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Res medica, res publica

Res medica, res publica

Gesundheit ist eine öffentliche Sache. Das war schon 1907 so, als William Ewart seine Antrittsvorlesung am St. George's Hospital in London unter den Titel "Res medica, res publica" stellte. Wo muss der Staat handeln und wie? Was bedeuten gesundheitspolitische Vorschläge, wenn man sie zu Ende denkt? Gedanken dazu von Heinz Stüwe, Fachjournalist für Wirtschaft, Sozial- und Gesundheitspolitik.

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Res medica, res publica

Was Deutschland essen darf

Freitag, 22. Januar 2016

Am kommenden Wochenende dürfte es noch mal voll werden auf dem Berliner Messegelände, denn am Sonntag endet die „Internationale Grüne Woche“. Die Organisatoren versprechen den Besuchern eine „Genussreise durch Deutschlands Regionen“. Genuss? Den in Aussicht zu stellen, wenn es ums Essen geht, berührt schon die Grenze des noch gerade Zulässigen. Denn die political correctness hat längst auch das Thema Lebensmittel erreicht.

Wer sich öffentlich zum Thema Ernährung äußert, bewegt sich auf schwierigem Terrain. Das musste jetzt Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, erfahren. Der CSU-Politiker hatte beim renommierten Meinungsforschungsinstitut Forsa eine Umfrage zum Essverhalten in Auftrag gegeben. Klingt harmlos. Politisch unverfänglich, dachte der Minister vermutlich. „Ein Dokument der Beschönigung und der politisch gewollten Untätigkeit“ sei der Report mit den Umfrageergebnissen“, schimpfte dann jedoch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in einer Pressemitteilung.

Unter dem Titel „Deutschland, wie es isst“ hatte das Ministerium Erkenntnisse verbreitet, wie beispielsweise die, dass 47 Prozent der Männer, aber nur 22 Prozent der Frauen täglich Fleisch essen und dass nur drei Prozent der Befragten Vegetarier sind. Außerdem ist es nun amtlich, dass Frauen keineswegs mehr naschen als Männer.

Regt sich darüber die DDG auf? Eher nicht. Über die Tatsache, dass 76 Prozent der Frauen und 62 Prozent der Männer für sich in Anspruch nehmen, im Alltag auf eine ausgewogene Ernährung zu achten? Ja, tatsächlich. „Diese Darstellung des Ministeriums widerspricht fundamental der Ernährungsrealität in Deutschland“, schreibt die wissenschaftliche Fachgesellschaft.

Allerdings soll es auch bei anderen Befragungen schon vorgekommen sein, dass Selbsteinschätzung und Realität nicht deckungsgleich sind. Die DDG kreidet dem Minister jedoch an, dass er in der Broschüre mit den Umfrageergebnissen nicht den viel zu hohen Verbrauch von Zucker, Fett und Salz in den Mittelpunkt gerückt hat, ebenso nicht die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Frauen und zwei Drittel der Männer übergewichtig sind.

Schmidts Forderung, ein Schulfach Ernährung einzuführen, wertet die DDG als Ablenkungsmanöver, weil der Landwirtschaftsminister dafür nicht zuständig sei. Ist der Vorschlag deshalb falsch? Die medizinische Fachgesellschaft fordert sinnvollerweise eine bessere Lebensmittelkennzeichnung, vor allem aber eine Besteuerung ungesunder und eine Verbilligung gesunder Lebensmittel. Fast Food, Cola verteuern und Alkohol sowieso, damit die Menschen es verschmähen und schlank und gesund bleiben – wenn es mit der Prävention so einfach wäre! In Skandinavien dürfte es dann keine Menschen mit Alkoholproblemen geben. Überdies: Zur Freiheit des Einzelnen gehört auch die Freiheit, sich ungesund zu ernähren.   

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