POLITIK

Jahresrückblick 2024

aks; fri; ggr; aha; lau; gie; bee; er; cmk; MIM; PB; nfs; mls

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS

Eine Auswahl der interessantesten und wichtigsten Ereignisse des Jahres in Medizin und Gesundheitspolitik hat die Redaktion zusammengestellt.

Antibiotikaresistenzen

Antimikrobielle Resistenzen (AMR) bleiben eine weltweite Gefahr und eine globale Herausforderung. Allein mehr als eine Million Todesfälle sollen direkt mit bakteriellen Resistenzen verbunden sein. Schätzungen gehen davon aus, dass AMR bis 2050 zu zusätzlichen Gesundheitskosten in Höhe von einer Billion US-Dollar führen könnten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bemängelte, dass in Bezug auf antibakterielle Therapien zu wenig geforscht und entwickelt würde. Es fehle an innovativen Ideen und Konzepten.

Doch es gibt auch Bewegung. Im September hatten etwa die Mitgliedsstaaten der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Erklärung mit Zielen und Maßnahmen, gegen AMR vorzugehen, unterschrieben. So sollen zum Beispiel 70 Prozent der für die menschliche Gesundheit weltweit eingesetzten Antibiotika aus der WHO Access Group stammen – Substanzen mit relativ wenigen Nebenwirkungen und einem geringeren Potenzial, Resistenzen zu verursachen.

Entscheidend ist der One-Health-Ansatz, der vereinfacht besagt, dass der Mensch Teil des Tierreichs ist und mit diesem eine gemeinsame Umwelt hat. Dieser wird in der Deutschen Antibiotikaresistenz-Strategie berücksichtigt. Der dazugehörige Aktionsplan umfasst sechs Handlungsfelder: Prävention, Surveillance und Monitoring, sachgerechter Einsatz der Antibiotika inklusive Labordiagnostik, Kommunikation und Kooperation, europäische und internationale Zusammenarbeit sowie Forschung und Entwicklung. Für diese Bereiche sind Maßnahmen geplant oder bereits umgesetzt worden.

Auf europäischer Ebene gibt es zwar Fortschritte im Hinblick auf die für 2030 gesteckten Ziele, wie Daten des European Antimicrobial Resistance Surveillance Network zeigen. So ging die Zahl der Infektionen mit methicillinresistenten Staphylococcus aureus signifikant um fast 18 Prozent zurück – Ziel ist eine Reduktion um 15 Prozent. Das gilt jedoch nicht für alle Bereiche. Zum Beispiel nahmen Infektionen mit carbapenemresistenten Klebsiella pneumoniae um beinahe 60 Prozent zu – in fast allen europäischen Staaten. Das European Centre for Disease Prevention and Control fordert daher Maßnahmen in drei Bereichen: Prävention und Kontrolle von Infektionen, umsichtiger Umgang mit antimikrobiellen Substanzen sowie die Entwicklung von und Zugang zu neuen Wirkstoffen. AMR bleiben somit auf der Tagesordnung. aks

Antibiotikaresistenzen, Foto: picture alliance/Science Photo Library TEK IMAGE
Antibiotikaresistenzen, Foto: picture alliance/Science Photo Library TEK IMAGE

https://daebl.de/SN17

Alzheimer, Foto: Dr_Microbe/stock.adobe.com
Alzheimer, Foto: Dr_Microbe/stock.adobe.com

https://daebl.de/XW14

Abnehmmittel, Foto: Choi_ Nikolai/stock.adobe.com
Abnehmmittel, Foto: Choi_ Nikolai/stock.adobe.com

https://daebl.de/XB79

Ampel-Aus

Etwa 20 Gesetzesvorhaben aus der Gesundheitspolitik sind mit dem Ende der Ampelregierung Anfang November vom Tisch. Besonders bitter ist dies für die Entbudgetierung der hausärztlichen Leistungen, für die Notfallreform sowie für die Kompetenzausweitung der gematik oder auch der Start eines Bundesinstitutes für öffentliche Gesundheit. Alle vier Vorhaben waren in den drei Parteien der Ampelregierung (fast) fertig verhandelt und hätten noch im Bundestag abgestimmt werden können. Auch drei weitere Vorhaben standen kurz vor dem Abschluss. bee

Alzheimer-Mittel Lecanemab

Mit Lecanemab dürfte bald ein Alzheimer-Präparat zur Verfügung stehen, das im frühen Stadium die Krankheitsprogression messbar abbremst. Die Europäische Arzneimittelagentur revidierte im November ihr negatives Votum und empfahl die Zulassung für einen eng definierten Kreis an Betroffenen. Lecanemab ist ein Antikörper, der sich im Gehirn gegen Komplexe aus dem Protein ß-Amyloid richtet und für deren Abbau sorgt. Die Auswahl geeigneter Patientinnen und Patienten sowie deren Betreuung dürften mit großem Aufwand verbunden sein. fri

Abnehmmittel im Fokus

Der Wirbel um die sogenannten Abnehmmittel hielt auch in diesem Jahr an: vor allem um Semaglutid. Weltweit besteht eine große Nachfrage nach diesem und anderen GLP-1-Rezeptor-Agonisten (RA) mit der Folge eines langwierigen Lieferengpasses. Zudem konnten Fälschungen von Semaglutid rechtzeitig entdeckt werden, bevor Patienten sie erhielten. Darüber hinaus erregte das Thema ungewollte Schwangerschaften unter Semaglutid viel Aufmerksamkeit. Weiterhin wurde ein womöglich erhöhtes Suizidrisiko unter GLP-1-RA kontrovers diskutiert. aks

Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit

Nach jahrelangen Debatten sollte es eigentlich ab Januar 2025 losgehen: Doch wie das geplante neue Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit (BIÖG) nach dem Scheitern der Ampelkoalition realisiert werden könnte, war kurz vor Weihnachten noch unklar. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versicherte nur, dass es diese Legislatur noch „über untergesetzliche Maßnahmen“ errichtet werden solle, erläuterte dies aber nicht weiter.

Das Gesetz zur Errichtung des BIÖG hatte kurz davor gestanden, im Bundestag beschlossen zu werden, als die Regierung zerbrach. Wenig vorher war der ursprünglich geplante Name Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) nach Kritik aus Fachkreisen und dem Bundesrat gekippt worden. Entgegen etlicher Einwände sollte es aber dabei bleiben, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sowie eine Abteilung des Robert Koch-Institutes (RKI) im BIÖG aufgehen und die Aufgaben in nichtübertragbare und übertragbare Krankheiten aufgeteilt werden. Viele Fachleute erwarten dadurch eine Schwächung des RKI, während der BZgA schon lange der Ruf der Behäbigkeit vorauseilt – insgesamt eine womöglich bequemere Konstellation für die Politik als bisher, wird gemunkelt.

Grundsätzlich gibt es durchaus Stimmen, die es für geboten halten, eine Art Leuchtturm als identitätsstiftende Institution für den öffentlichen Gesundheitsdienst zu schaffen. Ein Vorschlag der Deutschen Gesellschaft für Öffentliche Gesundheit und Bevölkerungsmedizin an die künftige Bundesregierung sieht sogar vor, das BIÖG direkt beim Kanzleramt anzusiedeln, „um Gesundheit wirksam als Querschnittsthema in allen Politikfeldern zu etablieren“. Dabei schwebt ihr aber eine völlig andere Umsetzung vor als bisher geplant. Der ÖGD stehe jedenfalls vor Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung und gesundheitlicher Ungleichheit. Umso ungünstiger ist es da, dass in finanzieller Hinsicht Rückschläge drohen: 2024 sind, soweit bisher bekannt, keine Lösungen für die Zeit nach dem Auslaufen des Paktes für den ÖGD ab Ende 2026 gefunden worden. Die Sorge bei Amtsärztinnen und Amtsärzten und ihren Teams ist groß, dass die Fortschritte, die dadurch erzielt wurden, nicht nachhaltig sein werden. Mit dem Pakt sollte der ÖGD im Zuge der Coronapandemie auf Vordermann gebracht werden: mit mehr Personal, Digitalisierung und besserer Vernetzung. ggr

öffentliche Gesundheit, Foto: picture alliance/dpa/Marijan Murat
öffentliche Gesundheit, Foto: picture alliance/dpa/Marijan Murat

https://daebl.de/ZD67

Bürokratieabbau, Foto: megaflopp/iStock
Bürokratieabbau, Foto: megaflopp/iStock

https://daebl.de/NH73

Cannabis, Foto: cendeced/stock.adobe.com
Cannabis, Foto: cendeced/stock.adobe.com

https://daebl.de/VB79

Bürokratieabbau

Ärztinnen und Ärzte klagen vermehrt über eine erhebliche Bürokratiebelastung im beruflichen Alltag. Dies gilt sowohl für den ambulanten als auch den stationären Bereich. Das bestehende Potenzial zur Entlastung wurde nachdrücklich von Verbänden wie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) adressiert und auch von der Politik erkannt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte eigentlich ein umfassendes Bürokratieentlastungsgesetz für das Gesundheitswesen versprochen. Verbände und Selbstverwaltung wurden aufgerufen, Vorschläge zur Entbürokratisierung an das BMG weiterzuleiten. Dies erfolgte auch – nicht umgesetzt wurde aber das zugesagte Gesetz. Dabei hatte Lauterbach bereits Anfang November 2023 angekündigt, dass zeitnah ein entsprechender Entwurf vorgelegt werden soll. aha

Cannabis

Seit dem 1. April sind Anbau, Erwerb und Besitz von Cannabis in bestimmten Grenzen erlaubt. Die Freigabe sollte nach Auffassung ihrer Befürworter gesellschaftlichen Realitäten Rechnung tragen, denn der Konsum nahm trotz Prohibition seit Jahren kontinuierlich zu. Eigenanbau und Anbauvereinigungen sollen – anders als der Schwarzmarkt – Produktkontrolle und dadurch einen gewisses Niveau an Gesundheitsschutz ermöglichen. Entkriminalisierung und Enttabuisierung sollen die Hemmschwelle senken, Hilfsangebote wahrzunehmen.

In der Ärzteschaft überwog die Ablehnung der Reform. CDU und CSU haben angekündigt, die Freigabe rückgängig machen zu wollen, sollten sie die nächste Bundesregierung stellen. Die Frage wird sein, mit wem das möglich sein könnte – alle möglichen Koalitionspartner waren selbst an der Gesetzgebung beteiligt. lau

Crispr-Verfahren zugelassen

Erstmals hat eine Behandlung auf Basis der Genscheren-Technologie Crispr eine Zulassung in der EU erhalten. Im Februar entschied die EU-Kommission, dass künftig die Sichelzellkrankheit und die Beta-Thalassämie mit Casgevy (Exa-cel) behandelt werden dürfen. Den vererbbaren Bluterkrankungen liegen genetische Fehler zugrunde, die Bildung oder Funktionsweise von Hämoglobin beeinträchtigen.

Bei der Casgevy-Behandlung werden Betroffenen grob gesagt Blutstammzellen entnommen und mithilfe der Genschere Crispr so verändert, dass mehr sogenanntes Fetales Hämoglobin (HbF) produziert wird. Das soll das Fehlen von funktionierendem Adulten Hämoglobin kompensieren. Der Marktstart in Deutschland ist für Anfang 2025 geplant, wenn auch in kleinem Rahmen. Die Behandlung soll in einigen spezialisierten Zentren vorgenommen werden. fri

Candida auris

Seit seiner Erstbeschreibung 2009 breitet sich Candida auris weltweit aus. Ein weiterer Anstieg der Fallzahlen hierzulande müsse laut RKI-Bulletin im Mai als wahrscheinlich angenommen werden, da bekannt ist, dass C. auris sukzessive andere Candida spp. als Erreger nosokomialer Infektionen verdrängen könne. Der Hefepilz überträgt sich über direkten und indirekten Kontakt und kann zu schwer kontrollierbaren nosokomialen Ausbrüchen führen. Obwohl die absolute Fallzahl in Deutschland nach wie vor niedrig ist, wurde seit 2020 ein deutlicher Anstieg verzeichnet: 2023 sei der Hefepilz bundesweit 77-mal nachgewiesen worden – sechsmal häufiger als in den Vorjahren, wie aus der Auswertung des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen hervorgeht. Eine Meldepflicht besteht erst seit Juli 2023. Der Vergleich mit den Vorjahren erfolgt ab 2025. gie

Digitalisierung, Foto: ra2 studio/stock.adobe.com
Digitalisierung, Foto: ra2 studio/stock.adobe.com

https://daebl.de/XA39

Demokratiebekenntnis, Foto: Deutsches Ärzteblatt
Demokratiebekenntnis, Foto: Deutsches Ärzteblatt

https://daebl.de/CD31

Eizellspende, Foto: Sebastian Kaulitzki/stock.adobe.com
Eizellspende, Foto: Sebastian Kaulitzki/stock.adobe.com

https://daebl.de/NL53

Digitalisierung

Viel Bewegung gab es bei der weiteren Digitalisierung des Gesundheitswesens. Das wohl öffentlichkeitswirksamste Vorhaben dürfte dabei die „ePA für alle“ darstellen. Mit dem Ende März in Kraft getretenen Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens wurde vorgegeben, dass Anfang 2025 für alle gesetzlich Versicherten automatisch eine elektronische Patientenakte (ePA) eingerichtet wird. Wer die ePA nicht nutzen möchte, kann dem widersprechen (Opt-out-Lösung). Neben der Funktion als Dokumenten- und Befundsammlung wird die ePA zum Start auch eine Medikationsübersicht bieten. Das ebenfalls 2024 in Kraft getretene Gesundheitsdatennutzungsgesetz regelt die Datenfreigabe aus der ePA per Opt-out-Verfahren. Mit pseudonymisierten Daten soll die Forschung weiter vorangetrieben werden. Das beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelte Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) wird für den Zugang zu diesen Daten zuständig sein. Neben der ePA arbeitete die gematik gemeinsam mit der IT-Industrie auch an weiteren Bausteinen der Digitalisierungsstrategie. Aus Sicht der Praxen nicht immer mit Erfolg: So gab es beispielsweise bei der Einführung des elektronischen Rezeptes (E-Rezept) Anfang des Jahres viele technische Probleme und daraus resultierende Zusatzbelastungen. Auch die Telematikinfrastruktur (TI) selbst zeigte sich nicht immer auf dem wünschenswerten Stabilitätsniveau. Zwar hatte der Gesetzgeber aus diesen Vorgängen Schlüsse gezogen und wollte mit dem Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz reagieren. Vorgesehen war, die Durchgriffsrechte der gematik zu stärken und so für eine stabilere und störungsfreie TI-Umgebung zu sorgen. Das Gesetz fiel allerdings dem vorzeitigen Ampel-Aus zum Opfer. Immerhin: Erste praktische Tests mit dem TI-Messenger in der Modellregion Hamburg verliefen recht positiv. aha

Demokratiebekenntnis

Die ärztlichen Organisationen haben sich 2024 deutlich für Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte positioniert. Begonnen mit dem Neujahrsempfang der Deutschen Ärzteschaft in Berlin sowie beim 128. Deutschen Ärztetag in Mainz und bei vielen Tagungen der ärztlichen Verbände bekräftigte die Ärzteschaft: „Nie wieder ist jetzt!“ In einer Resolution, verabschiedet auf dem Ärztetag, wird betont, dass Ärztinnen und Ärzte der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung dienten. Sie übten ihren Beruf nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus. Patientinnen und Patienten würden unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion, sozialem Status oder sexueller Orientierung medizinisch versorgt. Ein Auszug aus dem Genfer Gelöbnis, übersetzt in sechs Sprachen, lag auch dem Deutschen Ärzteblatt bei. bee

Eizellspende

Eigentlich sollte 2024 eine breite gesellschaftliche Debatte zum Thema Fortpflanzungsmedizin geführt werden. Dazu hatte sich die von der Ampelregierung eingesetzte „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ ein Jahr lang innerhalb einer Arbeitsgruppe mit den Themen „Eizellspende und Leihmutterschaft“ befasst. Im April stellte sie ihre Empfehlungen vor. Mit diesen sprach sie sich weder explizit für noch gegen die Legalisierung der Eizellspende aus, stellte jedoch konkrete Eckpunkte auf, die der Gesetzgeber berücksichtigen müsste, wenn er eine Legalisierung von beiden erwägen würde.

Doch seither herrscht Stille. Kommissionsmitglied Prof. Dr. med. Claudia Wiesemann bedauert das am Jahresende gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt: „Das geltende Verbot der Eizellspende ist nicht mehr gerechtfertigt“, meint die Medizinethikerin. ER

Entbudgetierung

„Das Gesetz wird kommen, darauf können Sie sich verlassen“ – diesen Satz sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mehrfach vor Mitgliedern des Hausärzteverbandes. Doch mit dem Ende der Ampelregierung zerfällt auch das Vorhaben der Entbudgetierung von hausärztlichen Leistungen sowie das Ende der Wirtschaftlichkeitsprüfungen bis zu 300 Euro. Dabei war es fest im Koalitionsvertrag verankert; auch die CDU stimmt bei dem Thema grundsätzlich zu. Zum Problem wurde, dass die Entbudgetierung im gleichen Gesetz wie die Gesundheitskioske und Gesundheitszentren stand – und damit zur großen gesundheitspolitischen Debatte zwischen den Koalitionären kam. Zudem wollte bis zum Schluss die FDP eine Entbudgetierung für alle Facharztgruppen durchsetzen – eine Forderung, die auch viele Ärzteverbände an eine neue Bundesregierung richten. bee

Finanzierung Gesundheitswesen

Fehlt das Geld für die Gesundheitsversorgung oder ist es nicht doch in großer Fülle vorhanden? Blickt man auf die Gesamtausgaben des Systems der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) liegen diese 2023 bei 288,62 Milliarden Euro. Davon werden in diesem Jahr etwa 100 Milliarden für die Versorgung in Krankenhäusern ausgegeben, etwa 48 Milliarden für die ambulante Versorgung (ohne Impfen), mehr als 54 Milliarden für die Arzneimittelversorgung und etwa 24 Milliarden für die Heil- und Hilfsmittel. Dabei sind die Arzneimittelkosten in den vergangenen zehn Jahren um 74 Prozent gestiegen, obwohl die Zahl der Verordnungen nur um 13,2 Prozent gestiegen sind, so das Wissenschaftliche Institut der AOK.

2024 haben die Krankenkassen deutliche Verluste gemacht, der Schätzerkreis mit Expertinnen und Experten aus Krankenkassen, Verbänden und Ministerien ging von einer Finanzlücke von mehr als 14 Milliarden Euro für das Jahr 2025 aus. Daher werden fast alle Krankenkassen ihre Beiträge erhöhen; der durchschnittliche Zusatzbeitrag soll bei 2,5 Prozent liegen, das sind 0,8 Prozentpunkte mehr als 2024. Der gesamte Beitrag, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen, umfasst daneben noch den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns. Die hohen Summen, die für die Gesundheitsversorgung von 90 Prozent der Bevölkerung vorgesehen sind, wecken Begehrlichkeiten auch aus anderen Politikbereichen. So wächst die Zahl der versicherungsfremden Leistungen – dazu gehören das Mutterschaftsgeld oder die beitragsfreie Familienmitversicherung. Ähnlich ist es in der Pflegeversicherung, die auch die Beiträge um 0,2 Prozentpunkte für 2025 erhöhen muss. Hier werden aus den Beiträgen beispielsweise die Rentenpunkte für pflegende Angehörige oder die Ausbildung von Pflegekräften finanziert. Zudem fehlen rund sechs Milliarden Euro, die der Bund zur Finanzierung der Coronatests für Pflegekräfte entnommen, aber nicht wieder zurück in den Finanzierungstopf gezahlt hatte. Doch nicht nur der Haushalt der GKV ist kritisch; auch die Privaten Krankenversicherungen müssen ihre Beiträge 2025 deutlich anheben. bee

Entbudgetierung, Foto: vegefox.com/stock.adobe.com
Entbudgetierung, Foto: vegefox.com/stock.adobe.com

https://daebl.de/YF43

Fachkräftemangel, Foto: Monkey Business/stock.adobe.com
Fachkräftemangel, Foto: Monkey Business/stock.adobe.com

https://daebl.de/EW27

Finanzierung, Foto: DoraZett/stock.adobe.com
Finanzierung, Foto: DoraZett/stock.adobe.com

https://daebl.de/LK24

Fachkräftemangel

Die zunehmenden Probleme mit der Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen wirken sich mittlerweile bereits spürbar auf die medizinische Versorgung aus. „Der Ärztemangel ist keine Prognose mehr, sondern in vielen Regionen Deutschlands längst Realität“, warnte etwa der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. med. (I) Klaus Reinhardt, anlässlich des 128. Deutschen Ärztetags in Mainz. Rund 4 800 Hausarztsitze seien schon jetzt unbesetzt; in den Krankenhäusern sehe es beim Personalmangel ähnlich aus. Hinzu komme, dass fast jeder vierte berufstätige Arzt 60 Jahre oder älter sei. „Wir stehen also vor einer massiven Ruhestandswelle, die das Problem weiter verschärfen wird.“ Wenn die Politik diese Entwicklungen nicht ernst nehme, steuere man auf einen realen Versorgungsnotstand hin. Denn zugleich steige wegen der Alterung der Gesellschaft auch der Behandlungsbedarf.

Wie Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigen, ist diese Problematik nicht auf Ärztinnen und Ärzte beschränkt. Rund 133 000 offene Stellen in Gesundheits- und Sozialberufen können einer IW-Analyse zufolge derzeit nicht besetzt werden. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass bis 2049 mindestens 280 000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt werden. Trotz einiger gesetzgeberischer Maßnahmen ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in der Pflege jüngst nur leicht gestiegen – und im Vergleich zum bisherigen Höchstwert von 56 300 Neuverträgen aus dem Jahr 2021 sogar um mehr als drei Prozent gesunken. Nur wenig Fortschritte gab es auch beim Ausbau der Kapazitäten für das Studium der Humanmedizin. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte zwar mehrfach zu, sich für mehr Medizinstudienplätze in einer Größenordnung von deutschlandweit 5 000 einzusetzen – passiert ist aber wenig. Dabei hatte auch Lauterbach betont, man befinde sich angesichts des „dramatischen Fachkräftemangels“ am Vorabend einer Notsituation und bilde deutlich zu wenig Ärzte aus. Zum Wintersemester 2023/2024 starteten laut Statistischem Bundesamt insgesamt 10 058 Studienanfängerinnen und -anfänger. Das sind nur 82 mehr neue Medizinstudierende als zum Wintersemester 2020/2021. Hauptknackpunkt beim Ausbau ist die Finanzierungsfrage: Der Bund will sich nicht an den Mehrkosten beteiligen und die eigentlich zuständigen Länder zeigen sich zurückhaltend. aha

Gewalt

Nach mehreren Vorfällen in ambulanten und stationären Gesundheitseinrichtungen verstärkte sich im auslaufenden Jahr die Debatte um eine Strafverschärfung bei Angriffen auf Rettungskräfte, Feuerwehr und in Notaufnahmen. Das Bundesjustizministerium (BMJ) erarbeitete zwar einen Gesetzentwurf, welcher solche Verschärfungen vorsah. Dieser konnte jedoch nicht mehr vor dem Aus der Regierungskoalition beschlossen werden. Zudem waren ärztliche und psychotherapeutische Praxen – trotz zahlreicher Stimmen, die genau dies forderten – kein expliziter Bestandteil der vorgesehenen Regelungen. Dabei zeigte eine Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dass knapp 60 Prozent der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten sowie ihrer Praxisteams bereits persönliche Erfahrungen mit körperlichen Übergriffen sammeln mussten. aha

Gewalt, Foto: picture alliance/Snowfield Photography
Gewalt, Foto: picture alliance/Snowfield Photography

https://daebl.de/NP96

GOÄ, Foto: Maybaum
GOÄ, Foto: Maybaum

https://daebl.de/RE51

H5N1, Foto: picture alliance/NIH-NIAID Image Point
H5N1, Foto: picture alliance/NIH-NIAID Image Point

https://daebl.de/AF73

GOÄ

Bei der Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) konnte ein wichtiger Fortschritt erzielt werden: Im September stellte die Bundesärztekammer die Ergebnisse der Gespräche mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) vor. Zuvor hatten sich beide Akteure auf ein modernes System und eine Preisliste verständigt. Das erarbeitete Gebührenverzeichnis enthält 5 500 Gebührennummern und Zuschläge. Im Ergebnis haben PKV-Verband und Beihilfestellen akzeptiert, dass das Ausgabevolumen der GOÄ in den ersten drei Jahren um bis zu 13,2 Prozent steigen würde. Dies wären rund 1,9 Milliarden Euro. Nachdem es von einigen ärztlichen Verbänden Kritik an der erzielten Einigung gab, wurde vereinbart, dass weitere Vorgehen gemeinsam „mit Blick auf den nächsten Deutschen Ärztetag im Mai 2025 in Leipzig“ zu beraten. aha

H5N1

Hochpathogene Vogelgrippe bei Rindern? Das schien bis zum Frühjahr 2024 wenig wahrscheinlich. Doch das Virus greift im Tierreich schon länger massiv um sich und schaffte den Sprung auf Milchkühe in den USA. Es verbreitete sich mangels stringenter Maßnahmen in Hunderten Herden. Das befeuerte bei manchen Pandemiesorgen, zumal immer mehr Infektionen bei Menschen bekannt werden. Der Großteil hatte zwar als Landarbeiter direkten Kontakt zu infizierten Kühen oder Geflügel gehabt und erlebte milde Verläufe. Aber inzwischen tauchten einzelne Fälle mit unklarer Quelle auf, darunter ein schwer erkrankter Teenager in Kanada. Fachleute werten die Reaktion der USA als unzureichend angesichts der drohenden Anpassung des Virus an Menschen. Dass der nächste US-Präsident Donald Trump einen strengeren Kurs einschlägt, scheint unwahrscheinlich. ggr

Homöopathie

Als freiwillige Satzungsleistung von Krankenkassen sowie als ärztliche Zusatzweiterbildung ist die Homöopathie seit Jahren in der Kritik. Viele Menschen vertrauten aber darauf, berichten Ärztinnen und Ärzte, die Homöopathie anbieten. Um unnötige Ausgaben im Gesundheitswesen zu vermeiden, wollte das Bundesgesundheitsministerium die Angebote aus dem Katalog der Satzungsleistungen der Kassen streichen. Finanziell bringt diese Einsparung wenig; der Protest war teilweise groß. Letztendlich fiel der Vorschlag aus dem geplanten Gesetz wieder heraus.

Auch in der Landesärztekammer Baden-Württemberg wurde öffentlich und intern intensiv debattiert, ob die Kammer die Zusatzweiterbildung Homöopathie weiterhin anbietet. In einer Schlussabstimmung votierte die Vertreterversammlung gegen eine Fortführung der offiziellen Qualifikation. bee

Hybrid DRGs

Um die Ambulantisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben, können seit dem 1. Januar 2024 sowohl Krankenhäuser als auch Arztpraxen bestimmte Leistungen und Operationen als sogenannte Hybrid-DRG abrechnen. Das Besondere daran: Der ambulante und der stationäre Bereich erhalten für die gleiche Leistung die gleiche Vergütung. Welche Leistungen in welcher Höhe finanziert werden, ist in der Verordnung über eine spezielle sektorengleiche Vergütung (Hybrid-DRG-Verordnung) vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geregelt. Zum 1. Januar 2025 wird der Katalog um 94 zusätzliche operative Prozeduren erweitert. Was auf die Liste kommt, darauf müssen sich der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung einigen. Perspektivisch sollen weitere Leistungen auf die Liste kommen. cmk

Integrierte Notfallzentren

Die sogenannten Integrierten Notfallzentren (INZ) sowie das Pendant für Notfälle bei Kindern (Integrierte Kindernotfallzentren, kurz KINZ) sollen flächendeckend etabliert werden. Integriert bedeutet, dass es an einem Standort eine Notaufnahme der Klinik sowie eine Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) mit einer gemeinsamen zentralen Ersteinschätzungsstelle geben soll. Das Konzept ist Teil der geplanten Notfallreform, die die Ampelregierung bis zu ihrem Bruch im November noch in diesem Jahr umsetzen wollte. Ziel ist, Notaufnahmen zu entlasten und immer eine bedarfsgerechte medizinische Erstversorgung bereitzustellen. Zunächst wird die Notfallreform nun nicht realisiert. Es ist aber davon auszugehen, dass die kommende Bundesregierung sich mit diesem Thema in der nächsten Legislaturperiode erneut beschäftigen wird. cmk

Integrierte Notfallzentren, Foto: picture alliance/dpa/Bernd Weißbrod
Integrierte Notfallzentren, Foto: picture alliance/dpa/Bernd Weißbrod

https://daebl.de/YM46

Krisenresilienz, Foto: picture alliance/SvenSimon Malte Ossowsk
Krisenresilienz, Foto: picture alliance/SvenSimon Malte Ossowsk

https://daebl.de/KU79

Krankenhausreform, Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte
Krankenhausreform, Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

https://daebl.de/PC72

Insolvenzen

Über der Debatte rund um die Krankenhausreform hing das Damoklesschwert drohender Krankenhausinsolvenzen. Zehn Prozent der etwa 1 800 Krankenhäuser in Deutschland haben eine erhöhte Insolvenzgefahr. Das geht aus dem Krankenhaus Rating Report 2024 hervor. In diesem Jahr mussten mindestens 24 Krankenhäuser Insolvenz anmelden. Einer Verbandsübersicht zufolge, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, sind 18 neue Klinikinsolvenzverfahren seit Januar bis zum Stand 6. November eröffnet worden. Drei Standorte davon wurden geschlossen. Mindestens weitere sechs Verfahren kommen noch hinzu. Von vielen Seiten wurden Übergangsfinanzierungen gefordert, um die Krankenhäuser kurzfristig zu stützen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hingegen sieht die Krankenhausreform als Rettung für wirtschaftlich angeschlagene Häuser. cmk

Krankenhausreform

Eines der größten Projekte im Gesundheitsbereich in diesem Jahr war die Krankenhausreform. Trotz vieler Widerstände und Diskussionen hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die Ampelregierung die Reform kurz vor dem Regierungs-Aus noch erfolgreich durch den Bundestag gebracht. Ende November gab auch der Bundesrat nach einem spannenden Abstimmungskrimi grünes Licht (DÄ 24/2024).

Die Reform kann damit Anfang 2025 in Kraft treten. Für 2025 und 2026 werden sich die Bundesländer mit den geplanten 65 Leistungsgruppen auseinandersetzen und planen, welche Krankenhäuser welche Leistungen künftig anbieten sollen. Diese Leistungsgruppen sollen künftig bundeseinheitlich Strukturvorgaben zu Personal und technischer Ausstattung definieren.

Eine weitere Säule der Reform ist die Vorhaltevergütung, die künftig 60 Prozent der bisherigen diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) ausmachen soll. Diese sollen je Leistungsgruppe an die Kliniken ausbezahlt werden und die Finanzierung absichern. Zudem sind sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen vorgesehen, die durch die Erbringung von stationären, ambulanten und pflegerischen Leistungen die wohnortnahe Versorgung sicherstellen sollen. Profitieren sollen zudem Sicherstellungskrankenhäuser, die künftig dauerhaft von den Vorgaben der Leistungsgruppen abweichen dürfen. Ziel aller Maßnahmen ist eine Zentralisierung und Spezialisierung der Kliniken, um die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern. Auch die flächendeckende Versorgung soll sichergestellt werden.

Zur Umsetzung der Reform ist ein Transformationsfonds geplant, der Kliniken von 2026 bis 2035 mit bis zu 50 Milliarden Euro bei Umstrukturierungen unterstützen soll. Bund und Länder sollen diesen Fonds jeweils hälftig finanzieren; dabei greift der Bund aber auf Mittel des Gesundheitsfonds zurück. Dieser wird hauptsächlich von Beiträgen gesetzlich Krankenversicherter gespeist. Dies sorgte für deutliche Kritik, etwa von den Krankenkassen. Als erster Bestandteil der Reform startete bereits im Mai der sogenannte Bundes-Klinik-Atlas. Dieser soll Patientinnen und Patienten helfen, für ihre Erkrankung das passende Krankenhaus zu finden. Der Atlas war allerdings von Beginn an umstritten und startete mit einigen Fehlern. Zuletzt sanken die Aufrufe des Verzeichnisses stark. cmk

Krisenresilienz

Das Gesundheitswesen ist weiterhin nicht ausreichend auf einen Bündnis- oder gar Verteidigungsfall vorbereitet. Ärzteschaft, Politik, Verwaltung und Bundeswehr haben 2024 mehrfach Anstrengungen unternommen, auf die Dringlichkeit dieses Missstands hinzuweisen. Im Frühjahr hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein Gesetz angekündigt, das das Gesundheitssystem auf Katastrophen und militärische Konflikte vorbereiten sollte. Dieses kam jedoch nie. Fachleute fordern vor allem mehr Planung, eine bessere regionen- und sektorenübergreifende Koordinierung, technische Nachrüstung sowie eine Verbesserung der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Denn nach Aussage der Bundeswehr wäre der Sanitätsdienst mit seinen fünf eigenen Krankenhäusern im Ernstfall in großem Maße auf das zivile Gesundheitswesen angewiesen. lau

Klima und Gesundheit

Traurige Rekorde schreibt in diesem Jahr das Klima. So war 2024 das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Zehn von 15 Indikatoren, mit denen Forschende die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit messen, hatten bereits 2023 Höchststände erreicht, wie es im diesjährigen Lancet Countdown Bericht heißt. Das sind etwa die Exposition gefährdeter Bevölkerungsgruppen gegenüber Hitzewellen und das Auftreten anderer Extremwetter, wie Niederschläge und Dürren.

Waldbrände etwa erreichten 2024 ein Rekordhoch. „Allein im brasilianischen Teil des Amazonasgebiets, dem größten Regenwald der Erde, brannte es zwischen dem 1. Januar und 30. November 2024 insgesamt rund 135.000 Mal“ berichtet die Umweltorganisation WWF. Das hat direkte und indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit. So sind der Klimawandel und der Verlust der Artenvielfalt eine der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit. Bereits jetzt nehmen klimabedingte Krankheiten und Todesfälle zu. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren 37 Prozent der weltweiten hitzebedingten Todesfälle klimawandelbedingt.

Ein paar positive Nachrichten gibt es dennoch. Im Bereich der Klimaanpassung etwa gibt es kleine Fortschritte. So hat es in diesem Jahr den zweiten Hitzeaktionstag der Bundesärztekammer gegeben, auf dem das Bundesgesundheitsministerium einen Musterhitzeschutzplan für Krankenhäuser vorgelegt hat. Beim Klimaschutz geht es jedoch langsamer voran. Erneut hat es in diesem Jahr einen Anstieg der weltweiten CO2-Emissionen gegeben, allerdings hoffen Expertinnen und Experten auf eine baldige Trendwende. Einen nicht unerheblichen Teil der CO2-Emissionen stößt der Gesundheitssektor aus. Hier obliegt es in Deutschland, aktuell vor allem den Anstrengungen Einzelner Klimaschutzmaßnahmen voranzutreiben. Die Bundesärztekammer und andere Gesundheitsorganisationen verlangen daher mehr politische Vorgaben, um das Ziel eines klimaneutralen Gesundheitssektors zu erreichen. Als positive erste Schritte sehen sie das europäische Lieferkettengesetz und die Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie. Diese verpflichtet Unternehmen ab einer bestimmten Größe, teils ab dem Geschäftsjahr 2025 Maßnahmen zum Umweltschutz sowie Informationen zu den Auswirkungen ihrer Arbeit auf die Umwelt offenzulegen. Das gilt auch für viele Krankenhäuser in Deutschland. mim

Klima und Gesundheit, Foto: Thaut Images/stock.adobe.com
Klima und Gesundheit, Foto: Thaut Images/stock.adobe.com

https://daebl.de/NV19

Lieferengpässe, Foto: picture alliance/Stefanie Oberhauser EXPA
Lieferengpässe, Foto: picture alliance/Stefanie Oberhauser EXPA

https://daebl.de/FU63

Lipidscreening, Foto: jarun011/stock.adobe.com
Lipidscreening, Foto: jarun011/stock.adobe.com

https://daebl.de/EE97

Lenacapavir

Vom Science Magazin als Durchbruch des Jahres gefeiert, von Fachleuten als Gamechanger gepriesen: Die langwirksame HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) Lenacapavir (LEN) muss nur zweimal im Jahr gespritzt werden und hat in zwei Versuchen besser abgeschnitten als das täglich einzunehmende Vergleichsmedikament. So hat LEN in einer Studie mit Frauen einen 100-prozentigen Schutz gegen eine HIV-Infektion geboten. In einer weiteren Studie mit Personen unterschiedlichen Geschlechts, die Sex mit Männern haben, hatte LEN eine 99,9-prozentige Wirksamkeit. Im Oktober hat der Produzent Gilead die Weichen für die Generikaherstellung in 120 Ländern gestellt. Wie hoch der Preis in anderen Ländern sein wird, ist noch offen, könnte aber bei mehreren 10 000 Dollar pro Jahr liegen. Einen Zulassungsantrag für Europa plant Gilead im ersten Halbjahr 2025. mim

Lieferengpässe

Das im Vorjahr verabschiedete Arzneimittellieferengpassgesetz konnte die Lage nicht entschärfen. Es wirke „kein bisschen“, kritisierte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) im Herbst und warnte vor einer prekären Versorgungslage in der Wintersaison. Ende 2024 verzeichnet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) fast 500 Engpässe. Diese betreffen oft breit eingesetzte Arzneimittel wie Salbutamol, Antibiotika oder Fiebersäfte. Große Aufmerksamkeit erzeugte dieses Jahr ein Engpass bei Kochsalzlösung.

Unterdessen hat sich auch die Europäische Union des Themas angenommen: Im Januar wurde die Critical Medicines Alliance aus der Taufe gehoben, ein europaweiter Zusammenschluss aus Verbänden und Behörden, der Strategien zur Vermeidung und Bewältigung von Arzneimittelengpässen erarbeiten soll. lau

Lipidscreening und Therapie

Ein Screening aller Kinder auf eine Familiäre Hypercholesterinämie (FH) sowie eine frühere Verordnung von Lipidsenkern war im Gesundes-Herz-Gesetz der Bundesregierung vorgesehen. Mit Bruch der Ampelkoalition ist das Präventionsgesetz jedoch erst einmal vom Tisch.

Wie es mit einem möglichen Screening auf FH weitergeht, ist bislang noch unklar. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit hatte sich im August gegen ein generelles Screening und für eine Untersuchung von Kindern mit positiver Familienanamnese ausgesprochen. Über die Möglichkeit, Statine und andere Fettsenker früher zu verordnen, könnte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) kurz vor Weihnachten entscheiden, nach Redaktionsschluss des Deutschen Ärzteblatts. Bisher lag die Verordnungsschwelle bei einem Zehnjahresrisiko für ein kardiovaskuläres Ereignis bei 20 Prozent. mim

Long COVID

Die gesundheitlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Form von Long COVID oder dem Post-COVID-Syndrom (PCS) beeinflussen die Gesellschaft erheblich, unter anderem weil es nicht selten Jüngere trifft. Etwa 65 Millionen Menschen könnten Schätzungen zufolge weltweit daran leiden und die Zahl wird weiter ansteigen. Das gilt auch für diejenigen mit Myalgischer Myeloenzephalitis/Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) als schwerster Form.

Long COVID hat ein vielfältiges Beschwerdebild mit chronischem oder fluktuierendem Verlauf. Die Betroffenen können erheblich leiden und in ihren Alltagsfunktionen zum Teil deutlich eingeschränkt sein. Bisher sind die Ursachen beziehungsweise die Pathophysiologie nicht bekannt, daher fehlt eine kausale, mit guter Evidenz belegte Arzneimitteltherapie. Viele Behandlungsansätze wurden vorgeschlagen, aber nur wenige in randomisierten Studien überprüft. Einer aktuellen Metaanalyse zufolge könnten eine kognitive Verhaltenstherapie und Rehabilitationssport bei einigen Betroffenen helfen. Andere Studienergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass Anstrengungen aller Art die Beschwerden verschlimmern können.

Es gibt also noch viel zu tun und zu erforschen. In Deutschland stehen aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) für Forschungsprojekte zu bedarfsgerechter Versorgung etwa 130 Millionen Euro zur Verfügung. Die geplanten Projekte sollen bis 2028 laufen. Die Finanzierung ist dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zufolge trotz der vorläufigen Haushaltsführung ab Januar 2025 gesichert. Hinzu kommen 20 Millionen aus dem Förderprogramm des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Die Projekte sind zum Teil schon angelaufen.

Darüber hinaus haben Fachleute im Auftrag des BMG einen Therapiekompass entwickelt. Das Instrument ist symptomorientiert aufgebaut. Dabei handelt es sich um Beschwerden, für die zugelassene Medikamente zur Verfügung stehen. Dazu gehören zum Beispiel Autoimmunerkrankungen, Depression, Hypertonie oder Schlafstörungen. Für die einzelnen Symptome werden spezifische Medikamente, zum Teil auch Dosierungen und Dauer des Einsatzes empfohlen. In einem weiteren Schritt soll nun eine „Off-Label-Liste“ erarbeitet werden. Diese wird Arzneimittel enthalten, die außerhalb ihrer Zulassung für die Behandlung von Long-COVID-Symptomen eingesetzt werden können. aks

Long COVID, Foto: Maria/stock.adobe.com
Long COVID, Foto: Maria/stock.adobe.com

https://daebl.de/SU37

§ 218, Foto: picture alliance/Bahho Kara Kirchner-Media
§ 218, Foto: picture alliance/Bahho Kara Kirchner-Media

https://daebl.de/FF67

Pandemieabkommen, Foto: picture alliance/Hans Lucas Benjamin Polge
Pandemieabkommen, Foto: picture alliance/Hans Lucas Benjamin Polge

https://daebl.de/WL15

§ 218

Die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs vor der 12. Schwangerschaftswoche ist eine Forderung von vielen Frauenverbänden und Ärztinnen und Ärzten. Erneut Fahrt aufgenommen hatte die Debatte durch die Empfehlungen der „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ sowie den Ergebnissen der ELSA-Studie, die auch eine schlechte Versorgungslage verdeutlichte. Ende November wurde ein Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung des Abbruchs bei gleichzeitiger Pflichtberatung für Schwangere veröffentlicht, den 328 Abgeordnete des Bundestages unterzeichnet hatten. Nach einer emotionalen Debatte Anfang Dezember soll es im Februar 2025 noch zu einer Anhörung kommen. Ob über das Gesetz noch abgestimmt wird, bleibt fraglich. Auch der 129. Deutsche Ärztetag in Leipzig wird sich damit beschäftigen. bee

Pandemieabkommen

Seit Ende 2021 verhandeln die 194 Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über ein globales Pandemieabkommen. Ziel ist eine verbesserte globale Gesundheitsarchitektur im Bereich Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion. Es sollen Lehren aus der COVID-19-Pandemie gezogen werden, um sich weltweit für künftige Pandemien besser zu rüsten. Vorgesehen war, dass sich die Mitgliedstaaten auf ein Abkommen auf der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung (WHA) im Mai 2024 einigen sollten. Dies scheiterte jedoch aufgrund von unterschiedlichen Interessen und fehlender Kompromissbereitschaft. Streitpunkte sind unter anderem das Patentrecht und wie knappe Güter bei einer neuen Pandemie weltweit und zum Wohle aller fair verteilt werden könnten. Die Verhandlungen laufen weiter. Geplant ist, bis Mai 2025 eine Einigung zu erzielen. cmk

Psychotherapeutische WB

Ab 2025 werden jährlich rund 2 500 approbierte Absolventinnen und Absolventen der neuen Psychotherapie-Studiengänge erwartet – 400 sind es bereits in diesem Jahr. Sie alle wissen nicht, wie es für sie weitergehen soll, wenn sie eine Weiterbildung (WB) zur Fachpsychotherapeutin/-therapeuten anstreben, weil die Finanzierung der WB nach wie vor nicht gesichert ist. Der Gesetzgeber hat beim Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz von 2020, die Finanzierung schlicht ausgeklammert. Entsprechend können obligatorische WB-Stellen in ambulanten Praxen nicht angeboten werden. Große Hoffnungen hatten die Psychotherapeuten in eine Regelung im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz gesetzt, das durch den Ampelbruch nun aber nicht mehr verabschiedet wird. Es wird ein massiver Versorgungsengpass befürchtet – bei steigendem Bedarf. PB

RSV-Immunisierung

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat 2024 erstmals eine Empfehlung für eine passive Immunisierung ausgesprochen: die einmalige Gabe von Nirsevimab, einem monoklonalen Antikörper, für Babys in ihrer ersten Saison, in der sie Infektionen mit respiratorischen Synzytialviren (RSV) ausgesetzt sind. Das gilt für alle Neugeborenen und Säuglinge – unabhängig davon, ob Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von RSV-Infektionen bestehen.

Die passive Immunisierung soll bei Kindern, die zwischen Oktober und März zur Welt kamen, möglichst schnell nach der Geburt im Krankenhaus erfolgen. Alle anderen Babys erhalten den Antikörper vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison beim Kinderarzt. Allerdings ist die Immunisierung nicht Teil der Schutzimpfungsrichtlinie, sodass eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit notwendig wurde. aks

RSV-Immunisierung, Foto: picture alliance/Ulrich Baumgarten
RSV-Immunisierung, Foto: picture alliance/Ulrich Baumgarten

https://daebl.de/HA98

RKI-Protokolle, Foto: picture alliance/dpa/Philipp Znidar
RKI-Protokolle, Foto: picture alliance/dpa/Philipp Znidar

https://daebl.de/YF16

Skorbut, Foto: Lysenko.A/stock.adobe.com
Skorbut, Foto: Lysenko.A/stock.adobe.com

https://daebl.de/WM99

RKI-Protokolle

Die COVID-19-Pandemie ist beendet, nicht aber die Debatten darüber. Ein Ausgangspunkt waren immer wieder die umfangreichen Protokolle des Coronakrisenstabs am Robert Koch-Institut (RKI). Sie wurden zunächst in Teilen mit Schwärzungen und später komplett ungeschwärzt veröffentlicht. Vielen gelten die Dokumente heute als Beleg dafür, dass manche Entscheidungen eher nach politischem Gutdünken und weniger auf wissenschaftlicher Basis getroffen wurden. Die Reaktionen reichten bis hin zur Forderung nach einem Rücktritt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Dieser hatte etwa seinen Einfluss auf die Risikoeinstufung Anfang 2022 damit verteidigt, dass er die Fachaufsicht über das RKI habe. Das bedeute nicht „Abnicken“. Eine politische Beeinflussung „durch sachfremde Überlegungen“ sei hingegen nicht vorgekommen. ggr

Skorbut

Bei einer Beinschwäche und Verfärbungen der Oberschenkel sollte man auch an einen Skorbut denken. Davon zeugt ein kanadischer Fallbericht (DOI: 10.1503/cmaj.240769). Skorbut ist keine historische Erkrankung von Seefahrern aus dem 18. Jahrhundert. Auch in heutigen Großstädten können Menschen an einem symptomatischen Vitamin-C-Mangel erkranken. Ein offener Skorbut ist heute zwar selten; doch gab es 2024 mehrere Fallberichte. Und auch ein Vitamin-C-Mangel ist keineswegs selten. In einer repräsentativen Querschnittuntersuchung in den USA, hatten 2017 bis 2018 5,9 Prozent einen Vitamin-C-Mangel. In Großbritannien waren in deprivierten Bevölkerungsgruppen 25 Prozent unterversorgt. In einer geriatrischen Akutstation in Paris wurden vor Jahren bei 18 Prozent der durchschnittlich 86 Jahre alten Patienten mit einem Vitamin-C-Mangel Skorbutsymptome gefunden. rme/mim

Spezialisierte Ethikkommission

Nach Beratungen im Juli im Bundestag und im September im Bundesrat trat am 30. Oktober 2024 das Medizinforschungsgesetz in Kraft. Auf seiner Grundlage wird derzeit die im Vorfeld heftig von Bundesärztekammer und dem Arbeitskreis Medizinischen Ethik-Kommissionen kritisierte „Spezialisierte Ethik-Kommission für besondere Verfahren“ eingerichtet. Diese ist beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angesiedelt und soll ab Juli 2025 besonders komplexe und eilige klinische Prüfungen bearbeiten. Ihre Mitglieder werden direkt vom Bundesgesundheitsministerium berufen und voraussichtlich im Januar 2025 bekannt gegeben. Diese Anbindung an die Regierung stelle die Unabhängigkeit bei der ethischen Bewertung von Studienvorhaben infrage und widerspreche der Deklaration von Helsinki, warnte im Mai auch der 128. Deutsche Ärztetag. ER

Suizidprävention

Nach der im Mai 2024 von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) veröffentlichten Suizidpräventionsstrategie legte das Bundesgesundheitsministerium kurz vor Jahresende einen Entwurf für ein Suizidpräventionsgesetz vor, der am 18. Dezember vom Bundeskabinett noch eilig beschlossen wurde. Ob es der Entwurf vor Ende der Legislatur noch durch den Bundestag schafft, ist unklar. Eigentlich hätte er nach dem Willen des Parlaments schon im Juni 2024 stehen sollen. Mehrfach im Jahr mahnten Ärzteschaft und Fachverbände eine gesetzliche Verankerung der Suizidprävention an. Jetzt befürchten Institutionen der Suizidprävention ein schnelles Festschreiben von Maßnahmen, die der Problematik der Suizidalität nicht gerecht werden. So bemängeln sie, dass der Entwurf zwar eine bundesweite Krisennummer vorsieht, aber kein professionelles Hilfetelefon. ER

Telefonische AU

Missbrauch oder Hilfe? Seit rund 12 Monaten ist es möglich, unter bestimmten Bedingungen auch telefonisch eine Krankschreibung auszustellen. In der Bevölkerung wird dies positiv aufgenommen; aber nur ein Drittel der Menschen hat dies schon einmal in Anspruch genommen. In der Wahrnehmung von Wirtschaftsverbänden und der FDP allerdings stieg der Krankenstand 2024 deutlich an – als Grund wird die „relativ leichte“ Möglichkeit zur AU gesehen.

Dieser Darstellung widersprechen die Bundesärztekammer, die Hausärzte wie auch Krankenkassen. So lasse sich aus den Daten nicht herauslesen, dass sich durch die telefonische AU mehr Menschen krankschreiben lassen, so der AOK-Bundesverband. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband sieht es als eine der „wenigen erfolgreichen politischen Maßnahmen zur Entbürokratisierung“. bee

Telefonische AU, Foto: picture alliance/dpa/Hannes P Albert
Telefonische AU, Foto: picture alliance/dpa/Hannes P Albert

https://daebl.de/RM79

Mpox, Foto: picture alliance/BSIP NIH-NIAID Image Point
Mpox, Foto: picture alliance/BSIP NIH-NIAID Image Point

https://daebl.de/LR82

Nobelpreis, Foto: picture alliance/AP/Steven Senne
Nobelpreis, Foto: picture alliance/AP/Steven Senne

https://daebl.de/BG35

Mpox

Nach dem internationalen Mpox-Ausbruch 2022 mit mehreren Tausend Fällen auch in Deutschland ist die Krankheit 2024 erneut in den Fokus gerückt. Für Beunruhigung sorgte eine neue Variante des Virus: Klade Ib, die womöglich schwerere Verläufe verursacht. Sie hat sich von der Demokratischen Republik Kongo aus ausgebreitet. Die Weltgesundheitsorganisation erklärte im August eine gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite. Inzwischen sind in mehreren afrikanischen Ländern Impfkampagnen mit gespendeten Dosen aus dem Ausland angelaufen. Anforderungen an die Kühlkette erschwerten aber etwa in Nigeria eine zügige Anwendung. Hierzulande traten bisher vereinzelt Infektionen mit Klade Ib auf, die auf Reisen in betroffene Gebiete zurückgehen. Das RKI ging zunächst nicht von einer erhöhten Gefährdung durch Klade-I-Viren in Deutschland aus. ggr

Menopause

Der Antrag der Unionsfraktion zur Nationalen Menopausenstrategie wurde erstmals im Bundestag debattiert und zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Die Fraktionen zeigten sich der Thematik überwiegend aufgeschlossen. Der Antrag enthält unter anderem Vorschläge, die Aufklärungsarbeit zur Menopause auszubauen, die Honorare für Wechseljahrsberatungen und -therapien zu überarbeiten und die Forschung zu stärken.

Auch über den Gender Data Gap wurde viel diskutiert. Positiv bewerteten Fachleute in diesem Zusammenhang die Verabschiedung des Digital- und Datennutzungsgesetzes, die zum Ausgleich des Gender Data Gap beitragen könnten. Der Endometrioseforschung sollen neue Gelder zur Verfügung gestellt werden. Für Zyklusstörungen und Menopause gibt es neue Apps, die teils direkt mit Forschungsprogrammen verknüpft sind. nfs

Mechanische Beatmung

Die mechanische Beatmung ist auf deutschen Intensivstationen weit verbreitet, wie eine auf Real-World-Daten basierende Studie, veröffentlicht im Journal Lancet Regional Health, zeigt. Zugrunde lagen Angaben von etwa einer Million in Deutschland Beatmeten ab 18 Jahren. Die Rate sei verglichen mit Ländern mit einem ähnlichen Gesundheitssystem sehr hoch, so die Autoren. Ähnliches galt für die Krankenhausmortalität, die bei etwa 43 Prozent lag.

Die Studie ist ein interessanter Datensatz, so einige Reaktionen. Sie könne als Grundlage für eine Debatte über die Möglichkeiten und Grenzen der künstlichen Beatmung dienen. Allerdings sollte bei der Beurteilung der Daten berücksichtigt werden, dass sie auf Abrechnungsdaten beruhen. Gegebenenfalls sei die Durchführung der mechanischen Beatmung an spezialisierten Zentren etwa bei komplexen Fällen eine mögliche Maßnahme. aks

Nobelpreis

Der diesjährige Nobelpreis für Physiologie oder Medizin wurde an die US-amerikanischen Forscher Victor Ambros und Gary Ruvkun für die Entdeckung der microRNA (miRNA) und deren Rolle bei der posttranskriptionalen Genregulation verliehen.

Es handelt sich um ein wesentliches und bis 1993 unbekanntes Genregulationsprinzip mehrzelliger Organismen, einschließlich des Menschen. miRNAs kontrollieren posttranskriptional Translation und Abbau von messengerRNA im Zytoplasma und damit die Proteinbildung.

Auf diesen Erkenntnissen basieren inzwischen zahlreiche Forschungsvorhaben, die die Anwendungsoptionen für medizinische Fragestellungen testen. Das gilt insbesondere für die Onkologie, denn die posttranskriptionalen Modifikationen durch die miRNA können beispielsweise die Bildung von Metastasen unterstützen oder bremsen. mls

Nationaler Pandemieplan

Nach der Pandemie ist vor der Pandemie: Aber einen neuen nationalen Pandemieplan (NPP) gibt es in Deutschland bislang nicht. Das monierte der Bundesrechnungshof im September. Vor der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 wird der NPP auch nicht mehr vorgelegt werden, wie es aus dem Bundesgesundheitsministerium hieß. Nachdem Fachleute in Workshops zunächst ein Konzeptpapier erarbeitet hätten, habe die Überarbeitung aber auf Basis eines Beschlusses der Gesundheitsministerkonferenz von Juni begonnen. Während der bisherige NPP (2016/17 aktualisiert) von Influenza ausging, liegt der Fokus nun allgemeiner auf viralen Atemwegserregern mit Pandemiepotenzial. Geplant ist ein digitales modular aufgebautes „lebendes Dokument“, das fortlaufend aktualisiert werden kann und keinen gesonderten wissenschaftlichen Teil mehr enthält. ggr

Notfallreform, Foto: chalongrat/stock.adobe.com
Notfallreform, Foto: chalongrat/stock.adobe.com

https://daebl.de/UE16

Oropouche-Virus, Foto: picture alliance/Jim Gathany CDC
Oropouche-Virus, Foto: picture alliance/Jim Gathany CDC

https://daebl.de/FS99

Organspende, Foto: picture alliance/dpa/Soeren Stache
Organspende, Foto: picture alliance/dpa/Soeren Stache

https://daebl.de/BF18

Notfallreform

An sich waren sich SPD, Grüne und FDP einig, auch die Union stellte in der Anhörung zum Notfallgesetz im Bundestag wohlwollende Fragen. Das Gesetz galt als dritter Teil der großen Krankenhausreform der Ampelregierung. Allerdings fand die Anhörung am 6. November am Nachmittag statt – abends war die Koalition am Ende. Mit der Notfallreform sollten eine telefonische Ersteinschätzung, Integrierte Notfallzentren sowie ein aufsuchender Dienst kommen. Strittig war, ob auch der Rettungsdienst per Änderungsantrag hätte reformiert werden können. Geplant war, den Rettungsdienst in das Sozialgesetzbuches V zu integrieren und damit dem Bund unter anderem die Zuständigkeit für Qualitätsanforderungen zu geben. Die Notaufnahmen sind seit Jahren mit ambulanten Fällen belastet. Viele Modellprojekte zeigen, wie diese entlastet werden könnten. bee

Oropouche-Virus

Von Gnitzen übertragen löst das im Amazonasgebiet endemische Oropouche-Virus ähnliche Symptome wie Dengue aus: plötzliches Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen. Zwar sind Komplikationen selten, doch hat es in diesem Jahr erstmals zwei Todesfälle gegeben. Zudem gibt es vereinzelte vertikale Übertragungen, die zu kongenitalen Anomalien und fetalen Todesfällen geführt haben. Hinzu kommt ein drastischer Anstieg der Infektionen: Bis zum 25. November gab es 11 634 bestätigte Fälle, davon 9 563 in Brasilien, berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Im Sommer erklärten Forschende, dass die Infektionszahlen 2024 in Brasilien 58,8-mal höher lagen als normalerweise im Median (n = 147). Sie gehen von einer genetischen Veränderung des Virus mit erhöhter Virulenz aus. Die WHO mahnte im November an, die Überwachung des Erregers zu verstärken. mim

Organspende

Zu den Gesetzgebungsverfahren, die noch vor den Neuwahlen laufen, zählt eine mögliche Novelle der Organspende hin zu einer Widerspruchsregelung. Die Organspenderegeln in Deutschland würden durch sie von der derzeit erforderlichen aktiven Zustimmung zu einer Organentnahme nach dem Tod auf eine generelle Kultur der Organspende umgestellt werden. Wer diese ablehnt, müsste aktiv widersprechen.

Anfang Dezember beriet der Deutsche Bundestag in erster Lesung den entsprechenden interfraktionellen Gesetzentwurf einer Gruppe von Abgeordneten von SPD, Union, Grünen, FDP und Linken. Zu dem Zeitpunkt hatten diesen rund 220 der 733 Abgeordneten des Parlaments unterzeichnet, darunter Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD). In der letzten Parlamentswoche vor Weihnachten gelangte der Entwurf zu Beratungen in den zuständigen Gesundheitsausschuss. Ob es noch zu einer finalen Abstimmung im Parlament Anfang 2025 kommt, ist aufgrund des Zeitdrucks allerdings fast so ungewiss wie deren Ausgang. 2020 war im Parlament eine Widerspruchsregelung gescheitert und auch jetzt zeigt sich ein breites Meinungsbild.

Die Unterstützenden des erneuten Vorstoßes erklärten die derzeit geltende Entscheidungslösung für gescheitert. Beratung und gute Strukturen in der Organspende seien wichtig, aber die Widerspruchsregelung sei der Baustein, der noch fehle, argumentieren sie. Dabei verweisen sie auf mehr als 8 500 Menschen in Deutschland, die dringend auf ein Organ warten, aber angesichts der stagnierend geringen Organspenderate eventuell vor einer möglichen Transplantation versterben. Gegnerinnen und Gegner der Widerspruchsregelung sehen durch sie jedoch die Grundrechte und vor allem das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper gefährdet. „Schweigen ist keine Zustimmung“, meinen sie und verweisen dabei besonders auf vulnerable Gruppen. Zudem gebe es keine validen Daten, die zeigten, dass eine Widerspruchsregelung die Organspendesituation sprunghaft verbessern würde.

Der Bundesrat hatte im Juni für die Einführung der Widerspruchsregelung votiert. Auch die Ärzteschaft und die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) plädiert für einen Perspektivwechsel. Die Widerspruchsregelung alleine sei zwar nicht die Lösung des Organmangels, könne ihn aber lindern. ER

Unimedizin Lausitz

Anfang Juli 2024 wurde die Medizinische Universität Lausitz – Carl Thiem (MUL), die erste staatliche medizinische Fakultät im Land Brandenburg, aus der Taufe gehoben. Dazu wechselte das Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus von der kommunalen in die Landesträgerschaft.

Derzeit läuft die Besetzung der klinischen Professuren. Ziel ist es, die ersten Medizinstudierenden zum Wintersemester 2026/ 2027 in Cottbus zu immatrikulieren. Geplant sind im Endausbau 200 Medizinstudienplätze pro Jahr, sodass insgesamt etwa 1 200 junge Menschen in Cottbus Medizin studieren können.

Die Kosten für den Aufbau der Universitätsmedizin bis 2038 – insgesamt rund 3,7 Milliarden Euro – werden dabei zu mehr als der Hälfte vom Bund im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen übernommen. Das Land Brandenburg beteiligt sich mit 1,8 Milliarden Euro. ER

Vermittlungsausschuss, Foto: picture alliance/Flashpic Jens Krick
Vermittlungsausschuss, Foto: picture alliance/Flashpic Jens Krick

https://daebl.de/WU84

Vertraulichkeit, Foto: avarand/stock.adobe.com
Vertraulichkeit, Foto: avarand/stock.adobe.com

https://daebl.de/ZH68

Zystadenom, Foto: picture alliance, Uniklinik Magdeburg
Zystadenom, Foto: picture alliance, Uniklinik Magdeburg

https://daebl.de/KU57

Vermittlungsausschuss

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat musste in der Vergangenheit wegen Gesetzen aus der Gesundheitspolitik kaum einberufen werden. Anders 2024: Verhandelt wurde das Gesetz zum Klinik-Transparenz-Atlas, gedroht wurde mit Vermittlungsausschüssen zum Cannabisgesetz und zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG). Beide Drohungen – begleitet von medialem Getöse und Aussagen wie „dann werden wir das Gesetz dort verrotten lassen“ – erreichten aber genau das Gegenteil: Die Reihen der Befürworter schlossen sich oder die Landesregierungen mussten sich aufgrund der unterschiedlichen Auffassung in der Landeskoalition enthalten. Dabei ist der Vermittlungsausschuss eigentlich als Gremium des Ausgleichs der Interessen gedacht, in dem Bund und Länder sich noch einmal zu Verhandlungen treffen können. bee

Vertraulichkeit

Eine der umstrittensten Neuerungen des Jahres waren die vertraulichen Erstattungspreise, die mit dem Medizinforschungsgesetz (MFG) eingeführt wurden. Pharmafirmen haben nun bei neu eingeführten Wirkstoffen die Option, über die mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelten Erstattungspreise unter bestimmten Umständen Vertraulichkeit zu vereinbaren.

Kritiker bemängeln unter anderem die fehlende Transparenz, die beispielsweise die Einhaltung des ärztlichen Wirtschaftlichkeitsgebots unterlaufe, sowie die Entstehung eines neuen Bürokratiemonsters zur Abwicklung der Rückerstattungsansprüche der Krankenkassen. Besonders unangenehm für die Bundesregierung sind die Umstände des Zustandekommens: Recherchen mehrerer Medien zufolge soll es dabei zu Absprachen mit dem Pharmakonzern Eli Lilly gekommen sein. lau

X-Beine

X-Beine sind kein seltenes Phänomen. Nur 15 Prozent der Bevölkerung haben eine neutrale Beinachse, leichte X- und O-Beine und andere Achsabweichungen kommen deutlich häufiger vor. Wichtig wird dies beim Einsatz von Kniegelenkprothesen. Dies ist in Deutschland kein seltener Eingriff: Fast 200 000 sind es jährlich. Das Ziel des Eingriffs ist das „vergessene Knie“, die Operierten sollen das künstliche Kniegelenk sozusagen vergessen. Aber ungefähr 15 bis 20 Prozent sind nach einem solchen Eingriff unzufrieden. Hier rückt nun das individuelle Alignment in den Fokus. Denn bisher wurde prinzipiell eine neutrale Beinachse angestrebt. Doch dies könnte sich künftig ändern und die individuellen Beinachsen in gewissen Grenzen beim Einbau der Kniegelenkprothese berücksichtigt werden. Ein X-Bein gilt jedoch meistens als nicht gesund, sodass eher eine gerade Beinachse angestrebt wird. aks

Zystadenom

Einer jungen Frau wurde Anfang des Jahres ein sehr großer benigner Tumor am Eierstock entfernt. Dabei handelte es sich um ein 32 Kilogramm schweres Zystadenom. Die Operation erfolgte an der Universitätsfrauenklinik in Magdeburg.

Während des Eingriffs stellte das Operationsteam fest, dass bereits Verwachsungen mit dem Darm und dem Bauchnetz bestanden. Das Zystadenom ließ sich jedoch vollständig und komplikationslos entfernen. Die 24-jährige Patientin konnte das Krankenhaus nach einer Woche wieder verlassen.

Der Tumor hatte sich über einen längeren Zeitraum entwickelt. Die junge Patientin suchte schließlich ärztliche Hilfe auf. Sie litt an durch den Tumor bedingten Beschwerden. Dazu gehörten Atemnot, Schweregefühl und Gewichtsverlust aufgrund der eingeschränkten Nahrungsaufnahme. aks

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Kennen Sie unsere Fachgebiet-Newsletter?

  • Dermatologie
  • Diabetologie
  • Gastroenterologie
  • Gynäkologie
  • Infektiologie
  • Kardiologie
  • Neurologie
  • Onkologie
  • Ophthalmologie
  • Pädiatrie
  • Pneumologie
  • Psychiatrie
  • Rheumatologie + Orthopädie
  • Urologie

Stellenangebote

    pFad - Phonifier reborn

    Pfad - The Proxy pFad of © 2024 Garber Painting. All rights reserved.

    Note: This service is not intended for secure transactions such as banking, social media, email, or purchasing. Use at your own risk. We assume no liability whatsoever for broken pages.


    Alternative Proxies:

    Alternative Proxy

    pFad Proxy

    pFad v3 Proxy

    pFad v4 Proxy