatzurlaub rechtzeitig gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Wenn ein Arbeitsverhältnis bereits beendet ist, besteht die Möglichkeit einer finanziellen Abgeltung des Zusatzurlaubsanspruchs.
Nadja Kalagi, LL.M.
Fachanwältin für Arbeitsrecht
und Medizinrecht
Bösch und Kalagi Partnerschaft, Hilden