MEDIZINREPORT
Kinderkliniken: Was Clowns leisten können
Seit einigen Jahrzehnten schon machen Clowns Spaß für kranke Kinder. Das hebt die Laune und lenkt ab. Aber bringt es auch messbare Resultate? Ein wissenschaftlicher Blick auf Schabernack im Krankenhaus.
Sie sind in deutschen Kliniken anzutreffen, nennen sich oft Doktor und haben häufig einen weißen Kittel an. Allerdings benehmen sie sich gar nicht wie Ärztinnen und Ärzte. Mit roter Nase, Instrumenten und sprechenden Puppen besuchen Klinikclowns kleine Patientinnen und Patienten, um mit ihnen zu zaubern, zu singen und Faxen zu machen.
Das kommt bei den meisten Kindern gut an, bringt aber durchaus auch messbare Verbesserungen. Untersuchungen zeigen, dass Klinikclowns das Stresslevel senken und Angst nehmen können.
So konnten israelische Forschende schon vor einigen Jahren in einer randomisierten kontrollierten Studie mit 100 Kindern zeigen, dass diese deutlich weniger weinen, wenn sie während einer Venenpunktion oder einer -kanülierung von Klinikclowns bespaßt werden. Auch in der Gruppe von Kindern, zu denen kein Clown kam, die aber eine Schmerzsalbe bekamen, weinten die Kinder mehr. Die Clowngruppe hatte nach der Intervention auch weniger Angst vor künftigen Bluttests. Beim Schmerzempfinden hatte die Salbe allerdings die Nase vor den Clowns (1).
Ein systematisches Review aus dem Jahr 2020 nahm 24 Studien zu Effekten von Klinikclowns auf Kinder und Heranwachsende unter die Lupe. Die Autorinnen und Autoren kommen zu dem Schluss, „dass die Anwesenheit von Clowns bei medizinischen Eingriffen, bei der Narkoseeinleitung, vor der OP und bei chronischen Erkrankungen eine vorteilhafte Strategie zur Bewältigung von bestimmten Symptomen sein kann“. Zu diesen Symptomen gehörten Stress, Angst, Schmerzen und Müdigkeit (2).
Auswirkungen auf Angst und Schmerz
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine fidschianische Metaanalyse. „Wir haben herausgefunden, dass Krankenhausclowns die Ängste von Kindern vor Krankenhausaufenthalten oder invasiven Eingriffen verringern“, schreiben die Autorin und der Autor (3).
Ob Clowns auch Einfluss auf das Schmerzempfinden haben, untersuchte Heike Gerger von der Erasmus Uniklinik in Rotterdam zusammen mit Kolleginnen von der Universität Basel in einer Metaanalyse auf Grundlage von 28 Studien (4). Sie kommen zu dem Schluss, dass Kinder, die von Clowns unterhalten werden, vor oder während und nach medizinischen Eingriffen weniger Schmerzen empfinden, als wenn nur die Eltern dabei sind (Standardisierte Mittelwertdifferenz –0,76; 95-%-Konfidenzintervall [–1,33; –0,19]).
„Eltern können in Krankenhäusern häufig eher ein Störfaktor sein, weil die dann selbst gestresst sind und das auf die Kinder übertragen“, sagt Gerger. Allerdings könne der positive Effekt der Clowns auf das Schmerzempfinden in ähnlicher Ausprägung auch mithilfe von Medikamenten und anderen Ablenkungen erreicht werden.
Gerger weist darauf hin, dass Angst und Schmerz physiologisch miteinander verbunden sind. „Die Angst vor Schmerz beeinflusst das tatsächliche Schmerzempfinden.“ Wenn man es also schaffe, Angst vor einem Eingriff zu reduzieren, werde dadurch auch die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass das Kind große Schmerzen spüre.
Die Psychologin geht davon aus, dass die Angstreduktion vor einem Eingriff auch längerfristige Effekte haben kann. So sei vorstellbar, dass Kinder dann weniger Schmerzen haben und im Anschluss an eine Intervention weniger Schmerzmittel brauchen.
Insgesamt seien die Effekte von Klinikclowns bislang aber nicht ausreichend untersucht, findet Gerger. Viele Studien seien monozentrisch, hätten kleine Stichprobenzahlen und würden parallel zum Klinikalltag durchgeführt. Es sei generell auch schwierig, die Auswirkungen von Klinikclowns auf körperlicher Ebene zu untersuchen, sagt Gerger. Denn dann müssten an ohnehin schon durch Interventionen belasteten Kindern weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
In Deutschland gibt es ungefähr 450 Klinikclowns, schätzt Elisabeth Makepeace, Vorsitzende Dachverband Clowns in Medizin und Pflege (5). Die Clowns arbeiteten in der Regel nicht ehrenamtlich, sondern bekommen für ihre Besuche ein Honorar. „Das sind meist freischaffende Künstler, die alle eine künstlerische Ausbildung und Erfahrung haben“, sagt Makepeace.
Klinikclowns treten in der Regel zu zweit auf. Dadurch könnten sie nicht nur mit den Kindern, sondern auch miteinander und mit Angehörigen interagieren. Die Arbeit als Duo mache es zudem leichter, psychisch belastende Erfahrungen zu verarbeiten.
Bezahlt würden die Clownseinsätze in der Regel über Spenden, Mitgliedsbeiträge und Elterninitiativen beziehungsweise Fördervereine, sagt Makepeace. In seltenen Fällen erhielten die Clowns ihr Honorar auch direkt von der Klinik. „Die Krankenkassen winken bei der Finanzierung natürlich ab.“ Aber auch innerhalb der Klinikclown-Community gebe es eine Debatte, ob „Clown auf Rezept“ sinnvoll wäre. Es gebe die Befürchtung, dass Clowns dann nicht mehr so unabhängig in der Art ihrer Berufsausübung wären.
„Ich sehe zwei große Einsatzfelder für Klinikclowns.“
Tabea Scheel, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Europa-Universität Flensburg
Makepeace wünscht sich mehr Unterstützung durch Landkreise und Kommunen. „Das würde ein bisschen den Druck nehmen. In den jetzigen Krisenzeiten ist es schwierig, Clowns über Spenden zu finanzieren.“
Grenzen von Klinikclowns
Einige Untersuchungen finden in Bezug auf Klinikclowns auch Effekte, die weit über Angst, Stress und Schmerzempfinden hinausgehen. So wurden im September auf dem Kongress der European Respiratory Society in Wien Daten einer kleinen Studie vorgestellt, denen zufolge Kinder mit Lungenentzündung, die von Klinikclowns besucht werden, kürzer im Krankenhaus bleiben und kürzer Antibiotika bekommen müssen (6).
Tabea Scheel, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Europa-Universität Flensburg, ist bei vielen Studien, die handfeste physiologische Verbesserungen durch Klinikclowns zeigen sollen, aber erst mal skeptisch. „Da wäre ich sehr vorsichtig. Das sind vereinzelte Studien. Untersuchungen, die solche Zusammenhänge nicht finden, werden wahrscheinlich erst gar nicht veröffentlicht.“ Scheel hat selbst zu den Effekten von Klinikclowns geforscht und konnte zeigen, dass Kinder, die in der OP-Vorbereitung von einem Klinikclown besucht werden, höhere Oxytocinwerte im Speichel aufweisen als Kinder, zu denen kein Klinikclown kam (7). Oxytocin wird mit geminderten Stresslevels und weniger Angst in Verbindung gebracht.
„Natürlich heilt ein Krebs durch Clowns nicht schneller, aber vielleicht wird eine Chemotherapie einfacher, weil das Kind nicht so gestresst ist und weniger Krawall macht“, betont Gerger von der Uniklinik in Rotterdam. Alternativ könnte man Kinder auch sedieren, aber in Anwesenheit eines Clowns seien möglicherweise weniger Beruhigungsmittel nötig.
„Natürlich heilt ein Krebs durch Clowns nicht schneller, aber vielleicht wird eine Chemotherapie einfacher, weil das Kind nicht so gestresst ist und weniger Krawall macht.“
Heike Gerger, Abteilung für Allgemeinmedizin, Erasmus Uniklinik Rotterdam
Den Anspruch, den Verlauf von Erkrankungen zu beeinflussen, hätten Klinikclowns auch gar nicht, sagt Clownvertreterin Makepeace. „Wir gehen ja nicht in die Klinik, um zu heilen. Das wäre zwar super, aber das können wir nicht.“ Aber es könne eine entspanntere Atmosphäre mit weniger Angst geschaffen werden. Zudem hätten Clowns oft einen anderen Zugang zu den jungen Patientinnen und Patienten wie das medizinische Personal. So könnten sie etwa auf spielerische Weise ein Kind, dass keinen Appetit hat, dazu bringen, dass es etwas esse, so Makepeace.
Wo Clowns den größten Effekt haben
„Ich sehe 2 große Einsatzfelder für Klinikclowns“, sagt Scheel. Zum einen sei der Einsatz von Clowns sinnvoll, um Kindern vor einer größeren OP die akute Angst zu nehmen. Außerdem könnten Klinikclowns bei Kindern in Langzeitbehandlung eingesetzt werden, also beispielsweise auf Krebs- und Palliativstationen. Clowns könnten außerdem auf Stationen hilfreich sein, wo kleine Eingriffe wie zum Beispiel Blutabnehmen oder Impfungen gemacht werden, ergänzt Gerger. Schließlich seien auch diese Prozeduren bei Kindern manchmal mit Angst und Schmerz assoziiert. Nicht einsetzen würde Greger Clowns auf Stationen, wo schnell konkret gehandelt werden muss, also beispielsweise in der Notfallmedizin.
Zu welchen Kindern die Clowns im Einzelnen gehen, bestimmt in der Regel die Stationsleitung, erklärt Makepeace. Ein Besuch dauere in der Regel zwischen 5 und 10 Minuten. Der positive Effekt sei am größten, wenn die Clowns regelmäßig kommen, beispielsweise einmal die Woche. „Denn dann können sie sowohl zu den Kindern als auch zum Pflegepersonal und zur Ärzteschaft eine Verbindung aufbauen, und jeder kann sich auf die Besuche einstellen.“ Deswegen eignen sich besonders Stationen, auf denen Kinder länger sind. Makepeace schätzt, dass etwa die Hälfte der Kinderstationen in Deutschland von Clowns besucht werden. Die genaue Zahl sei aber schwer festzustellen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht Klinikclowns sehr positiv. „Sie tragen ohne Zweifel zum Wohlbefinden der Kinder bei. Das erleichtert den kleinen Patientinnen und Patienten nicht nur den Aufenthalt im Krankenhaus; es beschleunigt auch die Genesung“, sagt DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß. „Die Arbeit der Klinikclowns ist damit sehr wertvoll.“
Akzeptanz beim Personal
Im Klinikalltag gebe es hingegen durchaus Reibungspunkte, berichtet Arbeitspsychologin Scheel. „Das Personal stört sich teilweise an den Klinikclowns. Oft sei die grundsätzliche Frage: Welcher Arzt, welche Ärztin lässt überhaupt Klinikclowns auf Station?“ Es komme auch vor, dass das Pflegepersonal die Clowns zum Teil als Konkurrenz sehe. Schließlich sorge man ja selbst gut für die Kinder, so die Haltung.
Sie könne die kritische Haltung einiger Klinikmitarbeitenden zum Teil auch nachvollziehen, sagt Scheel. Schließlich könnten Clowns den Klinikalltag auch stören. „Sie blockieren Räume und behindern eventuell Abläufe auf der Station. Der Einsatz von Klinikclowns muss unheimlich gut organisiert sein, damit das Personal nicht das Gefühl hat, es hat dadurch mehr Aufwand.“
Makepeace vom Verband sieht Klinikclowns hingegen als sehr gut akzeptiert an. „Klar, es gibt immer Menschen, die Klinikclowns nicht unterstützen oder nicht so wertvoll finden. Das sind aber Einzelpersonen.“ Oft könne die Skepsis genommen werden, wenn Clowns öfters kommen. Dann würden auch skeptische Menschen sehen, wie positiv die Clownsarbeit bei Kindern und Eltern ankommt. „Die meisten Pflegekräfte und Ärzte begrüßen es, wenn die Clowns kommen.“ ■
Info
Klinikclowns auf einen Blick
- Ungefähr 450 Klinikclowns in Deutschland
- meist freischaffende Künstlerinnen und Künstler
- Clowns treten in der Regel zu zweit auf, interagieren mit Kindern und Angehörigen
- Erreichen grob geschätzt jede zweite Kinderstation, genaue Abdeckung unklar
- Finanzierung hauptsächlich durch Spenden, Elterninitiativen et cetera
1. | Meiri N, Ankri A, Hamad-Saied M, et al.: The effect of medical clowning on reducing pain, crying, and anxiety in children aged 2–10 years old undergoing venous blood drawing—a randomized controlled study. Eur J Pediatr 2016; 175: 373–9; https://doi.org/10.1007/s00431-015-2652-z CrossRef MEDLINE |
2. | Lopes-Júnior L C, Bomfim E, Olson K, Neves E T, Silveira D S C, Nunes M D R et al.: Effectiveness of hospital clowns for symptom management in paediatrics: systematic review of randomised and non-randomised controlled trials BMJ 2020; 371: m4290; DOI: 10.1136/bmj.m4290 CrossRef MEDLINE PubMed Central |
3. | Sridharan K, Sivaramakrishnan G: Therapeutic clowns in pediatrics: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Eur J Pediatr October 2016; 175 (10): 1353–60; DOI: 10.1007/s00431–016–2764–0. Epub 8 September 2016. Erratum in: Eur J Pediatr May 2017; 176 (5): 681–2; DOI: 10.1007/s00431–017–2889–9. PMID: 27605131 CrossRef MEDLINE |
4. | Caci L, Zander-Schellenberg T, Gerger H: Effectiveness of hospital clowning on pediatric anxiety and pain: Network meta-analysis. Health Psychol April 2023; 42 (4): 257–69; DOI: 10.1037/hea0001285. PMID: 37023326 CrossRef MEDLINE |
5. | Website des Clownverbandes: https://www.dachverband-clowns.de/ |
6. | Medical clowns shorten hospital stays for children with pneumonia: https://www.eurekalert.org/news-releases/1056888. |
7. | Tabea Scheel, Dorothea Hoeppner, Anne Grotevendt, Winfried Barthlen: Clowns in Paediatric Surgery: Less Anxiety and More Oxytocin? A Pilot Study; Klin Padiatr 2017; 229 (5): 274–80; DOI: 10.1055/s-0043–106854 CrossRef MEDLINE |