Res medica, res publica
Über Dachlatten und Dachdecker
Mittwoch, 3. Februar 2016
„PM Verbändevereinbarung Dachlatten“, lautet die Betreffzeile im Maileingang. Stimmt sich die Absenderin schon auf die närrischen Tage ein? Nein, die Pressereferentin im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes empfiehlt die beigefügte Pressemitteilung zur ernsthaften Lektüre. Denn es gibt tatsächlich eine „Verbändevereinbarung“ über die Dachlatte, die von den Verbänden der Zimmerleute, Dachdecker, der Sägewerke und des Holzhandels sowie von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) abgeschlossen wurde.
Ihr Inhalt: Jeder Dachlatte soll man es auf den ersten Blick ansehen, ob sie über die notwendige Festigkeit gemäß der europäischen Norm EN 14081 verfügt, auf deren Grundlage das CE-Kennzeichen vergeben wird. Normgerechte Dachlatten werden zusätzlich zum CE-Zeichen mit einer roten Farbmarkierung an der Stirnseite gekennzeichnet.
„Damit kann der ausführende Handwerker direkt vor Ort erkennen, dass es sich eindeutig um eine Dachlatte handelt,“ lautet die Begründung, die zwar etwas seltsam klingt. Aber man weiß, was gemeint ist. Die Dachlatte, „die neben der Last der Dachdeckung während der Dachdeckungsarbeiten auch den Zimmermann oder Dachdecker tragen muss“, darf unter der doppelten Last nicht brechen.
Unfälle bei der Arbeit sind ein ernstes Thema, wie ein Blick in die Statistik der DGUV zeigt: Im ersten Halbjahr 2015 gab es in Deutschland 200 tödliche Arbeitsunfälle und zusätzlich 140 tödliche Unfälle auf dem Weg zur oder von der Arbeit. Zwar ist die Gesamtzahl der Arbeitsunfälle zuletzt zurückgegangen, 2014 kamen bei Arbeitsunfällen aber 483 Menschen ums Leben, 28 mehr als im Jahr zuvor. Anders ausgedrückt: Alle 18 Stunden verunglückt statistisch gesehen ein Mensch bei der Arbeit tödlich.
Wieso eigentlich steht dieses Thema so wenig im Blickpunkt der Öffentlichkeit? Die Verhinderung von Arbeitsunfällen ist nicht nur eine Aufgabe für Fachleute. Sie beginnt mit ganz einfachen Dingen, wie die Dachlatte zeigt.