Sea Watch 2
Noch mehr Wind, noch mehr Seegang, Chaos auf dem Schiff
Montag, 31. Oktober 2016
Samstag, 29.10.2016
Noch mehr Wind, noch mehr Seegang, Chaos auf dem Schiff
Um sieben Uhr zur Wache auf der Brücke. Vorher war ich im Bad, habe geduscht. Bei diesem Seegang ist das eine echte Herausforderung. Beim Zähneputzen halte ich mich mit einer Hand am Waschbecken fest und stoße dennoch an die Wand links und rechts von mir. Das Duschen ist eine noch größere Herausforderung, Stehen auf einem Bein ist unmöglich, der von der Seife rutschige Boden erschwert es zusätzlich, das Gleichgewicht zu halten und nicht auf die Nase zu fallen.
Plötzlich wird es dunkel – Stromausfall. Das kommt immer wieder vor, denn die Generatoren laufen nicht zuverlässig. Ich bin darauf vorbereitet, habe immer meine Taschenlampe dabei. Auf der Brücke ist dies problematischer. Der Autopilot und die Lenkung des Schiffes benötigen Strom, ist dieser unterbrochen ist das Schiff manövrierunfähig. Peter, der als Erster Maschinist an Bord ist, kann das Problem jedoch immer schnell lösen, so dass keine größeren Schwierigkeiten aufkommen.
Der Wind und die Wellen nehmen zu. Es ist kaum mehr möglich, sich gefahrlos über das Schiff zu bewegen. Auch wenn man sich mit beiden Händen an der Griffen, Geländern, Wänden, Türrahmen festhält, wird man dennoch in alle Richtungen geworfen, stößt an die Wände, stolpert.
Auf dem Schiff herrscht chaotische Unordnung. Obwohl wir vieles in Schubladen verstaut haben und diese verriegelt haben, fliegen überall Gegenstände herum, rollen über den Boden. Die Böden in den Toiletten sind nass, da die Spülkästen bei starken Schwanken überschwappen. Die Küche ist vollkommen durcheinander gewirbelt, aus den Kühlschränken fließen Essensreste, da die Gefäße darin umgeworfen wurden.
Der Boden auf der Brücke ist ebenfalls nass, denn durch die Türen zu beiden Seiten dringen Regenwasser und Gischt ein. Die See ist nun noch unruhiger, der Wind nimmt zu. Die Wellen sind sicher fünf Meter hoch, einige sogar höher. Die Wellen klatschen donnernd an den Bug und den Rumpf, die Gischt spritzt meterhoch. Das Schiff wird hoch auf die Wellen gehoben als sei es eine Blechdose ohne Gewicht und taucht in den Tälern mit dem Bug so tief ein, dass auch die Bugreling tief unter Wasser ist. Das Wasser schwappt über das Anker- und das Brückendeck und platscht an die Scheiben der Brücke. Ich bin immer erleichtert, wenn der Bug wieder auftaucht.
Das Schiff rollt, es dreht sich um seine Längsachse, und lehnt sich dabei weit zu beiden Seiten herab, und es stampft, es dreht sich um seine Querachse, und hebt dabei seinen Bug so hoch empor, dass wir nur noch den Himmel im Blick haben, und es senkt sich so tief hinab, dass sich vor unserem Blick riesige Wasserberge auftürmen. Aus den Schubladen, in denen die verstauten Gegenstände hin- und hergeworfen werden, dringt im Rhythmus des Seegangs unruhiges Klappern hervor. Türen knallen, aus den Wänden dringt erschöpftes Knarzen hervor.
Es fällt schwer zu laufen und auch auf einem Stuhl zu sitzen. Viele liegen im Bett und auf den Bänken in der Messe. Jon versorgt uns mit Kaffee und Tee auf der Brücke, allein den Becher so zu halten, dass der Inhalt nicht überschwappt, ist eine Herausforderung.
Am späten Abend erreichen wir Malta. Die Küste taucht aus dem Nebel hervor, der Himmel zieht auf und wir können die Lichter der Insel gut erkennen. Der Hafen liegt an der Nordostküste der Insel. Da der Wind aus ebendieser Richtung kommt, türmen sich die Wellen an der Hafeneinfahrt über sechs Meter hoch, so dass die Positionslichter an der Hafeneinfahrt nicht sicher zu sehen sind und daher die Zufahrt zum Hafen gesperrt bleibt. Wie viele andere Schiffe halten wir uns daher im Windschatten der Insel auf und fahren vor der Südküste Maltas nahe am Ufer langsam auf und ab. Die See ist hier nun verhältnismäßig ruhig, so dass sich auch diejenigen, die unter der Seekrankheit litten, langsam erholen können. Wir erwarten, dass wir am Morgen in den Hafen einlaufen können.
Morgen gehört das Schiff noch uns. Wir werden die Zeit benötigen, das Schiff aufzuräumen, zu reinigen und so für die nächste Crew, die in den kommenden Tagen in See stechen wird, vorzubereiten. Die Übergabe findet am Montag statt.